Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 42 SGB X: Folgen von Verfahrens- und Formfehlern

Änderungsdienst
veröffentlicht am

10.08.2020

Änderung

Ergänzung des Abschnitts 4.3 um BSG-Rechtsprechung

Dokumentdaten
Stand04.08.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des 4. Euro - Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 in Kraft getreten am 01.01.2001
Rechtsgrundlage

§ 42 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 42 S. 1 SGB X regelt, dass die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften oder Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn diese Verletzung offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

§ 42 S. 2 SGB X bestimmt, dass diese Regelung nicht gilt, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben und nicht wirksam nachgeholt worden ist.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Folgende Regelungen stehen im Zusammenhang mit der Vorschrift § 42 SGB X:

  • § 24 SGB X (Anhörung Beteiligter),
  • § 40 SGB X (Nichtigkeit des Verwaltungsaktes),
  • § 41 SGB X (Heilung von Verfahrens- und Formfehlern),
  • §§ 44 ff. SGB X (Korrektur von Verwaltungsakten).

Allgemeines

Verfahrensfehler, Formfehler oder Fehler in der örtlichen Zuständigkeit bewirken die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. § 42 SGB X schließt aber einen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes sowohl in einem Verfahren nach §§ 44 ff. SGB X als auch in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren nur wegen eines derartigen Fehlers aus, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, es sei denn, es liegt ein Fall der unterbliebenen und nicht wirksam nachgeholten erforderlichen Anhörung vor.

Anwendungsbereich

§ 42 SGB X gilt für Form- und Verfahrensfehler sowie Fehler in der örtlichen Zuständigkeit, die nur die Rechtswidrigkeit, nicht aber die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes bewirken. Die von § 42 SGB X erfassten Fehler sind in der Vorschrift nicht einzeln aufgeführt, sondern umschrieben. Als Anhaltspunkt können aber die in § 41 SGB X genannten Fehler dienen.

Form- und Verfahrensfehler, die nach § 41 SGB X geheilt worden sind, indem die Fehler beseitigt wurden, sind für die Anwendung des § 42 SGB X nicht relevant, da diese Vorschrift einen fehlerhaften Verwaltungsakt voraussetzt. Wenn ein Fehler noch geheilt werden kann, aber noch nicht geheilt worden ist, so ist § 42 SGB X neben § 41 SGB X anwendbar; der Rentenversicherungsträger kann wählen, ob er den formellen Fehler nach § 41 SGB X heilen oder sich auf § 42 SGB X berufen will. Beide Vorschriften stehen gleichrangig nebeneinander (vergleiche GRA zu § 41 SGB X, Abschnitt 7).

Voraussetzungen für den Ausschluss eines Aufhebungsanspruchs

  • Wirksamer Verwaltungsakt (vergleiche Abschnitt 4.1),
  • Form- und Verfahrensverstöße (vergleiche Abschnitt 4.2),
  • offensichtlich fehlender Einfluss des Fehlers auf die Sachentscheidung (vergleiche Abschnitt 4.3).

Wirksamer Verwaltungsakt

Die Vorschrift setzt voraus, dass ein wirksamer Verwaltungsakt erlassen wurde. Das ist dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten bekannt gegeben worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist. Durch die Bekanntgabe erlangt der Verwaltungsakt Rechtswirksamkeit.

Ein im Sinne von § 40 SGB X nichtiger Verwaltungsakt kann nicht wirksam werden, so dass für eine Anwendung des § 42 SGB X kein Raum ist. Der Betroffene kann allerdings die Nichtigkeit gemäß § 40 Abs. 5 SGB X feststellen lassen (vergleiche GRA zu § 40 SGB X, Abschnitt 7).

Form- und Verfahrensverstöße

Folgende Fehler fallen unter die Vorschrift des § 42 SGB X:

  • Verfahrensfehler (vergleiche Abschnitt 4.2.1),
  • Formfehler (vergleiche Abschnitt 4.2.2),
  • Zuständigkeitsfehler (vergleiche Abschnitt 4.2.3).

Verfahrensfehler

Zu den Verfahrensfehlern im Sinne des § 42 SGB X zählen vor allem Verstöße gegen die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrens nach den §§ 9 bis 23 SGB X sowie § 25 SGB X. Die unterlassene Anhörung jedoch stellt nach § 42 S. 2 SGB X immer einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der stets zu einem Aufhebungsanspruch führt, es sei denn, die Anhörung wurde im Rahmen des § 41 SGB X wirksam nachgeholt (siehe Abschnitt 6).

Formfehler

Formfehler sind Verstöße insbesondere gegen die in § 33 Abs. 2 und 3 SGB X genannten Formvorschriften. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Verwaltungsakt, der die erlassende Behörde nicht erkennen lässt, nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB X nichtig ist.

Als bloße Formfehler lösen zum Beispiel auch die fehlende oder fehlerhafte Begründung eines Bescheides (§ 35 SGB X) oder die fehlende oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung (§ 62 SGB X) keinen Aufhebungsanspruch aus.

