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12/3 RK 29/75

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab 1. Januar 1968 in der Handwerkerversicherung versicherungspflichtig ist.

Der Kläger, der am 13. August 1948 das Bauingenieurdiplom der Fachrichtung Straßenbau erworben hat, ist der alleinige Geschäftsführer der S GmbH, Hennef/Sieg. Die S GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin der im Handelsregister A (Registerblatt 93) des Amtsgerichts H eingetragenen Bauunternehmung "Martin S KG". Der Kläger und seine vier Kinder sind die Kommanditisten der "Martin S KG". Diese Gesellschaft wurde am 21. Dezember 1967 mit dem Handwerk "Straßenbauer" in die Handwerksrolle der Handwerkskammer K auf Grund § 7 Abs. 4 der Handwerksordnung (HwO) eingetragen.

Für den Kläger sind für 39 Kalendermonate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und seit 1949 freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV) entrichtet.

Nachdem die Handwerksammer Köln der Beklagten bestätigt hatte, daß der Kläger die Voraussetzungen der Absätze 1, 2, 3 oder 7 des § 7 HwO erfülle, stellte die Beklagte durch Bescheid vom 24. November 1970 fest, der Kläger sei ab 1. Januar 1968 in der Handwerkerversicherung versicherungspflichtig. Sie forderte die bis Oktober 1970 fällig gewordenen Beiträge in Höhe von 4.698,- DM an.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, bei einer Kommanditgesellschaft (KG) könne nur für den Komplementär, nicht aber für einen Kommanditisten Versicherungspflicht bestehen; eine KG, deren Komplementär eine GmbH sei, könne nicht mehr als Personengesellschaft angesehen werden. Im Widerspruchsverfahren teilte die Handwerkskammer Köln nacheinander der Beklagten mit, die KG sei nach § 7 Abs. 4 HwO in die Handwerksrolle eingetragen worden, der Kläger erfülle als Geschäftsführer und Betriebsleiter der GmbH die Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 Abs. 3 HwO, der Kläger selbst sei niemals in der Handwerksrolle eingetragen gewesen, nur die "Martin S KG" sei als Bauunternehmung für das Straßenbauhandwerk eingetragen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1972). Nachdem der Kläger Klage erhoben hatte, teilte die Handwerkskammer Köln auf gerichtliche Anfrage mit, nur die KG sei gemäß § 7 Abs. 4 HwO in die Handwerksrolle eingetragen worden, nicht aber der Kläger selbst. Der Kläger habe 1967 als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin "S GmbH" wegen der abgelegten Diplomingenieurprüfung die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 HwO erfüllt. Nach dem damals geltenden Erlaß der Verwaltung für Wirtschaft vom 19. April 1949 (Az.: II-2-262-240-2054/49) sei die Diplomingenieurprüfung im Bauingenieurwesen u.a. mit der Meisterprüfung als Straßenbauer gleichwertig gewesen. Die frühere Auskunft an die Beklagte, wonach der Kläger die Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle gemäß § 7 Abs. 3 HwO erfülle, beruhe auf einem Irrtum. Das Sozialgericht (SG) Köln hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 28. September 1973): Der Kläger sei nicht versicherungspflichtig zur Handwerkerversicherung; er sei weder Flüchtling im Sinne von § 7 Abs. 7 HwO noch besitze er eine Ausnahmebewilligung nach § 7 Abs. 3 HwO; auch habe er keine Meisterprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO abgelegt; er erfülle ferner nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 HwO, weil er die in der Verordnung vom 16. Oktober 1970 (BGBl I 1401) vorgeschriebene dreijährige praktische Tätigkeit nicht verrichtet habe.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG Köln abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 6. Dezember 1974).

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 1 Abs. 1 des Handwerkerversicherungsgesetzes (HwVG).

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

  • das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger zum versicherungspflichtigen Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HwVG gehört. Dennoch konnte das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, weil nicht festgestellt worden ist, ob der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 HwVG versicherungsfrei ist.

