Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 304 SGB VI: Waisenrente

Änderungsdienst
veröffentlicht am

30.07.2022

Änderung

Im Abschnitt 3.1 wurden Ausführungen zum Auslaufen der Pandemie ergänzt.

Dokumentdaten
Stand21.06.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) vom 20.05.2020 in Kraft getreten am 01.01.2020
Rechtsgrundlage

§ 304 SGB VI

Version005.00

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift enthält in Absatz 1 eine Besitzschutzregelung für Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit, die im Saarland aufgrund des dort vor 1957 geltenden Rechts unter bestimmten Voraussetzungen auch über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt werden konnten.

Absatz 2 enthält Regelungen zu Ansprüchen auf Waisenrente im Hinblick auf die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte epidemische Lage (Corona-Pandemie).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Vorschrift ist eine Sonderregelung zu § 48 SGB VI.

Anspruch auf Waisenrente nach dem im Saarland vor dem 01.01.1957geltenden Recht

Nach dem im Saarland vor dem 01.01.1957 geltenden Recht konnten Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit über das 25. Lebensjahr hinaus gezahlt werden, solange die Waise aufgrund der Gebrechlichkeit außerstande war, sich selbst zu unterhalten.

Durch § 304 SGB VI ist der Besitzschutz für die im früheren Saarland begründeten Ansprüche auf Waisenrente wegen Gebrechlichkeit weiterhin gewährleistet. Danach können diese Waisenrenten wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen auch über das 27. Lebensjahr hinaus (§ 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d SGB VI) ohne Altersbegrenzung gezahlt werden, solange die Waise aufgrund der Gebrechlichkeit nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.

Durch die Regelung des § 304 SGB VI sollen die früheren Waisenrentenansprüche für diesen besonderen Personenkreis geschützt werden, da sich die Betreffenden auf eine bestimmte soziale Sicherung eingestellt haben.

Waisenrentenanspruch aufgrund der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Pandemie)

Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden seit März 2020 national und international verschiedene Maßnahmen (zum Beispiel Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen) getroffen. Diese konnten und können weiterhin dazu führen, dass über 18-jährige Waisen eine Ausbildung oder einen Freiwilligendienst nicht antreten konnten beziehungsweise können oder die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten länger als vier Kalendermonate andauert. Durch die Regelungen in § 304 Abs. 2 SGB VI soll vermieden werden, dass die Maßnahmen zu Nachteilen bei Waisenrentenberechtigten führen.

Die Vorschrift ist eine Ergänzung zu § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI hinsichtlich der Ansprüche auf Waisenrente bei Ausbildung und Freiwilligendienst. Greift § 48 SGB VI nicht und würde damit der Waisenrentenanspruch nicht bestehen beziehungsweise entfallen, ist zu prüfen, ob ein Waisenrentenanspruch nach § 304 Abs. 2 SGB VI in Frage kommt.

Nach § 304 Abs. 2 SGB VI kann ein Anspruch auf Waisenrente auch bestehen, wenn

  • eine Waise ihre Ausbildung oder ihren Freiwilligendienst aufgrund der Corona-Pandemie nur verspätet oder gar nicht aufnehmen kann (§ 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) oder
  • die Übergangszeit zwischen Ausbildungen und/oder Freiwilligendiensten, für die Anspruch auf Waisenrente besteht, aufgrund der Corona-Pandemie länger als 4 Kalendermonate andauert (§ 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI).

Die Anwendungsbereiche von § 304 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB VI überschneiden sich teilweise, so dass die Weiterzahlung bei einigen Fallgestaltungen auf einem Zusammenspiel beider Regelungen beruhen kann.

Zeitraum und ursächlicher Zusammenhang

Vom Deutschen Bundestag wurde in § 5 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) zum 27.03.2020 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt (Artikel 1 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BGBl. I Bl. 587 ff.). § 304 Abs. 2 SGB VI stellt zunächst auf den nach § 5 IfSG festgestellten Zeitraum ab. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ist am 25.11.2021 ausgelaufen und wurde gesetzlich nicht verlängert. Dies hat jedoch keine Auswirkung auf die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 304 Abs. 2 SGB VI. Vielmehr ist auch nach dem Ende der epidemischen Lage im Einzelfall entsprechend der nachfolgenden Ausführungen zu prüfen, ob die verzögerte Aufnahme einer Ausbildung oder eines Freiwilligendienstes ursächlich auf die Pandemie zurück zu führen ist.

