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L 12 R 53/13

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verjährung einer Erstattungsforderung aus der Gewährung einer Altersrente an die Versicherte … (im Folgenden: die Versicherte) in Höhe von 12.577,79 Euro für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2004.

Die am … geborene Versicherte war in der Zeit vom 31. Juli 1959 bis 30. Januar 1992 mit dem … geborenen … verheiratet. Mit Scheidungsurteil vom 30. Januar 1992 … in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 27. Juli 1993 … entschied das Amtsgericht Lübbecke (u. a.), dass zu Gunsten der Versicherten monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von insgesamt 435,86 DM (126,61 + 309,25) zu Lasten der Anwartschaften des geschiedenen Ehemannes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Beklagten zu übertragen sind.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1992 in der Fassung des Rentenbescheides vom 3. September 1992 gewährte die Klägerin dem geschiedenen Ehemann der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Rentenbeginn am 8. Januar 1992. Mit Bescheid vom 10. April 2000 gewährte die Klägerin dem geschiedenen Ehemann Regelaltersrente mit Rentenbeginn am 1. Mai 2000.

Mit Bescheid vom 14. September 1992 gewährte die Beklagte dem geschiedenen Ehemann Versorgungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Rentenbeginn am 1. Februar 1992. Mit Schreiben vom 17. September 1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Versorgungsrente des geschiedenen Ehemannes aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichtes Lübbecke um den im Urteil genannten Betrag zu kürzen sei, die Kürzung jedoch erst erfolge, wenn auch die Ausgleichsberechtigte (Versicherte) eine Rente erhalte, und bat die Klägerin um umgehende Mitteilung für den Fall der Rentenantragsteilung beziehungsweise der Rentengewährung an die Versicherte. Mit Bescheid vom 20. Juni 2000 gewährte ihm die Beklagte eine Versorgungsrente wegen Inanspruchnahme einer Regelaltersrente mit Rentenbeginn am 1. Mai 2000.

Mit Schreiben vom 30. März 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass für die Versicherte ein Rentenantrag gestellt worden sei und meldete zugleich einen Erstattungsanspruch nach § 225 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) an. Mit weiterem Schreiben vom 26. April 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Versicherten eine Versichertenrente bewilligt worden sei und meldete einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach an. Die Bezifferung der Forderung erfolge zu gegebener Zeit durch ein gesondertes Anforderungsschreiben.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2008 forderte die Klägerin von der Beklagten für eine Vielzahl von Versicherten die Erstattung von Versicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 273.851,84 Euro. Hierauf erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2008 die Erstattungsforderung in Höhe eines Betrages von 250.440,09 Euro an. Mit Schreiben vom 20. Februar 2008 erkannte die Beklagte zudem weitere Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 10.833,96 Euro für die Zeit ab Januar 2005 an. Hinsichtlich der vorliegend streitgegenständlichen Erstattungsforderung erhob die Beklagte für den Erstattungszeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2004 die Einrede der Verjährung.

