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Art. 32 VO (EG) Nr. 883/2004: Rangfolge der KVdR - Familienangehörige

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Redaktionelle Überarbeitung im Rahmen der GRA.

Dokumentdaten
Stand12.10.2015
Version001.01

Inhalt der Regelung

Art. 32 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt für Familienangehörige die Rangfolge der Sachleistungsansprüche in Fällen, in denen für diese sowohl ein eigenständiger, als auch ein abgeleiteter Sachleistungsanspruch in Betracht kommt.

Allgemeines

Sofern in dieser GRA der Begriff „Sachleistungen“ verwendet wird, umfasst dieser nach Art. 1 Buchst. va VO (EG) Nr. 883/2004 Leistungen bei Krankheit, bei Pflegebedürftigkeit, bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft.

Sofern in dieser GRA der Begriff „Familienangehöriger“ verwendet wird, umfasst dieser nach Art. 1 Buchst. i Ziff. 1ii) VO (EG) Nr. 883/2004 diejenigen Personen, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaates als Familienangehörige anzusehen sind. Wer nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung als Familienangehöriger anzusehen ist, legt § 10 SGB V fest.

Sofern in dieser GRA die Begriffe „Wohnsitz“ und „Wohnstaat“ verwendet werden, umfassen diese nach Art. 1 Buchst. j VO (EG) Nr. 883/2004 den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person.

Art. 32 VO (EG) Nr. 883/2004 enthält besondere Vorschriften über den Sachleistungsanspruch von Personen, die Familienangehörige eines gesetzlich Krankenversicherten sind und für die zudem auch ein eigener Sachleistungsanspruch in Betracht kommt. Die Vorschrift legt fest, welcher von diesen Ansprüchen der Vorrangige ist.

Zu unterscheiden ist dabei, ob der Familienangehörige seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat ohne Einwohnerkrankenversicherung (Abschnitt 3) oder mit Einwohnerkrankenversicherung (Abschnitt 4) hat.

Wohnsitz von Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat ohne Einwohnerkrankenversicherung

Mitgliedstaaten, in denen keine Einwohnerkrankenversicherung besteht, sind:

Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Luxemburg, Österreich, Polen, die Schweiz, Slowenien, Spanien, Ungarn, Zypern.

Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 hat ein eigenständiger Sachleistungsanspruch aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats (zum Beispiel wegen einer eigenen Rente oder Beschäftigung) Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch als Familienangehöriger (beispielsweise Familienversicherung).

Siehe Beispiel 1

Siehe auch GRA zu Art. 22 ff. VO (EG) Nr. 883/2004, Übersicht und Erläuterungen, Abschnitt 4.7.

Wohnsitz von Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat mit Einwohnerkrankenversicherung

Mitgliedstaaten, in denen eine Einwohnerkrankenversicherung besteht, sind:

Bulgarien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Malta, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, die Tschechische Republik.

Art. 32 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 durchbricht die Grundregel des Absatzes 1 Satz 1 in Fällen, in denen Familienangehörige ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat mit Einwohnerkrankenversicherung haben und dort ein eigenständiger Sachleistungsanspruch unmittelbar und ausschließlich aufgrund der Einwohnereigenschaft besteht.

In diesen Ausnahmefällen geht ein in einem anderen Mitgliedstaat bestehender Sachleistungsanspruch als Familienangehöriger dem eigenständigen Sachleistungsanspruch aus der Einwohnerkrankenversicherung vor.

Hintergrund dieser Regelung ist, dass ansonsten Wohnstaaten mit Einwohnerkrankenversicherung einseitig mit Kosten für Sachleistungen belastet wären.

Siehe Beispiel 2

Wird vom Familienangehörigen hingegen im Wohnstaat eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt oder nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaates eine Rente bezogen, so gehen gemäß Art. 32 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 die vom Wohnstaat erbrachten Sachleistungen zu Lasten des Wohnstaates. In diesen Fällen ist Absatz 1 Satz 2 nicht anzuwenden, weil der Sachleistungsanspruch nicht unmittelbar und ausschließlich aufgrund der Einwohnereigenschaft, sondern (vorrangig) aufgrund der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder des Rentenbezugs besteht.

