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§ 193 SGG: Entscheidung über Kostenerstattung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand02.05.2018
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004 in Kraft getreten am 01.07.2004
Rechtsgrundlage

§ 193 SGG

Version001.01

Inhalt der Regelung

Die Absätze 2 und 3 regeln die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 73 SGG Prozessbeteiligte; Bevollmächtigte; Beistand

§ 183 SGG Kostenfreiheit

§ 184 SGG Pauschgebühr

§ 197 SGG Kostenfestsetzung

§ 197a SGG Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung

Kostenfestsetzungsentscheidung

§ 193 SGG regelt, welche Kosten der Beteiligten erstattungsfähig sind. Beteiligte am Verfahren sind nach § 69 SGG der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene.

Zu den Kosten zählt alles, was der Beteiligte zur Führung des Rechtsstreits aufwenden muss. Zu unterscheiden ist zwischen außergerichtlichen Kosten und Gerichtskosten.

§ 193 SGG findet nur Anwendung, wenn es sich bei dem Erstattungsberechtigten als Kläger oder Beklagter um eine privilegierte Person nach § 183 SGG (unter anderem Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger) handelt. Die Privilegierung des Klägers oder des Beklagten nach § 183 SGG erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die Beigeladenen.

Die Prüfung der Kostenerstattung beschränkt sich auf die außergerichtlichen Kosten, weil bei diesem Personenkreis keine Gerichtskosten anfallen.

Zu den außergerichtlichen Kosten gehören neben den Kosten für das Klageverfahren auch die Kosten für das vorangegangene Widerspruchsverfahren, jedoch nicht die Kosten des Verwaltungsverfahrens.

Ob die außergerichtlichen Kosten nach Rahmengebühren oder Streitwert zu ermitteln sind und ob Gerichtskosten anfallen, richtet sich nach der Stellung des Erstattungsberechtigten im jeweiligen Rechtszug.

Gehörten im Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den privilegierten Personen nach § 183 SGG, richtet sich die Kostenerstattung nach § 197a SGG. Auf die GRA zu § 197a SGG wird verwiesen.

Besteht Einigkeit über die Höhe des zu erstattenden Betrages, kann der Betrag ohne förmliches Verfahren an den Berechtigten angewiesen werden. Besteht keine Einigkeit, haben die Beteiligten die Möglichkeit beim Gericht des ersten Rechtszugs die Kostenfestsetzung zu beantragen. Der Urkundsbeamte setzt dann den Betrag der zu erstattenden Kosten fest (§ 197 SGG).

Anspruch auf Verzinsung

Festgesetzte Kosten sind nach § 197 Abs. 1 S. 2 SGG zu verzinsen.

Erstattungsberechtigter

Inhaber des Erstattungsanspruchs ist der Beteiligte. Hat der Beteiligte Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen, geht der Anspruch auf die Staatskasse über (§ 59 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG), siehe auch Abschnitt 2.4.3

Beteiligter vertritt sich selbst

Hat sich der Beteiligte selbst vertreten, sind ihm die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 193 Abs. 2 SGG).

Notwendig sind solche Aufwendungen, die der Beteiligte zum Zeitpunkt der Veranlassung objektiv für erforderlich und geeignet halten durfte, um den Gegenstand des Verfahrens erfolgreich durchzusetzen. Es kommt auf die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Beteiligten an, nicht auf die Sicht einer rechtskundigen Person.

Die tatsächlichen materiellen Aufwendungen müssen im Einzelfall nachgewiesen werden. Die Erstattung einer Pauschale ist nicht möglich.

Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen zählen unter anderem Kosten für Porto, Telefon, Fotokopien und Schreibwerk. Auch Atteste, Fahrtkosten oder die Kosten für eine Beratung durch einen Rechtsanwalt können erstattungsfähig sein.

Porto

Zum Beispiel: Portokosten für die Schreiben an das Sozialgericht, für die briefliche Beschaffung von Beschäftigungsnachweisen oder Urkunden.

Porto für Einschreiben sind nur zu erstatten, wenn die Versendung durch Einschreiben notwendig war, zum Beispiel als Nachweis zur Einhaltung der Klagefrist.

Telefon, Mail, FaxDiese Kosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie nachgewiesen sind.
FotokopienAls private Person kann der Beteiligte nicht die gesetzlichen Dokumentenpauschalen zum Beispiel nach Nr. 7000 VV RVG oder Nr. 9000 KV GKG geltend machen. Kann der Beteiligte die Kosten für die Kopien nicht nachweisen, werden je Fotokopie 0,10 EUR erstattet (OLG Frankfurt vom 27.10.1986, AZ: 12 W 215/86).
SchreibwerkDarunter versteht man die Kosten für Briefpapier und Briefumschläge.
AttesteKurze ärztliche Bescheinigungen (sogenannte Atteste, für die Kosten zwischen 5,00 EUR bis 10,00 EUR anfallen), die der Beteiligte mit der Klageschrift - zum Beispiel im Verfahren um eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine medizinische Rehabilitation - einreicht, sind erstattungsfähig.
Fahrtkosten

Fahrtkosten zum Termin trägt die Staatskasse, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet war und der Beteiligte zu den in § 183 SGG genannten "privilegierten" Personen gehört (§ 191 SGG).

Siehe auch Abschnitt 2.4.2.8

Beratung durch einen Rechtsanwalt

Hat sich der Beteiligte nicht von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, aber einen Rechtsanwalt zur rechtlichen Beratung in Anspruch genommen, kann bei entsprechendem Nachweis die Beratungsgebühr (§ 34 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) erstattet werden, wenn im Einzelfall die Beratung als notwendig erachtet wird. Die Notwendigkeit ist zu bejahen, wenn bei Bevollmächtigung die Zuziehung als notwendig anerkannt worden wäre.

Nach § 34 RVG beträgt die Gebühr für die Beratung höchstens 250,00 EUR; § 14 Abs. 1 RVG gilt entsprechend; für ein erstes Beratungsgespräch beträgt die Gebühr jedoch höchstens 190,00 EUR.

Medizinische PrivatgutachtenAufgrund des Untersuchungsgrundsatzes reicht es grundsätzlich aus, wenn der Beteiligte seine gesundheitlichen Einschränkungen schildert, um das Gericht zu eigenen weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Eine Erstattung der Kosten für ärztliche Privatgutachten scheidet daher in der Regel aus. Maßgebend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls.
Arbeits- und ZeitaufwandEin Ausgleich von Arbeits- und Zeitaufwand des Beteiligten erfolgt nicht (Urteil des BSG vom 24.04.1996, AZ: 5 RJ 44/95, SozR 3-1300 § 63 Nr. 7).

Beteiligter wird durch Rechtsanwalt, einen zugelassenen Rechtsbeistand/Rechtsdienstleister oder durch einen Steuerberater vertreten

Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig (§ 193 Abs. 3 SGG).

