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L 22 R 331/10

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2010 geändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die weitere Gewährung von Witwenrente ab dem 01. Januar 2002.

Die 1903 geborene Klägerin ist die Witwe des 1903 geborenen und 1934 verstorbenen H G (Versicherter), mit dem sie seit dem 05. März 1927 verheiratet war. Der Versicherte, der in der ehemaligen Provinz O des Staates P abhängig beschäftigt war, entrichtete deswegen Beiträge zur Invalidenversicherung und zuletzt zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte.

Auf ihren Antrag gewährte die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte der Klägerin mit Bescheid vom 06. März 1934 ab 01. Februar 1934 Witwenrente.

Nach ihrer Flucht im Januar 1945 aus O und der nachfolgenden Internierung in D wurde die Klägerin am 01. September 1947 nach Deutschland abgeschoben, wo sie in H ihren Wohnsitz nahm. Auf ihren Antrag im November 1947 verfügte die Landesversicherungsanstalt Hessen die Anweisung der Auszahlung der Witwenrente ab 01. September 1947. Nachfolgend wurde diese Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden ebenfalls Beklagte genannt) weitergezahlt. Mit Bescheid vom 20. Dezember 1974 berechnete die Beklagte die Rente, die unter Anerkennung des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit als Altersruhegeld gelte, ab 01. Januar 1973 neu.

Ab 01. März 1961 bezog die Klägerin außerdem eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom 03. April 1963), die seit 01. Juli 1968 als Altersruhegeld gezahlt wurde (Bescheid der Beklagten vom 08. April 1968). Mit Bescheid vom 20. Dezember 1974 berechnete die Beklagte die Rente, die unter Anerkennung des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit als Altersruhegeld gelte, ab 01. Januar 1973 neu.

Nachdem die Klägerin im März 1963 mitgeteilt hatte, dass sie sich ab 15. April 1963 zu einem vorübergehenden Aufenthalt bei ihren Kindern in Kaufhalten werde, stellte die Beklagte die beiden Renten zunächst zu Ende April 1963 ein. Jeweils unter dem 13. Juni 1963 gab sie der Klägerin bekannt, dass die Voraussetzungen für die Weiterzahlung der Rente für die Dauer des Auslandsaufenthaltes gegeben seien, und zahlte die Renten in unveränderter Höhe weiter. Im August 1964 kehrte die Klägerin nach Hessen zurück, worauf die Beklagte mit Ablauf des September 1964 erneut die beiden Renten einstellte und gleichzeitig verfügte, dass vom Tage des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland bzw. in das Land Berlin die Renten in der für den Inlandsaufenthalt maßgebenden Höhe gezahlt werden (Schreiben vom 21. August 1964 und vom 12. September 1964). Die Rentenhöhen blieben wiederum unverändert.

Im August 1998 teilte die Klägerin mit, dass sie am 15. September 1998 ihren Wohnsitz von K nach K zu ihrer Tochter verlegen werde, und bat um Überweisung ihrer Renten nach K. Die Beklagte stellte daraufhin mit Ablauf des Monats September 1998 die Zahlung der Renten ein. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin an, ihr verstorbener Ehemann sei seit 1920 beim Ostpreußenwerk zunächst in Fund ab 1929 in E angestellt gewesen.

Mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 verfügte die Beklagte: „Ihr Antrag auf Zahlung einer Rente wird abgelehnt, weil keine Bundesgebiets-Beitragszeiten vorliegen (§ 113 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -).“ Zur weiteren Begründung ist ausgeführt, dass wegen des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes eine Rentenzahlung nur bei Zurücklegung solcher Beitragszeiten in Betracht komme.

Mit weiterem Bescheid vom 05. Oktober 1998 hob die Beklagte den Bescheid vom 20. Dezember 1974 über die Gewährung der Altersrente nach § 25 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gemäß § 48 SGB X mit Wirkung vom 01. November 1998 auf. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 SGB X lägen vor, weil aufgrund des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes der Anspruch auf eine Rentenzahlung nicht mehr gegeben sei. Eine Rentenzahlung in das Ausland käme nur in Betracht, wenn Bundesgebiets- Beitragszeiten zurückgelegt worden wären (§ 113 SGB VI). Der Rente lägen ausschließlich Beitragszeiten außerhalb des heutigen Bundesgebietes zugrunde.

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin durch ihren Rentenberater und Rechtsbeistand als Bevollmächtigten am 02. November 1998 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 30. Dezember 1998 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 20. Dezember 1974 mit Wirkung ab 01. Oktober 1998 auf.

Den nicht weiter begründeten Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. Oktober 1998 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1999 zurück.

Nachdem sich die Klägerin bereits im Mai 1999 mit der Bitte an die Beklagte gewandt hatte, ihr wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte wenigstens eine ihrer Renten zu zahlen, und sich deren Tochter im August 1999 nach dem Ergebnis deren Bitte erkundigt hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 19. August 1999 mit, dass nach Eingang des Staatsangehörigkeitsnachweises geprüft werde, ob ggf. weiterhin ein Anspruch auf Kindererziehungsleistung bestehe. Eine Rentenzahlung aufgrund Beitragszeiten, welche ausschließlich außerhalb des heutigen Bundesgebietes entrichtet worden seien, könne nach Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland nicht gewährt werden. Mit Bescheiden vom 05. Januar 2000 und 10. Januar 2000 bewilligte die Beklagte ab 01. Oktober 1998 eine Leistung für Kindererziehung für zwei Kinder nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz. Daraufhin erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin den Widerspruch für erledigt.

