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Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009: Verbot des Zusammentreffens von Leistungen - Gegenseitige Kürzung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

In Abschnitt 3.1 wurde der § 96a SGB VI als deutsche Rechtsvorschrift, die zur Anwendung des Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 führen kann, ergänzt. In Abschnitt 3.2 wurde klargestellt, dass nur Kürzungen bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im E 210 bzw. im SED P 6000 ersichtlich sind.

Dokumentdaten
Stand25.01.2018
Version001.00

Inhalt der Regelung

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt die Folgen des Zusammentreffens von mitgliedstaatlichen Leistungen, die nach den Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten gegenseitig zum Kürzen, Ruhen oder Entziehen führen. In diesen Fällen ist der Betrag der autonomen Leistung, der aufgrund der nationalen Doppelleistungsbestimmungen nicht ausgezahlt würde, durch die Zahl der sich gegenseitig beeinflussenden Leistungen zu teilen und auszuzahlen. Damit schließt Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 die Anwendung von Art. 55 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 für die autonome Leistung aus und modifiziert ergänzend zu Art. 53 ff. VO (EG) Nr. 883/2004 die nationalen Doppelleistungsbestimmungen (Rechtsvorschriften über das Kürzen, Ruhen oder Entziehen von Leistungen beim Zusammentreffen mit anderen Leistungen).

Für andere Bereiche der Sozialversicherung ist Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 die einzige Vorschrift über das Zusammentreffen von Leistungen, weil der Titel III, Kapitel 4 und 5, der VO (EG) Nr. 883/2004, der die Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 bis Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 beinhaltet, nur für Rentenleistungen anzuwenden ist.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Allgemeines

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 ist gleichermaßen auf Leistungen nach Titel III, Kapitel 4 und 5, der VO (EG) Nr. 883/2004 (Renten der Rentenversicherung) als auch auf Leistungen anderer Kapitel der VO (EG) Nr. 883/2004 (anderer Bereiche der Sozialversicherung) anzuwenden. Insofern ist sein Anwendungsbereich weiter als der der Art. 53 bis 55 VO (EG) Nr. 883/2004, die nur für Leistungen gelten, die unter Titel III, Kapitel 4 und 5, der VO (EG) Nr. 883/2004 fallen. Andererseits regelt er ausschließlich die Fälle, in denen sich zwei Leistungen gegenseitig beeinflussen. Diese Wechselwirkung ist für Fälle, die durch die Doppelleistungsbestimmungen der Art. 53 bis 55 VO (EG) Nr. 883/2004 geregelt werden sollten, nicht notwendig.

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 ergänzt die Regelungen zur Anwendung der Doppelleistungsbestimmungen in Art. 55 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 und bestimmt eine von seinen Regelungen abweichende Rechtsfolge für die besonderen Fälle, in denen die geschuldeten Leistungen von zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die durch die VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst werden, sich gegenseitig beeinflussen. Auch durch Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 soll vermieden werden, dass sich eine gegenseitige Anrechnung von Leistungen übermäßig leistungsmindernd auswirkt. Dies wird dadurch erreicht, dass der nach Anwendung von nationalen Doppelleistungsbestimmungen nicht auszuzahlende Betrag durch die Zahl der zu kürzenden, zum Ruhen zu bringenden oder zu entziehenden Leistungen geteilt wird.

Bei der Anwendung des deutschen Rechts können autonome (innerstaatliche) Leistungen (Renten) der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sein, die mit Leistungen unterschiedlicher Art aus anderen Mitgliedstaaten zusammentreffen, welche nicht nach Kapitel 4 oder 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 festgestellt wurden. Dies betrifft beispielsweise die Anrechnung einer Rente aus der Unfallversicherung eines anderen Mitgliedstaates auf die deutsche Rente, wenn gleichzeitig der andere Mitgliedstaat die deutsche Rente auf seine Rente aus der Unfallversicherung anrechnet. Denkbar ist allerdings auch eine gegenseitige Beeinflussung von Leistungen, die jeweils nach Titel III, Kapitel 4 und 5, der VO (EG) Nr. 883/2004 festgestellt wurden. Dies ist der Fall, wenn die Anrechnung einer Versichertenrente aus der Rentenversicherung eines anderen Mitgliedstaates auf die deutsche Hinterbliebenenrente und eine umgekehrte Anrechnung (der deutschen Hinterbliebenenrente) im anderen Mitgliedstaat (auf die Versichertenrente) erfolgt.

