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L 12 An 34/67

Tatbestand

Der am 16.6.1898 in Karlsbad (damals Österreich) geborene Kläger, dem die Beklagte Altersruhegeld gewährt, begehrt Berücksichtigung einer zusätzlichen in Rumänien vor dem zweiten Weltkrieg zurückgelegten Beitragszeit sowie seines vorangegangenen Wehrdienstes und seiner Ausbildung als Ersatz- bzw. Ausfallzeit.

Der Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hat am 10.5.1916 den Besuch der k. u. k.-Staats-Realschule in Wien mit dem Reifezeugnis abgeschlossen; anschließend leistete er nach seinen Angaben in der Zeit vom 11.5. bis 5.10.1916 Militärdienst in der Österreichischen Armee. Später durchlief er im Studienjahr 1917/18 mit Erfolg den Abiturientenkurs der Wiener Handelsakademie (1-jähriger Fachkursus für Mittelschulmaturanten). Gemäß seinen weiteren Angaben war der Kläger in den Jahren von 1918 bis 1921 als Sekretär und Buchhalter in Hermannstadt (Rumänien) tätig. Sodann besuchte er von 1921 bis 1924 die Hochschule für Welthandel in Wien und war vom 1.11.1924 bis 31.3.1935 wieder in Rumänien als Buchhalter und Oberbuchhalter tätig. In der Folgezeit siedelte der Kläger nach Deutschland über und befand sich daselbst vom 1.4.1935 bis 31.5.1963 in verschiedenen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, welche die Beklagte auch bei Bemessung des Altersruhegeldes berücksichtigt hat.

Auf den Antrag des Klägers vom 22.5.1963 gewährte ihm die Beklagte durch Bescheid vom 11.11.1963 Altersruhegeld. Hierbei berücksichtigte sie von den rumänischen Beschäftigungszeiten lediglich die Zeit vom 1.6.1932 bis 7.4.1933. Die Beklagte ging hierbei davon aus, daß bis dahin in Rumämien eine gesetzliche Rentenversicherung nicht bestanden habe und später der Kläger - wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze - versicherungsfrei gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 6.12.1963 Klage vor dem Sozialgericht Köln, mit der er Berücksichtigung seiner gesamten vom 1.11.1924 bis 31.3.1935 in Rumänien zurückgelegten Beitragszeit nebst dem vorangegangenen Wehrdienst und seiner anschließenden Ausbildung als Ersatz- bzw. Ausfallzeit geltend machte. Zum Beweis der vorgenannten Beschäftigungszeiten legte der Kläger Bescheinigungen des Volksrates der Regionalen Stadt Sibiu (Hermannstadt) vom 31.3. und 3.4.1964 sowie notariell beglaubigte Erklärungen der Frau E. M. und der Frau D.-J. O. vom 3.4.1964 vor. Zur Präge seiner Versicherungspflicht in Rumänien überreichte er eine gutachtliche Stellungnahme des Instituts für Ostrecht in München vom 27.10.1964 und 22.1.1965.

Die Beklagte nahm im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens durch Bescheid vom 29.9.1966 eine Neuberechnung des Altersruhegeldes des Klägers vor, wobei sie die rumänische Versicherungszeit des Klägers nunmehr völlig unberücksichtigt ließ. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die rumänischen Versicherungszeiten könnten schon deshalb keine Anrechnung finden, weil der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 1 Buchstabe b des Fremdrentengesetzes (FRG) erfülle; da jedoch der derzeitige monatliche Zahlbetrag besitzgeschützt sei, werde die Rente in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Die Beklagte behielt sich jedoch vor, die Rente aufgrund der kommenden Anpassungsgesetze erst dann zu erhöhen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den derzeitig zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteige. Eine Rückforderung der überzahlten Beträge unterblieb.

Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung von gutachtlichen Auskünften des Instituts für Ostrecht München vom 13.6.1966 und vom 31.1.1967 sowie des Auswärtigen Amtes in Bonn vom 24.2.1967.