Dazu äußerte sich die Klägerin mit Schriftsätzen vom 4. April und 31. Oktober 2008 wie folgt: Auf die Erstattung der im Jahr 2001 entstandenen Aufwendungen der Träger der Rentenversicherung sei erstmals die Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung (VAErstV) vom 9. Oktober 2001 (BGBI. I S. 2628) anzuwenden. Durch die Zahlung einer Rente an die Versicherte, die ihre Anrechte als Versorgungsausgleichsberechtigte zu Lasten der Anrechte des Ausgleichspflichtigen bei der Beklagten berücksichtige, seien Aufwendungen im Sinne d. § 225 Abs. 1 SGB VI entstanden. Diese Aufwendungen hätten zwar gemäß § 2 Abs. 1 VAErstV bis zum 30. April 2002 festgestellt und gegenüber der Beklagten angefordert werden sollen. Aus dem Umstand, dass dies erst mit Schreiben vom 29. Januar 2008 erfolgt sei, ließen sich jedoch keine Rechtsfolgen im Hinblick auf die Verjährung ableiten, weil die Verjährung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 1 VAErstV nicht an die „Möglichkeit“ der Anforderung des Erstattungsbetrages, sondern an die konkrete Anforderung und den daraus resultierenden Zeitpunkt der Fälligkeit anknüpfe. So enthalte die VAErstV keine Konsequenzen für den Fall, dass die Erstattungsbeträge durch die Rentenversicherung nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufwendungen entstanden seien, von dem zuständigen Versorgungsträger angefordert würden. Im Übrigen enthielte die VAErstV auch keine Sanktionsmöglichkeiten für den Fall, dass die Erstattungsansprüche erst nach der Fälligkeit erfüllt würden. Deshalb sei es unzulässig, einen „fiktiven Zeitpunkt für die Fälligkeit zu konstruieren und den Lauf der Verjährungsfrist zu diesem fiktiven Zeitpunkt beginnen zu lassen". Die Fälligkeit trete gemäß § 2 Abs. 3 VAErstV sechs Monate nach Eingang der Erstattungsforderung beim zuständigen Versorgungsträger ein. Da die Erstattungsforderung mit Schreiben vom 29. Januar 2008 geltend gemacht worden sei, sei die Fälligkeit der Forderung Mitte des Jahres 2008 eingetreten. Die vierjährige Verjährungsfrist des § 2 Abs. 4 Satz 1 VAErstV beginne insoweit erst am 1. Januar 2009 und ende mit Ablauf des 31. Dezember 2012; Verjährung könne demnach erst zum 1. Januar 2013 eintreten. Eine Verjährung des Anspruchs für das Jahr 2001 könne auch nicht aus § 2 Abs. 4 Satz 2 VAErstV abgeleitet werden, wonach die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Hemmung, Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung sinngemäß gelten würden. Die Wirkung der Verjährung besage nur, dass der Schuldner nach Eintritt der Verjährung berechtigt sei, die Leistung zu verweigern (vgl. § 214 Abs. 1 BGB). Hingegen ergebe sich der Zeitpunkt des Einritts der Verjährung bei Erstattungsansprüchen im Sinne des § 225 Abs. 1 SGB VI nicht aus den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des BGB, sondern aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 VAErstV, das heißt nach Ablauf von vier Jahren nach dem Jahr der Fälligkeit, mithin ab 1. Januar 2013.

Diesen Ausführungen trat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. November 2008 entgegen und führte zur Begründung aus, dass die Verjährungsvorschrift des § 2 Abs. 4 VAErstV durch die Verjährungsregelung des § 113 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) überlagert werde. Danach verjähre die Erstattungsforderung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger die erforderliche Kenntnis erlangt habe (mit Verweis auf Hauck-Haines, SGB VI § 225 Rn. 11).

Am 12. Dezember 2008 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin Leistungsklage erhoben und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Die Verjährungsvorschrift des § 2 Abs. 4 VAErstV sei als spezielle Verjährungsvorschrift anzusehen. Dem gegenüber sei die Verjährungsregelung des § 113 SGB X nachrangig. Die Erstattungsforderung sei auch nicht verwirkt. Verwirkung setze nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass ein Berechtigter die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzugetreten seien, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen ließen. Solche die Verwirkung auslösende besondere Umstände lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die spätere Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Sie, die Klägerin, habe (bereits im Jahr 2001) der Beklagten mitgeteilt, dass ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werde. Allein aus dem Zeitmoment ließen sich besondere Umstände für die Verwirkung nicht herleiten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie der Beklagten zu erkennen gegeben, dass der Erstattungsanspruch eventuell nicht mehr geltend gemacht werde. Insoweit habe auch keine Vertrauensgrundlage für die Annahme bestanden, dass die Beklagte die geltend gemachte Erstattungsforderung nicht zahlen müsse.

