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11 RA 46/78

Aus den Gründen:

Die Klägerin begehrt von der beklagten BA Altersruhegeld. Sie wohnt seit Oktober 1970 in der Bundesrepublik und ist anerkannte Vertriebene aus Ungarn. Dort war sie von September 1926 bis August 1948 als Angehörige der Kongregation der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau als Lehrerin an römisch-katholischen Volksschulen tätig. Nach ihren Angaben ließ der Direktor der Schule ihr Gehalt unmittelbar dem Kloster zukommen; sie hatte jedoch den Empfang durch Unterschrift zu bestätigen. Nach der Verstaatlichung der Schulen in Ungarn im Juni 1948 erklärte sie sich zum Übertritt in den Staatsdienst bereit und konnte deshalb weiter unterrichten, bis sie im August 1948 wegen einer Lungenerkrankung behandlungsbedürftig wurde. Nach ihren Angaben erhielt sie noch für einige Monate ihr volles Gehalt, sodann Invalidenpension bzw Invalidenrente und nach Vollendung des 55. Lebensjahres Altersrente. Einen Anspruch auf kirchenrechtliche Versorgung hat sie nicht, da sie seit 1950 keiner Ordensgemeinschaft mehr angehört. Ihr Antrag auf Versorgung nach dem G 131 war bisher erfolglos.

Den Rentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte ab. Der Klage gab das LSG nach Abweisung im ersten Rechtszuge statt.

Die Revision ist iS der Zurückweisung begründet.

Das LSG hat die Wartezeit des § 25 Abs. 7 S. 2 AVG als durch Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG erfüllt angesehen. Diese Auffassung findet in den bisher getroffenen Feststellungen keine ausreichende Stütze.

Nach § 16 S. 1 FRG steht eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung ua in Ungarn verrichtete Beschäftigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des Gesetzes, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, soweit sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt; vorausgesetzt wird ferner, daß diese Beschäftigung - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nach dem am 1.3.1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht begründet hätte, wenn sie im Bundesgebiet verrichtet worden wäre (§16 S. 2 FRG).

Das LSG ist davon ausgegangen, daß die in Frage stehenden Zeiten nicht mit Beitragszeiten (§ 15 FRG) zusammenfallen; es hat auch keine Feststellungen getroffen, aus denen auf das Vorliegen von Beitragszeiten zu schließen wäre. Dem steht nicht entgegen, daß die Zeiten bei der Feststellung der der Klägerin in Ungarn nach 1948 aus der dortigen RV gewährten Renten offenbar wie Beitragszeiten behandelt, ihnen zumindest gleichgestellt worden sind. Damit haben diese Zeiten nachträglich allenfalls den Charakter von Ersatzzeiten, nicht jedoch von Beitragszeiten der RV erhalten. Von einer Beitragsnachentrichtung abgesehen, liegen Beitragszeiten iS des § 15 FRG nur vor, wenn der Versicherte während der Zeiten, spätestens aber mit dem Ende der Zeiten (in diesem Falle: ex tunc) - wenn auch möglicherweise ohne konkrete Beiträge - in ein auf Beitragsleistung (einem „irgendwie gearteten Beitragsaufkommen", vgl BSGE 6, 263, 265) beruhendes Sicherungssystem einbezogen war (BSG SozR Nr. 16 zu § 15 FRG; BSG SozR 5050 § 15 Nrn 8 und 9); eine spätere Einbeziehung genügt dagegen nicht (BSG SozR Nr. 6 zu § 1 FRG; BSG SozR 5050 §15 Nr. 1). Dem von der Beklagten zitierten Urteil des 1. Senats vom 31.8.1977 - 1 RA 13/76 - ist ein gegenteiliger Standpunkt nicht zu entnehmen; in den Gründen findet sich kein Anhalt dafür.

Bei der somit möglichen Anwendung des § 16 FRG hat das LSG zu Recht nicht geprüft, ob bei der Klägerin ein Sachverhalt vorlag, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 AVG alter oder neuer Fassung im Bundesgebiet Versicherungspflicht begründet hätte. § 16 FRG stellt vielmehr auf eine im fremden Gebiet „verrichtete Beschäftigung" ab. Eine solche hat das LSG bejaht. Daß die Klägerin in den streitigen Zeiten eine Beschäftigung iS des § 16 FRG verrichtet habe, hat es daraus gefolgert, daß der ungarische Gesetzgeber den Zeiten nachträglich im Wege einer Fiktion den Charakter von Dienstzeiten und somit von Beschäftigungszeiten verliehen habe. Dieser Auffassung kann der erkennende Senat nicht folgen. Denn ob zu einer früheren Zeit eine Beschäftigung iS des § 16 FRG vorlag, kann in tatsächlicher Hinsicht nur aufgrund der damals gegebenen Verhältnisse und in rechtlicher Hinsicht nur unter Anwendung des für das deutsche Recht geltenden Begriffs der Beschäftigung entschieden werden. Es ist daher im Rahmen des § 16 FRG unerheblich, was die ungarische Nachkriegsgesetzgebung über frühere Zeiten im nachhinein bestimmt hat.

§ 16 FRG verbindet mit dem Begriff der Beschäftigung den gleichen Sinn wie § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG (BSGE 23, 69, 71 = SozR Nr. 3 zu § 16 FRG). Danach ist Beschäftigung eine fremdbestimmte Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit (vgl BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1). Ob die Klägerin in den streitigen Zeiten in dieser Weise beschäftigt war, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Das LSG hat im Gegenteil bewußt offengelassen, ob ursprünglich ein Beschäftigungsverhältnis vorlag.

Hiernach muß der Rechtsstreit an das LSG zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Das LSG wird nunmehr prüfen müssen, ob die Klägerin während der streitigen Zeiten iS von § 16 FRG beschäftigt war. In Betracht käme ein Beschäftigungsverhältnis zu den Schulträgern (vgl BSGE 13, 76, 77 = SozR Nr. 1 zu § 56 AVAVG; BSGE 28, 208, 210 = SozR Nr. 7 zu MitgliederkreisVO Allg. vom 26. 10. 1978; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 40. Nachtrag S. 618a; Eicher / Haase / Rauschenbach, Die RV der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl. Anm. 19a zu § 1227 RVO). Dabei wäre in erster Linie darauf abzustellen, ob der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Schulträger oder zwischen diesem und dem Orden abgeschlossen ist; es ist aber auch die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß nach ungarischem Recht die Klägerin durch einen zwischen dem Orden und dem Schulträger abgeschlossenen Vertrag unmittelbar verpflichtet wurde oder daß sie einem Weisungsrecht im Rahmen der Dienstaufsicht unterworfen war, das über das fachliche Weisungsrecht etwa des Arztes gegenüber der aufgrund eines Gestellungsvertrages tätigen Krankenschwester (vgl BSGE 28, 208, 210 f) hinausging und den Tatbestand einer vollen Eingliederung in den „Betrieb" des Schulträgers erfüllte.

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