Soweit die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfolgte, sind zur Bemessung der erstattungsfähigen Gebühren und Aufwendungen die ab 01.07.2004 geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) heranzuziehen.

Beachte:

Bis zum 30.06.2004 galt die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO); diese kann für bis dahin anhängig gewordene Verfahren noch relevant sein.

Erfolgt die Vertretung durch einen Kammerrechtsbeistand, registrierten Erlaubnisinhaber oder einen Rentenberater, gelten für deren Gebührenforderungen die Regelungen des RVG entsprechend (§ 1 Abs. 1 S. 3 RVG, § 4 Abs. 1 Art. 2 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG).

Durch einen Steuerberater kann sich der Beteiligte ausschließlich in Angelegenheiten der §§ 28h und 28p SGB IV vertreten lassen (§ 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 13 Abs. 6 S. 2 SGB X). In diesen Fällen erfolgt die Abrechnung der Kosten nach § 45 Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) ebenfalls nach dem RVG.

Gebührenbestimmung nach dem RVG - Allgemein

Gehört der Beteiligte zu den in § 183 SGG genannten "privilegierten" Personen (zum Beispiel Versicherter oder Hinterbliebener), entstehen nach § 3 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 RVG Betragsrahmengebühren.

Beachte:

Auch ein Selbständiger im Streit um seine Versicherungspflicht gehört zu den privilegierten Personen nach § 183 SGG (BSG Urteil vom 05.10.2006, AZ: B 10 LW 5/05 R).

Für die Bestimmung der Rahmengebühr gilt § 14 RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG).

Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Die Aufzählung der Bemessungskriterien ist nicht abschließend. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (siehe BSG vom 01.07.2009, AZ: B 4 AS 21/09 R).

Die Bemessungskriterien nach § 14 RVG
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

Der Umfang beschreibt den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt in der Sache aufbringen muss. Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer des Vergütungsverzeichnisses umschriebene Tätigkeitsfeld.

Im sozialrechtlichen Verfahren gehört dazu zum Beispiel der Aufwand für Besprechung und Beratung mit dem Mandanten, Aktenstudium, Anfordern von Unterlagen und deren Sichtung, Rechtsprechungs- und Literaturrecherche und die Auseinandersetzung hiermit und das Fertigen von Schriftsätzen (siehe BSG vom 01.07.2009, AZ: B 4 AS 21/09 R).

Schwierigkeit beschreibt die Intensität der Arbeit. Schwierig ist die anwaltliche Tätigkeit nur dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen. Maßgebend ist die objektive Schwierigkeit. Das subjektive Vermögen des Anwalts, sich mit dem Sozialrecht auseinander zu setzen, ist nicht ausschlaggebend.

Zu unterscheiden ist zwischen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten. Tatsächliche Schwierigkeiten können sich zum Beispiel durch den Umgang mit einem problematischen Mandanten oder aufgrund von sprachlichen Verständigungsproblemen mit dem Mandanten ergeben. Bei den rechtlichen Schwierigkeiten ist nicht abstrakt auf das streitbefangene Rechtsgebiet abzustellen, sondern auf die objektive Schwierigkeit des Einzelfalls (siehe oben).

Bedeutung der Angelegenheit

Ausschlaggebend für dieses Kriterium ist die subjektive Bedeutung für den Auftraggeber. Also die Auswirkungen des Verfahrens auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Stellung im öffentlichen Leben oder sein Ansehen.

Bei den überwiegenden Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit geht es um Leistungen, die die grundlegende soziale Absicherung betreffen. Dies rechtfertigt jedoch nicht generell die Höchstgebühr anzusetzen.

Bei einem Streit um eine Dauerrente ist von einer überdurchschnittlichen Bedeutung auszugehen, wenn die Rente das Haupteinkommen des Mandanten darstellt. Dabei ist genau darauf zu achten, was tatsächlich Gegenstand des Verfahrens war. War im Verfahren nicht der Rentenanspruch dem Grunde nach streitig, sondern nur noch der Rentenbeginn, kann in der Regel von einer durchschnittlichen Bedeutung ausgegangen werden.

Einkommens- und Vermögensverhältnisse des AuftraggebersDas BSG hat in seinem Urteil vom 01.07.2009 (AZ: B 4 AS 21/09 R) festgestellt, dass der in § 183 SGG genannte Personenkreis hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse heterogen ist. Grundsätzlich ist daher von den Verhältnissen auszugehen, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen eines Einpersonenhaushaltes betrug 2011 2.371,00 EUR (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013).
Haftungsrisiko

Jede Anwaltstätigkeit ist verbunden mit dem Risiko des Anspruchs auf Schadensersatz, wenn der Anwalt die ihm obliegenden Pflichten verletzt (zivilrechtliche Anwaltshaftung). Dies ergibt sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages. Dieses generelle Haftungsrisiko hat keinen Einfluss auf die Gebührenhöhe.

Ein in Einzelfällen gegebenes höheres Risiko sollte zu einer höheren Gebühr führen (BT-Drucksache 15/1971, Seite 189 zu § 14). In den meisten sozialrechtlichen Angelegenheiten ist das Haftungsrisiko wegen des Amtsermittlungsprinzips nicht relevant.

Die Bestimmung der Gebühr nach § 14 RVG
Gebührenbestimmungsrecht des RechtsanwaltsDas Gebührenbestimmungsrecht liegt beim Rechtsanwalt. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG obliegt es ihm, die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Gestaltungsrecht ist durch seine Ausübung verbraucht. Er ist an sein einmalig ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden.
Die Feststellung der Unbilligkeit

Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG).

Bei der Kostenfestsetzungsentscheidung ist also die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu überprüfen.

Jede Gebühr ist für sich zu bewerten

Grundsätzlich ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien nach § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.09.2006, AZ: L 1 B 320/05 SF SK; LSG Thüringen, Beschluss vom 19.06.2007, AZ: L 6 B 80/07 SF).

Nach dem RVG in der Fassung ab 01.08.2013 hat der Gesetzgeber jedoch festgelegt, dass die Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG in Höhe der Geschäftsgebühr und die Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe der Verfahrensgebühr entsteht (siehe auch Abschnitte 2.4.2.4 und 2.4.2.5). Auch die sogenannte fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106, 3205 und 3213 VV RVG ist nun prozentual an die Verfahrensgebühr gekoppelt (siehe auch Abschnitt 2.4.2.6.3).

Mittelgebühr

Es ist einhellig in der Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass für den Durchschnitts- oder Normalfall die Mittelgebühr die billige Gebühr im Sinne des RVG ist. Die Mittelgebühr wird ermittelt, indem man die Mindest- und Höchstgebühr addiert und das Ergebnis durch 2 dividiert.

