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11 RJz 7/79

Gründe I.

Der Kläger ist rassisch Verfolgter, lebt in Australien und erhält seit 1967 von der Beklagten ein Altersruhegeld. Im Oktober 1970 beantragte er unter Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung der Hospital B.A. (H.B.A.), wonach er seit 1965 bei ihr versichert sei, die Gewährung eines Beitragszuschusses. Nach anfänglicher Ablehnung, weil es an einer Krankheitskostenvollversicherung fehle, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 1973 den Beitragszuschuß ab Juli 1967. Mit Bescheid vom 3. Februar 1967 stellte sie die Zahlung ab 1. Juli 1975 ein, weil von diesem Zeitpunkt an in Australien das staatliche Krankenversicherungssystem „Medibank“ eingeführt worden sei, das auch den Kläger erfasse und ihm einen ausreichenden Krankenschutz biete.

Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren auf die Zeit ab 1. Oktober 1976 beschränkte Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, ein Anspruch des Klägers sei schon durch die Einbeziehung des Klägers in das australische staatliche Krankenschutzsystem ausgeschlossen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. September 1978 (SozR 2200 § 381 Nr. 30) habe „Medibank“ den an einen Ausschluß vom Beitragszuschuß zu stellenden Anforderungen genügt. Das müsse auch für die Zeit ab 1. Oktober 1976 gelten. Zwar habe von diesem Zeitpunkt an eine Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht zur Medibank beim Nachweis eines privaten Krankenversicherungsschutzes bestanden. Die Befreiung habe jedoch einen Antrag vorausgesetzt, den der Kläger nicht gestellt habe. Zudem stelle der private Versicherungsschutz eine bloße Zusatzversicherung dar, die eine Befreiung nach australischem Recht nicht ermöglicht habe. Die Versicherung bei der H.B.A. genüge auch nicht den Voraussetzungen für einen Beitragszuschuß nach dem Recht der Bundesrepublik, weil sie keinen Schutz wie einem freiwillig versicherten Inlandsrentner biete. Um eine bloße Zusatzversicherung handele es sich deshalb, weil die Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln vollständig vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus weiteren Änderungen der australischen Rechtslage. Das gelte sowohl für die Herabsetzung des erstattungsfähigen Anteils der ärztlichen Behandlungskosten von 85 v.H. auf 75 v.H. ab 1. Juli 1978 als auch für die Neuordnung ab 1. November 1978. Von diesem Zeitpunkt an sei das System „Medibank“ völlig weggefallen. Statt dessen habe nunmehr jeder Einwohner Australiens einen Anspruch gegen den Staat auf Erstattung von ärztlichen Behandlungs- und Krankenhauskosten in bestimmter Höhe. Dabei würden die ambulanten Behandlungskosten lediglich in Höhe von 40 v.H. der durch die Gebührenordnung festgesetzten Beträge erstattet. Die Behandlung in einem Standard-Ward sei weiterhin kostenfrei. Habe der Berechtigte aber eine private Krankenversicherung abgeschlossen, die eine Behandlung durch einen Arzt eigener Wahl und der Unterbringung in einer besseren Pflegeklasse zum Gegenstand habe, so bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten im Rahmen der 40 v.H.-Klausel. Auch dieses System stelle angesichts der Rechtsprechung zu § 173a der Reichsversicherungsordnung - RVO - (SozR 2200 § 173a Nr. 4) noch eine ausreichende Vollversicherung dar; der Leistungsumfang entspreche der Art nach dem der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung; auf den Umfang der Kostendeckung komme es nicht an. Unerheblich sei auch, daß der Kläger Verfolgter sei.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß),

  • die angefochtenen Vorentscheidungen aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung des Beitragszuschusses ab 1. Oktober 1976 zu verurteilen.

Er macht geltend, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß die Befreiung von der Erfassung durch Medibank einen Antrag vorausgesetzt habe und daß die Voraussetzungen einer Befreiung nicht vorgelegen hätten; er sei vielmehr befreit gewesen. Das LSG habe verkannt, daß in Australien alle wichtigen und gebräuchlichen Arzneien und Heilmittel gegen Zahlung eines Kostenbeitrages an den Apotheker frei erhältlich seien und daß es daher insoweit eines Versicherungsschutzes nicht bedürfe. Das seit dem 1. November 1978 bestehende Krankenschutzsystem könne nicht mehr als Vollversicherung angesehen werden.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Gründe II.

Die Revision ist nur zum Teil begründet; der Kläger hat seit dem 1. Juli 1977 Anspruch auf den Beitragszuschuß.