Die Anwendung nationaler Doppelleistungsbestimmungen beim Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art ist für eine anteilige Leistung ausgeschlossen (Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004) und für eine autonome Leistung nur sehr eingeschränkt möglich (vergleiche Art. 54 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004). Für das Zusammentreffen gleichartiger Leistungen gibt es zudem im deutschen Recht (nahezu) keine Doppelleistungsbestimmungen (vergleiche GRA zu Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5), sodass für Art. 10 VO (EG) Nr. 883/2004 auch keine Anwendungsfälle im deutschen Recht entstehen.

Voraussetzungen für die Anwendung

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 kann nur Auswirkungen haben, wenn

  • die Voraussetzungen des Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 erfüllt und die nationalen Doppelleistungsbestimmungen überhaupt anwendbar sind (vergleiche Abschnitt 3.1),
    und
  • die Anwendung der jeweiligen nationalen Doppelleistungsbestimmungen zu einem gegenseitigen Kürzen, Ruhen oder Entziehen der Leistungen in zwei Mitgliedstaaten führen (vergleiche Abschnitt 3.2).

Voraussetzungen des Artikel 53 VO (EG) Nr. 883/2004

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält keine Aussage zur Anwendbarkeit von Vorschriften über das Kürzen, Ruhen und Entziehen von Leistungen. Er modifiziert für Leistungen, die sich gegenseitig beeinflussen, lediglich die Folgen der nationalen Doppelleistungsbestimmungen, ungeachtet der Rechtsfolgen aus Art. 54 und Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004. Die allgemeinen Bedingungen des Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 gelten allerdings auch für Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009. Er kann daher nur auf nationale Doppelleistungsbestimmungen angewendet werden, die die Voraussetzungen von Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 erfüllen (vergleiche GRA zu Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5).

Nach Art. 53 Abs. 3 Buchstabe a VO (EG) Nr. 883/2004 können mitgliedstaatliche Leistungen oder sonstige Einkünfte nur berücksichtigt werden, wenn sie gebietsneutral gefasst sind oder ausländische Sachverhalte ausdrücklich berücksichtigen (vergleiche GRA zu Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6.1). Dies gilt auch für die Anwendung des Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009.

Folgende deutsche Rechtsvorschriften können (im Falle der gegenseitigen Beeinflussung, vergleiche Abschnitt 3.2) zu einer gegenseitigen Anrechnung bei gleichzeitiger Anwendung entsprechender Rechtsvorschriften in einem anderen Mitgliedstaat führen, sodass Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 zur Anwendung käme:

  • § 90 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI
    Anrechnung neuer Ansprüche des letzten Ehegatten oder Lebenspartners auf die deutsche Rente nach dem vorletzten Ehegatten oder Lebenspartner - und umgekehrte Anrechnung im anderen Mitgliedstaat
  • § 93 SGB VI
    Anrechnung einer mitgliedstaatlichen Rente der Unfallversicherung auf eine deutsche Rente der Rentenversicherung - und umgekehrte Anrechnung im anderen Mitgliedstaat
  • § 96a SGB VI
    Anrechnung einer mitgliedstaatlichen Sozialleistung auf eine deutsche Rente wegen Erwerbsminderung oder eine deutsche Rente für Bergleute - und umgekehrte Anrechnung im anderen Mitgliedstaat
  • § 97 SGB VI
    Anrechnung einer Rente aus eigener Versicherung auf eine deutsche Rente wegen Todes - und umgekehrte Anrechnung im anderen Mitgliedstaat

Gegenseitiges Anrechnen von Leistungen

Die Rechtsfolgen des Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 treten nur in den Fällen ein, in denen nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschuldete Leistungen gegenseitig gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden.

Dies setzt voraus, dass eine deutsche Rente durch mindestens eine mitgliedstaatliche Leistung (zum Beispiel eine Unfallrente) im Rahmen einer Anrechnung (durch § 93 SGB VI) gemindert und gleichzeitig die deutsche Rente auf die mitgliedstaatliche Leistung (Unfallrente) im Rahmen der Doppelleistungsbestimmungen dieses Mitgliedstaates angerechnet wird.

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt diesbezüglich einen anderen Sachverhalt, als er Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 (einschließlich § 97 Abs. 2 Satz 4 SGB VI) zugrunde liegt: die gegenseitige Beeinflussung erfolgt zwischen zwei Leistungen, während in Anrechnungsfällen nach Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 (einschließlich § 97 Abs. 2 Satz 4 SGB VI) eine Leistung oder ein Einkommen auf zwei Leistungen in zwei Staaten einwirkt. Insgesamt sind also drei Leistungen oder zwei Leistungen und ein Einkommen beteiligt.