Ausgangspunkt der Bestimmung der billigen Gebühr ist daher in jedem Fall die Mittelgebühr. Unter Beachtung der im § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien ist dann im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob und inwieweit von der Mittelgebühr nach oben oder unten abzuweichen ist.

Toleranzgrenze 20 % ErmessenBei der Bestimmung der Gebühr steht dem Rechtsanwalt ein Spielraum von 20 % zu (sogenannte Toleranzgrenze). Die Toleranzgrenze soll verhindern, dass über geringfügige Beträge bei der Bemessung der Gebühr gestritten wird und es zu kleinlichen Abstrichen kommt. Dies darf aber nicht dazu führen, dass generell die Gebühr mit einem entsprechenden Zuschlag versehen wird (siehe BSG vom 01.07.2009, AZ: B 4 AS 21/09 R). Das heißt, dass auch eine Gebühr, die innerhalb der Toleranzgrenze liegt, als unbillig angesehen werden kann, wenn sich im konkreten Einzelfall kein Hinweis ergibt, dass ein Abweichen von der Mittelgebühr gerechtfertigt ist.
KompensationstheorieDas geringe Gewicht eines Bemessungsmerkmals kann das überragende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren. In Bezug auf die Sozialgerichtsbarkeit kann man als Faustregel sagen, dass ein geringes Einkommen die Bedeutung erhöht und ein hohes Einkommen die Bedeutung verringert.

Beachte:

Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

Grundsätzlich ist die Gebühr nach § 14 RVG für jeden Einzelfall zu bestimmen. Auch bei Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG gibt es bei Rahmengebühren keine Regelung zur grundsätzlichen Herabsetzung der Gebühr. Nach herrschender Meinung ist in diesen Verfahren aber zu berücksichtigen, dass es nur um eine vorläufige Regelung geht, die endgültige Entscheidung der Hauptsache vorbehalten bleibt und aufgrund der Tätigkeit in der Hauptsache die Tätigkeit im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz erheblich erleichtert wird.

Gebühren/Aufwendungen für ein Klageverfahren

Für ein Klageverfahren können in der Regel

  • eine Verfahrensgebühr gegebenenfalls einschließlich Erhöhungsgebühr (siehe Abschnitte 2.4.2.1 bis 2.4.2.3),
  • eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr (siehe Abschnitte 2.4.2.4 und 2.4.2.5),
  • eine Terminsgebühr (siehe Abschnitt 2.4.2.6),
  • Gebühren für den Ersatz von Auslagen (siehe Abschnitt 2.4.2.7) und
  • persönliche notwendige Aufwendungen des Klägers (siehe Abschnitt 2.4.2.8)
  1. anfallen.

Hinsichtlich der Höhe der Gebühren für das vorangegangene Widerspruchsverfahren wird auf die GRA zu § 63 SGB X verwiesen.

Verfahrensgebühr bis 31.07.2013

Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG).

RVG in der Fassung bis 31.07.2013
Nr. 3102Verfahrensgebühr SG40,00 bis 460,00 EUR
Nr. 3103

Verfahrensgebühr SG

bei vorausgegangener Tätigkeit

20,00 bis 320,00 EUR
Nr. 3204Verfahrensgebühr LSG50,00 bis 570,00 EUR
Nr. 3212Verfahrensgebühr BSG80,00 bis 800,00 EUR

Ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder in dem dem Klageverfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahren vorausgegangen, gilt für die Verfahrensgebühr der Gebührentatbestand nach Nr. 3103 VV RVG. Die reduzierte Gebühr setzt voraus, dass der Tätigkeit im Klageverfahren eine Tätigkeit im selben Verfahren vorausgegangen ist.

Um dasselbe Verfahren handelt es sich dann, wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde auf einem identischen Verfahrensgegenstand beruht. Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahrens wird vom Regelungswillen der Behörde und dem Begehren des Antragstellers bestimmt (vergleiche BSG Urteil vom 25.02.2010, AZ: B 11 AL 24/08).

Mit der geringeren Gebühr soll berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit im vorangegangenen Verfahren die Tätigkeit im Klageverfahren erleichtert hat. Da der ersparte Aufwand bereits durch die geringere Gebühr berücksichtigt ist, ist er bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG nicht nochmals zu berücksichtigen.

Beachte:

Von einigen Sozialgerichten wird die Ansicht vertreten, dass bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die verminderte Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG anfällt, wenn der Rechtsanwalt vor Einleitung des Eilverfahrens bereits im Widerspruchsverfahren tätig war. Es wird argumentiert, dass es ohne Bedeutung ist, dass der Widerspruch erst kurz vor der Einleitung des Eilverfahrens eingelegt wurde und noch nicht abgeschlossen ist.

Aufgrund der Regelung des § 197 Abs. 2 SGG müssen diese Entscheidungen hingenommen werden. Eine höchstrichterliche Entscheidung kann nicht erreicht werden.

Verfahrensgebühr ab 01.08.2013

Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG).

RVG in der Fassung ab 01.08.2013
Nr. 3102SG50,00 bis 550,00 EUR
Nr. 3204LSG60,00 bis 680,00 EUR
Nr. 3212BSG80,00 bis 880,00 EUR

Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in Verbindung mit § 15a RVG

Der Gebührentatbestand Nr. 3103 VV RVG, bei dem eine geringere Gebühr anfiel, wenn der Rechtsanwalt bereits im vorangegangenen Verfahren tätig war, ist weggefallen. Aus der indirekten Anrechnung ist eine direkte Anrechnung geworden. Die Vorbemerkung 3 Absatz 4 im Vergütungsverzeichnis des RVG regelt, welche Gebühren aufeinander anzurechnen sind. § 15a RVG bestimmt, welche Folgen eine solche Anrechnung im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant (Absatz 1) und im Verfahren zu erstattungspflichtigen Dritten (Absatz 2) hat.

Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass sich die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr auf denselben Gegenstand beziehen und beide Gebühren bei demselben Rechtsanwalt entstanden sind.

Der Rentenversicherungsträger ist erstattungspflichtiger Dritter im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG. Er kann sich unter folgenden Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen:

ErfüllungDer Rentenversicherungsträger hat den Anspruch auf eine der beiden Gebühren ganz oder teilweise erfüllt.
VollstreckungstitelWegen einer der von der Anrechnung betroffenen Gebühren besteht gegen den Rentenversicherungsträger ein Vollstreckungstitel.
Beide Gebühren in demselben VerfahrenBeide Gebühren werden in demselben Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger geltend gemacht (zum Beispiel wird im Kostenfestsetzungsverfahren die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren und die Verfahrensgebühr für das anschließende Klageverfahren geltend gemacht).

Der Rentenversicherungsträger muss sich auf die Anrechnung berufen. Eine Prüfung von Amts wegen durch den Urkundsbeamten bei der Kostenfestsetzung kommt nicht in Betracht. Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Anrechnungsvorschrift beruft.

