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C-396/05, C-419/05 und C-450/05, Habelt, Möser, Wachter

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C („Deutschland“) Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung sind mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG unvereinbar, soweit sie es zulassen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren Beitragszeiten, die in der Zeit von 1937 bis 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegen, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat.

2. Die Bestimmungen des Anhangs III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 („Deutschland-Österreich“) Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 in der geänderten Fassung sind mit den Art. 39 EG und 42 EG unvereinbar, soweit sie es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo der Begünstigte in Österreich wohnt, zulassen, dass Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz, die in den Jahren 1953 bis 1970 in Rumänien zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

3. Die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C („Deutschland“) Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der geänderten Fassung sind mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG unvereinbar, soweit sie es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zulassen, dass Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz, die in den Jahren 1953 bis 1970 in Rumänien zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

Entscheidungsgründe

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit der Anhänge III und VI der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Klägern der Ausgangsverfahren und der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: Rentenversicherung Bund) darüber, dass diese für die Zahlung von Leistungen bei Alter Beitragszeiten von Frau Habelt (Rechtssache C-396/05) von Januar 1939 bis April 1945 im Sudetenland und von Frau Möser (Rechtssache C-419/05) vom 1. April 1937 bis zum 1. Februar 1945 in Pommern - zu einer Zeit, als diese Gebiete, die nicht zur heutigen Bundesrepublik Deutschland gehören, Teil der Gebiete waren, in denen die Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs galten - sowie von Herr Wachter (Rechtssache C-450/05) von September 1953 bis Oktober 1970 in Rumänien nicht berücksichtigt, weil die Kläger der Ausgangsverfahren ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland genommen haben.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.“

Art. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

„(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

c) Leistungen bei Alter,

d) Leistungen an Hinterbliebene,

(2) Diese Verordnung gilt für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme, nach denen die Arbeitgeber, einschließlich der Reeder, zu Leistungen gemäß Absatz 1 verpflichtet sind.

(2a) Diese Verordnung gilt auch für beitragsunabhängige Sonderleistungen, die unter andere als die in Absatz 1 erfassten oder die nach Absatz 4 ausgeschlossenen Rechtsvorschriften oder Systeme fallen, sofern sie

a) entweder in Versicherungsfällen, die den in Absatz 1 Buchstaben a) bis h) aufgeführten Zweigen entsprechen, ersatzweise, ergänzend oder zusätzlich gewährt werden

b) oder allein zum besonderen Schutz der Behinderten bestimmt sind.

(4) Diese Verordnung ist weder auf die Sozialhilfe noch auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen noch auf Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte anzuwenden.“

Art. 5 der Verordnung lautet:

„Die Mitgliedstaaten geben in Erklärungen, die gemäß Artikel 97 notifiziert und veröffentlicht werden, die Rechtsvorschriften und Systeme, die unter Artikel 4 Absätze 1 und 2 fallen, die in Artikel 4 Absatz 2a genannten beitragsunabhängigen Sonderleistungen, die Mindestleistungen im Sinne des Artikels 50 sowie die Leistungen im Sinne der Artikel 77 und 78 an.“

Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:

„Soweit die Artikel 7, 8 und 46 Absatz 4 nichts anderes bestimmen, tritt diese Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle folgender Abkommen über soziale Sicherheit:

a) Abkommen, die ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind;

b) Abkommen, die zwischen mindestens zwei Mitgliedstaaten und einem oder mehreren anderen Staaten in Kraft sind, sofern es sich um Fälle handelt, an deren Regelung sich kein Träger eines dieser anderen Staaten zu beteiligen hat.“

Art. 7 der Verordnung („Von dieser Verordnung nicht berührte internationale Bestimmungen“) sieht in seinem Absatz 2 vor:

„Ungeachtet des Artikels 6 bleiben anwendbar:

c) die im Anhang III aufgeführten Bestimmungen der Abkommen über soziale Sicherheit.“

Anhang III Teil A („Bestimmungen aus Abkommen über soziale Sicherheit, die ungeachtet des Artikels 6 der Verordnung weiterhin gelten [Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c) der Verordnung]“) Nr. 35 („Deutschland-Österreich“) Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 führt an:

„Artikel 4 Absatz 1 des … Abkommens [vom 22. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit, im Folgenden: deutsch-österreichisches Abkommen von 1966] in Bezug auf die deutschen Rechtsvorschriften, nach denen Unfälle (und Berufskrankheiten), die außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, sowie Zeiten, die außerhalb dieses Hoheitsgebietes zurückgelegt werden, keinen Anspruch auf Leistungen begründen beziehungsweise einen solchen Anspruch nur unter bestimmten Bedingungen begründen, wenn die Berechtigten ihren Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland haben, und zwar in Fällen, in denen:

i) die Leistungen am 1. Januar 1994 bereits erbracht werden oder erbracht werden können,

ii) die betreffende Person vor dem 1. Januar 1994 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich genommen hat und die Leistung aus der Renten- und Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1994 beginnt;

dies gilt auch für Zeiten eines weiteren Rentenbezugs einschließlich einer die erste Rente ersetzenden Hinterbliebenenrente, wenn sich die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen.“

Anhang III Teil B („Bestimmungen aus Abkommen, deren Geltungsbereich nicht alle Personen umfasst, auf die die Verordnung anzuwenden ist [Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung]“) Nr. 35 („Deutschland-Österreich“) Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 übernimmt den Inhalt des o. g. Anhangs III Teil A Nr. 35 Buchst. e.