Dem gegenüber hat die Beklagte ergänzend vorgetragen: Sie habe in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2004 an den geschiedenen Ehemann der Versicherten die ungekürzte Zusatzversorgungsrente gezahlt. Gegenüber ihrem Rückforderungsanspruch habe sich der Versicherte zu Recht auf die Einrede der Verjährung berufen. Spätestens am 26. April 2001 habe die Klägerin Kenntnis von den für die Erstattung maßgeblichen Umständen gehabt. Der Lauf der Verjährungsfrist habe somit am 1. Januar 2002 begonnen; demnach seien gemäß § 113 SGB X alle Erstattungsansprüche bis zum 31. Dezember 2005 verjährt. Die Verjährungsregelungen in der VAErstV seien unwirksam, weil sie von der Ermächtigungsgrundlage des § 226 SGB VI nicht gedeckt seien. Diese ermächtige nur zu Regelungen über die Berechnung und Durchführung der Erstattung. Jedenfalls sei der Anspruch der Klägerin verwirkt. Die Klägerin sei, nachdem sie im Jahr 2001 ihren Erstattungsanspruch dem Grunde nach angemeldet habe, sieben Jahre untätig geblieben (Zeitmoment). Mit der Anmeldung des Erstattungsanspruchs dem Grunde nach habe die Klägerin zudem mitgeteilt, dass die Bezifferung der Forderung zu gegebener Zeit durch ein gesondertes Anforderungsschreiben erfolgen werde. Sie, die Beklagte, habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin eventuelle Erstattungsansprüche zeitnah nach Rentenbeginn beziffere, damit sie, die Beklagte, ihrerseits den Versicherten in Anspruch nehmen könne. Es sei grob unbillig, wenn sie den Schaden, der durch die verzögerte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die Klägerin entstanden sei, zu tragen habe.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Der Anspruch sei für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2003 verjährt und für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 verwirkt. § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI regele, dass die Aufwendungen des Trägers der Rentenversicherung aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidungen des Familiengerichts begründet worden seien, von dem zuständigen Träger der Versorgungslast zu erstatten seien. Der Klägerin als Trägerin der Rentenversicherung seien Aufwendungen entstanden, weil sie (höhere) Altersrente an die Ausgleichsberechtigte (Versicherte) unter Berücksichtigung der ihr mit dem Versorgungsausgleich zuerkannten monatlichen Rentenanwartschaften in Höhe von 435,86 DM zu Lasten der Anwartschaften ihres geschiedenen Ehemannes bei der Beklagten gezahlt habe. Der Insoweit entstandene Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten sei für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2003 aufgrund der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung verjährt. Ihr stehe insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 Abs. 1 BGB zu. Die Klägerin könne sich nicht auf die Verjährungsregel des § 2 Abs. 4 Satz 1 VAErstV berufen. Danach verjähre der Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er fällig geworden sei. Gemäß § 2 Abs. 3 VAErstV werde der Erstattungsanspruch sechs Monate nach Eingang der Erstattungsaufforderung beim zuständigen Träger der Versorgungslast fällig.

Das Schreiben der Klägerin vom 29. Januar 2008 stelle keine Erstattungsaufforderung im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 3 VAErstV dar. Denn sie sei nicht gemäß § 2 Abs. 1 VAErstV innerhalb von vier Kalendermonaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufwendungen entstanden seien, sondern erst nach mehreren Jahren nach Ablauf der Kalenderjahre des hier streitigen Zeitraumes bei der Beklagten eingegangen. Atypische Gründe für den langen Zeitablauf seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Da eine Erstattungsanforderung im Sinne des § 231 Abs. 1 VAErstV nicht vorliege, könne die Fälligkeit der Forderung auch nicht nach § 2 Abs. 3 VAErstzV bestimmt werden. Die Fälligkeit sei deshalb auf der Grundlage von § 2 Abs. 4 VAErstV in Verbindung mit § 41 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu bestimmen. Hiervon ausgehend verjährten die Erstattungsansprüche der Klägerin innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden seien. Das bedeute, dass sämtliche Erstattungsansprüche bezogen auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2003 mit Ablauf des 1. Dezember 2007 verjährt gewesen seien.

Hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Januar bis 31. Dezember 2004 habe die Klägerin ihre Erstattungsansprüche verwirkt. Die Verwirkung setze voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen habe und weitere Umstände hinzuträten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen ließe. Solche Umstände lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Dies sei vorliegend der Fall. Da die Klägerin ihrer Verpflichtung nach § 2 Abs. 1 VAErstV nicht nachgekommen sei und die Frist zur Geltendmachung der konkreten Erstattungsforderung teils über mehrere Jahre versäumt habe, habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass die Erstattung insoweit nicht mehr geltend gemacht werde. Dies werde insbesondere auch durch die Ausschlussfrist des § 111 SGB X deutlich. Danach sei ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht worden sei, geltend gemacht werde. Demnach hätte die Klägerin den Anspruch für das Jahr 2004 spätestens am 31. Dezember 2005 geltend machen müssen. Die Beklagte habe deshalb darauf vertrauen dürfen, für das Jahr 2004 nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, auch wenn § 111 SGB X nicht unmittelbar auf das Verhältnis der Beteiligten des Versorgungsausgleichs untereinander Anwendung finde. Die Beklagte habe sich auch darauf eingerichtet, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, weil sie es offensichtlich unterlassen habe, bei ihrem Versicherten gegebenenfalls Regress zu nehmen beziehungsweise für einen Regress verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten.