Im Juli 2006 beantragten die jetzigen Prozessbevollmächtigten Überprüfung und Neufeststellung der „mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 mit Wirkung ab 01. Oktober 1998 entzogenen“ Witwenrente. Es sei zwar unstreitig, dass seit den 1992 geltenden Vorschriften eine Rente, die ausschließlich auf Reichsgebiets- oder FRG-Zeiten beruhe, nicht mehr ins Ausland gezahlt werden könne. Soweit von den Auslandszahlungsvorschriften jedoch Personen betroffen seien, die in den früheren Reichsgebieten Beiträge an die deutsche Rentenversicherung entrichtet hätten, führe dies zu einer entschädigungslosen Enteignung und stelle mithin einen Eingriff in Eigentum dar.

Mit Bescheid vom 20. November 2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1998 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. März 2007 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 13. März 2007 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.

Sie hat sich außerdem den gerichtlichen Hinweis an die Beklagte zu Eigen gemacht und bezweifelt, dass mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 der Bescheid über die Bewilligung der Witwenrente aufgehoben worden sei. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwischenzeitlich entschieden habe, dass die Auslandszahlungsvorschriften gegen höherrangiges europäisches Recht verstießen. Diese Rechtsprechung müsse bei einer verfassungskonformen Auslegung der Auslandszahlungsvorschriften berücksichtigt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

  • den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, der Bescheid vom 02. Oktober 1998 regele eindeutig die Nichtzahlung der Witwenrente in das Ausland. Außerdem habe der Witwenrentenbescheid nur einen Rentenanspruch für einen Inlandsaufenthalt gewährt. Da wegen Nichtzahlung der Witwenrente keinerlei Anlass einer Neubestimmung der Rentenhöhe bestanden habe, sei es nicht zwingend gewesen, das Rentenstammrecht bei Inlandsaufenthalt anzutasten. Letztendlich komme es darauf aber nicht an, denn mit Bescheid vom 19. August 1999 sei der Witwenrentenbescheid aufgehoben worden, denn dieser Bescheid habe über einen Überprüfungsantrag der Klägerin entschieden. Nach Ziffer 4 des Schlussprotokolls zu Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und K über soziale Sicherheit würden für Berechtigte in K uneingeschränkt die innerstaatlichen deutschen Auslandsrentenvorschriften gelten.

Mit Urteil vom 19. März 2010 hat das Sozialgericht - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 02. Oktober 1998 aufzuheben und der Klägerin Witwenrente ab dem 01. Januar 2002 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 02. Oktober 1998 und auf Zahlung der ihr mit Bescheid vom 06. März 1934 gewährten Witwenrente ab dem 01. Januar 2002 aus § 44 Abs. 1 SGB X. Mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 02. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 habe die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zahlung der Rente nach K, deren Auszahlung bereits zuvor eingestellt worden sei, abgelehnt. Hierin erschöpfe sich der Regelungsgehalt dieses Bescheides. Insbesondere könne weder aus dem Verfügungssatz noch aus dem nachfolgend zur Begründung Angeführten aus der maßgeblichen Perspektive des verobjektivierten Empfängerhorizontes mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass die Beklagte den Erklärungswillen gehabt habe, hiermit (auch) den Bescheid vom 06. März 1934 (in der Fassung des Bescheides vom 21. August 1964) im Hinblick auf die Rentenhöhe gemäß § 48 SGB X teilweise aufzuheben (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 29. Juli 1997 - 4 RA 65/95). Insbesondere werde nicht mit hinreichender Deutlichkeit Bezug genommen auf die zuvor genannten Witwenrentenbescheide bzw. die dort geregelte Höhe der Witwenrente und/oder hinreichend deutlich gemacht, dass (erst) hiermit ein Entzug der gewährten Witwenrente der Höhe nach erfolgen solle. Etwas anderes ergebe sich auch nicht in Zusammenschau mit den im eigenen Rentenverfahren ergangenen Bescheiden vom 05. Oktober 1998 und 30. Dezember 1998. Vielmehr zeige die dort getroffene ausdrückliche Regelung bezüglich der Aufhebung des Altersruhegeldbescheides nach § 48 SGB X, dass die Beklagte, sofern sie eine solche Regelung habe treffen mögen, dies auch entsprechend deutlich zum Ausdruck bringe. Sofern die Klägerin den Bescheid vom 02. Oktober 1998 tatsächlich so verstanden haben sollte, dass hiermit die Witwenrente „entzogen“ bzw. „aufgehoben“ worden sei, führe dies nicht dazu, dass dem Bescheid vom 02. Oktober 1998 nunmehr ein - aus der maßgeblichen Perspektive des verobjektivierten Empfängerhorizontes nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbarer - Erklärungswille auf Aufhebung des Witwenrentenbescheides im Hinblick auf die Rentenhöhe zukomme. Bei Erlass des Bescheides vom 02. Oktober 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 sei das Recht unrichtig angewandt worden, denn die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente gehabt, der aus dem Witwenrentenbescheid vom 06. März 1934 folge. Die gewährte Witwenrente habe nicht unter der auflösenden Bedingung eines Auslandsverzugs der Klägerin gestanden. Dies könne insbesondere nicht dem Bescheid vom 21. August 1964 entnommen werden. Dieser Witwenrentenbescheid sei auch nicht nachfolgend aufgehoben worden. So sei, anders als die Beklagte meine, auch mit dem Schreiben vom 19. August 1999 eine solche Regelung nicht getroffen worden. Vielmehr sei mit diesem Schreiben lediglich ein rechtlicher Hinweis in dem zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Widerspruchsverfahren gegen die ausschließlich ihr Altersruhegeld betreffenden Aufhebungsbescheide vom 05. Oktober 1998 und 30. Dezember 1998 erfolgt. Es bedürfe in den Fällen der vorliegenden Art auch grundsätzlich einer abändernden Regelung im Sinne von § 48 SGB X, unabhängig davon, ob dies nach den §§ 110 Abs. 2, 113 ff. SGB VI zu einer Verringerung der persönlichen Entgeltpunkte oder, wie vorliegend, dazu führe, dass mangels weiterer zu berücksichtigender Zeiten, zu denen Reichsgebietszeiten für eine abhängige Beschäftigung (§ 271 SGB VI) nicht gehörten, keine persönlichen Entgeltpunkte bei der Ermittlung der Höhe der Witwenrente zu berücksichtigen seien. Die genannten Regelungen stellten auch kein so genanntes selbstvollziehendes Gesetz dar, das bei einem Auslandsverzug automatisch zu einer entsprechenden Herabsetzung der zu berücksichtigenden Entgeltpunkte führen würde. Wegen § 44 Abs. 4 SGB X habe die Klägerin jedoch einen entsprechenden Zahlungsanspruch nicht bereits seit dem 01. Oktober 1998, sondern erst seit dem 01. Januar 2002.