Art 10 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

„Die Geldleistungen bei Invalidität, Alter oder für die Hinterbliebenen, … auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten Anspruch er[worben] worden ist, dürfen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.“

Art. 10a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:

„Ungeachtet der Bestimmungen in Artikel 10 und Titel III erhalten die Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2a aufgeführten beitragsunabhängigen Sonderleistungen in bar ausschließlich in dem Wohnmitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen in Anhang IIa aufgeführt sind. Diese Leistungen werden vom Träger des Wohnorts zu seinen Lasten gewährt.“

Art. 89 der Verordnung bestimmt:

„Die Besonderheiten bei der Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten sind im Anhang VI aufgeführt.“

Anhang VI Teil C („Deutschland“) der Verordnung Nr. 1408/71 sieht in Nr. 1 vor:

„Artikel 10 der Verordnung berührt nicht die Rechtsvorschriften, nach denen aus Unfällen (Berufskrankheiten) und Zeiten, die außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland eingetreten beziehungsweise zurückgelegt sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden.“

Art. 94 der Verordnung („Übergangsvorschriften für die Arbeitnehmer“) lautet:

„(1) Diese Verordnung begründet keinen Anspruch für einen Zeitraum vor dem 1. Oktober 1972 oder vor ihrer Anwendung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder in einem Teil davon.

(2) Für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung werden sämtliche Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungs- und Wohnzeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor dem 1. Oktober 1972 oder vor Anwendung dieser Verordnung im Gebiet dieses Mitgliedstaats oder in einem Teil davon zurückgelegt worden sind.

(3) Ein Leistungsanspruch wird auch für Ereignisse begründet, die vor dem 1. Oktober 1972 oder vor Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder in einem Teil davon liegen, soweit Absatz 1 nicht etwas anderes bestimmt.

….“

Das deutsch-österreichische Abkommen von 1966

Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 bestimmt:

,,Soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, gelten die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die in Artikel 3 genannten Personen [deutsche und österreichische Staatsangehörige], die sich im Gebiete des anderen Vertragsstaates aufhalten.“

Das Abkommen vom 4. Oktober 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit

In Art. 14 Abs. 2 Buchst. b des Abkommens vom 4. Oktober 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit (BGBl. 1998 II S. 313), das am 1. Oktober 1998 in Kraft trat (BGBl. 1998 II S. 2544) (im Folgenden: deutsch-österreichisches Abkommen von 1995), heißt es:

„(2) Die folgenden Bestimmungen bleiben weiterhin anwendbar:

b) Artikel 4 Absatz 1 des [deutsch-österreichischen Abkommens von 1966] in Bezug auf die deutschen Rechtsvorschriften, nach denen Unfälle (Berufskrankheiten), die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, sowie Zeiten, die außerhalb dieses Gebiets zurückgelegt werden, keinen Anspruch auf Leistungen begründen beziehungsweise einen solchen Anspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen begründen, wenn die Berechtigten außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz haben, und zwar in Fällen, in denen:

i) die Leistungen am Tag des Inkrafttretens der Verordnung im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten bereits erbracht werden oder erbracht werden könnten;

ii) die betreffende Person vor Inkrafttreten der Verordnung im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Österreich genommen hat und die Leistung aus der Renten- und Unfallversicherung innerhalb eines Jahrs ab Inkrafttreten der Verordnung im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten beginnt;

dies gilt auch für Zeiten eines weiteren Rentenbezugs einschließlich einer Hinterbliebenenrente, wenn sich die Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen“.

Das deutsche Sozialgesetzbuch

§ 110 Abs. 2 und 3 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung (im Folgenden: SGB VI) sieht vor:

„(2) Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten diese Leistungen, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nur anzuwenden, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist.“

Nach § 113 SGB VI gilt:

„(1) Die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten werden ermittelt aus

1. Entgeltpunkten für Bundesgebiets-Beitragszeiten,

Bundesgebiets-Beitragszeiten sind Beitragszeiten, für die Beiträge nach Bundesrecht nach dem 8. Mai 1945 gezahlt worden sind, und die diesen im Fünften Kapitel gleichgestellten Beitragszeiten.

(2) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Waisenrenten von Berechtigten wird allein aus Bundesgebiets-Beitragszeiten ermittelt.

(3) Die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Staates haben, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, werden zu 70 vom Hundert berücksichtigt.“

§ 114 SGB VI bestimmt:

„(1) Die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten, die die Staatsangehörigkeit eines Staates haben, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, werden zusätzlich ermittelt aus

1. Entgeltpunkten für beitragsfreie Zeiten,

2. dem Zuschlag an Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten und

3. Abschlägen an Entgeltpunkten aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder Rentensplitting, soweit sie auf beitragsfreie Zeiten oder einen Zuschlag an Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten entfallen.

Die nach Satz 1 ermittelten Entgeltpunkte werden dabei in dem Verhältnis berücksichtigt, in dem die Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten und die nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 272 Abs. 3 Satz 1 ermittelten Entgeltpunkte zu allen Entgeltpunkten für Beitragszeiten einschließlich Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz stehen.