Der Rentenversicherungsträger kann sich auf die Anrechnung berufen, aber sie nicht gestalten. Das heißt, dass der Rentenversicherungsträger nicht bestimmen kann, auf welche Gebühr die Anrechnung zu erfolgen hat.

Höhe der Anrechnung

Die Geschäftsgebühr wird zur Hälfte - höchstens 175,00 EUR - auf die Verfahrensgebühr angerechnet.

Beachte:

Die vorgerichtliche Geschäftsgebühr ist nicht auf die Gebühren eines Eilverfahrens anzurechnen, wohl aber auf die des nachfolgenden Hauptverfahrens.

Verfahrensgebühr bei mehreren Auftraggebern

War der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, erhält er die Gebühren nur einmal (§ 7 Abs. 1 RVG).

Sind Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen, erhöht sich nach Nr. 1008 VV RVG der Mindest- und Höchstbetrag der Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 30 % (Nr. 1008 VV RVG).

Einigungsgebühr
Nr. 1006 und 1007 in Verbindung mit Nr. 1000 VV RVG in der Fassung bis 31.07.2013
Nr. 1006SG30,00 bis 350,00 EUR
Nr. 1007LSG/BSG40,00 bis 460,00 EUR
Nr. 1006 in Verbindung mit Nr. 1000 VV RVG in der Fassung ab 01.08.2013

Die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 für das gerichtliche Verfahren entsteht in Höhe der Verfahrensgebühr.

Da die Einigungsgebühr nun in Höhe der Verfahrensgebühr anfällt, ist im gerichtlichen Verfahren keine Unterscheidung mehr nach der Instanz erforderlich. Der Gebührentatbestand nach Nr. 1007 ist daher entfallen.

Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines gegenseitigen Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Sie entsteht nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt.

In Verfahren, deren Gegenstand ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts ist, kann nach § 54 SGB X ein Vergleichsvertrag geschlossen werden (siehe GRA zu § 101 SGG, Abschnitt 2). Ein nach Maßgabe des § 54 SGB X zulässiger öffentlich-rechtlicher Vertrag in Gestalt eines Vergleichs kann grundsätzlich eine Einigungsgebühr auslösen.

Die Einigungsgebühr ist weiter gefasst als die frühere Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO. § 23 BRAGO setzte durch die Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Die Einigungsgebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren.

Erledigungsgebühr
Nr. 1006 und 1007 in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG in der Fassung bis 31.07.2013
Nr. 1006SG30,00 bis 350,00 EUR
Nr. 1007LSG/BSG40,00 bis 460,00 EUR
Nr. 1006 in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG in der Fassung ab 01.08.2013

Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 für das gerichtliche Verfahren entsteht in Höhe der Verfahrensgebühr.

Da die Erledigungsgebühr nun in Höhe der Verfahrensgebühr anfällt, ist im gerichtlichen Verfahren keine Unterscheidung mehr nach der Instanz erforderlich. Der Gebührentatbestand nach Nr. 1007 ist daher entfallen.

Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Mitwirkung des Rechtsanwalts
Grundsätze

Diese Gebührenposition setzt eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit des Anwaltes voraus. Dafür ist es nicht ausreichend, dass der Rechtsanwalt an der Erledigung nur durch eine Tätigkeit in dem Umfang mitwirkt, die nicht über das hinausgeht, was von ihm im Allgemeinen im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten ist. Erforderlich ist ein gezielt auf die einvernehmliche Beilegung des Streites gerichtetes Tätigwerden.

Hierzu wird auf die grundsätzlichen Ausführungen des Bundessozialgerichts zur Erledigungsgebühr hingewiesen:

Urteile vom 07.11.2006, AZ: B 1 KR 13/06 R, AZ: B 1 KR 22/06 R und AZ: B 1 KR 23/06 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 8 und vom 21.03.2007, AZ: B 11a AL 53/06 R.

Neues Beweismittel

Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen (§ 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I). Nach § 21 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Diesen Mitwirkungspflichten des Mandanten hat der Rechtsanwalt Rechnung zu tragen. Die damit verbundenen Tätigkeiten sind mit der Geschäftsgebühr abgegolten.

Die Beibringung von bekannten Beweismitteln oder von Beweismitteln, die ohne großen Aufwand zu beschaffen waren, reicht nicht aus (zum Beispiel die Vorlage eines Privatgutachtens, das in einem anderen Verfahren erstellt wurde und sich im Besitz des Mandanten befindet und somit nur kopiert werden musste).

Die unaufgeforderte Vorlage eines neu beschafften Beweismittels stellt eine ausreichende Mitwirkung dar.

Es kann nur im Einzelfall entschieden werden, wann die Beschaffung eines Beweismittels größeren Aufwand erforderte oder sich noch im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Beteiligten bewegte.

Siehe hierzu Urteile des BSG vom „02.10.2008, AZ: B 9/9a SB 3/07 R und AZ: B 9/9a SB 5/07 R, SozR 4-1300, § 63 Nr. 7 und vom 05.05.2009, AZ: B 13 R 137/08 R.

Nur Sachvortrag

Handlungen, die der Förderung des Verfahrens dienen und zu einer für den Mandanten günstigen Entscheidung führen sollen, werden nicht von der Erledigungsgebühr erfasst. Entsprechende Handlungen, die für den Bevollmächtigten selbstverständlich sind, werden durch die Verfahrensgebühr abgegolten. So reicht es nicht aus, wenn der Rechtsanwalt sich auf ein aufklärendes Schreiben der Sachbearbeitung mit der abweichenden Auffassung der Behörde zur Sach- und Rechtslage auseinandersetzt, hierauf erwidert und die eigene Ansicht nochmals argumentativ untermauert.

Ein Sachvortrag, der besonderes Bemühen ausdrückt und kausal zur Abhilfeentscheidung beigetragen hat, reicht nicht aus.

Siehe hierzu Urteile des BSG vom „05.05.2009, AZ: B 13 R 137/08 R, und vom 14.02.2013, AZ: B 14 AS 62/12 R.

In diesem Verfahren

Die anwaltliche Mitwirkung muss im konkreten Verfahren stattfinden. Ein Tätigwerden des Rechtsanwalts in einem anderen Verfahren reicht nicht aus.

Siehe hierzu Urteil des BSG vom „05.05.2010, AZ: B 11 AL 14/09 R.

Beispiel 1: Der Anwalt vertritt diverse Mandanten bei einem Streit um die Versicherungspflicht. Weil es sich um eine grundsätzliche Angelegenheit handelt, wird ein Musterverfahren geführt und die anderen Verfahren zum Ruhen gebracht. Im Musterverfahren kommt es zu einer Einigung. Der Musterfall führt dazu, dass auch die anderen Verfahren beendet werden können. Über den Musterfall hinaus kann die Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht zu einer Erledigungsgebühr führen.