Gegen das ihr am 24. März 2010 per Fax bekannt gegebene und am 26. März 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. April 2010 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie ist der Ansicht, dass die Ablehnung des Antrages auf Zahlung einer Rente ins Ausland den Anforderungen an einen wirksamen Aufhebungsbescheid genüge. Es sei daraus unzweifelhaft zu erkennen, dass eine Zahlung nicht möglich sei. Weder die Benutzung des Begriffes Aufhebung noch die Benennung des aufzuhebenden Bescheides seien nötig, da auf das objektive Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers abzustellen sei. Die Nichtzahlung sei verlautbart worden.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2010 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten () bzw. (), die Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dazu ihr Einverständnis erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat auf die Klage zu Unrecht den Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 02. Oktober 1998 aufzuheben und der Klägerin Witwenrente ab dem 01. Januar 2002 zu gewähren. Der Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 ist rechtmäßig, denn der Bescheid vom 02. Oktober 1998 ist nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen. Mit diesem Bescheid verfügte die Beklagte vielmehr zutreffend, dass unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide Witwenrente nicht mehr und damit auch nicht für die Zeit ab 01. Januar 2002 zu gewähren ist. Wegen der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada sind bei der Witwenrente keine rentenrechtlichen Zeiten mehr anrechenbar, aus denen persönliche Entgeltpunkte resultieren. Diese Rechtslage ist nicht verfassungswidrig.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Danach erweist sich der Bescheid vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2007 als rechtmäßig, da der Bescheid vom 02. Oktober 1998 nicht zurückzunehmen ist, denn bei Erlass dieses Bescheides wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.

Der Bescheid vom 02. Oktober 1998 findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Diese Voraussetzungen lagen vor, denn wegen der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin nach Kanada am 15. September 1998 sind rentenrechtliche Zeiten, aus den persönliche Entgeltpunkte ermittelt werden, bei der Witwenrente nicht mehr anrechenbar.

Dies folgt aus § 110 Abs. 2, § 113 Abs. 1 SGB VI in den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Fassungen des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1606) und des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1996, 1078).

Diese Vorschriften sehen vor: Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten diese Leistungen, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen (§ 110 Abs. 2 SGB VI).

Nach den allgemeinen Regelungen galt bzw. gilt für die Witwenrente der Klägerin Folgendes: Besteht am 01. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente, werden dafür persönliche Entgeltpunkte ermittelt (Umwertung), indem der Monatsbetrag der zu leistenden anpassungsfähigen Rente (einschließlich des Erhöhungsbetrages in eine Halbwaisenrente) durch den aktuellen Rentenwert und den für die Rente zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rentenartfaktor geteilt wird (§ 307 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte für unter anderem 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreie Zeiten, 3. Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und u.a. bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs. 1 SGB VI).

Davon abweichend bestimmt § 113 Abs. 1 SGB VI jedoch, dass die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten (mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland) ermittelt werden, u.a. aus 1. Entgeltpunkten für Bundesgebiets-Beitragszeiten, 2. dem Leistungszuschlag für Bundesgebiets-Beitragszeiten. Bundesgebiets-Beitragszeiten sind nach dieser Vorschrift Beitragszeiten, für die Beiträge nach Bundesrecht nach dem 08. Mai 1945 gezahlt worden sind, und die diesen im Fünften Kapitel gleichgestellten Beitragszeiten.

Bei diesen den Bundesgebiets-Beitragszeiten im 5. Kapitel gleichgestellten Beitragszeiten handelt es sich um die in § 247 Abs. 1 und 2 SGB VI vom 01. Januar 1984 bis 31. Dezember 1991, vom 01. Juli 1978 bis 31. Dezember 1982 und vom 01. Oktober 1974 bis 31. Dezember 1983 wegen dort genannter Tatbestände zurückgelegten Beitragszeiten.

Diese Bundesgebiets-Beitragszeiten sind somit von den Beitragszeiten nach § 247 Abs. 3 SGB VI abzugrenzen, für die nach den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind und die nach den allgemeinen Regelungen grundsätzlich (wegen Besonderheiten für Zeiten vor dem 01. Januar 1924: § 247 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) nach dem Grundsatz des § 228 SGB VI, wonach die Vorschriften dieses Abschnitts (§§ 228 bis 299 SGB VI) die Vorschriften der vorangegangenen Kapitel (Erstes bis Viertes Kapitel) für Sachverhalte ergänzen, die von dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorschriften der vorangegangenen Kapitel (am 01. Januar 1992) an nicht mehr oder nur noch übergangsweise eintreten können, bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. § 254 d Abs. 1 2. Alternative SGB VI definiert Reichsgebiets-Beitragszeiten als Zeiten im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

Die bis 1934 entrichteten Beiträge sind keine Bundesgebiets-Beitragszeiten, denn sie wurden nicht nach Bundesrecht gezahlt.

Die bis 1934 entrichteten Beiträge gelten auch nicht nach § 271 SGB VI in der maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1606) als Bundesgebiets-Beitragszeiten.

Nach dieser Vorschrift (im Neunten Unterabschnitt - Leistungen an Berechtigte im Ausland und Auszahlung - des Fünften Kapitels) sind Bundesgebiets-Beitragszeiten auch Zeiten, für die nach den vor dem 09. Mai 1945 geltenden Reichsversicherungsgesetzen 1. Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Inland oder 2. freiwillige Beiträge für die Zeit des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland oder außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze gezahlt worden sind. Kindererziehungszeiten sind Bundesgebiets-Beitragszeiten, wenn die Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist.