(2) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Waisenrenten von Berechtigten, die die Staatsangehörigkeit eines Staates haben, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, wird zusätzlich aus

1. beitragsfreien Zeiten in dem sich nach Absatz 1 Satz 2 ergebenden Verhältnis und

2. Berücksichtigungszeiten im Inland

ermittelt.“

§ 247 Abs. 3 Satz 1 im Fünften Kapitel des SGB VI lautet:

„Beitragszeiten sind auch Zeiten, für die nach den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind.“

§ 271 im Fünften Kapitel des SGB VI bestimmt:

„Bundesgebiets-Beitragszeiten sind auch Zeiten, für die nach den vor dem 9. Mai 1945 geltenden Reichsversicherungsgesetzen

1. Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Inland oder

2. freiwillige Beiträge für die Zeit des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland oder außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze

gezahlt worden sind. Kindererziehungszeiten sind Bundesgebiets-Beitragszeiten, wenn die Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist.“

§ 272 im Fünften Kapitel des SGB VI lautet:

„(1) Die persönlichen Entgeltpunkte von Berechtigten, die die Staatsangehörigkeit eines Staates haben, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, die vor dem 19. Mai 1950 geboren sind und vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben, werden zusätzlich ermittelt aus

1. Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz, begrenzt auf die Höhe der Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten,

2. dem Leistungszuschlag für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz, begrenzt auf die Höhe des Leistungszuschlags für Bundesgebiets-Beitragszeiten,

3. dem Abschlag an Entgeltpunkten aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder Rentensplitting, der auf Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz entfällt, in dem Verhältnis, in dem die nach Nummer 1 begrenzten Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz zu allen Entgeltpunkten für diese Zeiten stehen, und

4. dem Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Waisenrenten aus Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz in dem sich nach Nummer 3 ergebenden Verhältnis.

(2) Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz, die nach Absatz 1 aufgrund von Entgeltpunkten (Ost) zusätzlich zu berücksichtigen sind, gelten als Entgeltpunkte (Ost).

(3) Zu den Entgeltpunkten von Berechtigten im Sinne von Absatz 1, die auf die Höhe der Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten begrenzt zu berücksichtigen sind, gehören auch Reichsgebiets-Beitragszeiten. Bei der Ermittlung von Entgeltpunkten aus einem Leistungszuschlag, aus einem Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder Rentensplitting und für den Zuschlag bei einer Waisenrente sind Reichsgebiets-Beitragszeiten wie Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz zu berücksichtigen.“

§ 14 des Fremdrentengesetzes (im Folgenden: FRG) bestimmt:

„Soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, richten sich die Rechte und Pflichten der nach diesem Abschnitt Berechtigten nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften.“

Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

Rechtssache C-396/05

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Frau Habelt, eine deutsche Staatsangehörige, am 30. Januar 1923 in Eulau (Jilové) im Sudetenland geboren wurde, das seinerzeit Teil der Tschechoslowakei war und heute zur Tschechischen Republik gehört.

Von Januar 1939 bis Mai 1946 arbeitete sie in Eulau. In der Zeit vom 1. Januar 1939 bis 30. April 1945 zahlte sie nach den Reichsversicherungsgesetzen, konkret dem Angestelltenversicherungsgesetz, Pflichtbeiträge an die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: RfA). Diese in Berlin ansässige Anstalt war nach der Annexion des Sudetenlands durch das Deutsche Reich der zuständige Versicherungsträger. Vom 5. Mai 1945 bis 13. Mai 1946 war Frau Habelt in der Tschechoslowakei sozialversicherungspflichtig. Nach ihrer Ausweisung aus dem Sudetenland ließ sie sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nieder.

Seit dem 1. Februar 1988 bezieht Frau Habelt eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: Bundesversicherungsanstalt), die im Oktober 2005 zur Rentenversicherung Bund wurde. Diese Rente beruhte ursprünglich neben Kindererziehungszeiten und freiwilligen Beiträgen auf den Pflichtbeiträgen, die aufgrund ihrer Tätigkeit im Sudetenland vom 1. Januar 1939 bis 30. April 1945 geleistet worden waren, sowie auf Fremdrentenzeiten nach dem FRG für die versicherungspflichtige Tätigkeit in der Tschechoslowakei vom 5. Mai 1945 bis 13. Mai 1946.

Nachdem Frau Habelt am 1. August 2001 nach Belgien umgezogen war, stellte die Bundesversicherungsanstalt ihre Rente neu fest und gewährte ihr mit Wirkung ab 1. Dezember 2001 eine monatliche Rente in Höhe von brutto 204,50 DM (104,56 Euro), das heißt 438,05 DM (223,96 Euro) weniger als die zuvor bezogene monatliche Rente.

Der Widerspruch von Frau Habelt gegen den Bescheid über die Neuberechnung ihrer Rente wurde von der Bundesversicherungsanstalt zurückgewiesen. Diese führte aus, dass bei der Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung an Rentenempfänger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die besonderen Zahlungsvorschriften nach § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu berücksichtigen seien. Nach dieser Vorschrift würden die persönlichen Entgeltpunkte von (Renten-)Berechtigten aus Entgeltpunkten für Bundesgebiets-Beitragszeiten ermittelt, das heißt Beitragszeiten, für die Beiträge nach Bundesrecht nach 1945 gezahlt worden seien, und diesen im Fünften Kapitel des SGB VI gleichgestellten Beitragszeiten.

Da die von der Betroffenen in der Zeit von Januar 1939 bis April 1945 für eine Beschäftigung im Sudetenland zurückgelegten Beitragszeiten nicht nach dem nach 1945 geltenden deutschen Bundesrecht gezahlt worden seien, sei demnach, so die Bundesversicherungsanstalt, auf § 271 SGB VI abzustellen, der regele, welche vor dem 9. Mai 1945 entrichteten Beiträge als Bundesgebiets-Beitragszeiten im Sinne des § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI anzusehen seien.

Die Bundesversicherungsanstalt führte dazu aus, dass nach § 271 SGB VI Bundesgebiets-Beitragszeiten auch Zeiten seien, für die nach den vor dem 9. Mai 1945 geltenden Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Inland gezahlt worden seien. Unter dem Begriff „im Inland“ sei nicht der jeweilige Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, sondern allein das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zu verstehen. Damit seien Pflichtbeiträge, die zwar nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Geltungsgebiet dieser Gesetze, aber außerhalb des Gebiets der heutigen Bundesrepublik Deutschland geleistet worden seien, keine Bundesgebietsbeiträge. So verhalte es sich mit den von Frau Habelt in den Monaten Januar 1939 bis April 1945 nach Reichsvorschriften gezahlten Beiträgen, da das Sudetenland nicht im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland liege.

