Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

Art. 1 Buchstabe g VO (EG) Nr. 883/2004: Definitionen - Flüchtlinge

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand20.04.2015
Version001.01

Inhalt der Regelung

Art. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 enthält die Bedeutung verschiedener in der Verordnung verwendeter Begriffe (Legaldefinitionen). Sie dienen einem einheitlichen Begriffsverständnis in allen Mitgliedstaaten und der Vermeidung von Wiederholungen im Text der Verordnung.

Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 definiert für die Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004 den Begriff „Flüchtling“, wie er in Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (auch „Genfer Abkommen“ oder „Genfer Konvention“) festgelegt ist. Die Definition des Flüchtlingsbegriffs erstreckt sich auch auf die im Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 getroffenen Regelungen, obwohl ein entsprechender Hinweis in Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 fehlt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Begriff „Flüchtling“

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 ist nach der in Art. 1 Abschnitt A. Ziffer 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl. II 1953, S. 560) festgelegten Bedeutung eine Person, die

  • infolge von Ereignissen, die vor dem 01.01.1951 eingetreten sind, und
  • aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und
  • den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will oder
  • sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Mit Art. 1 Absatz 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 (BGBl. II 1969, S. 1294) ist der Geltungsbereich des Abkommens vom 28.07.1951 erweitert worden, sodass es auch auf Ereignisse, die nach dem 31.12.1950 eingetreten sind, anwendbar ist.

Obwohl in Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 ein Hinweis auf das Protokoll vom 31.01.1967 fehlt, wird der Definition des Begriffs „Flüchtling“ die vorstehende Erweiterung zugrunde gelegt. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 und des Europarechts können damit auch Personen besitzen, die ihren Heimatstaat aus den in Art. 1 des Abkommens vom 28.07.1951 genannten Gründen erst nach dem 31.12.1950 verlassen haben.

Ein anerkannter Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 hat in dem Staat, der ihn in seine Obhut genommen hat, die gleichen sozialen Rechte wie die Staatsangehörigen des Aufnahmestaates.

Statusfeststellung

Die Feststellung, ob eine Person die Flüchtlingseigenschaft nach dem Abkommen vom 28.07.1951 erfüllt, obliegt dem Aufnahmestaat. Ist dieser die Bundesrepublik Deutschland, genießen folgende Personen die Rechtsstellung im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951:

  • heimatlose Ausländer
    im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951 (BGBl. I 1951, S. 269).
  • Kontingentflüchtlinge
    gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 (HumAG; BGBl. I 1980, S. 1057). Das HumAG ist am 01.01.2005 außer Kraft getreten (Art. 15 Abs. 3 Nr. 3 Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004, BGBl. I 2004, S. 1950), Übergangsbestimmungen enthalten §§ 101, 103 Aufenthaltsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I 2004, S. 1950).
  • Asylberechtigte
    gemäß § 2 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz vom 26.06.1992 (BGBl. I 1992, S. 1126) beziehungsweise dessen Vorgängernormen (Asyl-VO, AuslG).
  • sonstige politisch Verfolgte
    deren Rechtsstellung gemäß § 3 Asylverfahrensgesetz vom 26.06.1992 (BGBl. I 1992, S. 1126) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder ein Gericht unanfechtbar festgestellt wurde.

Personen, deren Flüchtlingseigenschaft von einem anderen Unterzeichnerstaat des Abkommens vom 28.07.1951 festgestellt wurde (alle Anwenderstaaten des Europarechts sind auch Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens), erwerben bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in die Bundesrepublik Deutschland eine der vorstehenden Rechtsstellungen.

Nachweis der Flüchtlingseigenschaft

Der Nachweis der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 wird durch Vorlage eines Personalausweises oder eines Reiseausweises erbracht.

In der Bundesrepublik Deutschland unterliegen Flüchtlinge der Passpflicht; ihnen wird daher kein Personalausweis, sondern ein Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 ausgestellt, wenn und solange sie eine der in Abschnitt 3 genannte Rechtsstellung innehaben. Der Reiseausweis ist in zwei Sprachen ausgestellt, von denen mindestens eine englisch oder französisch ist, und mit einem Hinweis auf das Abkommen vom 28.07.1951 versehen.

Ein in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellter Reiseausweis enthält zusätzlich folgenden Vermerk:

  • für heimatlose Ausländer
    „Der Inhaber des Passes ist heimatloser Ausländer nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 und zum Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt“,
  • für Kontingentflüchtlinge
    „Der Ausweisinhaber ist ausländischer Flüchtling im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge“,
  • für Asylberechtigte
    „Der Inhaber dieses Reiseausweises ist als Asylberechtigter anerkannt“,
  • für sonstige politisch Verfolgte
    „Der Inhaber dieses Reiseausweises ist Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“.

Für Personen, deren Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Unterzeichnerstaat des Abkommens vom 28.07.1951 festgestellt wurde und die sich nunmehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten wollen, geht die Verantwortung für die Ausstellung eines Reiseausweises auf die Bundesrepublik Deutschland über. Sie erhalten einen Reiseausweis mit folgendem Vermerk:

„Der Inhaber dieses Reiseausweises hat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Anerkennung als Flüchtling nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gefunden“.

Legt ein Berechtigter mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland einen gültigen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28.07.1951 vor, ist die Flüchtlingseigenschaft im Sinne dieses Abkommens und des Europarechts nachgewiesen (zu einem möglichen Verlust der Flüchtlingseigenschaft vergleiche Abschnitt 5).