Durch Urteil vom 3.4.1967 wies das Sozialgericht die Klage ab. In seinen Gründen führte es aus, gemäß § 1 Buchstabe b FRG könnten die rumänischen Beitragszeiten des Klägers nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger infolge von Kriegsauswirkungen den rumänischen Versicherungsträger nicht mehr in Anspruch hätte nehmen können; vorliegend scheitere die Inanspruchnahme jedoch nicht an den Kriegsauswirkungen, sondern daran, daß gemäß den Auskünften des Instituts für Ostrecht München und des Auswärtigen Amtes nach rumänischem Recht Renten aller Art ruhen, solange der Versicherte im Ausland wohnt. Aus diesem Grunde könnten auch die vom Kläger geltend gemachten Zeiten seines Militärdienstes und der Schulausbildung nicht als Ersatz- bzw. Ausfallzeit angerechnet werden, da vor diesen Zeiten weder eine Versicherung bestand noch innerhalb von 2 bzw. 3 Jahren eine anrechenbare versicherungspflichtige Beschäftigung mit Beitragsleistung aufgenommen worden sei, der erste anrechenbare Pflichtbeitrag zur deutschen Rentenversicherung vielmehr erst im April 1935 geleistet worden sei. Auch die Schulzeit könne als Ausfallzeit nicht berücksichtigt werden, weil nicht innerhalb von 2 bzw. 5 Jahren eine anrechenbare versicherungspflichtige Beschäftigung mit Beitragsleistung aufgenommen worden sei. Nach allem habe die Beklagte schon im angefochtenen Bescheid vom 11.11.1963 zu Unrecht eine Beitragszeit in Rumänien Berücksichtigt und sei daher berechtigt gewesen, in dem gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am Verfahren teilnehmenden Bescheid vom 29.9.1966 eine Berichtigung unter Wahrung des bisherigen Besitzstandes vorzunehmen.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 29.4.1967 zugestellt worden war, legte dieser am 29.5.1967 Berufung ein. Zur Begrüngung führt der Kläger aus, es treffe zwar zu, daß er nach rumänischem Recht den ausländischen Versicherungsträger nicht habe in Anspruch nehmen können, solange er nicht in Rumänien wohne. Gemäß zwischenstaatlicher Vereinbarung vom 23.8.1941 (AN 1942 S. 130) hätten jedoch Verhandlungen aufgenommen werden sollen, die infolge der Kriegsauswirkungen unterblieben seien; auf Auswirkungen des ersten Weltkrieges sei es auch zurückzuführen, daß er überhaupt nach Rumänien gegangen sei und eine Auswirkung des zweiten Weltkrieges stelle es dar, daß er nicht nach dort wieder zurückgegangen sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

  • das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 3. April 1967 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 11.11.1963 und vom 29.9.1966 zu verurteilen, dem Kläger Altersruhegeld zu gewähren unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeit vom 1.11.1924 bis 31.3.1935 als Beitragszeit und unter Berücksichtigung der vorhergehenden Ersatz- und Ausfallzeiten.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Urteils, die ihr zutreffend erscheinen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in ihren Schriftsätzen vom 13.3.1968 und 18.4.1968 einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die aktenmäßigen Unterlagen, insbesondere auch die Rentenakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gemäß §§ 143 ff des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft sowie auch frist- und formgerecht eingelegt; die somit zulässige Berufung konnte jedoch keinen sachlichen Erfolg haben, da die vom Kläger in den Jahren 1924 bis 1935 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei Bemessung seines Altersruhegeldes nicht berücksichtigt werden können.

Gemäß § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) stehen allerdings Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich.