Im Übrigen könne Frau Habelt auch nicht § 272 SGB VI zugute kommen, da sie nach dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen habe.

Nach der Zurückweisung ihres Widerspruchs erhob Frau Habelt am 23. März 2002 Klage beim Sozialgericht Berlin. Auf die Frage dieses Gerichts, wie es sich auf die Situation von Frau Habelt auswirke, dass das Sudetenland seit dem 1. Mai 2004 zum Gebiet der Europäischen Union gehöre, antwortete die Bundesversicherungsanstalt, dass sich aus dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union keine Änderung ergebe. Nach Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 könne aus den Entgeltpunkten für Beitragszeiten in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs und Zeiten nach dem FRG keine Leistung in einen Mitgliedstaat gezahlt werden.

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation in den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle.

Da es keine Rechtfertigung für die fragliche Einschränkung des durch den EG-Vertrag garantierten Grundsatzes der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit sieht, hat das Sozialgericht Berlin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Bestimmung des Anhangs VI Teil D (früher Teil C) („Deutschland“) Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 mit höherrangigem Europarecht, insbesondere dem Freizügigkeitsgebot - hier: dem Leistungsexportgebot des Art. 42 EG - vereinbar, soweit er auch die Leistung der Rente aus Reichsgebiets-Beitragszeiten ausschließt?

Rechtssache C-419/05

Frau Möser, eine deutsche Staatsangehörige, wurde am 2. Januar 1923 in Pniewo in Pommern geboren. 1946 floh sie aus der russischen Besatzungszone und ließ sich im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland nieder, wo sie seit dem 1. Februar 1988 eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt bezieht. Der Berechnung dieser Rente lagen ursprünglich u.a. Pflichtbeitragszeiten der Betroffenen für Tätigkeiten zugrunde, die sie vom 1. April 1937 bis 1. Februar 1945 in Pommern, in dem Gebiet, in dem die Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs anwendbar waren und das heute zur Republik Polen gehört, ausgeübt hatte.

Nachdem Frau Möser am 1. Juli 2001 nach Spanien umgezogen war, wurde ihre Rente mit Wirkung ab 1. September 2001 neu festgestellt. Die sich daraus ergebende Kürzung dieser Rente um 143,15 Euro wurde damit begründet, dass Beitragszeiten, die außerhalb des Gebiets der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden seien, nicht berücksichtigt werden könnten, da die Betroffene im Ausland wohne. Seit dem 1. Juni 2004 wohnt Frau Möser im Vereinigten Königreich.

Nach mehrfachen Ermahnungen auf Bescheidung ihres Widerspruchs erhob Frau Möser am 17. Mai 2002 Untätigkeitsklage bei dem vorlegenden Gericht. Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 wies die Bundesversicherungsanstalt den Widerspruch zurück.

Am 9. August 2003 erhob Frau Möser bei dem vorlegenden Gericht Klage auf Aufhebung dieses Bescheids. Dieses Gericht hat auf der Grundlage der in der Rechtssache C-396/05 dargelegten Erwägungen und nach der Feststellung, dass die Betroffene auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Altersrente nach dem polnischen Rentenversicherungssystem habe, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die gleiche Frage wie in der Rechtssache C-396/05 vorzulegen.

Rechtssache C-450/05

Herr Wachter wurde 1936 in Rumänien geboren. Er besitzt die österreichische Staatsangehörigkeit und ist als Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (im Folgenden: BVG) anerkannt.

1970 siedelte er aus Rumänien aus, um sich in Österreich, wo er seither wohnt, niederzulassen und dort zu arbeiten. Im November 1995 erkannte die Bundesversicherungsanstalt die von Herrn Wachter von September 1953 bis Oktober 1970 in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach dem FRG als Pflichtbeitragszeiten zur deutschen Altersversicherung an, da der Betroffene als Vertriebener im Sinne des BVG anerkannt sei.

Im Juni 1999 beantragte Herr Wachter, ihm ab 1. August 1999 eine Altersrente wegen Vollendung des 63. Lebensjahrs zu zahlen. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass aus den Fremdrentenzeiten keine Rente ins Ausland gezahlt werden könne. Aus den Gemeinschaftsverordnungen, die das deutsch-österreichische Abkommen von 1966 abgelöst hätten, ergebe sich nichts anderes.

Die von Herrn Wachter gegen diesen Bescheid erhobene Klage beim Sozialgericht Berlin wurde mit Urteil vom 9. Juli 2001 abgewiesen.

Mit seiner Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg macht Herr Wachter geltend, das er nach dem deutsch-österreichischen Abkommen von 1966 bis 31. Dezember 1993 als in Österreich lebender Österreicher einem in Deutschland lebenden Deutschen gleichgestellt gewesen sei. Da dieses Abkommen zum 1. Januar 1994 durch die Verordnung Nr. 1408/71 abgelöst worden sei, gelte der Grundsatz der Gebietsgleichstellung, den das Abkommen vorgesehen habe, nur noch unter bestimmten Voraussetzungen, die er nicht erfülle (Anhang III Teil A Nr. 35 Buchst. e und Teil B Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 sowie Anhang VI Teil C Nr. 1 dieser Verordnung).

