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§ 43 SGB X: Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand13.02.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB X vom 18.08.1980 in Kraft getreten am 01.01.1981
Rechtsgrundlage

§ 43 SGB X

Version001.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 nennt die Voraussetzungen, unter denen ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen (fehlerfreien) Verwaltungsakt umgedeutet werden kann.

Nach Absatz 2 ist die Umdeutung ausgeschlossen, wenn der Verwaltungsakt, in den umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der Behörde widerspräche. Eine Umdeutung ist auch dann unzulässig, wenn der neue Verwaltungsakt für den Betroffenen ungünstiger wäre als der fehlerhafte Verwaltungsakt sowie in den Fällen, in denen eine Rücknahme des fehlerhaften Verwaltungsaktes ausgeschlossen ist.

Absatz 3 schließt die Umdeutung eines gebundenen Verwaltungsaktes in eine Ermessensentscheidung aus.

Gemäß Absatz 4 ist § 24 SGB X entsprechend anzuwenden.

Begriff der Umdeutung

Unter Umdeutung ist die Ersetzung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes durch einen fehlerfreien Verwaltungsakt zu verstehen. Eine fehlerhafte Regelung wird gegen eine andere fehlerfreie Regelung ausgetauscht. Die neue Regelung gilt rückwirkend.

Die Umdeutung ist abzugrenzen vom bloßen Austausch der Begründung eines Verwaltungsaktes (siehe GRA zu § 35 SGB X). Eine Umdeutung liegt zum Beispiel nicht vor, wenn ein Korrekturbescheid in seinem Verfügungssatz nicht verändert wird, sondern lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage - § 48 SGB X statt § 45 SGB X - gestützt wird (BSG vom 27.07.2000, AZ: B 7 AL 88/99 R).

Rechtsnatur der Umdeutung

Die Umdeutung erfüllt alle Merkmale des Verwaltungsaktsbegriffs des § 31 Satz 1 SGB X. Alle Vorschriften über den Verwaltungsakt sind zumindest entsprechend auf die Umdeutung anzuwenden. Als Rechtsbehelfe gegen die Umdeutung sind Widerspruch und Klage zulässig.

Voraussetzungen der Umdeutung

Die Voraussetzungen für die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes in einen anderen Verwaltungsakt ergeben sich aus § 43 Abs. 1 SGB X.

Danach ist die Umdeutung nur zulässig, wenn der andere Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und die Voraussetzungen für den Erlass des anderen Verwaltungsaktes erfüllt sind.

Fehlerhafter Verwaltungsakt

Die Umdeutung setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt voraus. Die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes umfasst sowohl dessen formelle oder materielle Rechtswidrigkeit als auch seine Nichtigkeit.

Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er gemäß § 40 Abs. 1 SGB X an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kann sich auch aus § 40 Abs. 2 SGB X ergeben.

Formell rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, der gegen das vorgeschriebene Verfahren, die vorgeschriebene Form oder gegen eine Zuständigkeitsregel verstößt. Eine Heilung dieser Fehler nach § 41 SGB X muss ausgeschlossen sein.

Materiell rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, der gegen eine Vorschrift des materiellen Rechts (zum Beispiel SGB VI) verstößt.

Zielgleichheit der Verwaltungsakte

Der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, muss auf das gleiche Ziel wie der ursprünglich fehlerhafte Verwaltungsakt gerichtet sein. Nicht erforderlich ist inhaltliche Identität. Ausschlaggebend ist die Übereinstimmung der Auswirkungen beim Adressaten des Verwaltungsaktes. Das mit dem fehlerhaften Verwaltungsakt angestrebte Ziel muss auch durch den durch die Umdeutung entstandenen Verwaltungsakt erreicht werden.

Gleiche Zuständigkeit

Der Rentenversicherungsträger, der den ursprünglich fehlerhaften Verwaltungsakt erlassen hat, muss auch für den Erlass des Verwaltungsaktes, in den umgedeutet wird, zuständig sein.

