Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

L 12 R 2242/05

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zürn 30.04.2002 für eine Tätigkeit als selbständige Lehrerin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten hat.

Die Klägerin ist am …. geboren und hat nach einer Ausbildung zur staatlich geprüften Chemisch-Technischen-Assistentin bis Februar 1997 in diesem Beruf gearbeitet. Bereits im Jahr 1996 begann sie eine nebenberufliche selbständige Tätigkeit als Farbberaterin und Trainerin für Autogenes Training. Im März 1997 machte die Klägerin sich dann auf dem Gebiet der Lebensberatung, der Farbberatung sowie des Persönlichkeitstrainings selbständig. Ab Oktober 1999 nahm sie hierzu Aufträge der Firmen …. und …. an, welche sie über die Vermittlung des Arbeitsamtes erhalten hat. Nachdem die Klägerin auf diese Weise eine einwöchige Trainingsmaßnahme bei der Firma …. absolviert hatte, wurde sie bereits nach einigen Wochen von der Firma …. damit beauftragt, selbst in den Kursen der Trainingsmaßnahmen Vorträge über Farbgestaltung zu halten. Inhalt dieser Kurse war im Wesentlichen, wie die Farbe der Kleidung bei Vorstellungsgesprächen die Chancen des Bewerbers beeinflussen könne. Diese Tätigkeit wurde von der Klägerin von Oktober bis Dezember 1999 in Teilzeit und ab Januar 2000 in Vollzeit für die Firma …. ausgeübt. Ab Januar 2000 kam zudem neben der Farbberatung auch ein allgemeines Bewerbungstraining (Erstellen von Bewerbungen am Computer, Vorbereitung und Durchführung von Vorstellungsgesprächen) hinzu. Eine Gruppe von Teilnehmern an solchen Trainingsmaßnahmen hatte hierbei einen Umfang von 1 bis 20 Personen. Nebenher hielt die Klägerin in abnehmendem Umfang Kurse an Volkshochschulen über die Wirkung von Farben. Bis zum Monat April 2002 lag hierbei für die Tätigkeiten der Klägerin für die Firmen …. und …. kein schriftlicher Auftrag beziehungsweise schriftlicher Arbeitsvertrag vor. Das Honorar für die erbrachten Leistungen wurde von der Klägerin nach Rechnungsstellung bezogen. Nach der von der Klägerin vorgelegten Übersicht über die von ihr in Rechnung gestellten Honorare hat sie in der Zeit von 1999 bis 2001 DM 174.264,58 und vom 01.01.2002 bis zum 30.04.2002 EUR 12.830,40 in Rechnung gestellt Seit dem 01.05.2002 ist die Klägerin aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit der Firma …. unstreitig bei dieser Firma sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19.05.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit als Dozentin für die Zeit vom 01.10.1999 bis zum 30.04.2002 versicherungspflichtig sei. Für die Erteilung des Bescheides über die Versicherungspflicht würden indes noch weitere Angaben benötigt, weswegen die Beklagte darum bat, Entgeltnachweise vorzulegen. Sofern die Klägerin innerhalb von 4 Wochen nicht die geforderten Nachweise vorlege, werde davon ausgegangen, dass sie nicht an der Zahlung eines einkommensgerechten Beitrags interessiert sei, weshalb dann ein Bescheid über die Versicherungspflicht unter Berücksichtigung des Regelbeitrags erteilt werden würde.

Daraufhin widersprachen die Bevollmächtigten der Klägerin am 10.06.2003 schriftlich der Behauptung der Beklagten, diese sei als Dozentin tätig und deswegen versicherungspflichtig gewesen. Die Klägerin sei tatsächlich als Coach tätig gewesen, wobei sich die Tätigkeit auf die Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche mit neuen Medien sowie der Überarbeitung von Bewerbungsunterlagen und Betreuung von Stellensuchenden bezogen habe. Es möge zwar sein, dass in diesem Zusammenhang auch einmal eine Veranstaltung geleitet worden sei, in welcher die Klägerin als Dozentin aufgetreten sei; dies sei jedoch niemals der Schwerpunkt der Tätigkeit gewesen. Die Klägerin gehöre daher nicht zu den Personen, welche kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterlägen.

