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11 RA 180/74

Tatbestand

I.

Der Kläger hat nach dem in seiner Quittungskarte Nr. 14 „E“ enthaltenen Einlagebogen in der Zeit vom 29. Juni bis 31. Dezember 1942 einen Arbeitsverdienst von 2.184,00 RM und in der Zeit von Januar bis Dezember 1943 einen solchen von 4.255,44 RM erzielt. Die Quittungskarte wurde im September 1944 aufgerechnet. Die Beklagte hat bei der Berechnung der ab Dezember 1972 gewährten Berufsunfähigkeitsrente und ebenso beim später gewährten Altersruhegeld als Arbeitsentgelt für die Zeit vom 29. Juni bis Dezember 1942 nur 1.820,00 RM und für die Zeit von Januar bis Dezember 1943 nur 3.600,00 RM berücksichtigt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die eingetragenen Arbeitsentgelte zugrunde zu legen. Die Berufung der Beklagten führte zur Klagabweisung. Nach der Meinung des LSG können die Arbeitsentgelte nur bis zur damaligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. § 145 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) stehe dem nicht entgegen, weil die Eintragungen „richtig“ gewesen seien; damals habe das gesamte Entgelt eingetragen werden müssen, auch soweit Beiträge nicht abzuführen waren. Die Beweiskraft der Quittungskarte beziehe sich daher nur auf das Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Daß in der dem Kläger erteilten Aufrechnungsbescheinigung - im Gegensatz zur Quittungskarte - die Spalte für die Eintragung des Arbeitsverdienstes den Zusatz enthalte „für den Beiträge abgeführt sind“ ändere daran nichts, da der Inhalt der Quittungskarte, wenn er nicht nachweislich unrichtig sei, dem der Aufrechnungsbescheinigung vorgehe.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen und formellen Rechts. Seien die Beitragsbemessungsgrenze übersteigende Arbeitsentgelte in die Quittungskarte eingetragen und die Zehnjahresfrist für die Anfechtung abgelaufen, müßten diese Entgelte der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden, wenn nachweislich für sie in vollem Umfang Beiträge entrichtet seien. Dieser Nachweis werde hier durch die Aufrechnungsbescheinigung geführt. Das Landessozialgericht (LSG) habe zu Unrecht die Höhe der tatsächlichen Beitragsentrichtung nicht aufgeklärt.

Der Kläger beantragt,

  • das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Für die rechtliche Beurteilung maßgebend ist zunächst § 32 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 AVG; Ausgangspunkt für das dort vorgeschriebene Berechnungsverfahren ist „der in der Versicherungskarte eingetragene Arbeitsentgelt, soweit er der Beitragsbemessung zugrunde lag“ (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über das Verfahren bei Anwendung des § 1255 der Reichsversicherungsordnung - RVO - und des § 32 AVG vom 9. Juli 1957: „zugrunde gelegen hat“). Damit ist, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (SozR 2200 § 1255 Nr. 1), der Betrag maßgebend, von dem durch Anwendung des Beitragssatzes tatsächlich Beiträge entrichtet worden sind.

Demgegenüber hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) allerdings für den Fall, daß die tatsächlich entrichteten Beiträge das zulässige Beitragshöchstmaß überschritten haben, § 1255 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 RVO einschränkend dahin interpretiert, für die Rentenberechnung könnten nur die Arbeitsentgelte im Rahmen des zulässigen Höchstmaßes relevant sein (SozR Nr. 9 zu § 1255 RVO). Der erkennende Senat hat Bedenken, dieser Auffassung zu folgen. Nach seiner Meinung ist bei der Rentenberechnung auf die tatsächliche Beitragsentrichtung (Beitragsbemessung) abzustellen und eine rechtswidrige Beitragsleistung in den eigens dafür vorgesehenen Verfahren zu korrigieren (soweit diese Raum lassen). Der Senat braucht wegen dieser Divergenz jedoch nicht den Großen Senat des BSG anzurufen, weil er aus anderen Gründen hier ebenfalls zur Nichtanrechnung von Arbeitsentgelten über der Beitragsbemessungsgrenze kommt.

Nach den Ausführungen des LSG ist nämlich von dem LSG als festgestellt zu betrachten, daß für den Kläger Beiträge nur bis zur Höhe der seinerzeitigen Beitragsbemessungsgrenze entrichtet worden sind. Das LSG hat erklärt, die vom Kläger vorgelegte Aufrechnungsbescheinigung könne zu keiner anderen Beurteilung führen; sie enthalte nur eine Beweisvermutung; bei Unstimmigkeiten sei der Inhalt der Quittungskarte maßgebend, solange er nicht nachweislich unrichtig sei. Damit hat es mittelbar auch zum Ausdruck gebracht, daß es eine Beitragsleistung nur bis zur Höhe der seinerzeitigen Beitragsbemessungsgrenze für nachgewiesen hält.

Gegen diese Feststellung hat der Kläger zwar Verfahrensrügen erhoben, er hält die §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für verletzt. Diese Rügen greifen jedoch nicht durch. Das LSG hat die vorgelegte Aufrechnungsbescheinigung nicht als Beweismittel übergangen; es hat sie im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung berücksichtigt, ohne die Grenzen dieses Rechts zu überschreiten. Ebensowenig ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht dargetan, weil weiter in Frage kommende, noch zu benutzende Beweismittel nicht bezeichnet werden.

Die Berücksichtigung des gesamten Arbeitsentgeltes ist schließlich nicht aufgrund des § 1423 RVO (= § 145 AVG) geboten. Nach dessen Absatz 2 Nr. 1 kann zwar „die Richtigkeit der Eintragung der Beschäftigungszeiten, der Arbeitsentgelte und der Beiträge“ in der Quittungskarte Nr. 14 „E“ seit langem nicht mehr „angefochten“ werden. Die dortigen Eintragungen belegen jedoch keine Beitragsleistungen über die Bemessungsgrenzen hinaus. Nach § 7 Nr. 1 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung (2. LAV) vom 24. April 1942 (RGBl. I 252) war während der streitigen Zeit der Beitragsleistung ein Entgeltbetrag von jährlich höchstens 3.600,00 RM zugrunde zu legen, gleichwohl aber nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 der 2. LAV das „gesamte Entgelt“ in die Quittungskarte einzutragen. Ein solcher Eintrag ist daher kein Anhalt für eine gesetzlich unzulässige höhere Beitragsleistung. Das wird auch durch § 1423 Abs. 1 RVO bestätigt; denn dort wird gleichfalls nur vermutet, daß die für das angegebene Entgelt „zu entrichtenden“ Beiträge geleistet worden sind. Für ein die Bemessungsgrenze überschreitendes Arbeitsentgelt waren aber keine Beiträge „zu entrichten“.

Die Revision ist hiernach zurückzuweisen.

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