Siehe Beispiel 1

Ob und durch welche Leistung eine mitgliedstaatliche Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt wird, kann dem SED P 6000 unter Ziffern 3.6 bis 3.14 (oder übergangsweise noch dem Formblatt E 210 unter Ziffer 6) entnommen werden.

Höhe der zu berücksichtigenden Beträge

Die Höhe der zu berücksichtigenden Beträge ergibt sich aus den jeweiligen nationalen Doppelleistungsbestimmungen in Verbindung mit Art. 53 Abs. 3 Buchstabe b VO (EG) Nr. 883/2004 (siehe GRA zu Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6.2) vor Minderung der Leistung durch eine gegenseitig anzurechnende Leistung.

Der Leistungsanteil aus freiwilligen Beiträgen bleibt gemäß Art. 53 Abs. 3 Buchstabe c VO (EG) Nr. 883/2004 unberücksichtigt (siehe GRA zu Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6.3).

Rechtsfolgen

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 bestimmt für den Fall der gegenseitigen Kürzung von zwei oder mehr mitgliedstaatlichen Leistungen, dass die Beträge, die nach Anwendung der nationalen Doppelleistungsbestimmungen nicht ausgezahlt würden, durch die Zahl der zu kürzenden, zum Ruhen zu bringenden oder zu entziehenden Leistungen geteilt werden. Dies geschieht ungeachtet der Rechtsfolgen aus den Doppelleistungsbestimmungen von Titel III, Kapitel 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 (Art. 53 ff. VO (EG) Nr. 883/2004).

Beim Zusammentreffen von Leistungen sind die bei den nationalen Doppelleistungsbestimmungen zu berücksichtigenden Leistungen nach dem Faktor der beteiligten Leistungen (Art. 55 Abs. 1 Buchstabe a VO (EG) Nr. 883/2004) oder dem pro-rata aus der Berechnung der anteiligen Leistung (Art. 55 Abs. 1 Buchstabe b VO (EG) Nr. 883/2004) in Ansatz zu bringen. Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 verfügt für den Fall der gegenseitigen Beeinflussung eine dritte Variante: der nach Anwendung der nationalen Doppelleistungsbestimmungen nicht auszuzahlende Betrag soll durch die Zahl der zu kürzenden, zum Ruhen zu bringenden oder zu entziehenden Leistungen geteilt werden. Damit werden die Rechtsfolgen des Art. 55 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 bei Leistungen, die sich gegenseitig beeinflussen, durch Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 ersetzt. Die Regelung aus Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 entspricht der Teilungsmethode, die bei Art. 46c VO (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung kommt und die bei zwei sich gegenseitig beeinflussenden Leistungen nach Anrechnung mindestens eine Rente in hälftiger Höhe garantiert.

Siehe Beispiel 1

Die deutsche Rente wird zuerst unter Anwendung der deutschen Anrechnungsvorschriften berechnet. Im Anschluss wird der nicht auszuzahlende Betrag durch die Zahl der Leistungen, die sich gegenseitig beeinflussen, geteilt und, gegebenenfalls zusätzlich zum verbleibenden Zahlbetrag, an den Berechtigten ausgezahlt.

Beispiel 1: Versichertenrente aus der deutschen Rentenversicherung und belgische Unfallrente beeinflussen sich gegenseitig

(Beispiel zu Abschnitt 3.2 und 5)
innerstaatliche Rente der deutschen Rentenversicherung600,00 EUR
Bezug einer belgischen Unfallrente (MdE ist gleich 70 %)
Beide Leistungen beeinflussen sich gegenseitig.
belgische UV-Rente vor Anrechnung der deutschen Versichertenrente500,00 EUR
Grenzbetrag § 93 SGB VI
(errechnet aus: JAV mal 70 % geteilt durch 12;
und hierfür die JAV aus 500,00 EUR mal 18 mal 100 geteilt durch 70)
750,00 EUR
Lösung:
Die belgische Unfallrente ist mit dem Betrag vor Anwendung der Anrechnungsvorschriften (ist gleich 500,00 EUR) zu berücksichtigen. Die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge (1.100,00 EUR) überschreitet den Grenzbetrag nach § 93 SGB VI um 350,00 EUR.
In Anwendung des Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 ist der Anrechnungsbetrag der deutschen Rente zu halbieren (ist gleich 175,00 EUR). Von belgischer Seite ist der Anrechnungsbetrag ebenfalls zu halbieren.
VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010 Anzuwenden ab: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284 vom 30.10.2010

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 ist mit der VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 am 01.05.2010 in Kraft getreten und anwendbar (Art. 97 VO (EG) Nr. 987/2009).

Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009 entspricht inhaltlich Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 574/72. Änderungen in der Rechtsanwendung ergeben sich nicht.

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