Aufgrund des ab dem 01.05.2002 geltenden Arbeitsvertrages der Klägerin mit der Firma …. stellte die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2004 fest, dass die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 30.04.2002 ende. Für die zuvor ausgeübte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Selbständige würden noch Beiträge in Höhe von EUR 16.777,06 geschuldet.

Die Klägerin legte am 31.03.2004 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Es sei ihr bekannt, dass Kolleginnen, welche bei den gleichen Auftraggebern die gleiche Tätigkeit ausübten, die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt worden sei. Es werde daher nochmals um Überprüfung des gesamten Sachverhaltes gebeten. Mit Schreiben vom 15.04.2004 erläuterte die Beklagte daraufhin der Klägerin ihre Auffassung, dass diese nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) als selbständig tätige Lehrerin sozialversicherungspflichtig sei. Der Lehrbegriff sei weit auszulegen und beinhalte jegliches Übermitteln von Wissen, Können und Fertigkeiten, wobei Art und Umfang der Unterweisung nur von untergeordneter Bedeutung seien. Der Unterricht könne sowohl in Kursform (Gruppen) als auch durch Einzelunterricht erfolgen. Eine bestimmte pädagogische Qualifikation werde hierfür nicht vorausgesetzt.

Auch wenn die Tätigkeiten ganz oder überwiegend nach gewerblichen Grundsätzen ausgeübt würden, handele es sich um Lehrtätigkeiten. Der Annahme einer Lehrtätigkeit stünde im Übrigen nicht entgegen, dass die angewandten Methoden zu Wissensvermittlung häufig mit anderen Begriffen wie Training, Coaching, Moderation oder Supervision umschrieben würden.

Der Widerspruch der Klägerin wurde in der Folgezeit trotz entsprechender Ankündigung nicht weiter begründet.

Mit weiterem Bescheid vom 28.10.2004 stellte die Beklagte Beitragsrückstände für die Zeit vom 01.10.1999 bis zum 30.04.2002 zzgl. Säumniszuschlägen für Beitragsrückstände in Höhe von EUR 24.348,98 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11..2004 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 24.11.2004 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Die Klägerin sei selbständig für die Firmen OBZ und Kontakt Zweitausend tätig geworden, ohne jedoch insoweit eine Lehrerin im Sinne von § 2 SGB VI gewesen zu sein. Für ihre Tätigkeit für die Firma …. habe sie Vertrags- beziehungsweise Rechnungsformulare der Firma SB verwendet, in denen missverständlicherweise von einer Dozententätigkeit die Rede sei. Diese in den Unterlagen verwendete Bezeichnung entspreche jedoch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Tätigkeit der Klägerin habe sich im Wesentlichen auf Beratungen im Bereich der privaten Arbeitsvermittlung bezogen. Sie habe einzelne Personen, insbesondere Langzeitarbeitslose, auf die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben vorbereitet. Die Tätigkeit habe zum einen die Beratung über das Auftreten vom äußeren Erscheinungsbild her über die persönliche Art der Darstellung umfasst. Ferner seien die Personen auf anstehende Bewerbungsgespräche etc. vorbereitet worden. Dies stelle jedoch keine Lehrtätigkeit im Sinne des Gesetzes dar. Als Zeuge hierfür wurde der Geschäftsführer der Firma …., Herr …. (Personalchef) benannt.

Am 10.03.2005 führte das SG einen Erörterungstermin durch, in welchem der Zeuge …. vernommen wurde. Der Zeuge …. gab an, die Firma …. von der Bundesagentur für Arbeit den Auftrag erhalten, Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen von 1 Tag bis zu 3 Monaten Dauer in Arbeit zu bringen beziehungsweise ihre Vermittlungschancen zu verbessern.