Siehe Beispiel 3

Siehe auch GRA zu Art. 22 ff. VO (EG) Nr. 883/2004, Übersicht und Erläuterungen, Abschnitt 4.7.

Beispiel 1: Art. 32 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004

Vorrang des eigenständigen Anspruchs auf Sachleistungen

Wohnsitz von Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat ohne Einwohnerkrankenversicherung

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Ein Rentner hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er bezieht seit dem 01.06.2015 eine deutsche Rente. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der deutschen KVdR nach § 5 SGB V sind nicht erfüllt. Der Berechtigte ist seit 1998 aufgrund der Pflichtversicherung des Ehegatten nach § 10 SGB V familienversichert.

Am 01.06.2015 kommt es zugleich mit der deutschen Rente zu einem Anspruch auf slowenische Rente, die im Rahmen des Art. 24 VO (EG) Nr. 883/2004 zu einer slowenischen Pflichtkrankenversicherung führt.

Das Gesamteinkommen des Familienangehörigen wird im Rahmen des § 10 SGB V weiterhin nicht überschritten.

Lösung:
Eine slowenische Pflichtkrankenversicherung im Rahmen des Art. 24 VO (EG) Nr. 883/2004 hat aufgrund des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 Vorrang vor der deutschen Familienversicherung nach § 10 SGB V. Die deutsche Familienversicherung endet am 31.05.2015.

Beispiel 2: Art. 32 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004

Vorrang des abgeleiteten Anspruchs auf Sachleistungen

Wohnsitzverlegung von Familienangehörigen in einen Mitgliedstaat mit Einwohnerkrankenversicherung

(Beispiel zu Abschnitt 4)

Eine Rentnerin hat ihren Wohnsitz in Deutschland. Sie bezieht seit dem 01.06.2015 allein eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Sie ist in der deutschen KVdR pflichtversichert. Aufgrund dieser Versicherung besteht für ihren Ehemann eine Familienversicherung nach § 10 SGB V.

Die Rentnerin und ihr Ehemann verlegen am 01.08.2015 gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Schweden. Weder die Rentnerin noch ihr Ehemann beziehen eine schwedische Rente, noch wird dort eine Beschäftigung ausgeübt.

Lösung:

Die Rentnerin selbst ist trotz Wohnsitz in Schweden nach Art. 25 VO (EG) Nr. 883/2004 in der deutschen KVdR und PflegeV pflichtversichert.

Für ihren Ehemann bleibt es aufgrund Art. 32 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 weiterhin bei der deutschen Familienversicherung nach § 10 SGB V.

Beispiel 3: Art. 32 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004

Wohnsitz von Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat mit Einwohnerkrankenversicherung

Vorrang der Einwohnerkrankenversicherung aufgrund Beschäftigung oder Rente

(Beispiel zu Abschnitt 4)
Ein Rentner verlegt seinen Wohnsitz von Deutschland nach Großbritannien. Er bezieht allein eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Er erfüllt die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR. Seine Ehefrau ist nach § 10 SGB V familienversichert. Nach der Wohnsitzverlegung übt sie in Großbritannien eine Beschäftigung aus oder bezieht eine britische Rente.
Lösung:
Der Rentner selbst ist trotz der Wohnsitzverlegung nach Großbritannien nach Art. 25 VO (EG) Nr. 883/2004 in der deutschen KVdR und PflegeV pflichtversichert. Für seine Ehefrau kommt es nach der Wohnsitzverlegung nicht zu einer deutschen Familienversicherung nach § 10 SGB V. Eine solche ist aufgrund Art. 32 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 31 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht zulässig. Die Ehefrau ist aufgrund der Beschäftigung in Großbritannien beziehungsweise des britischen Rentenbezugs in die britischen Rechtsvorschriften verwiesen.
VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 32 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 32 VO (EG) Nr. 883/2004 entspricht inhaltlich Art. 19 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71.

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