11 RA 79/72
Aus den Gründen
Der 1903 geborene Kläger bestand am 14.3.1922 die Reifeprüfung, arbeitete vom 3.4. bis 1.10.1922 als Praktikant, studierte vom 28.10.1922 bis 2.8.1927 und wurde Diplom-Ingenieur. Bei Berechnung des ihm ab 1.1.1969 gewährten Altersruhegeldes erkannte die beklagte BfA die Schulzeit mit 28 und die Studienzeit mit 59 Monaten als Ausfallzeit an; der Zeitraum zwischen Abitur und Studienbeginn (15.3. bis 27.10.1922) blieb unberücksichtigt. Das Begehren des Klägers, auch diese Zeit als Ausfallzeit anzurechnen, hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des 1. Senats v. 16.2.1966 (BSG 24, 241 = SozR Nr. 16 zu § 1259 RVO); dieses Urt. betrifft einen anderen Tatbestand. Der 1. Senat hatte darüber zu entscheiden, ob einem Versicherten, der am 8.7.1913 das Abitur abgelegt und im Anschluß an die vom 15.7. bis 15. 9. - dem Ende des Schuljahres - dauernden großen Ferien am 1.10.1913 das Studium aufgenommen hatte, die zwischen Abitur und Studienbeginn liegende, noch dem laufenden Schuljahr zugehörige Zeit als Ausfallzeit i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO) anzurechnen ist. Der 1. Senat hat das bejaht, weil in einem solchen Fall, bei dem der Schulentlassung schon nach der kurzen Zeit von etwa 2 Monaten und auch zum nächstmöglichen Termin eine abgeschlossene Hochschulausbildung gefolgt ist, die Schul- und die Hochschulausbildung als eine einheitliche, notwendig zusammenhängende Ausbildung anzusehen sei; die hier zwischen den beiden Ausbildungszeiten liegende unvermeidliche Zwischenzeit falle für die Ausübung einer vers.pflichtigen Beschäftigung und die Beitragsleistung zur RentV regelmäßig aus.
Die beim Kläger zwischen Abitur und Studienbeginn liegende Zeit dagegen beträgt 7 ½ Monate, von denen 6 zusammenhängende Monate durch ein Praktikum - eine damals vers.freie Tätigkeit - ausgefüllt sind. Die Zwischenzeit ist hier also nicht so kurz bemessen, daß sie nicht sinnvoll durch vers.pflichtige Beschäftigungen hätte ausgefüllt werden können; entgegen der anscheinend vom Kläger vertretenen Auffassung darf insoweit auf besondere Gestaltungen individueller Verhältnisse nicht abgestellt werden. Zu entscheiden bleibt deshalb darüber, ob bei der Rentenabrechnung dieses Praktikum als Ausfallzeit anzurechnen ist. Das haben beide Vorinstanzen mit Recht verneint.
Nach ständiger Rechtspr. des BSG ist ein derartiges Praktikum selbst dann kein Teil der Hochschulausbildung i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG, wenn es Voraussetzung für den Studienbeginn oder für eine spätere Hochschulprüfung ist, weil zur Hochschulausbildung insoweit nur Ausbildungszeiten gehören, die ein immatrikulierter Student an der Hochschule verbringt (vgl. u.a. BSG 19, 239; 20, 35 = SozR Nr. 8 und 9 zu § 1259 RVO; BSG 30, 163/64 = SozR Nr. 25 zu § 1259 RVO sowie Urt. des erkennenden Senats v. 5.2.1969 - 11 RA 126167 -). Von dieser Rechtspr. abzugehen besteht kein Anlaß.
Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist ein solches Praktikum aber auch keine Lehrzeit i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AVG ... (Urt. des erkennenden Senats v. 21.10.1971, SozR Nr. 40 zu § 1259 RVO, mit weiteren Nachweisen).
Entgegen der Meinung des Klägers ist die Nichtanrechnung einer vers.frei gebliebenen Praktikantenzeit auch nicht verfassungswidrig; insbesondere liegt die von der Revision geltend gemachte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) nicht vor. Dieser Verfassungsgrundsatz enthält nach der ständigen Rechtspr. des BVerfG lediglich ein Willkürverbot: Der Gesetzgeber darf innerhalb eines von ihm vorbehaltenen, allerdings weiten Ermessensspielraums weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentliches Ungleiches willkürlich gleich behandeln (vgl. dazu BSG 7, 206, 208 und 26, 160 ff. = SozR Nr. 1 zu § 7 BKGG, je mit weiteren Nachweisen). Ein Verstoß gegen dieses Willkürverbot ist hier nicht ersichtlich. Da die Praktikantentätigkeit nach dem seit 1957 geltenden neuen Rentenrecht im allgemeinen vers.pflichtig ist, Zeiten der VersPflicht und Ausfallzeiten sich jedoch in aller Regel gegenseitig ausschließen, ist die Nichtanrechnung von vers.frei gebliebenen Praktikantenzeiten nicht willkürlich, sondern sinnvoll, weil anderenfalls wesentlich ungleiche Sachverhalte ohne ersichtlichen Grund gleich behandelt würden. Die Anrechnung früherer, damals vers.freier Praktikantenzeiten als Ausfallzeiten enthielte eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung der älteren Versicherten; ihnen würden diese Zeiten ohne Beitragsleistung als Versjahre angerechnet, während die jüngeren Versicherten während ihres Praktikums Beiträge entrichten müssen, um diese Anrechnung zu erreichen. Wie das BSG bereits entschieden hat (Urt. v. 25.10.1963 - 1 RA 327/62 -; vgl. auch BSG 19, 240/41), verstieße eine derartige Differenzierung deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz; bei Nichtanrechnung vers.frei gebliebener Praktikantenzeiten dagegen scheidet ein solcher Verstoß gegen Art. 3 GG aus.