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§ 8 SGB II: Erwerbsfähigkeit

Änderungsdienst
veröffentlicht am

07.06.2021

Änderung

Es wurden redaktionelle Anpassungen im Abschnitt 4 vorgenommen.

Dokumentdaten
Stand26.05.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 in Kraft getreten am 01.01.2005
Rechtsgrundlage

§ 8 SGB II

Version003.00

Inhalt der Regelung

§ 8 Abs. 1 SGB II definiert in enger (spiegelbildlicher) Anlehnung an die Regelung des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI den Begriff „Erwerbsfähigkeit“ als Zugangskriterium für eine Förderung beziehungsweise Anspruchsberechtigung nach dem SGB II. In Ergänzung dazu bestimmt § 8 Abs. 2 SGB II, dass Ausländerinnen und Ausländer erwerbsfähig im Sinne dieses Gesetzes nur sein können, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Dabei ist es ausreichend, wenn die rechtliche Möglichkeit besteht, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Da das SGB II allein Personen betrifft, die (noch) erwerbsfähig sind, handelt es sich bei § 8 SGB II um eine der zentralen Vorschriften des SGB II. Ein sehr enger Bezug ergibt sich dabei zu § 44a SGB II, indem dieser der Agentur für Arbeit die Zuständigkeit für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit zuweist (siehe Abschnitt 4).

§ 44a Abs. 1 und 1a SGB II verweisen wiederum auf § 109a SGB VI. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift geben die Träger der Rentenversicherung nach § 44a Abs. 1 SGB II im Widerspruchsfall eine gutachterliche Stellungnahme ab, ob hilfebedürftige Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II sind. § 109a Abs. 4 SGB VI regelt, welcher Rentenversicherungsträger für die Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme zuständig ist (siehe GRA zu § 109a SGB VI).

§ 224b SGB VI regelt die Erstattung der Kosten und Auslagen der Rentenversicherungsträger für gutachterliche Stellungnahmen zur Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 SGB II (siehe GRA zu § 224b SGB VI).

Begriff der Erwerbsfähigkeit

Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im Umkehrschluss beziehungsweise spiegelbildlich entspricht die Vorschrift damit § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI, wonach Versicherte voll erwerbsgemindert sind, „die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein“.

Als erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II wird folgerichtig angesehen, wer noch nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI ist. Die Frage der Erwerbsfähigkeit beurteilt sich also nach denselben Kriterien, die in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Feststellung von voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage maßgebend sind. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einerseits und die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits regelmäßig nicht zu divergierenden Leistungsbeurteilungen gelangen.

Da - wie bereits erwähnt - für die nach § 8 Abs. 1 SGB II und nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI zu treffenden Feststellungen von einheitlichen Grundsätzen auszugehen ist, kann an dieser Stelle auf die insoweit einschlägigen Ausführungen in der GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 2 ff. verwiesen werden.

Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist indes allein das medizinischerseits festgestellte Leistungsvermögen des Berechtigten entscheidend. Ist der Berechtigte in der Lage, täglich drei bis unter sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, ist dieser weiterhin erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II, auch wenn aufgrund eines für ihn verschlossenen Arbeitsmarktes bereits die Annahme voller Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI gerechtfertigt sein kann, siehe GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 4.2. Gegebenenfalls besteht für diese Berechtigten ein ergänzender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Erwerbsfähigkeit bei Ausländern

Die Anspruchsberechtigung nach dem SGB II ist für Personen mit fremder Staatsangehörigkeit, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, an die Bedingung geknüpft, dass ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II in Verbindung mit § 8 Abs. 2 SGB II). Dabei ist nach § 8 Abs. 2 S. 2 SGB II die rechtliche Möglichkeit ausreichend, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen.

Durch § 8 Abs. 2 S. 2 SGB II wird verdeutlicht, dass es darauf ankommt, dass zumindest rechtlich-theoretisch eine Zustimmung zur Aufnahme einer Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen könnte. Auch wenn dies in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber (Arbeitsmarktvorrangprüfung gemäß § 39 Abs. 2 AufenthG) verhindert wird.

Ausländer, die aus statusrechtlichen Gründen - siehe in diesem Zusammenhang §§ 284, 287 und 288 SGB III sowie die Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (ArGV) - ohnedies keinen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, fallen aus eben diesem Grund (mangels eines Integrationsbedarfs) nicht unter die Regelungen des SGB II.

Feststellung der Erwerbsfähigkeit

Die Feststellung, ob die oder der Arbeitsuchende erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II ist, obliegt nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 44a Abs. 1 S. 1 SGB II der Agentur für Arbeit. Dabei ist jedoch Folgendes zu beachten: Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind zum einen die Agenturen für Arbeit und die jeweiligen kommunalen Träger (§ 6 Abs. 1 S. 1 SGB II), die zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende „gemeinsame Einrichtungen“ gebildet haben (§ 44b SGB II). Zum anderen gibt es Kommunen, die die Aufgaben der Grundsicherung in eigener Zuständigkeit wahrnehmen, die sogenannten zugelassenen kommunalen Träger (§ 6a SGB II). Sowohl die gemeinsamen Einrichtungen als auch die zugelassenen kommunalen Träger tragen einheitlich die Bezeichnung Jobcenter (§ 6d SGB II). Daher sind an Stelle der in § 44a Abs. 1 S. 1 SGB II genannten Agentur für Arbeit die Jobcenter für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit zuständig.