Beispiel 2: Bescheid über eine Verrechnung nach § 52 SGB I wegen eines Verrechnungsersuchens der Krankenkasse. Der Rechtsanwalt erreicht während des anhängigen Klageverfahrens einen Teilerlass und eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Krankenkasse und übermittelt im Klageverfahren dieses Ergebnis. Die Krankenkasse nimmt das Verrechnungsersuchen zurück. Das Tätigwerden des Rechtsanwalts gegenüber der Krankenkasse stellt keine Mitwirkung im Klageverfahren gegen den Verrechnungsbescheid dar.

Erledigungserklärung nach TeilanerkenntnisEine einfache Erledigungserklärung reicht nicht aus. Im Einzelfall kann das Einwirken des Rechtsanwalts auf seinen Mandanten - um ihn nach Teilabhilfe zur Rücknahme zu bewegen - zur Erledigungsgebühr führen. Damit "verdient" sich der Rechtsanwalt die Erledigungsgebühr für die Überzeugungsarbeit.
KausalitätDie Mitwirkungshandlung muss ursächlich für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. Das bedeutet nicht, dass allein seine Bemühungen zur Abhilfe geführt haben müssen. Er muss einen nicht unerheblichen Beitrag zur Erledigung geleistet haben. Seine Mitwirkung muss maßgeblich für die Erledigung gewesen sein.
Terminsgebühr

Die Terminsgebühr entsteht

  • für die Vertretung in einem Termin (Abschnitt 2.4.2.6.1),
  • für die Mitwirkung an Besprechungen (Abschnitt 2.4.2.6.2),
  • auch ohne einen Termin als sogenannte fiktive Terminsgebühr (Abschnitt 2.4.2.6.3).

Die Gebühr kann in einer Angelegenheit in jeder Instanz nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 2 RVG) unabhängig davon, wie viele Termine oder Besprechungen stattgefunden haben. Der Aufwand für mehrere Termine oder Besprechungen kann nur über die Höhe der Gebühr abgegolten werden.

Beachte:

Ab 01.08.2013 wurde der Gebührentatbestand Nr. 1010 VV RVG eingeführt. Es handelt sich um eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr erhöht sich um 30 %.

Es hat ein Termin stattgefunden

Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin (vergleiche Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG in der Fassung bis 31.07.2013).

Höhe bis 31.07.2013
Nr. 3106SG20,00 bis 380,00 EUR
Nr. 3205LSG20,00 bis 380,00 EUR
Nr. 3213BSG40,00 bis 700,00 EUR

Die Terminsgebühr entsteht für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Sie entsteht jedoch nicht für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins nur zur Verkündung einer Entscheidung (vergleiche Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG in der Fassung ab 01.08.2013).

Höhe ab 01.08.2013
Nr. 3106SG50,00 bis 510,00 EUR
Nr. 3205LSG50,00 bis 510,00 EUR
Nr. 3213BSG80,00 bis 830,00 EUR

Bemessung der Gebühr

Zunächst wird zur Gebührenbestimmung auf Abschnitt 2.4.1 hingewiesen. Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten:

Allgemein

Die Vorbereitung des Termins ist mit der Verfahrensgebühr abgegolten (LSG Nordrhein-Westfalen, 16.12.2009, AZ: L 19 B 180/09 AS; LSG Schleswig-Holstein, 12.09.2006, AZ: L 1 B 320/05 SF SK; SG Berlin, 25.01.2010, AZ: S 165 SF 1315/09 E).

Abwesenheit und Fahrtkosten werden gesondert vergütet (Nr. 7003 und 7005 VV RVG).

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

Ein Anhaltspunkt ist die Dauer des Termins. Als durchschnittliche Dauer werden zwischen 37,5 bis 48,5 Minuten angesehen (SG Berlin 25.01.2010, AZ: S 165 SF 1315/09 E; 27.01.2010, AZ: S 165 SF 2027/09 E mit weiteren Nachweisen; LSG Schleswig-Holstein 12.09.2006, AZ: L 1 B 320/05 SF SK).

  • Fand im Termin eine Beweisaufnahme mit Befragen von Zeugen und Sachverständigen statt?
  • Ist der Verhandlung bereits ein Teilanerkenntnis vorausgegangen? War also nur noch ein kleiner Teil des Klagebegehrens zu klären?
  • Wie viele Termine haben stattgefunden?
  • War der Kläger anwesend? Falls ja, könnte dies für eine erhöhte Schwierigkeit sprechen, wenn eine Besprechung mit dem Kläger während des Termins für erforderlich gehalten wurde und tatsächlich stattgefunden hat.
Bedeutung, Einkommensverhältnisse und HaftungsrisikoDie Bedeutung, die Einkommensverhältnisse und das Haftungsrisiko dürften mit der Verfahrensgebühr identisch sein. Eine Abweichung hinsichtlich der Bedeutung tritt jedoch ein, wenn bereits vor dem Termin ein Teilanerkenntnis abgegeben wurde. Die Abgeltung der Terminsgebühr umfasst dann nicht mehr das vollständige Begehren. Bei der Bedeutung ist daher zu berücksichtigen, dass es in der Verhandlung nur noch um den Teil des Begehrens ging, der über das Teilanerkenntnis hinausgeht.
Terminsgebühr für Besprechungen
Rechtslage bis 31.07.2013Rechtslage ab 01.08.2013

Die Terminsgebühr entsteht für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber (vergleiche Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG).

Eine Besprechung nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG setzt voraus, dass bei der Sachbearbeitung die Bereitschaft vorlag, ein sachbezogenes Gespräch über eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens zu führen. Von einer Besprechung ist auszugehen, wenn der Mitarbeiter sich auf das Gespräch einlässt, indem er den ihm unterbreiteten Vorschlag zur Kenntnis nimmt und dessen Prüfung zusagt. Das Ergebnis der Besprechung ist für das Entstehen der Terminsgebühr ohne Bedeutung. Honoriert werden soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts. Ein Gespräch, das lediglich der Informationsbeschaffung dient, ist nicht ausreichend.

Wird der Inhalt der Erledigungsbesprechung von der Sachbearbeitung bestritten, muss der Prozessbevollmächtigte seine Sachverhaltsdarstellung beweisen.

Einzelfälle

Beschlussverfahren - mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben:

Die Terminsgebühr für Besprechungen soll mündliche Verhandlungen vermeiden helfen. In gerichtlichen Verfahren, die grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, das heißt, eine mündliche Verhandlung ist nicht vorgeschrieben (Beschlussverfahren, zum Beispiel einstweiliger Rechtsschutz), kann eine Terminsgebühr für eine Besprechung im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG nicht entstehen (vergleiche BGH, Beschluss vom 01.02.2007, AZ: V ZB 110/06; BGH, Beschluss vom 15.03.2007, AZ: V ZB 170/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2010, AZ: L 19 B 286/09 AS; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2010, AZ: L 19 B 395/09 AS; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.06.2009, AZ: 1 MN 172/08; SG Lüneburg, Beschluss vom 10.05.2007, AZ: S 25 SF 23/07; SG Berlin, Beschluss vom 29.05.2008, AZ: S 18 AS 22602/07 ER).