Zuständigkeitsfehler

Ein Fehler in der örtlichen Zuständigkeit gilt als Sonderfall des Verfahrensmangels. § 42 SGB X erwähnt ausdrücklich nur die örtliche Zuständigkeit und knüpft damit an § 40 Abs. 3 Nr. 1 SGB X an, wonach ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit kann sich nur im Hinblick auf die Zuständigkeit der Regionalträger untereinander stellen; sie ergibt sich aus § 128 SGB VI. Hat ein örtlich unzuständiger Regionalträger beispielsweise einen Rentenanspruch bewilligt, den der örtlich zuständige Regionalträger in der gleichen Höhe anerkannt hätte, kann der Betroffene nicht die Aufhebung des Bescheides verlangen.

Offensichtlich fehlender Einfluss des Fehlers auf die Sachentscheidung

Gemäß § 42 S. 1 2. Halbs. SGB X ist ein Aufhebungsanspruch für den betroffenen Bescheidadressaten wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit ausgeschlossen, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Die „Entscheidung in der Sache“ ist die im Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) enthaltene Regelung.

Eröffnet das materielle Recht im konkreten Einzelfall Ermessen, ist im Regelfall nicht auszuschließen, dass sich die Verletzung der in § 42 SGB X genannten Vorschriften auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat: Es besteht die Möglichkeit, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte kommen können. Deshalb sind in diesen Fällen Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitsfehler grundsätzlich relevant im Sinne einer Bescheidaufhebung.

Eine Bescheidaufhebung ist aber immer dann ausgeschlossen, wenn offensichtlich ist, dass sich der formelle Fehler nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat, das heißt, es muss offensichtlich sein, dass der Rentenversicherungsträger bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers dieselbe Entscheidung getroffen hätte. Der fehlende Einfluss der Fehler auf die Sachentscheidung ist dann offensichtlich, wenn im Einzelfall ohne weitere Prüfung erkennbar ist, dass es ohne den Fehler zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre.

Bei „gebundenen“ Entscheidungen wirkt sich ein Verfahrens- oder Formfehler beziehungsweise ein Fehler in der örtlichen Zuständigkeit regelmäßig nicht auf die Entscheidung in der Sache aus. Eine „gebundene“ Entscheidung beruht auf einer gesetzlichen Vorschrift, die zwingend eine bestimmte Rechtsfolge vorsieht. Das heißt, dass eine andere als die getroffene Entscheidung rechtlich nicht zulässig ist.

Weil keine Entscheidungsalternative besteht, der Rentenversicherungsträger bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers also dieselbe Entscheidung getroffen hätte, ist es bei „gebundenen“ Entscheidungen stets offensichtlich, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Urteil des BSG vom 07.02.2002, AZ: B 7 AL 102/00 R, und Urteil des BSG vom 27.06.2012, AZ: B 6 KA 37/11 R). Insofern schließt § 42 SGB X in den Fällen eines Verstoßes gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit den Anspruch des Betroffenen auf Aufhebung des Bescheides bei gebundenen Entscheidungen aus. Beispielsweise unterbleibt eine Aufhebung des Bescheides, wenn der gleiche Rentenanspruch in der gleichen Höhe, den ein örtlich unzuständiger Rentenversicherungsträger anerkannt hatte, auch von dem örtlich zuständigen Rentenversicherungsträger festgestellt worden wäre.

Rechtsfolge

Sind die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 S. 1 SGB X gegeben, kann der Betroffene eine Aufhebung des Bescheides nicht verlangen. Schließlich würde ansonsten die Situation eintreten, dass nach der Aufhebung dieses mit einem Form- beziehungsweise Verfahrensfehler behafteten Verwaltungsaktes derselbe Verwaltungsakt wieder erlassen werden müsste.

Ist der Form- oder Verfahrensfehler nicht unter § 42 Abs. 1 S. 1 SGB X einzuordnen und führt er nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, richtet sich der Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes nach den §§ 44 ff. SGB X.

Aufhebungsanspruch bei unterbliebener Anhörung

Ist die erforderliche Anhörung (§ 24 SGB X) unterblieben und nicht wirksam nachgeholt worden, bleibt gemäß § 42 S. 2 SGB X der Verwaltungsakt auch dann in einem Rechtsbehelfsverfahren aufhebbar, wenn eine andere Entscheidung nicht hätte ergehen können. Ist der Bescheid allerdings bestandskräftig geworden, besteht auch bei unterlassener Anhörung kein Anspruch mehr auf die Rücknahme des nur formell rechtswidrigen Bescheides (siehe GRA zu § 44 SGB X, Abschnitt 2).

Artikel 10 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983)

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4375

§ 42 Abs. 1 SGB X wurde durch Artikel 10 des 4. Euro-Einführungsgesetzes neu gefasst (BGBl. I S. 1983). Die Änderung trat am 01.01.2001 in Kraft und besagt, dass für einen Aufhebungsanspruch offensichtlich sein muss, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 42 SGB X ab dem 03.10.1990 (Artikel 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990, BGBl. II S. 885), ist aber im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab dem 01.01.1991 gültig (Artikel 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 Einigungsvertrag vom 31.08.1990, BGBl. II S. 885, 1032).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

§ 42 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 42 SGB X