Unter dem Begriff „im Inland“ ist nicht der jeweilige Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, sondern allein das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zu verstehen. Pflichtbeiträge sind im Inland gezahlt, wenn sie auf einer Beitragszahlung für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in diesem Gebiet beruhen. Der Beschäftigungsort oder der Ort der selbständigen Tätigkeit bestimmt mithin die Zuordnung der Pflichtbeiträge. Pflichtbeiträge, die zwar nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung oder Tätigkeit im Gebiet des damaligen Deutschen Reichs, aber außerhalb des Gebiets der heutigen Bundesrepublik Deutschland gezahlt wurden, sind daher keine (fiktiven) Bundesgebiets-Beitragszeiten. Es handelt sich nach der Definition in § 254 d Abs. 1 SGB VI um Reichsgebiets-Beitragszeiten (Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 65. Ergänzungslieferung 2010, SGB VI, § 271 Rdnrn. 3 und 4; Löns in Kreikebohm, SGB VI, 3. Auflage 2008, SGB VI, § 271 Rdnr. 3).

Die Voraussetzungen des § 272 Abs. 1 SGB VI in der maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1606), wonach zusätzlich Entgeltpunkte aus Reichsgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) ermittelt werden, liegen ebenfalls nicht vor, denn dies betrifft lediglich berechtigte Deutsche, die vor dem 19. Mai 1950 geboren sind und vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben.

Die Klägerin hat nicht vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Kanada genommen.

Nach § 110 Abs. 3 SGB VI sind die Vorschriften dieses Abschnitts, also auch § 110 Abs. 2, § 113 Abs. 1 SGB VI, allerdings nur anzuwenden, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist.

Nach über- oder zwischenstaatlichem Recht ist nichts anderes geregelt.

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern - VO 1408/71 - ist nicht anwendbar. Nach Art. 2 Abs. 1 VO 1408/71 gilt diese Verordnung für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsanghörige eines Mitgliedsstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Sie gilt ferner nach Art. 2 Abs. 2 VO 1408/71 für Hinterbliebene von Arbeitnehmern oder Selbständigen, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Arbeitnehmer oder Selbständigen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eine Mitgliedsstaates wohnen.

Kanada war und ist kein Mitgliedsstaat der EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) oder der Europäischen Gemeinschaft (EG).

Es ist daher ohne Belang, dass der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2007 - C 396/05 und C-419/05, zitiert nach juris, entschieden hat, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C (Deutschland) Nr. 1 der VO 1408/71, wonach Art. 10 VO 1408/71 nicht die Rechtsvorschriften berührt, nach denen aus Zeiten, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden, mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG-Vertrag unvereinbar sind, soweit sie es zulassen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren Beitragszeiten, die in der Zeit von 1937 bis 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegen, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedsstaat hat. Maßgebend ist das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit vom 14. November 1985 - DK-SVA - nebst Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit - Schlussprotokoll DK-SVA - (BGBl II 1988, 28), in Kraft getreten am 01. April 1988 (BGBl II 1988, 625). Nach Art. 5 DK-SVA gelten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaats, nach denen Ansprüche auf Geldleistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates abhängen, nicht für die in Art. 3 Buchstaben a bis d DK-SVA genannten Personen (also insbesondere für die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates), die sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Dazu bestimmt jedoch Ziffer 4 Buchstabe b Schlussprotokoll DK-SVA, dass die deutschen Rechtsvorschriften über Geldleistungen aus Versicherungszeiten, die nicht nach Bundesrecht zurückgelegt sind, nicht berührt werden.

Damit sind bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada die §§ 110 Abs. 2 und § 113 Abs. 1 SGB VI anwendbar.

Mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin nach Kanada am 15. September 1998 trat mithin in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung ein, denn wäre ab diesem Zeitpunkt erstmalig über den Witwenrentenanspruch zu entscheiden gewesen, hätte ein monatlicher Zahlungsanspruch mangels zu berücksichtigender rentenrechtlicher Zeiten nicht mehr festgesetzt werden dürfen.

Angesichts dessen war die Beklagte berechtigt, unter Änderung des entgegenstehenden Bescheides zu verfügen, dass kein Zahlungsanspruch mehr besteht.

Mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 erließ die Beklagte den entsprechenden Verwaltungsakt. Indem sie die Regelung traf, „ihr Antrag auf Zahlung einer Rente wird abgelehnt“, bestimmte sie, dass die Witwenrente nicht (mehr) zu zahlen ist; damit änderte sie zugleich ihren Bescheid vom 21. August 1964 insoweit konkludent ab.

