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§ 52 SGB X: Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt

Änderungsdienst
veröffentlicht am

27.02.2023

Änderung

Überarbeitung der gesamten GRA im Hinblick auf das BSG-Urteil vom 04.03.2021 (B 11 AL 5/20 R)

Dokumentdaten
Stand16.02.2023
Rechtsgrundlage

§ 52 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 regelt, dass ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs hemmt.

Absatz 2 regelt, dass ein unanfechtbar gewordener Feststellung- oder Durchsetzungsverwaltungsakt eine 30-jährige Verjährungsfrist auslöst

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 52 Abs. 1 SGB X enthält keine eigenständige Regelung über die Verjährung von Ansprüchen, sondern regelt innerhalb von bereits laufenden Verjährungsfristen lediglich die Hemmung der Verjährung von Ansprüchen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers durch den Erlass eines Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides.

Eigenständige Vorschriften über die Verjährung von Ansprüchen (die dann gegebenenfalls durch Erlass eines Verwaltungsaktes gehemmt werden) finden sich insbesondere in

Verjährungshemmung durch Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheide

Nach § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X hemmt ein Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid die Verjährung des Anspruchs.

Der Erlass eines Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides im Sinne des § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X setzt voraus, dass die Verjährungsfrist bereits zu laufen begonnen hat. Denn gehemmt werden kann nur, was bereits zu laufen begonnen hat. Mit anderen Worten: Der Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid muss nach Beginn der Verjährungsfrist erlassen worden sein, damit die Rechtsfolge der Hemmung bewirkt wird.

Der Verjährungsbeginn kann kraft Gesetzes (also ohne Erteilung eines Bescheides) beginnen oder an die Erteilung eines Bescheides geknüpft sein.

Hinsichtlich des Verjährungsbeginns

  • ohne dass es der Erteilung eines Bescheides bedarf, siehe Abschnitt 2.1.
  • erst durch Erteilung eines Bescheides, siehe Abschnitt 2.2.

Verjährungsbeginn ohne Bescheiderteilung

Bei folgenden Ansprüchen zum Beispiel bedarf es keines die Verjährung auslösenden Bescheides:

Verjährungsbeginn erst durch Bescheiderteilung

Bei folgenden Ansprüchen zum Beispiel bedarf es - mangels einer jeweiligen speziellen Verjährungsregelung - eines die Verjährung auslösenden Bescheides:

Erstattungsansprüche nach

jeweils in Verbindung mit § 50 Abs. 3 S. 1 SGB X und § 50 Abs. 4 SGB X.

Feststellungs- und Durchsetzungsbescheide

Die Verjährung wird sowohl durch einen Feststellungsbescheid als auch durch einen Durchsetzungsbescheid gehemmt.

Beachte:

Die bisherige Auffassung, wonach dann, wenn mit dem Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs gleichzeitig der Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot ergeht, dieser Zahlungsgebots-Verwaltungsakt zugleich ein Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs im Sinne des § 52 SGB X ist und nach Unanfechtbarkeit zu einer 30-jährigen Verjährungsfrist führt, wird mit Blick auf das Urteil des BSG vom 04.03.2021, AZ: B 11 AL 5/20 R, aufgegeben (AGVR 2/2022, TOP 4).

Insbesondere bei einer drohenden Verjährung des Anspruchs stellt der Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid ein Mittel dar, um der Verwaltung für die Realisierung des Anspruchs mehr Zeit einzuräumen.

Der Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid muss, damit er die Hemmung herbeiführen kann, nach Beginn der Verjährungsfrist bekannt gegeben werden. Es ist aber nicht Voraussetzung, dass er rechtmäßig ist. Auch ein rechtswidriger Bescheid kann die Verjährung hemmen, soweit er nicht aufgehoben wird. Ein nichtiger Verwaltungsakt (§ 39 Abs. 3 SGB X) ist hingegen von vornherein unwirksam und kann daher die Verjährung nicht hemmen.

Siehe Beispiele 1 und 2

Hinsichtlich der einzelnen Arten von

  • Feststellungsbescheiden siehe Abschnitt 3.1.
  • Durchsetzungsbescheiden siehe Abschnitt 3.2.

Keine Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheide sind:

  • Mahnungen im Sinne des § 3 Abs. 3 VwVG,
  • Stundungsbescheide,
  • bloße Zahlungsaufforderungen.

Feststellungsbescheide

Feststellungsbescheide sind zum Beispiel

  • Bescheide, mit denen das Bestehen des Anspruchs des Rentenversicherungsträgers (nochmals [AGVR 2/2022, TOP 4]) ausdrücklich gegenüber dem Schuldner festgestellt wird (zum Beispiel Erstattungsbescheide nach § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI),
  • Bescheide über die Feststellung rückständiger Pflichtbeiträge von selbständig Tätigen.