Die Terminsgebühr entsteht für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber (vergleiche Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG).

Mit der Neufassung des Absatzes 3 soll klargestellt werden, dass die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen unabhängig davon entsteht, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vergleiche BT-Drucksache 17/11471, S. 430).

Ein Termin hat nicht stattgefunden - Fiktive Terminsgebühr
Rechtslage bis 31.07.2013
Nr. 3106 VV RVG
Die Gebühr entsteht auch, wennAnmerkung

1.

in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,

Vergleich

Eine analoge Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, nach der eine Terminsgebühr auch entsteht, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, ist nicht möglich (siehe Beschlüsse LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2007, AZ: L 16 B 38/07 KR; 16.08.2006, AZ: L 20 B 137/06 AS; 10.05.2006, AZ: L 10 B 13/05 SB; 30.03.2009, AZ: L 2 B 20/08 KN P; Beschluss Bayerisches LSG vom 22.06.2007, AZ: L 15 B 200/07 P KO, und Beschluss des BVerfG vom 19.12.2006, AZ: 1 BvR 2091/06).

Beachte:

Die Änderung der Nr. 3106 VV RVG ab 01.08.2013 führt nicht dazu, dass diese auch für Altfälle Anwendung findet.

2.

nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder

3.

das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Anerkenntnis

Hier ist immer das volle Anerkenntnis gemeint, welches den Rechtsstreit erledigt.

Einzelfälle

1. Untätigkeitsklage

Endet die Klage nach Erlass des Bescheides mit der Erledigungserklärung des Klägers, sind die Voraussetzungen für eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG nicht erfüllt. Der Erlass des begehrten Bescheides und die Abgabe einer Erledigungserklärung nach § 88 Abs. 1 SGG sind nicht als Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG zu werten. Durch den Erlass des begehrten Bescheides wird die Erledigung der Hauptsache bewirkt. Damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis der Klage. Durch die Erledigungserklärung des Klägers wird die Klage beendet. Diese Erledigungsart steht einem angenommenen Anerkenntnis nach § 101 SGG nicht gleich.

Beachte:

Von einigen Sozialgerichten und Landessozialgerichten wird die Ansicht vertreten, dass der Erlass des begehrten Bescheides einem Anerkenntnis gleichzustellen ist und damit eine fiktive Terminsgebühr ausgelöst wird.

Aufgrund der Regelung des § 197 Abs. 2 SGG müssen diese Entscheidungen hingenommen werden. Eine höchstrichterliche Entscheidung kann nicht erreicht werden.

2. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz

Eine fiktive Terminsgebühr kann in diesen Verfahren nicht anfallen, weil eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist (§§ 124 Abs. 3, 86b Abs. 4 SGG). Die Voraussetzungen nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG sind damit nicht erfüllt.

Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift dient die fiktive Terminsgebühr dazu, die Gerichte zu entlasten, in dem unnötige Verhandlungstermine vermieden werden. Diesen Zweck kann die Vorschrift im sozialgerichtlichen Eilverfahren jedoch nicht erfüllen, weil das Gericht auch bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Beachte:

Von einigen Sozialgerichten und Landessozialgerichten wird die Ansicht vertreten, dass auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine fiktive Terminsgebühr entstehen kann. Aufgrund der Regelung des § 197 Abs. 2 SGG müssen diese Entscheidungen hingenommen werden. Eine höchstrichterliche Entscheidung kann nicht erreicht werden.

Rechtslage ab 01.08.2013
Nr. 3106 VV RVG
Die Gebühr entsteht auch, wennAnmerkung

1.

in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird,

1. Vergleich

Mit der Änderung zum 01.08.2013 soll Nummer 1 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG der Nummer 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV RVG angeglichen werden. Es gibt keinen sachlichen Grund, den schriftlichen Abschluss eines Vergleichs anders zu behandeln, nur weil keine Wertgebühren, sondern Betragsrahmengebühren erhoben werden (vergleiche BT-Drucksache 17/11471 neu, Seite 275).

Schriftlicher Vergleich im Sinne der Nummer 1 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG ist nur ein schriftlicher Prozessvergleich im Sinne von § 101 Abs. 1 S. 2 SGG oder § 202 SGG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 ZPO (siehe Beschlüsse Bayerisches LSG 22.05.2015, AZ: L 15 SF 115/14 E; 29.11.2016, AZ: L 15 SF 97/16 E; 16.12.2016, AZ: L 15 SF 63/15; LSG Nordrhein-Westfalen 11.03.2015, AZ: L 9 AL 277/14 B; 04.01.2016, AZ: L 10 SB 57/15 B; LSG Niedersachsen-Bremen 20.07.2015, AZ: L 7/14 AS 64/14 B).

2.

nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder

2. Gerichtsbescheid

Im Fall des Gerichtsbescheids liegt es allein in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu beenden. Die Beteiligten können nur dann eine mündliche Verhandlung beantragen, wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben ist. Das Entstehen der Terminsgebühr, ohne dass ein Termin stattgefunden hat, ist daher auf diese Fälle beschränkt.

3.

das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

In den Fällen des Satzes 1 beträgt die Gebühr 90 % der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nummer 1008.

3. Anerkenntnis

Hier ist immer das volle Anerkenntnis gemeint, welches den Rechtsstreit erledigt.

Einzelfälle

1. Untätigkeitsklage

Hinsichtlich des Meinungsstreits um die fiktive Terminsgebühr bei Untätigkeitsklagen (siehe Rechtslage bis 31.07.2013) hat sich durch die Änderungen zum 01.08.2013 keine Änderung ergeben.

2. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

Durch die Änderung wurde klargestellt, dass die fiktive Terminsgebühr davon abhängig ist, dass grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sein muss. Damit ist nun geregelt, dass eine fiktive Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anfallen kann.

Gebühren für den Ersatz von Auslagen
Nr. 7000 VV RVG Dokumentenpauschale

Die kleinliche Auszählung von Fotokopien sollte unterbleiben. Dem Rechtsanwalt ist ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen. Dies gilt jedoch nicht, wenn keine Akteneinsicht stattgefunden hat und keine Fotokopien übersandt wurden.

Nicht erstattungsfähig sind nicht notwendige Kopien, die entstanden sind, weil ungesehen - zum Beispiel von der Kanzleikraft - die komplette Akte kopiert wurde.