Gegen das ihr am 11. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Januar 2013 Berufung eingelegt. Zu Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Sozialgerichts.

Die Klägerin beantragt,

  • die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2012 zu verurteilen, an sie (Klägerin) einen Betrag in Höhe von 12.577,79 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Streitwert 10.000 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die (echte) Leistungsklage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 12.577,79 Euro.

Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Danach werden die Aufwendungen des Trägers der Rentenversicherung aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind, von dem zuständigen Träger der Versorgungslast erstattet.

Dass der Klägerin bezogen auf den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2004 Aufwendungen in Höhe von 12.577,79 Euro aufgrund von Rentenanwartschaften entstanden sind, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

In Streit ist, ob die Ansprüche der Klägerin verjährt oder verwirkt sind. Beides ist zu verneinen.

Die Durchführung der Erstattung regelt § 2 VAErstV. Nach Abs. 1 der Vorschrift soll der Träger der Rentenversicherung die zu erstattenden Aufwendungen innerhalb von vier Kalendermonaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufwendungen entstanden sind, feststellen und von dem zuständigen Träger der Versorgungslast anfordern (Erstattungsanforderung). Der Erstattungsanspruch wird sechs Monate nach Eingang der Erstattungsforderung beim zuständigen Träger der Versorgungslast fällig (Abs. 3). Der Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er fällig geworden ist (Abs. 4 Satz 1). Für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des BGB sinngemäß (Abs. 4 Satz 2).

§ 2 VAErstV soll der Beschleunigung des Erstattungsverfahrens dienen (BR-Drucksache 646/01 Seite 8). Eine Sanktion (zum Beispiel in Form von Verzugszinsen) wurde für die Fälle der Erfüllung des Erstattungsanspruchs nach Fälligkeit erwogen, es sollten aber zunächst Erfahrungen mit der neuen Verordnung gesammelt werden, um dann zu prüfen, inwieweit eine gesetzliche Sanktion notwendig ist. Zu etwaigen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 VAErtstV äußert sich die Begründung des Entwurfs der Verordnung nicht.

Soweit Zweifel bestehen, ob die Verjährungsvorschrift des § 2 Abs. 4 VAErtstV von der Ermächtigungsgrundlage des § 226 SGB VI gedeckt ist (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, SGB VI § 225 Rn. 12, Klatttenhoff in Hauck-Haines. SGB VI § 225 Rn. 11), greifen diese nicht durch (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 8/05 R -jurisRn. 18 f.).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führt der Umstand, dass die Klägerin die Soll-Vorschrift des § 2 Abs. 1 VAErstV nicht beachtet hat, nicht zur Verjährung der von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsansprüche.

Hierzu hat das LSG Berlin-Brandenburg in dem Beschluss vom 17. Februar 2015 - L 4 R 819/12 NZB - (juris) ausgeführt:

„Streitig ist hier die Rechtsfrage, ob ein Verstoß des Rentenversicherungsträgers gegen seine Obliegenheit, die zu erstattenden Aufwendungen innerhalb von vier Kalendermonaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Aufwendungen entstanden sind, festzustellen und von dem zuständigen Träger der Versorgungslast anzufordern (§ 2 Abs. 1 der Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen der Träger der Rentenversicherung im Rahmen des Versorgungsausgleichs -Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung - [VAErstV] vom 4. Oktober 2001 [BGBI. I S. 2628]), zur Folge hat, dass die Erstattungsanforderung mit Ablauf dieser Frist als erfolgt gilt, so dass der Erstattungsanspruch nach weiteren sechs Monaten fällig wird (§ 2 Abs. 3 VAErstV) und vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit verjährt (§ 2 Abs. 4 Satz 1 VAErstV).

Diese Frage ist nach der maßgeblichen Regelung des § 2 Abs. 3 VAErstV zu verneinen. Danach wird der Erstattungsanspruch sechs Monate nach Eingang der Erstattungsanforderung beim zuständigen Träger der Versorgungslast fällig. Der Wortlaut dieser Vorschrift stellt also entscheidend auf den Eingang der Erstattungsanforderung ab, so dass es in Ermangelung abweichender Regelungen nicht auf einen Obliegenheitsverstoß des Rentenversicherungsträgers ankommen kann. Da der mögliche Wortsinn die Grenze der Auslegung bildet und die Regelung eindeutig ist, kommt eine abweichende Auslegung nicht in Betracht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. März 2014, 2 C 2/13, Rn. 15; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 163 f.).

