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§ 22 SGB X: Vernehmung durch das Sozial- oder Verwaltungsgericht

Änderungsdienst
veröffentlicht am

10.01.2022

Änderung

Die Historie und der Abschnitt 5 wurden aktualisiert.

Dokumentdaten
Stand29.12.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften in Kraft getreten am 01.08.2021
Rechtsgrundlage

§ 22 SGB X

Version003.00

Inhalt der Regelung

§ 22 SGB X trifft Regelungen zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die nach § 21 Abs. 3 SGB X zur Aussage beziehungsweise Erstattung eines Gutachtens verpflichtet sind und dieser Verpflichtung nicht nachkommen.

Ergänzende Regelungen

§ 21 Abs. 3 SGB X schreibt eine grundsätzliche Verpflichtung zur Aussage oder zur Erstattung eines Gutachtens vor.

§§ 376, 383 bis 385 und 408 ZPO bezeichnen die Gründe, die eine Verweigerung der Aussage beziehungsweise der Erstattung eines Gutachtens trotz der grundsätzlichen Verpflichtung durch § 21 Abs. 3 SGB X rechtfertigen.

Allgemeines

§ 22 SGB X ist eine Folgeregelung zu § 21 Abs. 3 SGB X, wonach Zeugen und Sachverständige unter bestimmten Voraussetzungen zur Aussage beziehungsweise Gutachtenerstellung verpflichtet sind (siehe GRA zu § 21 SGB X, Abschnitt 4). Kommen Zeugen oder Sachverständige dieser Pflicht nicht nach, so kann die Deutsche Rentenversicherung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB X das für den Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Zeugen/Sachverständigen zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen.

§ 22 SGB X eröffnet nicht die Möglichkeit, das Gericht um die Vernehmung eines Verfahrensbeteiligten (im Sinne des § 12 SGB X) zu ersuchen. Denn deren Mitwirkung ist in § 21 Abs. 2 SGB X nicht als Pflicht, sondern lediglich als Obliegenheit ausgestaltet.

Ebenso wenig ist die Deutsche Rentenversicherung befugt, Arbeitgeber, die entgegen § 98 SGB X nicht mitwirken, durch die Sozialgerichte vernehmen zu lassen. Stattdessen besteht dort die Möglichkeit, ein Bußgeld zu verhängen (siehe § 98 Abs. 5 SGB X).

Verweigerung der Aussage oder Gutachtenerstattung ohne Grund

Voraussetzung für das behördliche Ersuchen um gerichtliche Vernehmung ist die Verweigerung der Aussage oder der Erstattung des Gutachtens ohne Vorliegen eines der in den §§ 376, 383 bis 385 und 408 ZPO bezeichneten Gründe.

Dabei ist der Begriff der Verweigerung weit zu fassen. Eine Verweigerung liegt nicht nur dann vor, wenn der Zeuge oder Sachverständige ausdrücklich mitteilt, dass er die Aussage oder die Erstattung des Gutachtens verweigert. Auch aus seinem gesamten Verhalten kann unter Umständen geschlossen werden, dass der Tatbestand der Verweigerung gegeben ist. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Zeuge oder Sachverständige trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Aussage vor der Behörde nicht erscheint, denn die Pflicht zur Aussage schließt die Pflicht zum Erscheinen ein. Das Gleiche gilt bei Nichteinhaltung einer Ablieferungsfrist für schriftliche Gutachten.

Weit auszulegen ist auch das weitere Erfordernis, dass kein Verweigerungsgrund nach den §§ 376, 383 bis 385 und 408 ZPO vorliegen darf. Die in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB X genannten Weigerungsgründe sind Folgende:

  • Nach § 376 ZPO in Verbindung mit den besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften darf der Beamte, Richter oder eine andere Person des öffentlichen Dienstes ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten keine Zeugenaussagen über Umstände machen, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht.
  • Nach § 383 ZPO steht einem Zeugen wegen persönlicher Beziehungen das Recht zur Zeugnisverweigerung zu; das gilt unter anderem für Verlobte einer Partei oder Ehegatten, selbst wenn die Ehe nicht mehr besteht (diese Personen sind vor der Vernehmung über das Recht zur Verweigerung zu belehren).
  • Nach § 384 ZPO kann das Zeugnis aus sachlichen Gründen verweigert werden, zum Beispiel wenn durch die Beantwortung ein Vermögensschaden verursacht werden würde.
  • § 385 ZPO schränkt das aus den §§ 383 und 384 ZPO resultierende Zeugnisverweigerungsrecht für besondere Aussagen ein, so unter anderem bei Aussagen über Geburten, Verheiratungen, Sterbefälle oder auch über Unterhaltsansprüche und andere in Familienverhältnissen beruhende Vermögensangelegenheiten.
  • § 408 ZPO berechtigt einen Sachverständigen aus den für einen Zeugen geltenden Gründen zur Verweigerung eines Gutachtens.

