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4/5 RJ 46/77

Aus den Gründen:

Die 1907 in Ungarn geborene Klägerin (Ungardeutsche) ist als Vertriebene anerkannt. Im Verfahren vor dem Berufungsgericht hat sie angegeben, sie habe seit März 1920 auf dem landwirtschaftlichen Anwesen ihres Onkels in R. (Ungarn) gelebt und als landwirtschaftliche Hilfe bis zum Jahr 1934 gearbeitet. Sie habe freie Kost und Wohnung erhalten, „jährlich dreifach Wäsche, Kleidung und Schuhe", sowie im zweiten Jahr ihrer Tätigkeit 100 kg, im dritten Jahr 200 kg und vom vierten Jahr ab jeweils 300 kg Weizen, aber kein Bargeld. Im November 1927 habe sie geheiratet, dann habe auch ihr Ehemann auf dem Hof gewohnt und jeweils in der Saison dort gearbeitet. Von der Heirat an habe sie freie Kost für die gesamte Familie sowie die notwendigen Kindersachen erhalten. Im Jahr 1934 habe sie mit ihrem Ehemann die Landwirtschaft des Onkels je zur Hälfte in Eigentum übernommen und diese bis Kriegsende bewirtschaftet.

Die beklagte LVA hat den Antrag der Klägerin auf Rente wegen EU abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Das SG hat die Beklagte beurteilt, der Klägerin Rente zu gewähren. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden mußte. ...

§ 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO, wonach versicherungsfrei ist, wer als Entgelt für eine Beschäftigung, die nicht zur Berufsausbildung ausgeübt wird, nur freien Unterhalt erhält, ist keine Vorschrift über die Beschränkung der Versicherungspflicht nach der Höhe des Arbeitsverdienstes iS des § 16 S. 2 Halbs. 2 FRG. Das hat zur Folge, daß für eine Beschäftigung im Herkunftsland, für die als Entgelt „nur freier Unterhalt" gewährt wurde, keine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG anzurechnen ist. § 16 FRG besagt nicht, daß nur allgemein eine an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung im Herkunftsland ausgeübt worden sein müsse, sondern bedeutet, daß die im Herkunftsland konkret ausgeübte Beschäftigung im Bundesgebiet Versicherungspflicht begründet haben muß (vgl Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl., Anm. 11 zu § 16 FRG). § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO bestimmt Versicherungsfreiheit nicht wegen „Geringfügigkeit" des Entgelts, wie Abs. 2 Buchst b des § 1228 RVO idF vom 23. 2. 1957, sondern wegen der Art der Entgeltgewährung durch freien Unterhalt in Form von Sachbezügen (vgl Zweng / Scheerer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. II B zu § 1228 RVO). Die Voraussetzung des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO, daß „nur" freier Unterhalt gewährt wird, ist nicht ausgeschlossen, wenn zu den den freien Unterhalt umfassenden Sachwerten ein sog. Taschengeld zur Befriedigung geringfügiger Lebensbedürfnisse gewährt wird. Einem solchen kleinen Taschengeld in bar steht gleich, wenn entsprechend unbedeutende Sachwerte gegeben werden, die durch Veräußerung oder sonstige Verwertung die Befriedigung solcher geringfügiger Lebensbedürfnisse ermöglichen. Wer dagegen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ein über den freien Unterhalt hinausgehendes Entgelt - einen die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Barlohn oder entsprechende Sachwerte - bezieht, ist versicherungspflichtig nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO (vgl auch Nr. 5 aaO idF des RRG; ferner RVA in AN 1892, 120 und AN 1896, 271; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, § 622, Stand August 1973; Zweng/Scheerer, aaO). Wenn im Herkunftsland zu freier Kost, Wohnung und Kleidung weitere Werte gewährt wurden, wie Barbeträge in der Heimatwährung oder Sachwerte, wie hier die jährlichen Weizenmengen und später Leistungen für die Kinder der Klägerin, so fragt sich, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob solche weiteren Werte einem geringfügigen Taschengeld, welches das Merkmal „nur freier Unterhalt" im Sinne des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO nicht ausschließt, gleichstehen oder ob sie darüber hinausgehen und somit Entgelt iS des § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO bilden. Bei der Entsch ist einerseits der Eingliederungsgedanke des FRG zu berücksichtigen, wonach Vertriebene und Einheimische sowie Vertriebene untereinander gleich behandelt werden sollen (s § 22 FRG); andererseits muß die für § 16 FRG rechtserhebliche Unterscheidung zwischen der Versicherungspflicht nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 und der Versicherungsfreiheit nach § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO beachtet werden. Dies bedeutet einerseits, daß die Entsch nicht auf die Umrechnung von Währungen des Herkunftslandes in RM oder DM abstellen darf (vgl Jantz / Zweng / Eicher, aaO, Anm. 18 zu § 16 FRG), und andererseits, daß die Umstände im Herkunftsland - freier Unterhalt, weitere Bezüge - in einer der Gleichstellung von einheimischen Versicherten und Vertriebenen möglichst nahekommenden Weise beurteilt werden müssen. Wenn die gewährten Sachbezüge, wie Kost, Wohnung, Kleidung, uä, den gesamten Lebensbedarf gedeckt haben, also keinen Bedarf offengelassen haben, aber auch nicht über diesen Bedarf hinausgegangen sind, liegt „nur" freier Unterhalt iS des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO vor; eine Beschäftigungszeit ist dann nicht anzurechnen. Wenn die außer Kost, Wohnung, Kleidung usw gewährten Bezüge das zur Deckung des vollen Unterhalts Notwendige überschritten haben, liegt grundsätzlich ein die Versicherungspflicht begründendes Arbeitsentgelt vor (§ 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO), es sei denn, das zusätzlich Gewährte ist absolut und im Verhältnis zu dem notwendigen Lebensbedarf im Herkunftsland offenkundig so unbedeutend, daß es bei natürlicher Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Beschäftigten nicht ins Gewicht fällt. Dabei ist ein Vergleich von Werten und Preisen im Herkunftsland mit Werten und Preisen im Inland nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des FRG ausgeschlossen. Der Vergleich der Werte des zusätzlich Gewährten und des notwendig noch zu Beschaffenden ist allein nach den Verhältnissen innerhalb des Herkunftslandes anzustellen. Hierzu werden Auskünfte von Zeugen, Heimatauskunftsstellen, Sachverständigen usw einzuholen sein.

Nach diesen Grundsätzen ist hier festzustellen, ob die Sachbezüge, die die Klägerin zusätzlich zum eigenen freien Unterhalt bekommen hat (die jährlichen Weizenmengen und wohl auch der freie Unterhalt der Kinder, soweit dieser nicht dem Vater für dessen Arbeitsleistungen gewährt wurde), nur ein unbeachtliches Taschengeld bedeuten oder ein darüber hinausgehendes Arbeitsentgelt.

Hat die Klägerin neben dem freien Unterhalt nur „Taschengeld" bezogen, dann ist die Zeit von 1923 bis 1934 nicht als Beschäftigungszeit anzurechnen; die Klage ist dann abzuweisen.

Hat die Klägerin dagegen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis über das Taschengeld hinaus auch geldwerte Bezüge erhalten, dann liegt während der gesamten streitigen Zeit oder - je nach dem Ergebnis der Ermittlungen - während eines Teiles davon eine Beschäftigungszeit iS des § 16 FRG vor, die auf die Wartezeit anzurechnen wäre. ...

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