Eine Aufhebung oder Änderung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Eine Verfügung ist hinreichend deutlich, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften für einen verständigen, objektiven Empfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass an dem bisherigen Verwaltungsakt nicht mehr festgehalten wird. Dies gilt insbesondere, wenn für einen solchen Erklärungsempfänger der Verwaltungsakt unzweifelhaft ist, der Grundlage der bewilligten Leistung ist und der somit aufgehoben bzw. geändert wird (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000, B 5 RJ 42/99 R, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 32/98 R, zitiert nach juris; jeweils in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96, zitiert nach juris, und BSG, Urteil vom 29. April 1997, 4 RA 25/96, zitiert nach juris). Auch mit der (bloßen) Ablehnung einer Leistung wird noch hinreichend bestimmt geregelt, dass die vorangegangene Leistungsbewilligung durch den dies verfügenden Verwaltungsakt nicht mehr aufrechterhalten wird (BSG, Urteil vom 08. Oktober 1998 - B 10 LW 3/97 R, abgedruckt in SozR 3-5868 § 32 Nr. 2). Eine reine Zahlungseinstellung der bisherigen Leistung, die gegenüber dem Berechtigten nicht bekanntgegeben wird, hat hingegen nicht die Wirkung, dass ein durch Verwaltungsakt zuerkannter Leistungsanspruch beseitigt wird. Kommt jedoch eine Verlautbarung des Leistungsträgers gegenüber dem Berechtigten hinzu, auch wenn diese nicht in dem für Verwaltungsakte üblichen Stil, also insbesondere unter der Bezeichnung Bescheid und mit Rechtsbehelfsbelehrung, abgefasst ist, aber jedenfalls noch erkennen lässt, dass die Zahlungseinstellung als faktische Gestaltung der Leistungsbeziehung bestätigt wird, ist dies ausreichend, um daraus als Verfügung zu entnehmen, dass ab Bekanntgabe dieser Verlautbarung unter Aufhebung oder Änderung des die Leistung bewilligenden Bescheides nunmehr keine Zahlung mehr erbracht wird (BSG, Urteil vom 18. September 1996 - 5/4 RA 27/94, zitiert nach juris; vgl. für den umgekehrten Fall der Auszahlung einer Leistung nebst entsprechender Mitteilung: BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 10 RKg 4/92, abgedruckt in SozR 3-1300 § 50 Nr. 13). Aus dem vom Sozialgericht genannten Urteil des BSG vom 29. Juli 1997 - 4 RA 65/95, zitiert nach juris, folgt nichts anderes; vielmehr wird darin bestätigt, dass in der Nichtauszahlung einer Leistung nicht die Aufhebung bzw. Änderung des sie bewilligenden Verwaltungsaktes zu erblicken ist, wenn „nicht einmal andeutungsweise eine Verfügung“ ersichtlich ist, wonach diese Leistung wegfallen soll.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist aus der Sicht eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers die Regelung im Bescheid vom 02. Oktober 1998, dass der Antrag auf Zahlung einer Rente abgelehnt wird, hinreichend klar dahingehend auszulegen, dass die der Klägerin bisher gewährte Witwenrente unter Änderung des Bescheides vom 21. August 1964 zukünftig nicht mehr weitergezahlt wird. In diesem Sinne hat die Klägerin diesen Bescheid auch tatsächlich verstanden, denn sie selbst bat im Mai 1999 die Beklagte, ihr wenigstens eine ihrer beiden Renten zu zahlen. Das gleiche trifft für ihren damaligen Bevollmächtigten wie ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten zu. Letztere beantragten im Juli 2006 nämlich die Neufeststellung der mit Bescheid vom 02. Oktober 1998 „ mit Wirkung ab 01.Oktober 1998 entzogenen“ Witwenrente. Damit bestehen über den Inhalt des Bescheides vom 02. Oktober 1998 nicht einmal unterschiedliche Ansichten aus der Sicht eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers und aus der subjektiven Sicht der Klägerin und deren (Prozess)bevollmächtigten.

Die dem Bescheid vom 02. Oktober 1998 zugrunde liegenden Vorschriften des § 110 Abs. 2 i.V.m § 113 Abs. 1 SGB VI sind nicht verfassungswidrig.

Insbesondere wird dadurch nicht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), also das Eigentum, verletzt.

Der Bestandsgarantie dieser Vorschrift unterfallen, soweit es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche und Anwartschaften handelt, nur diejenigen Rechtspositionen, die gegenüber einem Träger der auf dem Grundgesetz beruhenden Staatsgewalt begründet wurden. Gegenstand der Eigentumsgarantie sind damit nur die vom Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland begründeten Rechte (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1985 - 1 BvL 2/82, abgedruckt in BVerfGE 71, 66; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 195/77, abgedruckt in BVerfGE 53, 164 = SozR 2200 § 1318 Nr. 5). Den Schutz der Eigentumsgarantie genießen auch Ansprüche auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (grundlegend BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u. a., abgedruckt in BVerfGE 53, 257). Davon erfasst sind jedoch nicht Ansprüche von Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Versorgung ihrer Hinterbliebenen (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86, abgedruckt in BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1). Unabhängig davon unterliegen Ansprüche, die an nach reichsgesetzlichen Vorschriften entrichtete Beiträge anknüpfen, nicht dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.

Wie das BVerfG im Beschluss vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 195/77 entschieden hat, können die Regelungen (des Fremdrentengesetzes), soweit sie vormals nach reichsgesetzlichen Vorschriften versicherten Deutschen keine Ansprüche gegenüber Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland (oder des Landes Berlin) einräumen, deswegen nicht an Art. 14 GG gemessen werden, weil es sich um Normen handelt, die der Bewältigung außergewöhnlicher Probleme dienten, die ihren Ursprung in historischen Vorgängen aus der Zeit vor der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland hatten. Das GG hat den Ausgleich der politischen und wirtschaftlichen Lasten, die aus dem Krieg und dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches herrührten, weitgehend der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers überlassen. Gegenstand der Eigentumsgarantie können daher erst die vom Gesetzgeber neu begründeten Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland oder deren Rechtsträger sein. Die im weiteren Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. (abgedruckt in 116,96 = SozR 4-5050 § 22 Nr. 5) genannte Erwägung - dort allerdings bezogen auf FRG-Zeiten außerhalb der Geltung der ehemaligen Reichsversicherungsgesetze - , dass es an den insoweit begründeten Rechten am Erfordernis der an einen Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Eigenleistung fehlt, trifft auch für die Reichsgebiets-Beitragszeiten zu. Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren rentenversicherungsrechtliche Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, liegt ebenfalls nicht vor.

Diese Vorschrift verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Das Gleichheitsgebot ist erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne hinreichend gewichtigen Grund anders behandelt.