Herr Wachter trägt vor, dass die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 dazu geführt habe, dass er schlechter als früher gestellt werde. Der Grundsatz der Freizügigkeit stehe einer solchen Folge entgegen.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass Renten, die auf FRG-Zeiten beruhten, nach dem anzuwendenden deutschen Recht nicht ins Ausland gezahlt werden könnten, dass aber Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 die Zahlung von Renten, die auf Beitragszeiten nach dem FRG beruhten, ins Ausland vorgesehen habe. Damit habe der Grundsatz der Gebietsgleichstellung uneingeschränkt gegolten, da das genannte Abkommen die Anwendung der einem entsprechenden Rentenexport entgegenstehenden Vorschriften des deutschen Rechts (§ 110 Abs. 2, § 113 Abs. 1 und § 272 SGB VI) ausgeschlossen habe.

Es sei fraglich, ob die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71, die automatisch alle bilateralen Abkommen aufhebe, für die Republik Österreich ab dem 1. Januar 1994 mit dem durch den Vertrag gewährleisteten Recht auf Freizügigkeit vereinbar sei.

Das vorlegende Gericht ergänzt, dass die Verordnung Nr. 1408/71 zwar in Art. 10 eine Gebietsgleichstellung vorsehe. Diese werde aber durch die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 hinsichtlich der Beitragszeiten in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs beziehungsweise der FRG-Zeiten wieder außer Kraft gesetzt.

Es gebe jedoch - gerade im Bereich des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 - eine Ausnahme von dieser Einschränkung des Grundsatzes der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit. In Anhang III Teil A Nr. 35 Buchst. e und Teil B Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 würden nämlich die Bestimmungen aus Abkommen über soziale Sicherheit aufgelistet, die ungeachtet des Art. 6 der Verordnung weiterhin gälten, beziehungsweise die weiterhin geltenden Bestimmungen aus diesen Abkommen, deren Geltungsbereich nicht alle Personen umfasse, auf die die Verordnung anzuwenden sei. Herr Wachter erfülle jedoch nicht die dort vorgesehenen Voraussetzungen, um sich auf das deutsch-österreichische Abkommen von 1966 berufen zu können.

Das vorlegende Gericht hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Bestimmungen des Anhangs III Teil A Nr. 35 Buchst. e und Teil B Nr. 35 Buchst. e sowie des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zumindest in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gegen das Recht auf Freizügigkeit und insbesondere gegen den Grundsatz der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit nach Art. 42 EG verstießen, da sie es verhinderten, dass dem Betroffenen eine Altersrente in einen anderen Mitgliedstaat gezahlt werde, soweit sie ausschließlich auf FRG-Beitragszeiten beruhe.

Daher hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Anhang III Teil A und B jeweils Nr. 35 („Deutschland-Österreich“) Buchst. e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 sowie Anhang VI Teil C („Deutschland“) Nr. 1 dieser Verordnung mit höherrangigem Europarecht, insbesondere dem Freizügigkeitsgebot des Art. 39 EG in Verbindung mit Art. 42 EG, vereinbar?

Mit am 2. Februar 2006 eingegangenem Schreiben hat das vorlegende Gericht zur Vorlagefrage folgende Klarstellung gegeben:

1. Anhang III Teil A und B jeweils Nr. 35 („Deutschland-Österreich“) Buchst. e der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - nach neuer Durchnummerierung der Anhänge der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 infolge der EU-Osterweiterung zum 1. Mai 2004 Nr. 83 - ist gemeint in der bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 647/2005 am 5. Mai 2005 geltenden Fassung. Die Anhangsregelung entspricht Art. 14 Abs. 2 Buchst. b des deutsch-österreichischen Abkommens [von 1995], auf den sich die Vorlagefrage im Hinblick auf die maßgebliche Rechtslage im Jahr 1999 (Versicherungsfall der Vollendung des 63. Lebensjahres) sinngemäß ebenfalls bezieht.

2. Anhang VI Teil C („Deutschland“) Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 entspricht Anhang VI Teil D („Deutschland“) Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nach neuer Durchbuchstabierung infolge der EU-Osterweiterung zum 1. Mai 2004.

Zu den Vorlagefragen

Zur Vorlagefrage in den Rechtssachen C-396/05 und C-419/05

Nach Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 berührt Art. 10 dieser Verordnung, in dem der Grundsatz der Aufhebung der Wohnortklauseln niedergelegt ist, nicht die Rechtsvorschriften, nach denen aus Zeiten, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb dieses Gebiets nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden.

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG vereinbar sind, soweit sie es zulassen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren Beitragszeiten, die in der Zeit von 1937 bis 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegen, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat.

An erster Stelle ist zu prüfen, ob eine Situation wie die der Klägerinnen der Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.

Zunächst ist festzustellen, dass sich Personen in der Situation von Frau Habelt und Frau Möser nach Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 darauf berufen können, dass für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung - im vorliegenden Fall ab dem 1. Februar 1988 - sämtliche Versicherungs-, Beschäftigungs- und Wohnzeiten berücksichtigt werden, die nach deutschem Recht vor Anwendung dieser Verordnung zurückgelegt worden sind (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteil vom 7. Februar 2002, Kauer, C-28/00, Slg. 2002, I-1343, Randnrn. 22 und 46).

Im Übrigen steht fest, dass Frau Habelt und Frau Möser, bei denen es sich um dem deutschen Sozialversicherungssystem angeschlossene Arbeitnehmerinnen im Ruhestand handelt, vom persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 entsprechend seiner Definition in Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung erfasst werden, wonach diese u.a. „für Arbeitnehmer und Selbständige [gilt], für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind“.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen nämlich Rentner, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zum Bezug von Rente berechtigt sind, auch wenn sie keine Erwerbstätigkeit ausüben, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem System der sozialen Sicherheit unter die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 über die Arbeitnehmer (vgl. u.a. Urteil vom 5. März 1998, Kulzer, C-194/96, Slg. 1998, I-895, Randnr. 24).

