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§ 40 SGB X: Nichtigkeit des Verwaltungsaktes

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Abstimmungsprozess GRA

Dokumentdaten
Stand16.04.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21.08.2002 in Kraft getreten am 01.02.2003
Rechtsgrundlage

§ 40 SGB X

Version001.00

Inhalt der Regelung

§ 40 SGB X regelt, in welchen Fällen ein fehlerhafter Verwaltungsakt nichtig ist.

Absatz 1 enthält eine Generalklausel für die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (relative Nichtigkeit). Ein Verwaltungsakt ist danach nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler leidet.

Absatz 2 nennt die konkreten Fehler, die ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des Absatzes 1 stets zur Nichtigkeit führen (absolute Nichtigkeit).

Absatz 3 enthält eine Aufzählung von Fehlern, die keine Nichtigkeit auslösen.

Absatz 4 bestimmt, dass der Verwaltungsakt nur dann im Ganzen nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne ihn nicht erlassen hätte.

Nach Absatz 5 kann die Behörde im Interesse der Rechtssicherheit jederzeit nach eigenem Ermessen die Nichtigkeit feststellen. Auf Antrag muss sie die Nichtigkeit feststellen, wenn der Antragsteller daran ein berechtigtes Interesse hat.

Begriff der Nichtigkeit

Nichtigkeit ist ein Unterfall der Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes. Nicht jeder Fehler macht den Verwaltungsakt nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn das Gesetz einen Fehler ausdrücklich mit dieser Folge verbindet. So stellt § 40 Abs. 2 SGB X einen Katalog von Nichtigkeitsgründen auf (Abschnitt 4). § 40 Abs. 3 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil er an einem der hier aufgezählten formellen Mängel leidet (Abschnitt 5). Für alle sonstigen Fehler gilt die Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X, die gegenüber den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift nachrangig anzuwenden ist. Danach tritt Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nur dann ein, wenn ein besonders schwerwiegender, offensichtlicher Fehler vorliegt (Abschnitt 3).

Nach § 39 Abs. 3 SGB X ist ein nichtiger Verwaltungsakt von vornherein rechtlich unwirksam. Das heißt, dass die von der Behörde getroffene Regelung nicht gilt und von niemandem beachtet oder befolgt werden muss (siehe GRA zu § 39 SGB X, Abschnitt 3).

Generalklausel (relative Nichtigkeit)

Gemäß § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt dann nichtig, wenn

  • er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet (Abschnitt 3.1) und
  • die schwere Fehlerhaftigkeit offensichtlich ist (Abschnitt 3.2).

Besonders schwerwiegender Fehler

Unter § 40 Abs. 1 SGB X fallen besonders schwere Form- und Inhaltsfehler, die mit der geltenden Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sind.

Besonders schwerwiegende Fehler, die zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen, sind beispielsweise:

  • Die "absolute" sachliche Unzuständigkeit der erlassenden Behörde, zum Beispiel der Erlass eines Rentenbescheides durch die Krankenkasse. Die erlassende Behörde ist dann "absolut" sachlich unzuständig, wenn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ihre Zuständigkeit gegeben ist.
    Dagegen führt eine Überschreitung allein der sachlichen Zuständigkeitsschranken nicht zur Nichtigkeit. Zum Beispiel bewirkt der Erlass eines Bescheides durch die DRV Bund anstatt durch den zuständigen Regionalträger keine Nichtigkeit.
  • Die völlige Unbestimmtheit des Verwaltungsaktes, wenn der Verwaltungsakt also das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X in besonders schwerem Maß verletzt (vergleiche GRA zu § 33 SGB X, Abschnitte 2 und 3).

Offensichtlichkeit des Fehlers

Offensichtlich ist der Fehler dann, wenn er für einen unvoreingenommenen verständigen Durchschnittsbeobachter ohne weiteres erkennbar ist, sich ihm also die Fehlerhaftigkeit geradezu aufdrängt. Er muss zu dem Schluss kommen, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann.

Absolute Nichtigkeit

§ 40 Abs. 2 SGB X regelt die Fälle, in denen der Verwaltungsakt auf jeden Fall nichtig ist, ohne dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB X (besonders schwerwiegender Fehler, Offensichtlichkeit) zu prüfen ist. Die Aufzählung ist abschließend.

Erlassende Behörde ist nicht erkennbar

Nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ist ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt nichtig, wenn er die erlassende Behörde nicht erkennen lässt.

Erkennbar ist die erlassende Behörde, wenn eindeutige Rückschlüsse aus dem Briefkopf, dem Text des Verwaltungsaktes einschließlich der Begründung oder einem der Unterschrift beigefügten Stempel oder Siegel zu ziehen sind. Es reicht nicht aus, wenn die Behörde nur aus den Umständen wie zum Beispiel aus dem Poststempel ersichtlich ist.

Zum elektronisch erlassenen Verwaltungsakt siehe auch GRA zu § 36a SGB I.

Fehlen einer konstitutiven Urkunde

Nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann und dieser Form nicht genügt. Dieser Nichtigkeitsgrund spielt im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung keine Rolle.