Die früher in Unterrichtsform durchgeführten Maßnahmen hätten sich inhaltlich inzwischen stark gewandelt und zielten inzwischen darauf ab, die praktischen Erfahrungen des Arbeitslosen zu verbessern, das heißt ihn zum Umgang mit dem Internet anzuleiten sowie seine eigenen Bemühungen um Arbeit konstruktiv zu begleiten und ihn anzuleiten. Die Klägerin gab anschließend an, dass ihre Tätigkeit für die Firma …. sich gleichermaßen gestaltet habe. Sie habe die Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen umfassend zum Abfassen von Bewerbungsunterlagen beraten. Außerdem seien in der Gruppe beispielsweise die in früheren Vorstellungsgesprächen gestellten Fragen sowie die möglichen Antworten diskutiert worden. Unterrichtsmaterialien habe sie von der Firma …. nicht erhalten. Sie habe sich zum Teil selbst Folien ausgearbeitet. Ihre Rolle in den Kursen habe sie als Moderatorin verstanden. Als solche habe sie sich bemüht, den Erfahrungsaustausch unter den Arbeitslosen zu fördern.

Anschließend hat das SG mit Urteil vom 14.04.2005 den Bescheid vom 04.03.2004 und den Bescheid vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2004 aufgehoben. Die Klägerin sei nicht als Lehrerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI tätig geworden. Bei den von ihr durchgeführten Trainingsmaßnahmen habe sie nur in untergeordnetem Umfang abstraktes Wissen vermittelt. Ihre entsprechenden Angaben seien glaubwürdig, da sie zu einer solchen Wissensvermittlung weder spezifisch ausgebildet gewesen sei noch über einschlägige Erfahrungen verfügt habe und auch vom Maßnahmeträger hierzu kein Unterrichtsmaterial zur Verfugung gestellt bekommen habe. Demnach habe sie im Wesentlichen einzelne Maßnahmeteilnehmer konkret dazu beraten, wie sie bei ihrer Suche nach Stellenangeboten und bei der Abfassung schriftlicher Bewerbungen vorgehen sollten. Da es sich hierbei im Wesentlichen um die Lösung konkreter Problemstellungen einzelner Arbeitsloser gehandelt habe, sei eine Lehrtätigkeit nicht erfolgt. Eine Vermittlung von Wissen, die der Arbeitslose auf künftige; noch nicht klar umrissene Lebenssachverhalte habe anwenden können, habe dabei nicht stattgefunden. Auch die Arbeit in der Gruppe der Maßnahmeteilnehmer sei nicht dem Unterricht eines Lehrers gleichzusetzen gewesen, da die Klägerin lediglich einen Erfahrungsaustausch moderiert habe. Zu einer weitergehenden Durchführung einer Unterrichtsveranstaltung habe der Klägerin jegliche didaktische Ausbildung sowie auch ein konkretes Wissen dazu gefehlt, mit welchem Verhalten die Maßnahmeteilnehmer ihre Eingliederungsaussichten hätten verbessern können. Dies zeige sich auch daran, dass es der Klägerin selbst nicht gelungen sei, sich außerhalb der Trainingsmaßnahme, in welcher sie eingesetzt war, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern.

Auch die Vortragsveranstaltungen der Klägerin zu dem Thema Farben bezögen sich auf eine reine Wissensweitergabe, der das Element eines Zusammenwirkens mit den Zuhörern wie ein Lehrer um die Erarbeitung eines Lernerfolges gefehlt habe. Auch insofern habe eine Lehrtätigkeit daher nicht vorgelegen. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 03.05.2005 zugestellt.