Die Rentenversicherung Bund und die deutsche Regierung vertreten allerdings den Standpunkt, dass die streitigen Leistungen nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst würden. Ihrer Ansicht nach sind diese Leistungen den „Leistungssysteme[n] für Opfer des Krieges und seiner Folgen“ zuzuordnen, die nach Art. 4 Abs. 4 dieser Verordnung von deren Anwendungsbereich ausgenommen seien. Dazu verweisen sie auf die Urteile des Gerichtshofs vom 31. März 1977, Fossi (79/76, Slg. 1977, 667), und vom 22. Februar 1979, Tinelli (144/78, Slg. 1979, 757), in denen die Gültigkeit des Ausschlusses von Leistungen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 bestätigt worden sei.

Die Rentenversicherung Bund und die deutsche Regierung tragen vor, dass der Gerichtshof in diesen Urteilen, die Unfallrenten und Leistungen bei Invalidität im Zusammenhang mit Beitragszeiten betroffen hätten, die vor 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs, aber außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden seien, entschieden habe, dass diese Renten und Leistungen nicht zum Bereich der sozialen Sicherheit gehörten. Dabei habe er berücksichtigt, dass die zuständigen Versicherungsträger, denen die von der fraglichen Bestimmung erfassten Personen angeschlossen gewesen seien, nicht mehr bestünden oder außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland ansässig seien, dass mit den betreffenden deutschen Rechtsvorschriften bezweckt werde, bestimmte Härtefälle zu mildern, die durch die Ereignisse im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Zweiten Weltkrieg entstanden seien, und dass schließlich die Zahlung der streitigen Leistungen an eigene Staatsangehörige Ermessenssache sei, wenn diese im Ausland wohnten.

Nach Ansicht der Rentenversicherung Bund und der deutschen Regierung treffen diese Erwägungen auch heute noch zu. Die damaligen sozialversicherungsrechtlichen Einrichtungen, darunter die RfA, seien infolge von Gebietsveränderungen und Bevölkerungsverschiebungen während und nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufgelöst worden, und Ansprüche aus diesen Zeiten könnten von diesen Einrichtungen nicht mehr erfüllt werden. Die einschlägigen Vorschriften des SGB VI, insbesondere seine §§ 271 und 272, seien eine spezifische Kriegsfolgenregelung. Bei den Rentenleistungen, die auf den entsprechenden Zeiten beruhten, handele es sich um Leistungen, die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer historischen Verantwortung erbringe; dabei habe dieser Mitgliedstaat immer darauf geachtet, dass die Betroffenen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten und ihren Wohnsitz im Ruhestand beibehielten.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese für Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Leistungen bei Alter und an Hinterbliebene als Leistungen der sozialen Sicherheit betreffen.

Eine Leistung kann dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird und wenn sie sich auf eines der in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (vgl. u.a. Urteil vom 21. Februar 2006, Hosse, C-286/03, Slg. 2006, I-1771, Randnr. 37).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs würde der Zweck der Art. 39 EG und 40 EG verfehlt, wenn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern, insbesondere wenn diese Vergünstigungen die Gegenleistung der von ihnen gezahlten Beiträge darstellen (vgl. u.a. Urteil vom 8. März 2001, Jauch, C-215/99, Slg. 2001, I-1901, Randnr. 20).

Zwar steht es dem Gemeinschaftsgesetzgeber frei, im Rahmen der Durchführung des Art. 42 EG Vorschriften zu erlassen, die einige bestimmte Leistungen vom Anwendungsbereich der entsprechenden Durchführungsmaßnahmen ausnehmen. Derartige Vorschriften, etwa die in Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen, sind jedoch eng auszulegen (vgl. u.a. Urteil Hosse, Randnr. 25). Das bedeutet, dass sie nur auf Leistungen Anwendung finden können, die den in ihnen aufgestellten Voraussetzungen entsprechen. Art. 4 Abs. 4 der genannten Verordnung nimmt von deren Anwendungsbereich Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen aus.

Wie aus den Vorlageentscheidungen hervorgeht, ergibt sich aus § 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI, dass die Beitragszeiten, die die Klägerinnen der Ausgangsverfahren während der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeiträume in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt haben, nicht aufgrund des Krieges als Beitragszeiten anerkannt sind, sondern deshalb, weil Beiträge nach den deutschen Gesetzen über die Rentenversicherung gezahlt wurden. Die in den Ausgangsverfahren streitigen Leistungen werden wie die Renten, die auf im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Zeiten beruhen, durch die Beiträge der Versicherten, die gegenwärtig einer Tätigkeit nachgehen, finanziert (§ 153 SGB VI).

Im Übrigen ist die Zahlung solcher Leistungen an Empfänger mit Wohnsitz außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland keine Ermessenssache, und sei es nur deshalb, weil § 272 Abs. 1 und 3 SGB VI bestimmt, dass Renten, die auf in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegten Beitragszeiten beruhen, in der Regel ins Ausland gezahlt werden, wenn die Berechtigten vor dem 19. Mai 1950 geboren sind und vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben.

Leistungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden können somit angesichts ihres Zwecks und der Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht als Leistungen für Opfer des Krieges und seiner Folgen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 angesehen werden.

Folglich müssen solche Leistungen angesichts der in den Randnrn. 66 und 67 des vorliegenden Urteils dargelegten Merkmale als Leistungen bei Alter und an Hinterbliebene im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 1408/71 eingestuft werden.