Durchsetzungsbescheide

Durchsetzungsbescheide sind zum Beispiel

  • Bescheide mit einer ausdrücklichen, unmissverständlichen Zahlungsaufforderung (solche Bescheide entsprechen inhaltlich dem Zahlungsgebot des Ausgangsbescheides) (AGVR 2/2022, TOP 4),
  • Aufrechnungsbescheide (§ 51 SGB I) oder Verrechnungsbescheide (§ 52 SGB I).

Wirkung der Hemmung

Hemmung der Verjährung bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB).

Der Tag, an dem der Hemmungsgrund entsteht, der Tag, an dem er entfällt und die Tage dazwischen werden nicht in die Verjährung eingerechnet (tagegenaue Bestimmung).

Beginn und Ende der Hemmung

Die Hemmung der Verjährung beginnt mit der Bekanntgabe des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides, weil dieser erst von diesem Zeitpunkt an Rechtswirkung erzielt (§ 39 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 37 Abs. 2 SGB X).

An der Wirksamkeit eines Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides und damit am Eintritt der Hemmung ändert die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage (§ 86a SGG) nichts.

Die Hemmung der Verjährung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

Ein Bescheid ist unanfechtbar, wenn

  • die Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen ist, ohne dass die betroffene Person Widerspruch oder Klage erhoben hat, oder wenn auf die Einlegung von Rechtsbehelfen verzichtet wurde,
  • der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist,
  • die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen worden ist.

Der Bescheid erledigt sich anderweitig zum Beispiel durch Aufhebung des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides oder durch Vergleichsvertrag (§ 54 SGB X).

30-jährige Verjährungsfrist

Nach § 52 Abs. 2 SGB X beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, wenn der Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid unanfechtbar geworden ist (vergleiche Abschnitt 4).

Auch die 30-jährige Verjährungsfrist kann nach § 52 Abs. 1 SGB X gehemmt werden.

  

 

Beispiel 1: Hemmung der Verjährung bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheid

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (§§ 48, 50 SGB X)10.01.2022
Unanfechtbarkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens15.09.2022
a) Erlass/Bekanntgabe des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides09.12.2022
b) Erlass/Bekanntgabe des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides28.04.2023
Lösung zu a)
Da die Verjährungsfrist des § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X bei Erlass/Bekanntgabe des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides noch nicht lief (Beginn der Verjährungsfrist am 01.01.2023 = Beginn des Kalenderjahres nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids), bewirkt dieser nicht die Rechtsfolgen des § 52 SGB X.
Lösung zu b)
Da die Verjährungsfrist des § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X bei Erlass/Bekanntgabe des Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheides bereits lief (Beginn der Verjährungsfrist am 01.01.2023 = Beginn des Kalenderjahres nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids), bewirkt dieser die Rechtsfolgen des § 52 SGB X.

 

Beispiel 2: Hemmung der Verjährung bei Erstattungsbescheid nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Kenntnis von der Überzahlung einer über den Todesmonat hinaus gezahlten Rente28.11.2022
Kenntnis vom erstattungspflichtigen Vermieter (§ 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI)08.12.2022
a) Erlass/Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides (Feststellungsbescheides)14.12.2022
b) Erlass/Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides (Feststellungsbescheides)04.01.2023

 

Lösung zu a)
Da die Verjährungsfrist des § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI bei Erlass/Bekanntgabe des Feststellungsbescheides noch nicht lief (Beginn der Verjährungsfrist am 01.01.2023 = Beginn des Kalenderjahres nach Kenntnis vom Erstattungspflichtigen), bewirkt dieser nicht die Rechtsfolgen des § 52 SGB X.
Lösung zu b)
Da die Verjährungsfrist des § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI bei Erlass/Bekanntgabe des Feststellungsbescheides bereits lief (Beginn der Verjährungsfrist am 01.01.2023 = Beginn des Kalenderjahres nach Kenntnis vom Erstattungspflichtigen), bewirkt dieser die Rechtsfolgen des § 52 SGB X.

 

HZvNG vom 21.06.2002 (BGBl. I S. 2167)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/9442

Durch das „Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 21.06.2002 wurde § 52 SGB X im Hinblick auf die Neufassung der Verjährungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geändert.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910, 8/2034

Durch das Gesetz “Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren -“ vom 18.08.1980 wurde § 52 SGB X eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 52 SGB X