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11 RA 148/64

Gründe

Das LSG hat angenommen, der Kläger, ein selbständiger „Kleinlandwirt“, der nur als Selbstversicherter Beiträge zur AnV entrichtet hat (§§ 21 AVG a.F., 1243 RVO a.F., Art. 2 § 5 AnVNG Art. 2 § 4 ArVNG) sei berufsunfähig (§ 23 Abs. 2 AVG§ 1246 Abs. 2 RVO), weil er wegen der Folgen eines Gehirnschlags (mit körperlichen und neurologischen Begleiterscheinungen) einen großen Teil der Arbeiten, die für den Eigentümer einer kleinen Landwirtschaft anfielen und meist mit größerer körperlicher Anstrengung verbunden seien, nicht mehr verrichten könne. Es hat dazu festgestellt, als Tätigkeiten, die der Kläger noch ausüben könne, ohne gesundheitlich und „wissens- und könnensmäßig“ überfordert zu werden, kämen nur leichte Arbeiten in einem Büro oder einer Fabrik, ungelernte Tätigkeiten einfacher Art in Betracht; die Verweisung des Klägers auf solche Tätigkeiten sei unzumutbar, weil sie weder wirtschaftlich noch sozial mit dem Beruf eines - auch kleinen - selbständigen Landwirts gleichwertig seien.

Die Ausführungen des LSG lassen nicht erkennen, daß das LSG bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Das LSG ist zwar zu Recht der Auffassung der beklagten BfA, ein Selbstversicherter sei ohne Rücksicht auf seinen bisherigen Beruf stets auf den allg. Arbeitsmarkt zu verweisen, nicht gefolgt, sondern ist davon ausgegangen, daß auch bei Selbstversicherten nach § 23 Abs. 2 Satz 2 AVG der bisherige Beruf zu berücksichtigen ist; es hat jedoch verkannt, daß dies nur eingeschränkt gilt. Bei der Prüfung der für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit entscheidenden Frage, welche Tätigkeiten zumutbar sind, ist bei einem Selbstversicherten dessen bisheriger Beruf nur insoweit zu berücksichtigen, als die entrichteten Beiträge zur RentV ihm entsprechen; nur insoweit genießt ein Selbstversicherter „Berufsschutz“. Diese Auffassung hat schon der 12. Senat des BSG in dem Urteil v. 28.07.1966 - 12 RJ 568/64 - (SozR Nr. 60 zu § 1246 RVO) vertreten und begründet..... Der erkennende Senat schließt sich den Ausführungen dieses Urteils an.

Die Frage, ob für den Kläger als selbständigen „Kleinlandwirt" die Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten unzumutbar ist, hängt danach zunächst davon ab, ob sich seine „berufliche Qualifikation“ wesentlich über solche Tätigkeiten herausgehoben hat. Der Regelung des § 23 Abs. 2 AVG liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Versicherter, der in seinem Beruf nicht wieder tätig sein kann, wirtschaftliche und soziale Einbußen in begrenztem Umfang in Kauf nehmen muß, bevor er als berufsunfähig angesehen wird. Er muß sich auch auf sozial geringer bewertete Tätigkeiten verweisen lassen, wenn der damit verbundene soziale Abstieg nicht wesentlich ist. Das LSG hat zwar - zu Recht - erwähnt, „es könne nicht gesagt werden, daß die Stellung eines selbständig Tätigen gegenüber der des Arbeitnehmers regelmäßig ein besseres soziales Ansehen genieße“, es hat jedoch keine auf den Einzelfall eingehende Feststellungen getroffen, die die soziale Wertung der selbständigen Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1952 bis 1961 im Vergleich zu der eines ungelernten Arbeitnehmers zulassen; solche Feststellungen sind aber notwendig, weil nicht ohne weiteres auszuschließen ist, daß im Einzelfall die „berufliche Qualifikation“ eines selbständigen „Kleinlandwirts“ nicht wesentlich höher zu bewerten ist als die eines ungelernten Arbeitnehmers, so daß schon aus diesem Grund ein „Berufsschutz“ entfallen kann. Hat ein Versicherter eine selbständige Erwerbstätigkeit - wie es auch in der Landwirtschaft vorkommt - nur in so kleinen Verhältnissen ausgeübt, daß seine wirtschaftlichen Erträge auf die Dauer das Lohneinkommen für ungelernte Tätigkeiten nicht überstiegen haben, hat er nur im Rahmen einer solchen selbständigen Erwerbstätigkeit Berufserfahrung gewonnen und Eigenverantwortung entfaltet, so kann bei seiner Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten nicht von einem wesentlichen sozialen Abstieg gesprochen werden. Ob dies bei dem Kläger zutrifft oder nicht, läßt sich aus den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Ist aber der „bisherige Beruf“ des Klägers als selbständiger „Kleinlandwirt", wie das LSG - allerdings ohne nähere Feststellungen - angenommen hat, „wirtschaftlich und sozial“ höher zu bewerten, als die abhängigen Tätigkeiten, die der Kläger noch ausüben kann, so ist die Verweisung auf solche Tätigkeiten gleichwohl zumutbar, wenn die „sozialversicherungsrechtliche Wertung“ des bisherigen Berufs, die der Versicherte selbst durch seine Beitragsleistung vorgenommen hat, nicht höher liegt, als die der „Verweisungstätigkeiten“. Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Die Verweisung des Klägers auf ungelernte Tätigkeiten (einfacher Art) ist nur dann unzumutbar, wenn er während seiner Selbstversicherungszeit jedenfalls überwiegend höhere freiwillige Beiträge geleistet hat, als ein ungelernter Arbeitnehmer Pflichtbeiträge hätte entrichten müssen; wenn sich der Kläger also den „Berufsschutz“ durch höhere Beiträge erworben hat. Die Verweisung des Klägers auf ungelernte Tätigkeiten ist aber schon dann zumutbar, wenn er zuletzt und während einer längeren Zeit (3 Jahre) freiwillige Beiträge geleistet hat, die nur den Pflichtbeiträgen eines ungelernten Arbeitnehmers entsprechen (oder noch geringer gewesen sind), selbst wenn er früher höhere Beiträge geleistet hat. Ebenso wie ein Pflichtversicherer, der erkennbar einer bis dahin ausgeübten Berufstätigkeit nicht weiter nachgehen will und sich endgültig einer anderen Berufstätigkeit zuwendet, sich dadurch von seiner bisherigen Berufstätigkeit löst, so daß für ihn die bis dahin ausgeübte Tätigkeit als „bisheriger Beruf“ i.S. des § 23 Abs. 2 Satz 2 AVG ausscheidet, ist für den Selbstversicherten eine erkennbar endgültige Änderung in der sozialversicherungsrechtlichen Wertung seines „bisherigen Berufs“, die in dem (dauernden) Übergang zu niedrigeren Beiträgen Ausdruck findet, von Bedeutung (vgl. auch Urteil des BSG v. 28.05.1963, SozR Nr. 33 zu § J246 RVO und v. 15.12.1961 - SozR Nr. 16 zu § 1246 RVO).

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