Entgegen der von der Rentenversicherung Bund und der deutschen Regierung vertretenen These bleibt dieses Ergebnis davon unberührt, dass die RfA nach dem Zweiten Weltkrieg untergegangen ist, und zwar unabhängig davon, was aus dem von der RfA angesammelten Kapital und ihren Vermögensgegenständen geworden ist, da feststeht, dass Beiträge nach den deutschen Gesetzen über die Rentenversicherung im Sinne von § 247 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI gezahlt worden sind.

Hinzu kommt, dass Personen, die wie die Klägerinnen der Ausgangsverfahren während der streitigen Zeiträume bei der RfA versichert waren, aber im Gegensatz zu diesen ihren Wohnsitz im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland hatten, von der streitigen Wohnortklausel nicht erfasst werden, obwohl in beiden Fällen Sozialversicherungsbeiträge an die nicht mehr bestehende RfA gezahlt wurden.

Das Ergebnis in Randnr. 69 des vorliegenden Urteils wird bestätigt durch die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. 2003, C 210, S. 1), die in Abschnitt I betreffend Rechtsvorschriften und Systeme, auf die in Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung Bezug genommen wird, unter Nr. 3 Buchst. a hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung das „Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch vom 18. Dezember 1989“ nennt, zu dem § 247 SGB VI gehört.

Da die Situation der Klägerinnen der Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, ist zu beachten, dass nach Art. 10 dieser Verordnung die Aufhebung der Wohnortklauseln garantiert ist, „sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist“.

Wie oben festgestellt worden ist, sieht Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gerade vor, dass Art. 10 dieser Verordnung nicht die Rechtsvorschriften berührt, nach denen aus Zeiten, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb dieses Gebiets nicht oder nur unter bestimmten Umständen gezahlt werden.

Daher ist an zweiter Stelle zu prüfen, ob Art. 42 EG, wie das vorlegende Gericht fragt, der genannten Vorschrift des Anhangs VI entgegensteht, soweit es danach zulässig ist, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren Beitragszeiten, die in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

In den Ausgangsverfahren steht fest, dass die Verlegung des Wohnsitzes der Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat als die Bundesrepublik Deutschland eine erhebliche Minderung des Betrags ihrer jeweiligen Altersrente zur Folge hatte.

Die Rentenversicherung Bund und die deutsche Regierung tragen vor, dass die sich daraus ergebende Beschränkung der Freizügigkeit gerechtfertigt sei, da sie die Integration der Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sicherstellen solle und es diesem Mitgliedstaat zudem erlaube, sich nach dem Untergang der RfA vor finanziellen Folgen zu schützen, die sich wegen des aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, in dem weite Teile Osteuropas unter deutsche Besatzung geraten seien, schier unüberschaubaren Kreises an potenziell berechtigten Personen kaum bewältigen ließen. Dieser Personenkreis lasse sich auch nicht durch andere objektive Kriterien als den Wohnsitz sinnvoll eingrenzen.

Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 über die Aufhebung der Wohnortklauseln um Maßnahmen zur Durchführung des Art. 42 EG handelt, die zur Herstellung der durch Art. 39 EG garantierten Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Bereich der sozialen Sicherheit ergriffen wurden (vgl. u.a. Urteile Jauch, Randnr. 20, und vom 11. September 2007, Hendrix, C-287/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 52). Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71, die den Bezug der vom zuständigen Staat zu erbringenden Leistungen der sozialen Sicherheit auch für den Fall sichern sollen, dass der Versicherte, der ausschließlich in seinem Herkunftsstaat gearbeitet hat, in einem anderen Mitgliedstaat wohnt oder seinen Wohnort dorthin verlegt, nicht nur zur Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 EG, sondern auch zur Gewährleistung der Freizügigkeit der Unionsbürger in der Europäischen Gemeinschaft nach Art. 18 EG beitragen (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteil vom 23. November 2000, Elsen, C-135/99, Slg. 2000, I-10409, Randnr. 35).

Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu Recht ausgeführt hat, führt die Weigerung der deutschen Behörden, die von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren während der streitigen Zeiträume gezahlten Beiträge bei der Berechnung der Leistungen bei Alter zu berücksichtigen, dazu, dass für die Betroffenen die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Union offensichtlich erschwert oder ausgeschlossen wird, und stellt damit eine Beschränkung dieser Freiheit dar.

Zu prüfen ist, ob eine solche Weigerung objektiv gerechtfertigt werden kann.

In Bezug auf die in Anhang IIa der Verordnung Nr. 1408/71 genannten beitragsunabhängigen Sonderleistungen hat der Gerichtshof entschieden, dass es dem Gemeinschaftsgesetzgeber freisteht, im Rahmen der Durchführung von Art. 42 EG Bestimmungen zu erlassen, die vom Grundsatz der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit abweichen. Insbesondere kann, wie der Gerichtshof bereits anerkannt hat, die Gewährung von Leistungen, die eng an das soziale Umfeld gebunden sind, legitimerweise von der Voraussetzung eines Wohnsitzes im Staat des zuständigen Trägers abhängig gemacht werden (vgl. u.a. Urteile vom 27. September 1988, Lenoir, 313/86, Slg. 1988, 5391, Randnr. 16, vom 4. November 1997, Snares, C-20/96, Slg. 1997, I-6057, Randnr. 42, und vom 6. Juli 2006, Kersbergen-Lap und Dams-Schipper, C-154/05, Slg. 2006, I-6249, Randnr. 33).