Eine Beschränkung des § 304 SGB VI auf den Zeitraum der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ergibt sich nicht. Voraussetzung für die Anwendung des § 304 Abs. 2 SGB VI ist, dass zwischen dem Nichtantritt beziehungsweise dem Abbruch der Ausbildung oder des Freiwilligendienstes beziehungsweise der Verlängerung der Übergangszeit und der Corona-Pandemie ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dies ergibt sich aus dem Begriff „wegen“. Damit muss die Corona-Pandemie von wesentlicher Bedeutung für den Nichtantritt oder den Abbruch der Ausbildung oder des Freiwilligendienstes sein. Sie muss nicht die alleinige, sondern nur die wesentlich mitwirkende Ursache sein. Dabei reicht es aus, wenn der Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.

Begründet die Waise nachvollziehbar einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, kann bis zu 6 Monate nach Ablauf des durch den Deutschen Bundestag festzustellenden Zeitraums nach § 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG) (also bis Mai 2022) unterstellt werden, dass die epidemische Lage die wesentliche Ursache für den Nichtantritt beziehungsweise den Abbruch der Ausbildung oder des Freiwilligendienstes war.

Nach Ablauf der Frist von 6 Monaten nach dem Ende der epidemischen Lage (also ab Juni 2022) ist im Einzelfall zu prüfen, ob weitere Umstände eine Rolle spielen und ob diese gegebenenfalls so wesentlich sind, dass damit der Zusammenhang mit der epidemischen Lage nicht (mehr) im Vordergrund steht.

Beachte:

Auch die Maßnahmen eines ausländischen Staates zur Eindämmung der Corona-Pandemie können zu einem Anspruch auf Waisenrente nach § 304 SGB VI führen. Die Regelung des § 304 Abs. 2 SGB VI soll bewirken, dass durch die Corona-Pandemie bedingte negative Auswirkungen auf den Anspruch auf Waisenrente vermieden werden. Nach dem Wortlaut der Regelung ist Voraussetzung hierfür das Vorliegen einer „durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Dieser Begriff ist gebietsneutral, so dass von einer solchen Lage auch dann auszugehen ist, wenn und solange in einem ausländischen Staat auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie mit entsprechenden einschränkenden Auswirkungen auf eine Schul- oder Berufsausbildung bzw. einen freiwilligen Dienst gelten. Dies haben die Waisen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
Hinsichtlich der Gleichstellung eines ausländischen freiwilligen Dienstes ist die GRA zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5.7 zu beachten (AGZWSR 4/2020, TOP 2 Sondersitzung).

Verspäteter Beginn oder Nichtantritt einer Ausbildung oder eines Freiwilligendienstes (Abs. 2 Nr. 1)

Ein Waisenrentenanspruch kann nach § 304 Abs. 2 SGB VI auch ohne Ausbildung oder Freiwilligendienst gegeben sein, sofern die Waise die Ausbildung oder den Freiwilligendienst aufgrund der Corona-Pandemie nur verspätet (vergleiche Abschnitt 3.2.1) oder gar nicht aufnehmen kann (vergleiche Abschnitt 3.2.2).

Auch wenn die Vorschrift des § 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft getreten ist, kommt eine Waisenrente aufgrund dieser Regelung jedoch frühestens ab März 2020 mit der pandemischen Lage in Betracht (vergleiche auch Abschnitt 3.1), selbst wenn sich eine Waise bereits vor dem 01.01.2020 ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, bis zum 31.12.2019 jedoch nicht erfolgreich war.