Der Status des Berechtigten ist im Rahmen des zwischenstaatlichen Verfahrens gegenüber den beteiligten Trägern in den strukturierten elektronischen Dokumenten (SEDs) beziehungsweise E-Formblättern entsprechend zu bescheinigen und für sie verbindlich.

Bei gewöhnlichem Aufenthalt des Flüchtlings in einem anderen Mitgliedstaat wird die Flüchtlingseigenschaft im Rahmen des zwischenstaatlichen Verfahrens vom dortigen Kontakt-Träger in den strukturierten elektronischen Dokumenten (SEDs) beziehungsweise E-Formblättern bescheinigt. Die Angaben sind für die deutschen Träger verbindlich.

Verlust der Flüchtlingseigenschaft

Von einer Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wird ausgegangen, wenn der Flüchtling durch eigene Handlungen zu verstehen gibt, dass eine einstmals bestandene Verfolgungsfurcht in seinem Heimatland nicht mehr besteht. Dies ist nach Artikel 1 Abschnitt C Ziffern 1 bis 4 des Abkommens vom 28.07.1951 der Fall, wenn er

  • sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes unterstellt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder
  • nach dem Verlust seiner ursprünglichen Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt oder
  • eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und nun den Schutz dieses Landes genießt oder
  • freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat, zurückgekehrt ist und sich dort niederlässt.

Eine Beendigung des Flüchtlingsstatus kommt danach beispielsweise in Betracht, wenn sich der Betreffende freiwillig einen Pass seines Heimatlandes ausstellen oder diesen verlängern lässt oder er die Staatsangehörigkeit seines Heimatstaates freiwillig wiedererlangt (Wiedereinbürgerung).

Allerdings können trotz Eintreten vorstehender Ereignisse auch Gründe gegen eine Beendigung der Flüchtlingseigenschaft sprechen, zum Beispiel

  • der Pass wird benötigt, um im Herkunftsland alte oder kranke Verwandte zu besuchen,
  • eine Einreise zu einer Beerdigung ist nur mit einem Pass des Heimatlandes möglich,
  • der Berechtigte erhält ohne Wiederannahme der Staatsangehörigkeit keine persönlichen Urkunden oder Unterlagen.

Hinweis:

Allein die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Mitgliedstaat hat nicht den Verlust der Flüchtlingseigenschaft zur Folge, sofern keine sonstigen Hinweise über das Eintreten von Tatsachen vorliegen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen würden.

Bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen Drittstaat liegen allerdings die Voraussetzungen gemäß Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht mehr vor.

Eine Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nach Artikel 1 Abschnitt C Ziffern 5 bis 6 des Abkommens vom 28.07.1951 wirkt hingegen grundsätzlich ohne eigenes Handeln des Flüchtlings. Sie geht danach verloren, wenn der Flüchtling

  • nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder
  • eine Person ist, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat.

Ein Verfahren zum Widerruf der Flüchtlingseigenschaft und Einziehung des Reiseausweises wird in der Bundesrepublik Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg durchgeführt.

Ein von einer ausländischen Behörde ausgestellter Reiseausweis für Flüchtlinge, die sich in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen haben, kann jedoch nicht eingezogen werden, da eine evtl. Entscheidung über den Verlust der Flüchtlingseigenschaft nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung hat. Der ausländische Reiseausweis erhält deshalb folgenden Eintrag:

„Der ... genießt in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings (Artikel 1 Abschnitt C des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).“

Sofern anhand der vorstehenden Ausführungen im Rahmen einer Leistungsfeststellung oder eines sonstigen Verwaltungsverfahrens Zweifel am Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft bestehen, werden zunächst Ermittlungen hinsichtlich anderer Rechtsstellungen der betreffenden Person eingeleitet, aufgrund derer Ansprüche nach dem Europarecht bestehen könnten. Beispielsweise sieht das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 bei anerkannten Flüchtlingen spätestens 3 Jahre nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling (in „Altfällen“ nach 7 Jahren) einen Übergang in unbefristete Aufenthaltsrechte (Niederlassungserlaubnis) vor; selbst nach einem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft können Aufenthaltsrechte aus anderen Gründen bestehen. Solche Aufenthaltsrechte bestehen unabhängig von der Flüchtlingseigenschaft, sodass diese Personen gegebenenfalls Ansprüche auf Grundlage der VO (EG) Nr. 859/2003 (bis 31.12.2010)/VO (EU) Nr. 1231/2010 (ab 01.01.2011) geltend machen können.

Gleichzeitig kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg unter Schilderung des Sachverhalts und Beifügung geeigneter Unterlagen um Amtshilfe gebeten werden, ob nach dortiger Sicht mit einem Verlust der Flüchtlingseigenschaft zu rechnen ist. Bei Bestandsrenten werden bereits Überprüfungen unter Berücksichtigung von §§ 24, 48 SGB X eingeleitet.

Sollte die betreffende Person keine andere Rechtsstellung nachweisen, aufgrund derer Ansprüche nach dem Europarecht bestehen, kann nach Vorlage der rechtskräftigen Entscheidung über den Verlust der Flüchtlingseigenschaft endgültig über die Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden werden.

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 1 Buchst. g VO (EG) Nr. 883/2004 entspricht inhaltlich Art. 1 Buchst. d VO (EWG) Nr. 1408/71.

Zusatzinformationen