Eine unzulässige Weigerung liegt nicht schon dann vor, wenn der Zeuge oder Sachverständige andere als die vorgenannten Gründe anführt, weshalb er zur Aussage oder zur Gutachtenerstattung nicht bereit ist.

Ist die Behörde der Meinung, dass die Weigerung unberechtigt ist, so hat sie nicht selbst, sondern das zuständige Gericht gemäß § 22 Abs. 3 SGB X über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens zu entscheiden.

Ermessen der Behörde

Liegen die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB X für eine gerichtliche Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen vor, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie um eine gerichtliche Vernehmung ersucht, sich weiter selbst um eine freiwillige Erfüllung der Mitwirkungspflicht bemüht oder auf das Beweismittel verzichtet.

Eidliche Vernehmung

Die Behörde hat nach § 22 Abs. 2 SGB X in Ausnahmefällen auch die Möglichkeit, das zuständige Gericht um die im Verwaltungsverfahren selbst nicht vorgesehene eidliche Vernehmung zu ersuchen. Voraussetzung ist, dass sie, sei es wegen der Bedeutung der Aussage eines Zeugen oder des Gutachtens eines Sachverständigen, sei es zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage, die Beeidigung für geboten hält.

Zum Ersuchen berechtigter Personenkreis

Ein Ersuchen an das Gericht darf nach § 22 Abs. 4 SGB X nur von dem Behördenleiter, seinem allgemeinen Vertreter oder einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat.

Adressat des behördlichen Vernehmungsersuchens

Die Träger der Rentenversicherung können das für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort (vergleiche § 30 SGB X) des Zeugen oder des Sachverständigen zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen. Sind Wohnsitz und Aufenthaltsort des Zeugen oder Sachverständigen nicht identisch und sind danach verschiedene Sozialgerichte zuständig, liegt die Auswahl im Ermessen der Behörde.

Aus Kostengründen kann auch das örtlich zuständige Amtsgericht um Vernehmung ersucht werden, wenn sich der Wohnsitz oder der Aufenthaltsort des Zeugen oder des Sachverständigen nicht am Sitz eines Sozialgerichts oder einer Zweigstelle eines Sozialgerichts befindet.

Das gerichtliche Vernehmungsverfahren

Das ersuchte Gericht wird, wenn es die Vernehmung und Beeidigung von Zeugen oder Sachverständigen vornimmt, nicht als Organ der Rechtsprechung tätig, sondern leistet Rechtshilfe in einem Verwaltungsverfahren.

Die Durchführung der Vernehmung erfolgt nach Maßgabe des § 205 S. 2 SGG und § 118 SGG.

Die Beteiligten haben das Recht, an der von dem Sozialgericht auf Ersuchen der Behörde durchgeführten Beweisaufnahme teilzunehmen. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 4 SGB X und § 116 SGG. Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch das ersuchte Gericht ergibt sich für die Beteiligten auch das Recht, sachdienliche Fragen an diese richten zu lassen (vergleiche §§ 116 und 118 SGG in Verbindung mit § 397 ZPO). Im Übrigen folgt diese Zulässigkeit aus der den Beteiligten obliegenden allgemeinen Verpflichtung, bei dem von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungsverfahren mitzuwirken.

Nach § 22 Abs. 3 SGB X entscheidet das Gericht über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung des Zeugnisses, des Gutachtens oder der Eidesleistung.

Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.06.2021 (BGBl. I S. 2154)

Inkrafttreten: 01.08.2021

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 20/21

Durch Artikel 24 Absatz 10 des vorgenannten Gesetzes vom 25.06.2021 wurden in § 22 Abs. 4 SGB X die Wörter „oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes erfüllt“ ersatzlos gestrichen. Hintergrund ist, dass § 110 DRiG mit Wirkung vom 01.08.2021 aufgehoben wurde (Artikel 4 Nummer 7 des Gesetzes vom 25.06.2021).

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)

Inkrafttreten: 01.01.1991

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 11/7760

Nach dem Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 ist die Vorschrift in den neuen Bundesländern für den Bereich der Rentenversicherung ab 01.01.1991 anzuwenden.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910, S. 48 f.

Durch das Gesetz vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) ist die Vorschrift am 01.01.1981 in Kraft getreten. Eine Vorgängervorschrift existierte nicht.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 22 SGB X