Tatsächliche Unmöglichkeit

Ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB X nichtig.

Gemeint ist die objektive Unmöglichkeit der Ausführung, nicht das subjektive Unvermögen des Adressaten des Verwaltungsaktes, wenn dieser zum Beispiel aus Geldmangel oder aus anderen in seiner Person liegenden Gründen den Verwaltungsakt nicht ausführen kann.

Verlangen nach Straftat oder Ordnungswidrigkeit

Nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht.

Verstoß gegen die guten Sitten

Ein Verwaltungsakt, der gegen die guten Sitten verstößt, ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nichtig. Sittenwidrig in diesem Sinn ist ein Verwaltungsakt, der das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.06.1994, AZ: 12 RK 82/92).

Keine Nichtigkeit

§ 40 Abs. 3 SGB X enthält einen Katalog von Fehlern, die nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen. Nichtigkeit liegt in diesen Fällen auch dann nicht vor, wenn die genannten Verfahrensverstöße offensichtlich sind.

Nichteinhaltung der örtlichen Zuständigkeit

Die Nichteinhaltung der örtlichen Zuständigkeit zwischen den Regionalträgern (vergleiche § 128 SGB VI) führt nach § 40 Abs. 3 Nr. 1 SGB X nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes.

Nicht von der Vorschrift erfasst sind Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit. In diesen Fällen kann allerdings eine Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 SGB X in Betracht kommen (vergleiche Abschnitt 3.1).

Mitwirkung einer ausgeschlossenen Person

Hat beim Erlass eines Verwaltungsaktes eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 SGB X ausgeschlossene Person mitgewirkt, führt dies nach § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X nicht zur Nichtigkeit. Ein solcher Verwaltungsakt ist jedoch anfechtbar. Gegebenenfalls besteht allerdings kein Anspruch auf Aufhebung, weil der Verfahrensverstoß nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich ist.

Der Fall, in dem ein Berechtigter in eigener Sache tätig wird (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB X), wird in § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X nicht genannt. Das bedeutet, dass hier in der Regel Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 SGB X anzunehmen ist.

Fehlende Mitwirkung eines Ausschusses

Gemäß § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X liegt Nichtigkeit nicht allein deswegen vor, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Diese Vorschrift hat für die gesetzliche Rentenversicherung keine Bedeutung.

Fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde

Nach § 40 Abs. 3 Nr. 4 SGB X ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist. Die fehlende Mitwirkung ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 41 Abs. 2 SGB X heilbar.

Nichtigkeit eines Teils des Verwaltungsaktes

Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er nach § 40 Abs. 4 SGB X nur dann im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

Teilbar ist der Verwaltungsakt dann, wenn der Verwaltungsakt mehrere selbstständige Einzelregelungen enthält, die durch den Wegfall anderer Teilregelungen in ihrem rechtlichen Bestand nicht berührt und in ihrer Bedeutung nicht verändert werden oder wenn die Hauptregelung mit einer selbstständigen Nebenbestimmung (Auflage oder Auflagenvorbehalt) versehen ist.

Der nichtige Teil des Verwaltungsaktes ist wesentlich im Sinne der Vorschrift, wenn der verbleibende Teil keine selbstständige Bedeutung hat oder durch die Nichtigkeit des anderen Teils einen anderen Sinn erhalten würde.

Feststellung der Nichtigkeit

Die Behörde kann nach § 40 Abs. 5 SGB X die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen. Die Feststellung liegt in ihrem Ermessen. Dagegen muss sie die Nichtigkeit feststellen, wenn dies beantragt wird und der Antragsteller an der Nichtigkeitsfeststellung ein berechtigtes Interesse hat. Erfasst wird jegliches Interesse, welches nicht unbedingt nur rechtlicher Art sein muss, sondern auch wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann. Voraussetzung für die Feststellung ist ein Antrag. Wer den Antrag stellen kann, ist im Gesetz nicht geregelt. In Frage kommen alle vom Verwaltungsakt Betroffenen. Eine Frist für die Antragstellung besteht nicht.

Die Feststellung der Nichtigkeit ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Wird die beantragte Feststellung der Nichtigkeit abgelehnt, kann der Betroffene gegen die Ablehnung Widerspruch und nach dessen Zurückweisung Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben.

3. VwVfÄndG vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322)

Inkrafttreten: 01.02.2003

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/9000, S. 35

Durch das 3. VwVfÄndG vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322) wurden in § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X nach dem Wort "schriftlich" mit Wirkung ab 01.02.2003 die Worte "oder elektronisch" eingefügt.

2. Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 06.08.1998 (BGBl. I S. 2022)

Inkrafttreten: 14.08.1998

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/10479

Durch das 2. VwVfÄndG vom 06.08.1998 (BGBl. I S. 2022) wurde in § 40 Abs. 1 SGB X das Wort "offenkundig" durch das Wort "offensichtlich" ersetzt.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 40 SGB X ab dem 03.10.1990 (Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990, BGBl. II S. 885), im Bereich der Rentenversicherung ist er aber erst ab dem 01.01.1991 anzuwenden (Art. 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990, BGBl. II S. 889).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Der § 40 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 40 SGB X