In der Handwerkerversicherung sind ausschließlich natürliche Personen versicherungspflichtig. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwVG sind es "Handwerker, die in der Handwerksrolle eingetragen sind", solange sie Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit für weniger als 216 Kalendermonate entrichtet haben. Nach Satz 2 derselben Vorschrift sind es zum anderen "die Gesellschafter einer in der Handwerksrolle eingetragenen Personengesellschaft (§ 1 Abs. 1 der Handwerksordnung), die den Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 Abs. 1, 2, 3 oder 7 der Handwerksordnung genügen". Während die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwVG unmittelbar an die Eintragung der natürlichen Person des Handwerkers in die Handwerksrolle anknüpft, insofern also der Gegenstand der Eintragung und der Versicherungspflicht derselbe ist, ist dies nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HwO nicht der Fall. In die Handwerksrolle wird eine Personengesellschaft eingetragen, versicherungspflichtig sind aber Gesellschafter unter den in § 1 Abs. 1 Satz 2 HwVG bestimmten Voraussetzungen. Allerdings wird eine Personengesellschaft nach § 7 Abs. 4 Satz 2 HwO nur dann in die Handwerksrolle eingetragen, wenn für die technische Leitung ein persönlich haftender Gesellschafter verantwortlich ist, der den Voraussetzungen der Absätze 1, 2, 3 oder 7 des § 7 HwO genügt. Insofern kommt also der natürlichen Person eines Handwerkers für die Eintragung einer Personengesellschaft in die Handwerksrolle ebenfalls entscheidende Bedeutung zu.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat allein die für die Eintragung in die Handwerksrolle zuständige Handwerkskammer (§ 6 Abs. 1 HwO) zu prüfen und zu entscheiden. Die Eintragung hat nicht nur die konstitutive Wirkung, daß das Handwerk ausgeübt werden darf. Sie stellt auch die Grundlage dafür dar, daß eine natürliche Person versicherungspflichtig ist. Ob die Eintragung in die Handwerksrolle durch die zuständige Handwerkskammer (§§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 4 Satz 2 HwO) zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist, hat nach der durch die zuständige Handwerkskammer vorgenommenen Eintragung der Versicherungsträger weder zu prüfen noch zu entscheiden. Vielmehr hat er die Eintragung hinzunehmen, solange sie besteht, es sei denn, sie ist erkennbar nichtig. Die Eintragung mit ihren jeweiligen Voraussetzungen hat Tatbestandswirkung. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung zur Versicherungspflicht eines in die Handwerksrolle eingetragenes Handwerkers (§ 1 Abs. 1 Satz 1 HwVG) entschieden (BSGE 23, 163, 165 = SozR Nr. 35 zu § 1248 RVO; BSGE 24, 13, 15 = SozR Nr. 3 zu § 1 HwVG; BSGE 29, 176, 178 ff = SozR Nr. 49 zu § 1248 RVO; BSGE 30, 263, 264 = SozR Nr. 1 zu § 2 HwVG; SozR Nr. 3 zu § 1 HwVG; SozR Nr. 2 zu § 3 HwVG). Nichts anderes hat für die Eintragung einer Personengesellschaft zu gelten, es sei denn, sie ist erkennbar nichtig. Die Tatbestandswirkung erstreckt sich auch auf die Handwerkereigenschaft der Person, deren Gesellschafterstellung die Eintragung der Personengesellschaft zur Folge hat.

Die Handwerkskammer Köln hat die Martin S KG, wie sie dieser am 21. Dezember 1967 mitgeteilt hat, auf Grund von § 7 Abs. 4 HwO in die Handwerksrolle eingetragen. Diese Mitteilung gibt allerdings keinen Aufschluß darüber, welche der Voraussetzungen des § 7 HwO sie in der Person des Klägers als erfüllt angesehen hat. Dazu hat sich die Handwerkskammer Köln erst im Verfahren vor dem SG mit Schreiben vom 23. Januar 1973 geäußert: "Auf Grund dieser Dipl.-Ingenieur-Prüfung erfüllte Herr S im Jahre 1967 die Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 Abs. 1 HwO in Verbindung mit § 121 HwO, früher § 117 HwO". Wenn es auch wünschenswert gewesen wäre, daß die Handwerkskammer diese Erläuterung bereits ihrer Eintragungsmitteilung beigegeben hätte, ist dies dennoch kein Grund, die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers zu beanstanden. Dabei ist es unerheblich, welcher der beiden im Schrifttum und in der Praxis vertretenen Rechtsauffassungen für eine Eintragung einer GmbH & So KG die Handwerkskammer gefolgt ist (vgl. Eyermann/Fröhler/Honig, Handwerksordnung, 3. Aufl. 1973, § 7, Anm. 16; Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Handwerksordnung, § 7, Anm. 21; Stand: April 1976; letztere verneinen, daß eine GmbH & Co KG in die Handwerksrolle eingetragen werden kann).

Da die von der Handwerkskammer vorgenommene Eintragung und deren dabei zugrunde liegende Entscheidung, daß der Kläger die erforderliche Handwerkerqualifikation besitzt, den Versicherungsträger bindet, hat die Beklagte zutreffend die Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HwVG festgestellt.

Unzutreffend ist jedoch die nicht näher ausgeführte Begründung des Widerspruchsbescheids, der Kläger sei nicht nach den Vorschriften des HwVG versicherungsfrei. Die Beklagte hat übersehen, daß der Kläger auch Geschäftsführer und Betriebsleiter der S GmbH war und ist. Als solcher war und ist er Angestellter. Daher wäre seine Versicherungspflicht für die streitige Zeit ab 1. Januar 1968 jedenfalls nach dem Angestelltenversicherungsgesetz AVG) zu beurteilen gewesen. Die Höhe des dabei erlangten Entgelts hatte auf diese Prüfung keinen Einfluß, da durch Art. 1 Nr. 1 des am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen Finanzänderungsgesetzes 1967 (BGBl I 1259) § 5 AVG gestrichen worden war, der bis dahin die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der AnV bestimmte.

Nachdem feststand, daß der Kläger nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HwVG versicherungspflichtig war und ist, hätte die Beklagte im einzelnen prüfen und entscheiden müssen, ob der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 HwVG deshalb versicherungsfrei war und ist, weil er als Arbeitnehmer versicherungspflichtig war und ist. Das hat sie - ebenso wie das Berufungsgericht - unterlassen.

Da die zur Beurteilung der Versicherungsfreiheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 HwVG erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen, das Revisionsgericht diese jedoch nicht zu treffen befugt ist, muß das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die fehlenden Tatsachenfeststellungen wird das LSG unter notwendiger Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nachzuholen haben. Dabei wird das Berufungsgericht berücksichtigen müssen, ob der Kläger nur als Geschäftsführer und Betriebsleiter der GmbH beschäftigt war und ist - dies hätte die Versicherungspflicht in der AnV zur Folge (vgl. BSG SozR Nr. 22 zu § 3 AVG, zustimmend: Oppinger, DAngVers 1973, 451, 454) - oder ob er außerdem Gesellschafter der GmbH und versicherungsfrei war und ist. Dann käme eine Versicherungspflicht in der AnV nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 4600 Nr. 7 zu § 56).

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

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