Die Beklagte hat am 02.06.2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG knüpfe § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht an ein gesetzliches, etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbständigen) Lehrers an. Die Vorschrift erfasse vielmehr alle Selbständigen, soweit ihre Tätigkeit der Art nach darin bestehe, anderen Unterricht zu erteilen. Eine besondere pädagogische Ausbildung hierfür sei nicht erforderlich (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 12.10.2000 - B 12 RA 4/00 R -). Das SG habe insoweit den Lehrerbegriff des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verkannt. Ohne die Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten seien die von der Bundesagentur nach § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) durchgeführten Trainingsmaßnahmen wenig sinnvoll. Dass eine Wissensvermittlung stattgefunden habe, ergebe sich auch aus der Aussage des Zeugen in dem Erörterungstermin. Eine auf den Einzelfall bezogene Beratung von Arbeitslosen - wie von den Klägerbevollmächtigten dargestellt -obliege in erster Linie der Agentur für Arbeit (unter Berufung auf §§ 29 ff. SGB III). Im Übrigen sehe sich die Beklagte durch die neueste BSG-Rechtsprechung bestätigt (unter Berufung auf BSG, Urteile vom 22.06.2005 - B 12 RA 6/04 R und B 12 RA 14/04 R-). Danach habe eine weite Auslegung des Lehrerbegriffs zu erfolgen, von dem grundsätzlich jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfasst werde.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.04.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das SG nicht ausschließlich auf die fehlende pädagogische Ausbildung der Klägerin abgestellt, sondern lediglich zusätzlich darauf verwiesen, dass der Klägerin insoweit einschlägige Erfahrungen fehlten. Das SG habe auch die konkret von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten berücksichtigt und hierbei zutreffend festgestellt, dass dies keine Lehrtätigkeiten gewesen seien. Hierbei sei es nicht Gegenstand des Rechtsstreits, ob die von der Bundesagentur geforderten Maßnahmen sinnvoll seien oder nicht. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe die Klägerin lediglich 208 Stunden Trainingsmaßnahmen nach § 48 SGB III verbracht. Der weitaus überwiegende Zeitanteil ihrer Tätigkeit habe sich aus Maßnahmen der freien Förderung nach § 10 SGB III bezogen, wobei es um aktive Arbeitsforderung, also um die konkrete Vermittlung in den Arbeitsmarkt gegangen sei. Solche Maßnahmen seien beispielsweise als „aktives Bewerber-Coaching" bezeichnet. Auch die Integration von Langzeitarbeitslosen gem. § 10 SGB III habe ausschließlich auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt abgezielt. Die Vermittlungsquoten hätten bei diesen Maßnahmen zwischen 40 und 60 % gelegen. Ferner sei es bei diesen Tätigkeiten auch darum gegangen festzustellen, ob die Arbeitslosen tatsächlich arbeitsuchend gewesen seien, was anhand ihrer Mitwirkung, ihrer Verfügbarkeit und Arbeitsbereitschaft festgestellt worden sei. Die von der Beklagten angeführten Vorträge für die Volkshochschule fielen demgegenüber nicht ins Gewicht, da diese lediglich 6 bis 7 mal bei einer Dauer von ca. 2 Stünden stattgefunden hätten. Dennoch sei es zweifelhaft, ob hierbei eine Lehrfunktion übernommen worden sei, weil ansonsten jegliche Form von Vortrag unter die Sozialversicherungspflicht fallen würde. Eine solche weite Auslegung des § 2 SGB VI sei vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt. Alleine im Raum Mannheim hätten zudem 20 Personen dieselbe Tätigkeit verrichtet, weswegen die Klägerin darauf habe vertrauen dürfen, dass ihre Tätigkeit ebenfalls nicht unter die Versicherungspflicht falle. Hinsichtlich der aktuellen Rechtsprechung des BSG zu Aerobic-Trainern seien die Sachverhalte nicht vergleichbar. Denn der Aerobic-Trainer stehe seiner Lerngruppe frontal gegenüber, er vermittle eigenes Wissen, welches bei den Teilnehmern nicht vorhanden sei. Die Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf die Tätigkeit der Klägerin stelle eine eindeutige Überdehnung des Lehrerbegriffs dar. Das Argument der Schutzbedürftigkeit helfe insoweit nicht weiter, da eine Schutzbedürftigkeit bei jeder Person, die im eigenen Verantwortungsbereich Vorsorgeleistungen zu treffen habe, gegeben sei, wie beispielsweise bei jedem Einzelhändler.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist begründet.

Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 04.03.2004 und vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2004. Das SG hat zutreffend erkannt, dass das Schreiben der Beklagten vom 19.05.2003 noch keinen Bescheid über die Versicherungspflicht darstellt, weil die Beklagte in dem Schreiben vom 19.05.2003 ausdrücklich an zwei Stellen darauf hinweist, dass ein Bescheid über die Versicherungspflicht erst noch ergeht. Dieser Hinweis kann zwar auch so ausgelegt werden, dass der Bescheid über die Versicherungspflicht lediglich im Hinblick auf die noch festzustellende Beitragshöhe - Regelleistung oder gehaltsabhängig Leistung - zu erfolgen habe, zumal die vorliegend streitige Versicherungspflicht kraft Gesetzes und nicht kraft Feststellungsbescheid eintritt. Da insoweit wegen des Regelungscharakters des Verwaltungsaktes aber eine klare Feststellung zu verlangen ist, kann ein Bescheid über die Versicherungspflicht erst in dem Bescheid vom 04.03.2004 erkannt werden.

Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübten Tätigkeiten unterfielen der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift sind auch selbständig tätige Lehrer und Erzieher versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Der Kreis der Rentenversicherungspflichtigen wird grundsätzlich und in aller Regel dadurch bestimmt, dass diejenigen kraft Gesetzes in das System einbezogen werden, die ihrer Erwerbstätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung nachgehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG , § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ). Soweit über eine derartige Anknüpfung an Modalitäten der Ausübung hinaus Personen - wie hier Lehrer - auf Grund der selbstständigen Ausübung bestimmter Berufe in die Versicherung einbezogen werden, findet dies seine Rechtfertigung grundsätzlich darin, dass bei typisierender Betrachtung gerade bei ihnen eine dem Kreis der Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit besteht.

Wie diese sind auch Lehrer, die keinen Angestellten/versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, allein auf den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen und werden deshalb nahezu vom Beginn der staatlich organisierten Rentenversicherung an in den Fällen der geminderten Erwerbsfähigkeit und des Alters ebenfalls als einer Kompensation entfallenen Erwerbseinkommens bedürftig angesehen (vgl. BSG SozR 4-2600 § 2 Nr. 1 m.w.N.).

Danach ist es für das Vorliegen der Lehrereigenschaft nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wegen der gesetzlich vermuteten Schutzbedürftigkeit der Betroffenen unerheblich, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, ob es ein gesetzlich geregeltes Berufsbild (des selbstständigen Lehrers) gibt, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebs ausgeübt wird, welche Geisteshaltung der Lehrtätigkeit zu Grunde liegt, welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit hat oder ob sich der Unterricht nur an Laien wendet. Insoweit wurde bereits durch das Reichsversicherungsamt (RVA) ein sehr weiter Lehrerbegriff angewandt, dem zum Beispiel bereits damals der (Kraft-) Fahrlehrer unterfiel. Maßgeblich war bereits damals nicht ein Erziehungszweck, sondern das Vermitteln praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten (BSG a.a.O. m.w.N.).

Unstreitig hat die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Entgegen ihrer Auffassung war sie im streitgegenständlichen Zeitraum auch als Lehrerin tätig. Denn auch nach ihrer Schilderung ihrer Tätigkeit lag eine Lehrtätigkeit in dem obigen Sinne vor, die das Vermitteln praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten beinhaltete. Sofern die Klägerin argumentiert, es habe sich bei den Trainingsmaßnahmen um Beratung von Arbeitslosen im Hinblick auf konkrete Bewerbungssituationen gehandelt, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn das von der Klägerin vermittelte Wissen war für die Kursteilnehmer nach dem Kurs allgemein für zukünftige Bewerbungen abrufbar, sollte die konkret während der Trainingsmaßnahme behandelte Bewerbung scheitern. Damit stellt sich die Tätigkeit der Klägerin im Kern aber als Maßnahme der Wissensvermittlung wie durch einen typischen Lehrer dar.