Nr. 7001 und 7002 VV RVG Entgelte für Post- und TelekommunikationsdienstleistungenDer Rechtsanwalt kann zwischen den tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 und der Pauschale nach Nr. 7002 wählen. Die Gebühr beschränkt sich in der Regel auf die Pauschale in Höhe von 20 % der Gebühren, höchstens jedoch 20,00 EUR.
Nr. 7003/7004 VV RVG Fahrtkosten

Auswärtiger Anwalt

Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der seinen Kanzleisitz nicht am Ort des Prozessgerichts hat, sind nur insoweit zu ersetzen, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Es ist also zu prüfen, ob nicht ein am Sitz des Gerichtes wohnender Rechtsanwalt hätte zugezogen werden können. Die Zuziehung eines außerhalb des Ortes des Gerichts wohnenden Rechtsanwalts (Kanzleisitz) ist dann angebracht, wenn dort überhaupt kein Rechtsanwalt zugelassen ist oder der örtliche Rechtsanwalt verhindert ist oder aus wichtigem Grund nicht zugezogen werden konnte.

War die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts nicht notwendig, können nur die Kosten erstattet werden, die angefallen wären, wenn der Erstattungsberechtigte einen Anwalt beauftragt hätte, der seinen Kanzleisitz am Ort des Gerichts hat.

War die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts notwendig, ist jedoch zu prüfen, ob im Einzelfall die Beauftragung eines Terminvertreters günstiger gewesen wäre.

Nr. 7005 VV RVG Tage- und Abwesenheitsgeld

bei einer Geschäftsreise

1. von nicht mehr als 4 Stunden 20,00 EUR

2. von mehr als 4 bis 8 Stunden 35,00 EUR

3. von mehr als 8 Stunden 60,00 EUR

Nr. 7008 VV RVG Umsatzsteuer

1. Höhe der Steuer

Ab 01.01.1993 15 %

Ab 01.04.1998 16 %

Ab 01.01.2007 19 %

Grundsätzlich kommt es bei der Beantwortung der Frage, welcher allgemeine Umsatzsteuersatz anzuwenden ist, auf den Eintritt der Fälligkeit der Vergütung an. Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung oder der Rechnungserteilung.

Nach § 8 RVG ist die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist.

2. Der Beteiligte wohnt im Ausland außerhalb der EU und wird als Privatperson vertreten

Es fällt keine Umsatzsteuer an (§§ 1, 3a Umsatzsteuergesetz - UStG).

Nach § 1 UStG unterliegen Leistungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Als sonstige Leistungen sind u.a. auch die Leistungen von Rechtsanwälten, Rechtsbeiständen usw. anzusehen (§ 3 UStG). Ist der Empfänger einer sonstigen Leistung kein Unternehmer und hat seinen Wohnsitz oder Sitz außerhalb des Gebietes der EU, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Satz 3 UStG).

3. Anwalt in eigener Sache

Es ist zu unterscheiden, ob es sich um ein Innengeschäft oder um ein Außengeschäft handelt. Nur wenn das Verfahren eine private Angelegenheit betrifft, kann der Anwalt die Erstattung der Umsatzsteuer verlangen.

Persönliche Aufwendungen des Beteiligten
Persönliches Erscheinen zum Termin

Macht der Beteiligte geltend, dass ihm für sein persönliches Erscheinen vor Gericht Kosten entstanden sind, ist zu unterscheiden, ob sein persönliches Erscheinen vom Gericht angeordnet war oder nicht.

Ist das persönliche Erscheinen vom Gericht angeordnet worden, werden ihm die Auslagen vom Gericht erstattet (§ 191 SGG). Das Gericht kann die Auslagen auch vergüten, wenn er ohne Anordnung erscheint und das Gericht das Erscheinen für geboten hält.

Erfolgt keine Erstattung durch die Staatskasse, weil das persönliche Erscheinen nicht angeordnet war und vom Gericht auch nicht für geboten erklärt wurde, sind die Auslagen nach § 193 SGG als notwendigen Aufwendungen erstattungsfähig, denn als Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hat ein Beteiligter das Recht, an Beweisaufnahme- und Verhandlungsterminen teilzunehmen, auch wenn sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war und er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde (SG Karlsruhe, Beschluss vom 27.10.1986, AZ: S 14 Ko B 43/86, Breithaupt 1987 S. 250).

Nach § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO gelten hinsichtlich Umfang und Höhe der Aufwandsentschädigung die Bestimmungen über die Zeugenentschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG).

Informationsreise zum Rechtsanwalt

In der Regel ist für jede Instanz eine Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass ein schriftlicher oder telefonischer Austausch ausreichend ist.

Die Fahrtkosten werden gemäß § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO nach den Bestimmungen über die Zeugenentschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) berechnet.

Dem Beteiligten ist Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden

Rechtsgrundlage für die Prozesskostenhilfe ist in der Sozialgerichtsbarkeit der § 73a SGG. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH entsprechend.

Hinsichtlich der Vergütung des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts gelten die §§ 45 bis 59 RVG.

Dem Anwalt steht ein Wahlrecht zu, die Erstattung seiner Kosten vom Gegner oder aus der Staatskasse zu verlangen.

Im Zusammenhang mit der Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren sind folgende Verfahren zu unterscheiden:

Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts aus der Staatskasse (§ 55 RVG)An dem Verfahren über die Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG ist der erstattungspflichtige Rentenversicherungsträger nicht beteiligt.
Übergang des Erstattungsanspruchs auf die Staatskasse (§ 59 RVG)

Hat die Staatskasse an den Rechtsanwalt bereits gezahlt (das gilt auch für einen gezahlten Vorschuss), geht mit der Befriedigung des Rechtsanwalts der Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 59 RVG auf die Staatskasse über. An dem Verfahren nach § 59 RVG sind nur der Rentenversicherungsträger und die Staatskasse beteiligt.

Es gelten die Vorschriften über die Einziehung der Gerichtskosten sinngemäß. Das heißt, dass die Gerichtskasse den Betrag im Verwaltungszwangsverfahren beziehungsweise nach der Justizbeitreibungsordnung beitreiben kann. Aus der Kostennachricht der Gerichtskasse nach § 59 RVG sollte sich die dem Rechtsanwalt gezahlte Vergütung ergeben. Einwendungen gegen die Kostennachricht sind als Erinnerung nach § 66 GKG vorzubringen. Dabei können alle Einwände vorgebracht werden, die der Rentenversicherungsträger auch dem Rechtsanwalt gegenüber im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG vorbringen würde. Der Streit über die Anwendung der richtigen Gebührensätze ist nicht auf das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG beschränkt. Der Streit kann auch im Verfahren nach § 59 RVG ausgetragen werden.

Die Erinnerung nach § 66 GKG ist an keine Frist gebunden. Sie wird auch nicht durch die Zahlung unzulässig (vergleiche Hartmann Kostengesetze, 45. Auflage, § 66 GKG, Rn 15).