Ein solcher hinreichender Grund dafür, dass eine Witwenrente aus Bundesgebiets-Beitragszeiten ins Ausland gewährt bzw. gezahlt wird, aber eine Witwenrente aus Reichsgebiets-Beitragszeiten nicht, liegt vor. Es handelt sich dabei um die bereits genannten Gesichtspunkte, dass einerseits dem Gesetzgeber zur Bereinigung der beim Zusammenbruch des Deutschen Reiches vorhandenen Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand und zur Beseitigung sonstiger Kriegsfolgelasten eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 195/77; Beschluss vom 07. Oktober 1980 - 1 BvR 785/76, abgedruckt in SozR 2200 § 1317 Nr. 8; BSG, Beschluss vom 13. Juni 1989 - 1 BA 63/89, zitiert nach juris) und dass andererseits Beitragszeiten, für die keine Beiträge an einen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland gezahlt wurden, aufgrund dessen bereits qualitativ andere Beitragszeiten als solche sind, für die Beiträge an diesen Rentenversicherungsträger gezahlt wurden.

Schließlich wird auch nicht die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt.

Dies folgt daraus, dass die Klägerin zwar zunächst - wie die nachfolgend dargestellte Rechtsentwicklung deutlich macht - darauf vertrauen konnte, bei Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland ihre Witwenrente weiterhin zu erhalten. Dieses Vertrauen wurde jedoch zum Ablauf des 18. Mai 1990, für einen kleinen Kreis von Berechtigten, zu dem die Klägerin nicht gehört, zum Ablauf des 31. Dezember 1990, in nicht verfassungswidriger Weise beseitigt.

§ 113 Abs. 1 SGB VI geht auf Art. 23 § 4 Satz 1 Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. Juni 1990 (BGBl II 1990, 518) - Staatsvertragsgesetz - zurück, wonach berechtigte Deutsche, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben, die Rente erhalten, die sich ohne die nach dem Fremdrentenrecht berücksichtigten und ohne die nach den Reichsversicherungsgesetzen außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zurückgelegten Versicherungszeiten ergibt. Aus Vertrauensschutzgründen galt dies nach Art. 23 § 4 Satz 2 Staatsvertragsgesetz nicht für Bezieher von Renten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes bis zum 18. Mai 1990 genommen haben und bis zum 31. Dezember 1990 ins Ausland verlegen. Für letztgenannten Personenkreis war das bisherige Recht daher vorübergehend weiter anzuwenden, also insbesondere § 98 Abs. 1 AVG und § 1319 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Nach diesen (wörtlich identischen) Vorschriften erhielt ein berechtigter Deutscher die Rente für die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten und für die nach dem Fremdrentengesetz gleichgestellten Beitragszeiten in demselben Umfang wie für die im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegten Beitragszeiten, wenn mindestens 60 Beitragsmonate im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt waren oder diese Beitragsmonate überwogen. An diese Rechtslage knüpft § 272 SGB VI an, soweit er aus Vertrauensschutzgründen bestimmt, dass persönliche Entgeltpunkte von berechtigten Deutschen, die vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben, Entgeltpunkte auch für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und für Reichsgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), begrenzt auf die Höhe der Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) erhält.

Demgegenüber war das im vor dem In-Kraft-Treten des SGB VI am 01. Januar 1992 vorgesehene so genannte Rentnerprivileg nach § 98 Abs. 2 AVG und § 1319 Abs. 2 RVO bereits durch Art. 23 § 4 Staatsvertragsgesetz beseitigt worden (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, a.a.O., SGB VI, § 272 Rdnr. 2).

Diese (wörtlich identischen) Vorschriften sahen vor: Ein berechtigter Deutscher erhält die Rente für die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten und für die nach dem Fremdrentengesetz gleichgestellten Beitragszeiten in vollem Umfang, wenn auf die Rente bereits für die Zeit, in der der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Geltungsbereich dieses Gesetzes gehabt hat, ein Anspruch bestanden hat. Ein deutscher Hinterbliebener eines Versicherten, der bis zu seinem Tod die Rente nach § 98 Abs. 2 Satz 1 AVG bzw. § 1319 Abs. 2 Satz 1 RVO bezogen hat, erhält bei der Hinterbliebenenrente die Beitragszeiten in demselben Umfang wie der verstorbene Versicherte angerechnet.

Diese Regelungen des AVG und der RVO galten seit dem 01. Juni 1979 aufgrund Art 2 Nr. 32, Art 3 Nr. 8, Art 20 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 01. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1205). Die bisherigen Regelungen wurden mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt durch dieses Gesetz ersetzt.

Die bis dahin seit dem In-Kraft-Treten des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - vom 25. Februar 1960 (BGBl I 1960, 93) am 01. Januar 1959 (Art. 7 § 3 Abs. 1 Satz 1 FANG) maßgebende Rechtslage sah folgendes vor:

Soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, ruht auch die Rente eines Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des GG oder eines früheren deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG, solange er sich außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält (§ 96 AVG, § 1317 RVO).

Soweit die Rente auf die im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegten Versicherungsjahre entfällt, wird sie auch für Zeiten des Aufenthalts im Ausland gezahlt (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AVG, § 1318 Abs. 1 Satz 1 RVO).

Für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland wird die Rente insoweit gezahlt, als sie nicht auf Zeiten einer Beschäftigung nach § 16 des Fremdrentengesetzes und aufgrund dieser Beschäftigung anrechenbare Ersatz- und Ausfallzeiten entfällt. Voraussetzung hierfür ist, dass a) der Versicherte die anzurechnenden Beitragszeiten überwiegend im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt hat oder b) die Rente von einem Versicherungsträger, der die Versicherung im Geltungsbereich dieses Gesetzes durchführt, für Zeiten, in denen sich der Berechtigte in diesem Gebiet gewöhnlich aufgehalten hat, festgestellt ist oder festgestellt wird; hat der Versicherte aufgrund dieser Vorschrift bis zu seinem Tod Rente bezogen, so gelten die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die Hinterbliebenenrente als erfüllt (§ 98 Abs. 2 AVG, § 1319 Abs. 2 RVO). Sind mindestens 60 Beitragsmonate im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt, ohne dass die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 2 erfüllt sind, so ist für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland Abs. 2 Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Beitragszeiten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in dem Umfang berücksichtigt werden, in dem Beitragszeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt sind (§ 98 Abs. 3 AVG, § 1319 Abs. 3 RVO).