Ein Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO a.F. und - ab 1. Juli 1977 - § 83e Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) setzt voraus, daß der Berechtigte eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, nicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, aber entweder dort freiwillig oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert ist. Diese Voraussetzungen kann auch ein Rentner im Ausland erfüllen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -) verbietet es allerdings, ihn besser zu stellen als einen Inlandsrentner; er kann also einen Beitragszuschuß nur erhalten, wenn kein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem ihn bereits als Mitglied erfaßt. Als ein solches Krankenschutzsystem hat die Rechtsprechung des BSG früher jedes System angesehen, das der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung wenigstens annähernd vergleichbar ist (SozR 2200 § 381 Nrn. 22, 30). In seinen Urteilen vom 2. August 1979 (SozR 2200 § 381 Nr. 33) und vom 15. November 1979 (11 RJz 4/79) hat der Senat jedoch unter teilweiser Abweichung von dieser, von ihm zunächst fortgeführten Rechtsprechung (SozR § 381 Nr. 30) die Zugehörigkeit zu einem ausländischen gesetzlichen Krankenschutzsystem den Anspruch auf Beitragszuschuß nur dann mehr ausschließen lassen, wenn das ausländische System im Leistungsumfang - selbst wenn es nur Kosten ersetzt - der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung im wesentlichen gleicht (im Ergebnis gleichkommt); die Leistungsbedingungen dürfen, wie in den Urteilen vom 2. August und 15. November 1979 ausgeführt und begründet worden ist, von den in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik bestehenden darum allenfalls in einem unwesentlichen oder geringfügigen Ausmaß abweichen. Hieran hält der Senat fest.

Hiervon ausgehend kann dahingestellt bleiben, ob und wielange der Kläger in der streitig gebliebenen Zeit ab dem 1. Oktober 1976 Mitglied der „Medibank“ gewesen ist. Denn entgegen der vom Senat noch im Urteil vom 15. September 1978 (SozR 2200 § 381 Nr. 30) vertretenen Meinung hat die Zugehörigkeit zu diesem System nach der neueren Rechtsprechung des Senats schon in der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zu den Änderungen zum 1. Juli 1978 keinen Ausschluß vom Beitragszuschuß rechtfertigen können. Da schon damals bei Arztkosten nur 85% der Standardgebühren und bei Zahnbehandlung, augenärztlicher Behandlung (hier regelmäßig) sowie bei Hilfsmitteln (wie Brillen und Hörgeräten) keine Kosten erstattet worden sind, sind die Leistungsbedingungen von Medibank mehr als unwesentlich oder geringfügig von den in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zur gleichen Zeit bestehenden abgewichen; diese hat ihren Versicherten Krankheitskosten in den genannten Bereichen ganz oder doch bedeutend weitgehender als bei Medibank (bei der Zahnbehandlung) erspart. Die wesentliche Abweichung zum Nachteil der Versicherten hat auch nach dem Juni 1978 fortbestanden, zumal nunmehr sogar nur noch 75% der Standardgebühren für ärztliche Behandlung erstattet worden sind und der Erstattungssatz ab dem 1. November 1978 noch mehr herabgesunken ist. Ob damit noch die Bedingungen für eine Befreiungsversicherung i.S. des § 173a RVO gewahrt waren, die nur „der Art nach“ den Leistungen der gesetzlichen Krankenhilfe entsprechende Leistungen verlangt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Gleichwohl steht dem Kläger ein Beitragszuschuß aber nur für die Zeit ab dem 1. Juli 1977, nicht auch für die vorangehende ebenfalls streitige Zeit ab 1. Oktober 1976 zu. Denn seine private Versicherung bei der H.B.A. genügte nach der bis zum 1. Juli 1977 gegebenen Rechtslage nicht den Erfordernissen, die an eine private Versicherung i.S. des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO a.F. zu stellen waren. Dazu bedurfte es einer sog. Vollversicherung, die zwar bei der Versorgung mit Medikamenten lückenhaft sein konnte, eine solche aber doch nicht gänzlich ausschließen durfte (so zuletzt Urteil des Senats vom 27. April 1978 - 11 RJz (3 RK) 48/77 -). Gerade das ist aber bei der privaten Versicherung des Klägers der Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und warum er möglicherweise von einer Deckung dieses Risikos absah; auch die von ihm dargelegte Subventionierung von Medikamenten schließt jedenfalls eine Kostenbelastung in diesem Bereich nicht aus.

Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Zeit seit dem 1. Juli 1977, also unter der Herrschaft von § 83e AVG. Schon in den Urteilen vom 2. August und 15. November 1979 hat der Senat angedeutet, daß jetzt kein Anlaß mehr bestehe, die Anforderungen an den Umfang der privaten Krankenversicherung zu überdehnen; es dürfe nicht unbeachtet bleiben, daß der Beitragszuschuß nunmehr die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die private Krankenversicherung nicht mehr übersteigen könne. Auch bei der diesmal zu treffenden Entscheidung meint der Senat, daß im Hinblick hierauf und wegen der zusätzlichen Begrenzung auf höchstens 11% der Monatsrente das Erfordernis der „Vollversicherung“ in dem früher verstandenen Sinne nicht aufrechterhalten werden kann. Früher galt es zu verhindern, daß ein der Höhe nach feststehender Beitragszuschuß für eine Versicherung gewährt wurde, deren Prämien wesentlich geringer waren und die - oft deshalb - nur einen unzureichenden Schutz gegen das Krankheitsrisiko bot (vgl. SozR Nr. 6 zu § 381 RVO). Dieser Gefahr der Diskrepanz in der Höhe von Prämie und Beitragszuschuß ist jetzt begegnet.

Die Neuregelung ab dem 1. Juli 1977 hat darüber hinaus den Gesetzesaufbau so umgestaltet, daß jetzt die private Versicherung bei einem Krankenversicherungsunternehmen nicht mehr wie noch nach der Struktur des § 381 Abs. 4 RVO a.F. an den Bedingungen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der RVO gemessen werden muß (vgl. dazu SozR Nrn. 6 und 35 zu § 3811 RVO). Beide Versicherungen stehen nach dem Gesetzeswortlaut gleichwertig nebeneinander. Unter diesen Umständen muß aber stärker als früher beachtet werden, daß das Gesetz in § 83e Abs. 1 Satz 1 AVG an den Umfang der privaten Krankenversicherung anders als z.B. in § 173a RVO keine Anforderungen stellt. Das kann zwar nicht dazu führen, hier jede Versicherung, gleichgültig welchen Umfangs, genügen zu lassen; es muß aber nun als ausreichend angesehen werden, daß sie jedenfalls einen Krankenversicherungsschutz von nennenswerter Bedeutung bietet.

Dafür spricht auch die Gesamttendenz der Neuregelung, individuellere, dem Einzelfall eher gerecht werdende Ergebnisse zu erzielen (vgl. BT-Drucks. 8/165 S. 38). Damit kann insbesondere mehr als bisher auf die Verhältnisse im Ausland Rücksicht genommen werden, die schon nach der früheren Rechtsprechung das Verlangen einer Vollversicherung nicht immer rechtfertigten (vgl. SozR Nrn. 24 und 35 zu § 381 RVO). Die Neuregelung muß in Kauf nehmen, daß die Betroffenen sich wegen der Begrenzung der Höhe des Beitragszuschusses auf 11 % der Monatsrente vielfach nicht mehr in gleicher Weise gegen das Krankheitsrisiko absichern können, wie ein nach der RVO Versicherter dagegen geschützt ist. Um so mehr besteht dann aber die Notwendigkeit, bei Lücken im Versicherungsschutz den Beitragszuschuß jedenfalls nicht gänzlich zu versagen. Wenn er in diesem Falle auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen begrenzt wird, bleibt seine Gewährung noch sinnvoll genug. Es ist daher seit dem 1. Juli 1977 unschädlich, wenn Teilbereiche des Krankheitsrisikos durch die private Krankenversicherung nicht abgedeckt werden; ebensowenig ist es erforderlich, daß der Prämienaufwand eine Höhe erreicht, die im Regelfall eine Vollversicherung verbirgt bzw. vergleichbare Bezugswerte erreicht.

Die bei den Medikamenten bestehende Lücke im privaten Versicherungsschutz des Klägers ist daher für die Zeit ab dem 1. Juli 1977 unschädlich. Nach den Feststellungen des LSG ist anzunehmen, daß der Krankenversicherungsschutz des Klägers gleichwohl noch von nennenswerter Bedeutung ist; es ist jedenfalls kein Anhalt gegeben, daß bei der ambulanten und der stationären Behandlung der Versicherungsschutz als unerheblich zu werten sei.

Nach alledem war, wie geschehen, mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge zu entscheiden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Verurteilung der Beklagten für die Zeit ab dem 1. Juli 1977 bedeutet dabei eine Verurteilung dem Grunde nach i.S. des § 130 SGG; sie wird die Höhe des Beitragszuschusses noch besonders zu ermitteln und in einem Bescheid an den Kläger festzusetzen haben.

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