Hinsichtlich der Forderung der Staatskasse ist das Gebot der Deckungsgleichheit zu beachten.

Beispiel Deckungsgleichheit:

Enthält der Erstattungsanspruch, den der Rechtsanwalt dem Rentenversicherungsträger gegenüber geltend macht (sogenannte Wahlanwaltsvergütung), einen Anspruch auf die Erstattung für das Widerspruchsverfahren und der Anspruch auf Forderungsübergang der Staatskasse bezieht sich nur auf die Kosten des Klageverfahrens, geht der Betrag für das Widerspruchsverfahren nicht auf die Staatskasse über.

Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung zwischen den Beteiligten (§§ 197, 193 SGG)

Der Anwalt hat die Wahl, seine Kosten im Namen seines Mandanten oder im eigenen Namen vom Gegner zu verlangen (§ 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 126 ZPO).

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG ist die Staatskasse nicht beteiligt.

Eine Vermengung der Verfahren ist angesichts der unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten und Zuständigkeiten nicht zulässig.

Beteiligter wird durch einen sozialpolitischen Verband vertreten

Sozialverbände sind Interessenvertretungen, die im Rahmen des § 7 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) entsprechend ihrer Satzung ihre Mitglieder in sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten vertreten (siehe auch § 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 SGG). Bei Vertretung durch einen Sozialverband werden die Kosten pauschaliert abgerechnet.

Zu unterscheiden ist zwischen

  • Sozialverbänden, die für ihre Vertretung die von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) beschlossenen Pauschalen zur Kostenerstattung an Kriegsopfer- und Behindertenverbände abrechnen (siehe Abschnitt 2.5.1) und
  • Sozialverbänden, die in ihrer Satzung eigene Pauschalen festlegen (siehe Abschnitt 2.5.2).

Kostenpauschalen nach der ASMK

Beschluss der 88. ASMK vom 23./24.11.2011, TOP 5.12:

„Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat mehrheitlich beschlossen:

Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder verständigen sich auf eine Anhebung der pauschalierten Erstattung der Kosten nach § 63 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an Kriegsopfer- und Behindertenverbände um 20 v.H. (der jeweiligen Ländersätze) ab dem 1. Januar 2012, sofern dies nicht bereits landesrechtlich in diesem Umfang umgesetzt wurde. Die sich ergebenden Beträge sind auf volle Euro-Beträge aufzurunden.“

Wie diesem Beschluss zu entnehmen ist, gelten bundesweit keine einheitlichen Beträge.

Kostenpauschalen nach der Satzung

Sozialverbände sind nicht berechtigt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abzurechnen. Sie erbringen eine Rechtsdienstleistung nach § 7 RDG für die grundsätzlich ein Entgelt gefordert werden darf.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinen Urteilen vom 29.03.2007 (AZ: B 9a SB 2/05 R, AZ: B 9a SB 3/05 R und AZ: B 9a SB 6/05 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 6) richtungsweisend entschieden, dass die Kosten eines Verbandsvertreters, die das Mitglied im Rahmen einer erlaubten Verfahrensvertretung zu tragen hat, nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X erstattungsfähig sein können. Voraussetzung ist, dass die Forderung, die für die Vertretung im Widerspruchsverfahren dem Mitglied gegenüber geltend gemacht wird, rechtswirksam ist (siehe auch BSG Urteile vom 18.09.2014, AZ: B 14 AS 5/14 R, und 17.03.2015, AZ: B 11 AL 8/14 R). Alle BSG-Entscheidungen sind zu § 63 SGB X ergangen, sind aber auf § 193 SGG übertragbar.

Macht der bevollmächtigte Sozialverband eine Pauschale nach der Satzung geltend, ist zu prüfen, ob die Forderung gegenüber dem Mitglied nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung des § 7 RDG rechtmäßig ist. Nur eine rechtmäßige Forderung ist nach § 193 Abs. 2 SGG als zur zweckentsprechenden Rechtverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Aufwendung erstattungsfähig.

Zu prüfen ist, ob nach der Satzung die Rechtsdienstleistung zu den Aufgaben des Verbandes gehört und diese gegenüber der Erfüllung der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung ist.

Der Verband muss außerdem über die zur sachgerechten Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügen und sicherstellen, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. § 6 Abs. 2 S. 2 RDG gilt entsprechend (§ 7 Abs. 2 RDG).

Werden Kosten erhoben, muss die Kostenerhebung in einer satzungsrechtlichen Regelung wurzeln. Dafür ist es ausreichend, dass in der Satzung geregelt ist, dass eine Kostenrichtlinie durch Beschluss ergeht. Diese Kostenrichtlinie muss transparent sein. Das heißt, dass das Mitglied und jeder Dritte klar und deutlich erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die Forderung entsteht und ob das Mitglied sie in dieser Höhe auch endgültig trägt.

Hinsichtlich der Höhe der Pauschalen nach der Satzung des Sozialverbandes sind die Grenzen nach § 7 RDG überschritten, wenn sich der Verband ein Entgelt zahlen lässt, das dem der Rechtsanwälte entspricht. Die Rechtsdienstleistungstätigkeit darf keine Teilnahme am wirtschaftlichen Erwerb darstellen. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist unzulässig.

Für welche Sozialverbände die Kostenforderungen nach der Satzung und der Kostenrichtlinie die Voraussetzungen nach der genannten BSG Rechtsprechung erfüllen, rechtswirksam und damit erstattungsfähig sind, wird durch Rundschreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund - Geschäftsbereich Rechts- und Fachfragen - an die Träger der Deutschen Rentenversicherung bekannt gegeben. Das ergibt sich aus dem Beratungsergebnis der Arbeitsgruppe des Fachausschusses für Versicherung und Rente (AGFAVR 2/2015, TOP 10) und den nachfolgenden Rundschreiben:

Beteiligter wird durch eine sonstige Person vertreten

Wird der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten, der nicht Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter ist oder der keine Befugnis zur Rechtsdienstleistung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz hat, werden nur die notwendigen Aufwendungen des Bevollmächtigten wie Porto, Telefonkosten, Fotokopien et cetera erstattet.

Kostenerstattungsantrag, obwohl gegen die gerichtliche Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wurde

Ist die Kostengrundentscheidung nicht rechtskräftig, weil gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist zu prüfen, ob das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat. Hierzu wird auf die §§ 154, 165 SGG verwiesen.

Hat das Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung aufschiebende Wirkung oder ist die Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG angeordnet, kann keine wirksame Kostenfestsetzung erfolgen.

Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718)

Inkrafttreten: 01.07.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1971

SGG 03.09.1953 (BGBl. I S. 1239)

Inkrafttreten: 01.01.1954

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 01/4225

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 193 SGG