Die Ausbildung oder der Freiwilligendienst wird verspätet begonnen oder aufgenommen

Belegt die Waise, dass ihre Ausbildung oder ihr Freiwilligendienst wegen der Corona-Pandemie erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen kann, ist diese nach § 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ab dem ursprünglich vereinbarten Beginn der Ausbildung oder des Freiwilligendienstes zu zahlen, soweit alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Siehe Beispiel 1

Nachweise können in diesem Zusammenhang insbesondere sein:

  • Unterlagen der Schule, Fachschule oder Hochschule über den regulären und den späteren Beginn des Schuljahres, des Semesters oder
  • Ausbildungsvertrag oder Vertrag über den Freiwilligendienst mit dem ursprünglichen und dem späteren Beginn oder
  • Bestätigung der Ausbildungsstelle, der Dienststelle über den regulären beziehungsweise ursprünglichen und den späteren Beginn.

Die Ausbildung oder der Freiwilligendienst wird nicht begonnen oder aufgenommen

Belegt die Waise, dass eine Ausbildung oder ein Freiwilligendienst zu einem bestimmten Beginn vereinbart war und wegen der Corona-Pandemie gar nicht mehr stattfinden wird, ist die Waisenrente nach § 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI bei Vorliegen aller anderen Anspruchsvoraussetzungen ab dem ursprünglich vereinbarten Beginn der Ausbildung oder des Freiwilligendienstes zu zahlen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Waise zum Beispiel durch Bewerbungsschreiben belegt, dass sie sich stattdessen ernsthaft um die Aufnahme einer anderen Ausbildung oder eines anderen Freiwilligendienstes bemüht (vergleichbar mit „ausbildungsplatzsuchend“).

Ausbildungsplatzsuche

Die Waisenrente kann bei Vorliegen aller anderen Anspruchsvoraussetzungen nach § 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI auch dann ab dem ursprünglich geplanten oder beabsichtigten Beginn gezahlt werden, wenn die Ausbildungssuche der Waise wegen der Corona-Pandemie nicht erfolgreich ist.

Belegt die Waise zum Beispiel durch die Vorlage von Bestätigungen, Ablehnungsschreiben von Arbeitgebern oder Dienststellen ersatzweise durch Bewerbungsschreiben, dass

  • sie sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht und
  • die Ausbildungssuche wegen der Corona-Pandemie nicht erfolgreich ist (weil zum Beispiel potentielle Ausbildungsbetriebe wegen der unsicheren Lage derzeit keine Ausbildungszusage erteilen),

kann die Waisenrente bei Vorliegen aller anderen Anspruchsvoraussetzungen ab dem geplanten beziehungsweise beabsichtigten Beginn gezahlt werden.

Erweiterte Übergangszeit (Abs. 2 Nr. 2)

Überschreitet die Übergangszeit den in§ 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI normierten Zeitraum von vier Kalendermonaten, weil die weitere Ausbildung oder der Freiwilligendienst aufgrund der Corona-Pandemie nicht oder nicht planmäßig aufgenommen werden kann, kann für die weitere Übergangszeit dennoch ein Waisenrentenanspruch nach § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI gegeben sein.

Es kann auf jeden Fall dann eine nahtlose Weiterzahlung der Rente erfolgen, wenn bei vorausschauender Betrachtungsweise belegt ist, dass eine weitere Ausbildung oder ein Freiwilligendienst innerhalb von 4 Kalendermonaten bereits geplant war, wegen der Corona-Pandemie jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen kann.

Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die Aufnahme der weiteren Ausbildung beziehungsweise des Freiwilligendienstes durch die Vorlage einer Anmeldung über den weiteren Schulbesuch, eines Berufsausbildungsvertrages beziehungsweise einer Bescheinigung des Trägers des Freiwilligendienstes belegt wird und damit hinreichend wahrscheinlich ist. Für die nahtlose Weiterzahlung der Waisenrente für die Dauer der erweiterten Übergangszeit nach § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI ist ein ernsthafter Wille der Waise erforderlich und ausreichend, die Ausbildung fortsetzen oder einen (anderen) Freiwilligendienst aufnehmen zu wollen. Dieser ernsthafte Wille ist durch die Waise mit geeigneten Unterlagen (zum Beispiel. Bewerbungsschreiben) zu belegen.

Betrug die Übergangszeit zur letzten Ausbildung nach § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI am 01.01.2020 mehr als vier Kalendermonate, kann die Waisenrente über § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht rückwirkend zum 01.01.2020, sondern erst ab dem Beginn der vertraglich vereinbarten beziehungsweise geplanten Ausbildung geleistet werden.