Gleichheit von Verfahren und Form

Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann nur dann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn für den neuen Verwaltungsakt die gleichen Form- oder Verfahrensvorschriften gelten wie für den ursprünglichen Verwaltungsakt. Zum Beispiel kann ein mündlicher Verwaltungsakt nicht in einen Verwaltungsakt umgedeutet werden, der nur schriftlich erlassen werden darf.

Vorliegen der Erlassvoraussetzungen

Zum Zeitpunkt der Umdeutung müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, vorliegen, das heißt der neue Verwaltungsakt muss die materiellen Voraussetzungen erfüllen, also materiell rechtmäßig sein.

Ausschluss der Umdeutung

Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes ist unzulässig, wenn einer der in § 43 Abs. 2 und 3 SGB X genannten Fälle vorliegt.

Widerspruch zur erkennbaren Absicht der Behörde

Eine Umdeutung kommt nicht in Frage, wenn sie der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche. Maßgebend ist die im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck gekommene und für den objektiven Betrachter erkennbar gewordene Absicht der Behörde und nicht der „innere Wille“ der Behörde.

Ungünstigere Rechtsfolgen für den Betroffenen

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB X ist eine Umdeutung unzulässig, wenn die Rechtsfolgen des umgedeuteten Verwaltungsaktes für den Betroffenen ungünstiger sind als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der neue Verwaltungsakt den Betroffenen wirtschaftlich ungünstiger stellt als der fehlerhafte Verwaltungsakt.

Keine Rücknahmemöglichkeit

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist eine Umdeutung unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte. Die Vorschrift ist nur für die Umdeutung begünstigender Verwaltungsakte von Bedeutung, da die Rücknahme eines solchen Verwaltungsaktes sowohl am Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 SGB X als auch am Ablauf von Fristen gemäß § 45 Abs. 3 und 4 SGB X scheitern kann. Belastende Verwaltungsakte können gemäß § 44 SGB X in der Regel sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zurückgenommen werden.

Keine Umdeutung in Ermessensentscheidung

Ist ein fehlerhafter Verwaltungsakt als gesetzlich gebundene Entscheidung ergangen, ist die Umdeutung dieses Verwaltungsaktes gemäß § 43 Abs. 3 SGB X in eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen. Eine Ermessensentscheidung ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde ihr Ermessen vor Erlass der Entscheidung tatsächlich betätigt hat. Ist der ursprüngliche Verwaltungsakt als gebundene Entscheidung ergangen, würde es an einer solchen Betätigung des Ermessens fehlen. Dies gilt auch, wenn sich die Behörde bei Erlass des fehlerhaften Verwaltungsaktes in Verkennung der Rechtslage als gebunden betrachtet hat.

Ein auf § 48 SGB X gestützter Aufhebungsbescheid kann demnach in der Regel nicht in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Zulässig ist eine Umdeutung im umgekehrten Fall (§ 45 SGB X zu § 48 SGB X). Voraussetzung ist allerdings, dass überhaupt eine Änderung des Verfügungssatzes vorliegt; andernfalls handelt es sich nämlich um einen bloßen Austausch der Begründung eines Verwaltungsaktes (vergleiche Abschnitt 2).

Anhörung

Gemäß § 43 Abs. 4 SGB X ist vor der Umdeutung entsprechend § 24 SGB X eine Anhörung durchzuführen. Dies gilt auch, wenn nicht im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen werden soll, es sei denn, es kann gemäß § 24 Abs. 2 SGB X ausnahmsweise von einer Anhörung abgesehen werden.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 43 SGB X ab dem 03.10.1990 (Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 [BGBl. II, 885]), im Bereich der Rentenversicherung ist er aber erst ab dem 01.01.1991 anzuwenden (Art. 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990, BGBl. II, 889).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910

Der § 43 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I, 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 43 SGB X