Beitragszeiten sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt, wenn sie auf einer Beitragsleistung für eine Beschäftigung in diesem Gebiet beruhen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 AVG, § 1323 Abs. 1 Satz 1 RVO). Demgegenüber sind Zeiten einer Beschäftigung nach § 16 des Fremdrentengesetzes solche Zeiten, in denen eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz genannten ausländischen Gebieten oder nach dem 08. Mai 1945 in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten verrichtete Beschäftigung ausgeübt wurde (§ 16 Satz 1 FRG).

Mit dem FANG wurde das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 07. August 1953 (BGBl I 1953, 848) - FAG -, im Wesentlichen in Kraft getreten am 01. April 1952 (§ 20 Abs. 1 FAG), abgelöst, das Folgendes bestimmte:

In den Rentenversicherungen werden die bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 FAG zurückgelegten oder von ihm zu berücksichtigenden Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) für Wartezeit und Anwartschaft, für die Rentenberechnung und das Recht auf freiwillige Versicherung wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FAG). Als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung definiert § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FAG den nicht mehr bestehenden, stillgelegten oder außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger, wonach als deutsche Versicherungsträger alle Versicherungsträger gelten, die ihren Sitz innerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 haben oder hatten (§ 1 Abs. 7 erste und zweite Alternative FAG). Ist die Leistung nach Reichsrecht festgestellt worden, so wird sie ohne Rücksicht auf u.a. § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG gewährt. Diese Leistung gilt als Leistung im Sinne dieses Gesetzes (§ 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 FAG).

Die Leistungen nach § 1 Abs. 1 FAG ruhen, unbeschadet der Vorschriften des Abschnitts II, solange sich der Berechtigte freiwillig nicht nur vorübergehend außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin aufhält (§ 1 Abs. 4 Satz 1 FAG). Abschnitt II § 8 Abs. 1 Nr. 2 FAG lautet: Unbeschadet anderweitiger Regelungen durch zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen oder internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der Sozialversicherung, soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind, haben Personen, die sich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten und in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach Reichsrecht, Bundesrecht oder dem Recht des Landes Berlin versichert waren, sowie die sich dort aufhaltenden Hinterbliebenen solcher Versicherten unter entsprechender Anwendung der §§ 2 bis 6 FAG und bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen gegen den zuständigen Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin in den Rentenversicherungen a) aus Versicherungszeiten, die im Bundesgebiet oder im Land Berlin zurückgelegt worden sind; die Versicherungszeiten sind im Bundesgebiet und im Land Berlin zurückgelegt, wenn der Versicherte seine Beiträge an einen Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin entrichtet hat; b) aus Versicherungszeiten in den reichsgesetzlichen Rentenversicherungen, die außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin zurückgelegt worden sind, oder aus Versicherungszeiten, die aus einer ausländischen Versicherung auf die reichsgesetzliche Rentenversicherung übergegangen sind, soweit solche Zeiten nach § 4 FAG bei Berechtigten, die sich im Bundesgebiet oder im Land Berlin aufhalten, zu berücksichtigen sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass aa) der Versicherte während der Zugehörigkeit zu den deutschen Rentenversicherungen zuletzt im Bundesgebiet oder im Land Berlin pflichtversichert oder in diesen Gebieten überwiegend pflicht- oder freiwillig versichert war - Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend - oder bb) die Versicherungszeiten in einer Leistung berücksichtigt sind oder werden, die von einem Versicherungsträger mit dem Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt worden ist oder wird.

Alle genannten Vorschriften unterscheiden nicht zwischen Reichsgebiets-Zeiten und FRG-Zeiten, soweit es um die Zahlung einer Rente aus solchen Zeiten ins Ausland geht. Dies ist folgerichtig, denn in beiden Fällen kann der Rentenversicherungsträger, an den Beiträge entrichtet wurden, nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Beiträge aus der Zeit vor dem 08. Mai 1945 sind nämlich nur dann zu einem Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin entrichtet worden, wenn der Versicherungsträger, an den die Beiträge gezahlt worden sind, mit dem Versicherungsträger identisch ist, der jetzt im Bundesgebiet oder im Land Berlin seinen Sitz hat. Dies trifft weder für die LVA Ostpreußen noch für die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte zu, denn bei letztgenanntem Versicherungsträger handelt es sich um einen stillgelegten Versicherungsträger nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FAG, mit dem die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht identisch ist (BSG, Urteile vom 29. Oktober 1956 - 1 RA 85/55, abgedruckt in SozR FRG § 8 Nr. 2 = BSGE 4, 84, und 1 RA 138/55, abgedruckt in SozR FRG § 1 Nr. 1). Somit begründete erst das FAG Leistungen auf die Ansprüche und Anwartschaften, die solche Personen aus Beiträgen gegenüber nicht mehr bestehenden, stillgelegten oder außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin befindlichen Versicherungsträgern erworben hatten. Bisherige Ansprüche gegenüber solchen Versicherungsträgern waren untergegangen. Mithin bestimmte das FAG auch erstmals, ob und in welchem Umfang aus Beiträgen zu solchen Versicherungsträgern Leistungen von einem Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin zu gewähren sind (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1956 - 1 RA 138/55).

Die Klägerin erfüllte nach den o. g. Vorschriften, die vor der Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts nach Kanada am 15. September 1998 galten, die Voraussetzungen zur Leistung einer Witwenrente aus den nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichteten Beiträgen des Versicherten ausschließlich wegen des sog. Rentnerprivilegs.