Siehe Beispiel 1

Fortführung desselben Ausbildungsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt:

Ein (weiterer) Anspruch auf Waisenrente nach § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI besteht auch dann, wenn ein bestehendes Ausbildungsverhältnis aufgrund der Corona-Pandemie gekündigt wird und dasselbe Ausbildungsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt nach Wegfall der Hinderungsgründe fortgesetzt werden soll. In diesem Fall kann eine nahtlose Weiterzahlung der Rente erfolgen, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass beide Ausbildungsparteien beabsichtigen, das Ausbildungsverhältnis fortzusetzen, sobald es unter Beachtung der Corona-Pandemie möglich ist.

Ausbildung im Umfang von weniger als 20 Stunden

Ruht die bestehende Ausbildung ganz oder teilweise und liegt damit eine Ausbildung im Sinne des § 48 Abs. 4 S. 2 SGB VI nicht mehr vor, weil der erforderliche Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden pro Woche aufgrund der Corona-Pandemie damit nicht erreicht wird, wird diese von § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI erfasst. Ist dem Vortrag der Waise nichts Gegenteiliges zu entnehmen, ist davon auszugehen, dass ein ernsthafter Wille besteht, die Ausbildung nach Ende der Corona-Pandemie im Umfang von mehr als 20 Stunden fortzusetzen.

Keine rückschauende Betrachtung bei fehlendem Ausbildungswillen

Wird zunächst eine weitere Ausbildung oder ein weiterer Freiwilligendienst nicht geltend gemacht oder nicht hinreichend belegt, später jedoch nachweislich aufgenommen (rückschauende Betrachtungsweise), kann eine Nachzahlung in der Regel nicht erfolgen. Nur wenn die verlängerte Übergangszeit ursächlich in der Corona-Pandemie begründet ist, kann dies gegebenenfalls auf der Grundlage des § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI erfolgen,

Keine weitere Ausbildung oder kein weiterer Freiwilligendienst – möglicher Wegfall

Stellt sich heraus, dass eine weitere Ausbildung oder ein weiterer Freiwilligendienst doch nicht begonnen wird, entfällt der Anspruch in Fällen des § 304 Abs. 2 SGB VI dennoch nicht rückwirkend ab dem Ende des vorherigen Anspruchszeitraumes. Im Einklang mit den Regelungen zu § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI entfällt der Anspruch erst ab dem Zeitpunkt, in dem erkennbar wird, dass entgegen der ursprünglichen Annahme eine weitere Ausbildung oder ein weiterer Freiwilligendienst nicht aufgenommen wird oder ab dem bei der Waise kein ernsthafter Wille mehr besteht, die Ausbildung fortzusetzen oder einen (neuen) Freiwilligendienst anzutreten.

Beschäftigung

Eine mehr als geringfügige Beschäftigung steht dabei einem Anspruch auf Waisenrente über § 304 Abs. 2 SGB VI nicht entgegen, sofern sich die Waise ernsthaft weiter um eine Ausbildungsstelle oder einen Freiwilligendienst bemüht und dies durch die Vorlage von Bestätigungen beziehungsweise Ablehnungsschreiben von Arbeitgebern und Dienststellen, ersatzweise durch Bewerbungsschreiben belegt.

Abbruch einer Ausbildung

Wird eine Ausbildung abgebrochen, weil der Ausbildungsbetrieb schließt und der Ausbildungsvertrag ohne Aussicht auf Wiederaufnahme der Ausbildung gekündigt wird, kann ein Waisenrentenanspruch unter folgenden Voraussetzungen weiter bestehen:

  • Die Waise belegt zum Beispiel durch Bewerbungsschreiben, dass sie sich stattdessen ernsthaft um die Weiterführung der Ausbildung in einem anderen Ausbildungsbetrieb bemüht. In diesem Fall ist die Waisenrente – solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite andauert – zunächst pauschal für 6 Monate (zur Befristung vergleiche Abschnitt 3.6) zu bewilligen.
  • Die Waise plant die Abschlussprüfung zum regulären Prüfungszeitpunkt (auch wenn dieser gegebenenfalls wegen der Corona-Pandemie verschoben wird) dennoch abzulegen. In diesem Fall ist die Befristung der Waisenrente bis zum ursprünglichen Ende der Berufsausbildung zu belassen und das tatsächliche Ende zu gegebener Zeit zu überprüfen.