Diese Einschätzung wird auch durch den von der Klägerin und ihren Auftraggebern verwendeten Begriff „Coaching" bestätigt. Dieser Begriff ist sprachlich geprägt durch seine ursprüngliche Verwendung im Sport und wird als neudeutscher und derzeit modischer Begriff für zahlreiche verschiedene Betreuungs- und Beratungsprozesse verwendet. Nach einer Definition ist Coaching die individuelle Beratung von einzelnen Personen oder Gruppen in auf die Arbeitswelt bezogenen, fachlichsachlichen und/oder psychologisch-soziodynamischen Fragen beziehungsweise Problemen

(Heinz-Kurt E. Wahren; alle Begriffsdefinitionen nach http://de.wikipedia.org/wiki/Coaching). Nach anderen Umschreibungen des Begriffs handelt es sich um eine Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training (Maren Fischer-Epe) beziehungsweise um einen personenzentrierten Beratungs- und Betreuungsprozess, der unterschiedliche Bedarfslagen des Coachingnehmers umfassen kann, zeitlich begrenzt ist und als „Hilfe zur Selbsthilfe" zu verstehen ist. (Qualitätsspezifikation, Kompetenzfeld Einzel-Coaching, PAS 1029). Auch die anderen von der Klägerin verwendeten Begriffe wie „Berater", „Flipchart", „Overhead-Projektor" und „Unterrichtsräume" (vgl. die Selbstauskunft der Klägerin auf Bl. 3 ff. der Verwaltungsakte) bestätigen die Einstufung der Tätigkeit als Lehrtätigkeit.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI scheidet aus, weil die Klägerin bis zu dem Stichtag des 30.09.2001 in Satz 2 der Vorschrift keinen entsprechenden Befreiungsantrag gestellt hat. Ein gegebenenfalls über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu korrigierendes Fehlverhalten beziehungsweise eine Fehlberatung durch die Beklagte ist insoweit nicht erkennbar, weil die Beklagten erst durch eine Betriebsprüfung bei der Fa. …. Jahr 2003 von der Tätigkeit der Klägerin erfahren hat.

Eine Ausdehnung der geltenden Befreiungsregelung ist von Verfassungs wegen nicht erforderlich. Insbesondere kann nicht etwa allgemein die Entbehrlichkeit des Schutzes durch die Pflichtversicherung auf Grund einer anderweitig bereits erfolgten Absicherung zur Grundlage der Befreiung gemacht werden. Keineswegs stellt das geltende Recht nämlich eine generelle Wahlmöglichkeit zwischen dem Schutz der gesetzlichen Pflichtversicherung und den Resultaten individueller Vorsorge zur individuellen Disposition der Betroffenen, sondern es verdrängt in seinem Anwendungsbereich gerade grundsätzlich und in aller Regel die individuelle Vorsorgefreiheit. Gegen die Einbeziehung selbstständiger Lehrer als Pflichtversicherte in die gesetzliche Rentenversicherung bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2005 - B 12 RA 6/04 R - = SozR 4-2600 § 2 Nr. 1). Darüberhinaus ist die Wahl des Stichtags des 30.09.2001 sachgerecht und ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 5/04 R -).

Sofern die Klägerin vorträgt, dass ihre Kolleginnen in vergleichbarer Situation nicht in die Rentenversicherung einbezogen worden sind, ist nicht erkennbar, dass insoweit vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Im Übrigen könnte die Klägerin sich auf für den Fall, dass die Sachverhalte im wesentlichen vergleichbar wären, nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht berufen.

Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die von ihr festgestellten Beiträge unzutreffend errechnet haben könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Zusatzinformationen