Dieses Gesetz findet jedoch nur auf den in § 1 a.a.O. im einzelnen bestimmten Personenkreis Anwendung, zu dem der Kläger nicht gehört. Da der Kläger nämlich nicht Vertriebener im Sinne von Buchstabe a des § 1 FRG ist, käme für ihn nur Buchstabe b a.a.O. in Betracht. Demnach würde er als Deutscher u.a. nur dann Aprüche aus dem Fremdrentengesetz herleiten können, wenn er infolge von Kriegsauswirkungen den rumänischen Versicherungsträger nicht mehr würde in Anspruch nehmen können. Diese Voraussetzung ist - wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht gegeben, da gemäß den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 31.1.1967 und der gutachtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 24.2.1967 nach rumänischen Recht schon vor dem zweiten Weltkrieg ein im Ausland lebender Versicherter keinen Anspruch auf Gewährung von Alters- oder Invalidenrente hatte. Die Inanspruchnahme des rumänischen Versicherungsträgers scheiterte im Falle des Klägers daher nicht „infolge der Kriegsauswirkungen“, wie es § 1 b FRG verlangt, sondern an der Eigenart des rumänischen Rechtes. Die Ausführungen des Klägers, daß dieses Ergebnis dem Eingliederungsprinzip, das dem Fremdrentengesetz zugrundeliege, zuwiderlaufe, widersprechen nicht nur dem vorgenannten klaren Wortlaut des Gesetzes; vielmehr übersieht der Kläger auch, daß er sich als Deutscher bereits vor dem zweiten Weltkrieg in die Bundesrepublik eingegliedert hatte. Aus den gleichen Erwägungen ist der Kläger auch nicht - wie er meint - gegenüber den Vertriebenen und den heimatlosen Ausländern im Sinne von § 1a und b FRG benachteiligt, da er - im Gegensatz zu diesen Personengruppen - schon vor dem zweiten Weltkrieg durch das deutsche Sozialversicherungsrecht geschützt war. Unerheblich ist - im Gegensatz zu den weiteren Ausführungen des Klägers - auch, daß er infolge der Auswirkungen des ersten Weltkrieges nach Rumänien gekommen und infolge der Auswirkungen des zweiten Weltkrieges nicht mehr dorthin zurückgekommen sein mag. Es fallen nämlich nicht alle Personen bereits dann unter den Personenkreis des § 1b FRG, wenn sie infolge von Kriegsauswirkungen irgendwelche vermögensrechtliche Nachteile erlitten haben, vielmehr hat der Gesetzgeber den Personenkreis dahin begrenzt, daß es gerade auch Kriegsauswirkungen sein müssen, derentwegen der ausländische Versicherungsträger „nicht mehr in Anspruch“ genommen werden kann; es muß also gerade der Krieg dafür ursächlich sein, daß der ausländische Versicherungsträger nicht mehr in Anspruch genommen werden kann und nicht etwa - wie vorliegend - lediglich das ausländische Recht, das gemäß dem Gutachten des Institutes für Ostrecht vom 31.1.1967 und der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 24.2.1967, sowohl vor wie nach dem zweiten Weltkrieg einen Anspruch für im Ausland lebende Versicherte nicht gewährt.

Da nach allem die vom Kläger in Rumänien in den Jahren von 1924 bis 1935 zurückgelegten Beschäftigungszeiten ihm nicht als Versicherungszeiten angerechnet werden können, entfällt auch eine Anrechnung seines militärischen Dienstes in Österreich als Ersatzzeit. Voraussetzung hierfür wäre nämlich gemäß § 28 Abs. 2, daß entweder eine Versicherung vor dem Wehrdienst des Klägers bestanden hätte oder der Kläger innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Wehrdienstes oder einer durch sie aufgeschobenen oder unterbrochenen Ausbildung eine berücksichtigungsfähige versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hätte. Da der Kläger nach seinen eigenen Angaben bis zum Wehrdienst nicht versicherungspflichtig beschäftigt war, hätte er demnach spätestens eine solche Beschäftigung drei Jahre nach der im Anschluß an den Wehrdienst bis zum 28.6.1918 durchlaufenden Ausbildung eingehen müssen; der Kläger hat jedoch - da ihm gemäß obigen Ausführungen die rumänischen Beschäftigungszeiten nicht angerechnet werden können - das erste versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis erst in Deutschland am 1.4.1935 begonnen, so daß die oben erwähnte Dreijahresfrist nicht eingehalten ist. Da, wie oben erörtert, das erste dem Kläger anrechenbare versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis erst am 1.4.1935 angefangen hat, kann ihm auch nicht seine Ausbildung als Ausfallzeit angerechnet werden, weil die letzte Ausbildung des Klägers gemäß seinen eigenen Angaben spätestens am 31.10.1924 (Abschluß des Studiums der Wirtschaftwissenschaften) beendet war.

Von diesem Zeitpunkt bis zur Aufnahme der ersten anrechenbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung am 1.4.1935 lagen daher mehr als fünf Jahre, so daß diese Ausfallzeit gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 4 AVG nicht angerechnet werden kann.

Nach allem hat das Sozialgericht zutreffend die Klage abgewiesen, so daß die Berufung des Klägers zurückgewiesen werden mußte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.

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