Nach § 44a Abs. 1 S. 2 SGB II kann der kommunale Träger, ein anderer Träger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, oder die Krankenkasse, die bei Erwerbsfähigkeit Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen hätte, der Entscheidung des Jobcenters widersprechen (sogenannter Widerspruchsfall). Im Widerspruchsfall entscheidet das Jobcenter, nachdem es eine gutachterliche Stellungnahme des nach § 109a Abs. 4 SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträgers eingeholt hat (§ 44a Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II). Das Jobcenter ist bei der Entscheidung über den Widerspruch an das Gutachten des Rentenversicherungsträgers gebunden (§ 44a Abs. 1 S. 6 SGB II). Darüber hinaus sind alle Leistungsträger nach dem SGB II, SGB III, SGB V, SGB VI und SGB XII an die gutachterliche Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers zur Erwerbsfähigkeit gebunden; § 48 SGB X bleibt unberührt (§ 44a Abs. 2 SGB II). Diese umfassende Bindung soll eine doppelte Befassung der Sozialleistungsträger mit identischen Sachverhalten verhindern.

Für das Verfahren zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit haben die Rentenversicherungsträger mit der Bundesagentur für Arbeit die - bereits bestehende - Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Arbeitsuchenden im Sinne des SGB II mit Wirkung vom 01.04.2011 neu gefasst. Die Vereinbarung gilt nur im Verhältnis zwischen den Rentenversicherungsträgern und den gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von § 44b SGB II. Sie gilt nicht im Verhältnis zu den zugelassenen kommunalen Trägern.

Die Vereinbarung unterscheidet zwischen allgemeinen und besonderen Regelungen bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit rentenberechtigter Arbeitsuchender und nicht rentenberechtigter Arbeitsuchender. So sollen Zweifelsfälle hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit rentenberechtigter Arbeitsuchender zwischen Rentenversicherungsträger und Jobcenter unverzüglich erörtert werden. Nach der Erörterung entscheidet der Rentenversicherungsträger abschließend über den Rentenantrag. Das Jobcenter erkennt die im Rentenverfahren abgegebene ärztliche Stellungnahme als für sich verbindlich an. Diese Regelung hat zur Folge, dass es bei rentenberechtigten Arbeitsuchenden gar nicht zu einem Widerspruchsverfahren durch den Rentenversicherungsträger kommt, da dieser nach Erörterung des Falles abschließend über den Rentenantrag entscheidet.

Ein förmliches Widerspruchsverfahren im Sinne des § 44a Abs. 1 SGB II kommt daher nur dann in Betracht, wenn ein anderer Leistungsträger als der Rentenversicherungsträger einen Widerspruch gegen die Entscheidung des Jobcenters einlegt (siehe auch GRA zu § 109a SGB VI).

Da die oben genannte Vereinbarung nicht im Verhältnis zu den zugelassenen kommunalen Trägern (sogenannte Optionskommunen) gilt, wurden zwischen dem Deutschen Landkreistag mit Wirkung vom 01.09.2013 sowie dem Deutschen Städtetag mit Wirkung vom 01.11.2013 und der Deutschen Rentenversicherung Bund - ähnlich gelagerte - Vereinbarungen über die Zusammenarbeit bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit von Arbeitsuchenden im Sinne des SGB II abgeschlossen.

In den Verfahrensvereinbarungen sind Regelungen über die Erstellung von Erstgutachten zur Erwerbsfähigkeit von Arbeitsuchenden durch die Rentenversicherungsträger getroffen worden. Danach haben die Optionskommunen die Möglichkeit, in Fällen, in denen das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit zweifelhaft ist, bei dem für den Arbeitsuchenden zuständigen Rentenversicherungsträger eine gutachterliche Stellungnahme zur Erwerbsfähigkeit einzuholen. In diesen Fällen wird es praktisch zu keinen Widersprüchen im Sinne des § 44a SGB II kommen, da die Optionskommune und die Kommune als Sozialhilfeträgerin die vom Rentenversicherungsträger abgegebene gutachterliche Stellungnahme als für sich verbindlich anerkennen.

Ein förmliches Widerspruchsverfahren im Sinne des § 44a Abs. 1 SGB II kommt daher hier nur in Betracht, wenn ein anderer Leistungsträger, zum Beispiel die Krankenkasse, einen Widerspruch gegen die Entscheidung der Optionskommune einlegt (siehe auch GRA zu § 109a SGB VI).

Der Rentenversicherungsträger hat in diesen Fällen nach Aufforderung durch das Jobcenter beziehungsweise die Optionskommune eine gutachterliche Stellungnahme zur Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II abzugeben, wobei der Bund den Rentenversicherungsträgern die Kosten und Auslagen erstattet. Das in § 224b SGB VI geregelte, bis zum 31.10.2010 für Begutachtungen in Angelegenheiten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geltende Erstattungsverfahren wurde auf Begutachtungen in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgedehnt (siehe GRA zu § 224b SGB VI).

Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453)

Inkrafttreten: 01.04.2011

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 17/3404

§ 8 Abs. 2 SGB II wurde in der Weise geändert, dass der bisherige Wortlaut Satz 1 wird und in Satz 1 das Wort „Ausländer“ durch die Wörter „Ausländerinnen und Ausländer“ ersetzt wird. Des Weiteren wurde ein Satz 2 angefügt.

Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954)

Inkrafttreten: 01.01.2005

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1638

§ 8 SGB II ist eine der Einzelregelungen, die zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Personen zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende notwendig waren.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 8 SGB II