Die Vorschrift ist auch einer über die Auslegung im engeren Sinne hinausgehenden richterlichen Rechtsfortbildung - hier in der Form einer Ideologischen Extension -nicht in der von der Beklagten gewünschten Weise zugänglich. Jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung setzt eine normative Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der Regelung voraus (vgl. Bundesverwaltungsgericht,

Urteil vom 18. April 2013, 5 C 18/12; Urteil vom 15. November 2012, 3 C 12.12; Urteil vom 20. Mai 1999, 3 C 3.98). Hat der Normgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Oktober 2004, 6 C 30.03). Ob eine Regelungslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm erfassten Fälle in den Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2012, 2 C 71.10; Urteil vom 18. Mai 2006, 3 C 29.05).

Eine derartige Feststellung kann hier nicht getroffen werden. Nach der Verordnungsbegründung soll § 2 VAErstV zwar insgesamt der Verfahrensbeschleunigung dienen (BR-Drucksache 646/01, S. 9). Dieser Zielsetzung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei § 2 Abs. 1 VAErtstV nur um eine Sollvorschrift handelt. Sollvorschriften räumen der Behörde im Regelfall kein Ermessen ein, sondern ermöglichen über den Regelungsinhalt hinausgehende Rechtsfolgen und Abweichungen nur ausnahmsweise in atypischen, besonders gelagerten Fällen, wobei dann Ermessen auszuüben ist (in dieser Allgemeinheit: Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Mai 2014, B 8 SO 1/13 R, Rn. 18). Die Erstattungsanforderungsfrist aus § 2 Abs. 1 VAErstV ist also im Regelfall einzuhalten. Aus dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass die Fälligkeitsregelung des § 2 Abs. 3 VAErtstV auch die Fälle einer verspäteten Erstattungsanforderung erfassen sollte. Die Rentenversicherungsträger sind als vollziehende Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebunden. Der Verordnungsgeber durfte also ohnehin davon ausgehen, dass die Erstattungsanforderungsfrist im Regelfall eingehalten wird. Ausweislich der Verordnungsbegründung wurde die Einführung einer Sanktionsregelung lediglich für die Fälle der Erfüllung des Erstattungsanspruches nach Fälligkeit geprüft, jedoch mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage abgelehnt (BR-Drucksache 646/01, S. 9). Das lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass eine Sanktionsregelung für die Nichteinhaltung der Erstattungsanforderungsfrist von vornherein nicht beabsichtigt war."

Diese Ausführungen erachtet der Senat für zutreffend und schließt sich diesen an. Danach ist vorliegend keine Verjährung eingetreten.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt die Verwirkung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 5 Rn 30) voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf hat vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen wird (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Diese Definition ist allerdings auf das sozialrechtstypische Verhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungsempfänger zugeschnitten und passt nicht auf das Verhältnis zwischen Leistungsträgem untereinander (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2014 - L 3 U 175/12 - juris Rn. 27). Hier gilt, dass die Verwirkung eines Erstattungsanspruchs nur bei einem außergewöhnlich schwerwiegenden Fehlverhalten des Leistungsträgers, der die Erstattung verlangt, in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 1. April 1993 - 1 RK 16/92 - juris Rn. 23 ff.). Daran fehlt es hier. So fehlt es schon an einem Verwirkungsverhalten, welches eine Vertrauensgrundlage hätte schaffen können. Allein der Zeitablauf bis zur Geltendmachung der Erstattungsanforderung begründet kein Verwirkungsverhalten. Es muss vielmehr noch ein bestimmtes Verhalten des Erstattungsberechtigten hinzukommen, welches geeignet ist, beim Erstattungspflichtigen die Erwartung zu begründen, dass der Erstattungsberechtigte seine Forderung nicht mehr geltend machen werde. Ein solches Verhalten kann der Klägerin jedoch nicht entgegengehalten werden. Vor diesem Hintergrund kann auch keine Kausalität zwischen der verspäteten Geltendmachung der Erstattungsforderung und dem Unterlassen der Beklagten, den Versorgungsverpflichteten … in Regress zu nehmen beziehungsweise für einen Regress verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten, angenommen werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

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