Es liegen nämlich keine Versicherungszeiten vor, die im Bundesgebiet oder im Land Berlin zurückgelegt wurden. Der Klägerin wurde auch keine Auslandsrente gewährt, bei denen Versicherungszeiten in den reichsgesetzlichen Rentenversicherungen von einem Versicherungsträger mit Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt wurden. Die Klägerin befand sich zwar bereits früher einmal in Kanada, während die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 1964 eine Regelung über die Zahlung ihrer Witwenrente traf. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine Verfügung, die eine Auslandsrente zum Gegenstand hatte. Dies folgt sowohl aus dem Inhalt des Schreibens vom 21. August 1964, wonach die Witwenrente in der für den Inlandsaufenthalt maßgebenden Höhe gezahlt wird, als auch aus der Tatsache, dass sich die Klägerin lediglich vorübergehend in Kanada aufhielt. Ein nichtgewöhnlicher Aufenthalt im Ausland stand der Weitergewährung bzw. Weiterzahlung der Witwenrente nach allen in Betracht kommenden Vorschriften (§ 1 Abs. 4 Satz 1 FAG, § 98 Abs. 1 AVG, § 1319 Abs. 1 RVO jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 25. Februar 1960, § 94 AVG, § 1315 RVO jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 01. Dezember 1981) als so genannte Inlandsrente nie entgegen.

Bei der Klägerin lagen allerdings die Voraussetzungen vor, um in den Genuss des sog. Rentnerprivilegs nach § 98 Abs. 2 AVG und § 1319 Abs. 2 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 01. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1205), § 98 Abs. 2 Buchstabe b AVG, § 1319 Abs. 2 Buchstabe b RVO in der Fassung des Gesetzes vom 25. Februar 1960 (BGBl I 1960, 93) und nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, bb FAG zu kommen. Erforderlich war, dass vor der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland für den Berechtigten die Rente festgesetzt war oder wurde bzw. ein Anspruch auf diese Rente bestand (zur insoweit zum 01. Juni 1979 eingetretenen Modifizierung des sog. Rentnerprivilegs: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band IV, 70. Nachtrag - September 1988, S. 719 n, die vorliegend nicht wesentlich ist, da die Witwenrente der Klägerin ohnehin schon festgesetzt war; BSG, Beschluss vom 13.06.1989 - 1 BA 63/89, zitiert nach juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 02. August 1989 - 1 RA 101/88, abgedruckt in SozR 2200 § 1321 Nr. 17), denn Hinterbliebene konnten ein eigenständiges Rentnerprivileg besitzen (vgl. Brackmann, a. a. O., S. 719 n, m. w. N.), das neben dem vom Versicherten abgeleiteten diesem eingeräumten Rentnerprivileg existierte (zu den Voraussetzungen: BSG, Urteil vom 27. November 1979 - 5 RKn 29/77, abgedruckt in SozR 2200 § 1319 Nr. 3).

In dieses Rentnerprivileg wurde zum Ablauf des 18. Mai 1990 mit dessen Abschaffung eingegriffen. Dies geschah jedoch nicht in verfassungswidriger Weise.

Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen auch bei der sog. unechten - retrospektiven - Rückwirkung (BVerfG, Entscheidung vom 31. Mai 1960 - 2 BvL 4/59, abgedruckt in BVerfGE 11, 139), d.h. für Normen, die zwar unmittelbar nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirken, damit aber zugleich die gegenwärtige Rechtsposition nachträglich berühren. Für den Bürger bedeutet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz (BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59, abgedruckt in BVerfGE 13, 261; BVerfG, Entscheidung vom 14. November 1961 - 2 BvR 345/60, abgedruckt in BVerfGE 13, 215). Dennoch bildet eine Vertrauensverletzung allein keine ausreichende Basis für die Feststellung einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Der Staatsbürger kann sich auf Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Hierfür ist einerseits das Ausmaß des Vertrauensschadens, andererseits die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit maßgeblich. Sie sind gegeneinander abzuwägen (BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober 1962 - 1 BvL 22/57, abgedruckt in BVerfGE 14, 288 = SozR Nr. 9 zu Art 14 GG). Dem Umstand, dass „ein Fremdkörper aus dem Sozialversicherungssystem entfernt“ wird, kommt dabei eine nicht unwesentliche Bedeutung zu (BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober 1962 - 1 BvL 22/57; BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 - 2 BvL 1/65, abgedruckt in BVerfGE 22, 241). Der Senat erachtet diese Bezeichnungsweise zwar als unpassend, folgt aber der zugrunde liegenden Rechtsauffassung.

Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung wurde zwar das Vertrauen in die bisherige Rechtslage, die Witwenrente der Klägerin auch ins Ausland gezahlt zu erhalten, mit der Beseitigung des sog. Rentnerprivilegs zum 18. Mai 1990 insoweit berührt, als bei einer zukünftigen Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland Reichsgebiets-Beitragszeiten nicht mehr zu berücksichtigen waren. Es wurde damit eine dem Grundsatz des Auslandsrentenrechts widersprechende begünstigende Sonderregelung abgeschafft. Wegen dieses Charakters als Sonderreglung konnte aber der Vertrauensschutz der Berechtigten wie der Klägerin ohnehin nicht so stark ausgeprägt sein, dass mit dem unveränderten Bestand gerechnet werden durfte. Wenn sich der Gesetzgeber mithin entschließt, einen solchen „Fremdkörper zu beseitigen“ und damit die gegenwärtigen Beitragszahler zu entlasten, weil es nach der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts an jeglichem Bezug der Witwenrente der Klägerin zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fehlt, so ist dies nicht unverhältnismäßig, zumal sich die Klägerin seit dem 18. Mai 1990 (bis zum 15. September 1998) darauf einstellen konnte. Mithin scheidet eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) aus (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 108/94, abgedruckt in SozR 3-2600 § 300 Nr. 7, in dem verfassungsrechtliche Fragen aber nicht erörtert werden).

Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

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