Befristung und Ende

Für die Befristung und das Ende von Waisenrenten nach § 304 Abs. 2 SGB VI gelten die allgemeinen Regelungen zu § 48 SGB VI in Verbindung mit § 102 SGB VI, vergleiche GRA zu § 48 SGB VI, Abschnitt 8.

Davon abweichend kann eine Waisenrente im Rahmen des § 304 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB VI in den Fällen, in denen

  • die Waise eine vereinbarte Ausbildung oder einen vereinbarten Freiwilligendienst wegen der Corona-Pandemie nicht beginnen kann oder
  • sich die Waise ernsthaft um einen Ausbildungsplatz oder Freiwilligendienst bemüht, die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einem Freiwilligendienst wegen der Corona-Pandemie nicht erfolgreich ist,

zunächst pauschal für 6 Kalendermonate bewilligt werden, solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite andauert. Voraussetzung ist, dass sich die Waise in dieser Zeit weiterhin ernsthaft um eine andere Ausbildung oder einen anderen Freiwilligendienst bemüht. Hierauf ist die Waise im Bewilligungsbescheid ausdrücklich hinzuweisen und zu verpflichten, die Rentenversicherung unverzüglich zu informieren, wenn sie die Bemühungen einstellt.

Sollte die Waise nach Ablauf der 6 Kalendermonate trotz ernsthafter Bemühungen weiterhin keine andere Ausbildung oder keinen anderen Freiwilligendienst gefunden haben und dauert die epidemische Lage von nationaler Tragweite im Sinne des § 5 IfSG weiter an, kann die Waisenrente erneut für 6 Kalendermonate bewilligt werden.

Ein Anspruch auf Waisenrente nach § 304 Abs. 2 SGB VI besteht bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die weitere Aufnahme einer Ausbildung aufgrund der Corona-Pandemie auf einen Zeitpunkt nach Vollendung des 27. Lebensjahres verschoben wird.

 

Beispiel 1: Verspäteter Beginn der Ausbildung und keine Rückwirkung für Zeiten vor dem 01.1.2020

(Beispiel zu Abschnitt 3.2 und 3.2.1)
Ende der Fachschulausbildung:31. Juli 2019
Vertraglicher Beginn einer Berufsausbildung:01. April 2020
Tatsächlicher Beginn der Berufsausbildung:01. Juni 2020
Die Berufsausbildung konnte aufgrund der Corona-Pandemie nicht planmäßig begonnen werden. Belegt wird dies durch ein Schreiben des Ausbildungsbetriebs.
Lösung:
Die Waisenrente beginnt am 1. April 2020.
Die Waisenrente kann nach § 304 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI bereits vor dem tatsächlichen Beginn der Ausbildung mit dem vertraglich vereinbarten Beginn geleistet werden, da sich dieser aufgrund der Corona-Pandemie verschoben hat. Ein früherer Beginn kommt auch nach § 304 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht in Betracht, da die Übergangszeit von 4 Kalendermonaten nach § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI am 31.12.2019 bereits abgelaufen war.
Sozialschutz-Paket II vom 20.05.2020 (BGBl. I S. 1055)

Inkrafttreten: 01.01.2020

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/18966

Durch Artikel 14 des Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutzpaket II) vom 20.05.2020 wurde mit Wirkung zum 01.01.2020 ein Absatz 2 in § 304 SGB VI eingefügt. Danach besteht ein Waisenrentenanspruch auch dann, wenn wegen der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Corona-Pandemie) eine Schul- oder Berufsausbildung oder ein Freiwilligendienst nicht oder verspätet angetreten werden kann oder die Übergangszeit nach § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI überschritten wird.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

Durch § 304 SGB VI wurden die bisherigen Regelungen des § 44 Abs. 1 AVG und Art. 2 § 40 AnVNG in Verbindung mit dem früheren Saarrecht übernommen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 304 SGB VI