Das ist bei Leistungen der sozialen Sicherheit, die - wie in den Ausgangsverfahren - von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst werden, eindeutig nicht der Fall; sie sind offensichtlich nicht an das charakteristische soziale Umfeld des Mitgliedstaats, der sie eingeführt hat, gebunden und können damit nicht von einer Wohnsitzvoraussetzung abhängig gemacht werden. Würde man es dem zuständigen Mitgliedstaat unter diesen Umständen erlauben, sich auf Gründe der Integration in das soziale Leben dieses Mitgliedstaats zu berufen, um eine Wohnsitzklausel aufzustellen, liefe dies dem grundlegenden Ziel der Union, den Verkehr von Personen innerhalb der Union und deren Eingliederung in die Gesellschaft anderer Mitgliedstaaten zu fördern, direkt zuwider.

Im Übrigen hat der Gerichtshof zwar bereits anerkannt, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts eines Systems der sozialen Sicherheit derartige Beschränkungen rechtfertigen kann (vgl. u.a. Urteil vom 28. April 1998, Kohll, C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 41), doch ist festzustellen, dass die deutsche Regierung nicht nachgewiesen hat, inwieweit Wohnsitzverlegungen ins Ausland wie die in den Ausgangsverfahren vorgenommenen zu höheren finanziellen Belastungen für das deutsche Sozialversicherungssystem führen können.

Folglich verstößt es gegen Art. 42 EG, dass die Gewährung einer Leistung bei Alter wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende in Anwendung von Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 von der Voraussetzung des Wohnsitzes im Gebiet des zuständigen Mitgliedstaats abhängig gemacht wird.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG unvereinbar sind, soweit sie es zulassen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren Beitragszeiten, die in der Zeit von 1937 bis 1945 in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland liegen, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat.

Zur Vorlagefrage in der Rechtssache C-450/05

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen des Anhangs III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 mit den Art. 39 EG und 42 EG vereinbar sind und ob die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 dieser Verordnung mit der Freizügigkeit und insbesondere Art. 42 EG vereinbar sind, soweit es diese Bestimmungen zulassen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Beitragszeiten nach dem FRG, die in den Jahren 1953 bis 1970 in Rumänien zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn die Empfänger ihren Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.

Zur Gültigkeit der Bestimmungen des Anhangs III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71

Nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 bleiben die im Anhang III dieser Verordnung aufgeführten Bestimmungen der Abkommen über soziale Sicherheit ungeachtet des Art. 6 dieser Verordnung anwendbar, der bestimmt, dass diese Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs grundsätzlich an die Stelle von Abkommen über soziale Sicherheit tritt, die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind.

Nach Anhang III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 gilt Art. 4 Abs. 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 weiterhin, wenn die Leistungen am 1. Januar 1994 bereits erbracht werden oder erbracht werden können oder wenn die betreffende Person vor dem 1. Januar 1994 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich genommen hat und die Leistung aus der Renten- und Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1994 beginnt. Die Geltung des Art. 4 Abs. 1 ungeachtet des Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft die deutschen Rechtsvorschriften, die nach de n Angaben des vorlegenden Gerichts vorsehen, dass außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten keinen Anspruch auf Leistungen begründen beziehungsweise einen solchen Anspruch nur unter bestimmten Bedingungen begründen, wenn die Leistungsempfänger nicht in diesem Gebiet wohnen.

Diese Bestimmungen des Anhangs III entsprechen denen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b des am 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen deutsch-österreichischen Abkommens von 1995, wonach Art. 4 Abs. 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 in den in diesem Anhang genannten Fällen anwendbar bleibt.

Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts wird die Situation von Herrn Wachter, für die nach keiner der einschlägigen Bestimmungen des SGB VI eine Zahlung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen ins Ausland vorgesehen ist, auch nicht von einem der oben angeführten Fälle erfasst, da sein Anspruch auf eine Altersrente erst mit dem 1. August 1999 entstanden ist.

Vor dem vorlegenden Gericht hat Herr Wachter geltend gemacht, dass er sich zwar bis zum 1. Januar 1994, dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 für die Republik Österreich (vgl. Randnr. 94 des vorliegenden Urteils), auf Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 habe berufen können, um in den Genuss der dort ausgesprochenen Aufhebung der Wohnortklausel zu kommen, dass aber die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 nach ihrem Art. 6 zur Folge gehabt habe, dass diese Verordnung an die Stelle des entsprechenden Abkommens getreten sei.

Zwar sieht Art. 7 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 ungeachtet des Art. 6 dieser Verordnung vor, dass die im Anhang III dieser Verordnung aufgeführten Bestimmungen der Abkommen über soziale Sicherheit anwendbar bleiben. Allerdings erfüllt Herr Wachter, wie oben ausgeführt, nicht die in Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e dieses Anhangs aufgestellten Voraussetzungen, um in den Genuss von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 und damit der Zahlung von Leistungen bei Alter nach dem FRG zu kommen, wenn er seinen Wohnsitz nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

Um dem vorlegenden Gericht zu antworten, ist zu prüfen, ob eine Situation wie die des Klägers des Ausgangsverfahrens entgegen der von der Rentenversicherung Bund und der deutschen Regierung vertretenen These in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1408/71 am 1. Januar 1994 aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) für die Republik Österreich anwendbar wurde und seit dem 1. Januar 1995 für diesen Mitgliedstaat als Mitglied der Union gilt.

Nach Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 kann sich eine Person in der Lage von Herrn Wachter darauf berufen, dass für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung - im vorliegenden Fall ab dem 1. August 1999 - sämtliche Versicherungs-, Beschäftigungs- und Wohnzeiten berücksichtigt werden, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor Anwendung dieser Verordnung zurückgelegt worden sind.

Sodann wird, wie sich aus den Randnrn. 56 und 57 des vorliegenden Urteils ergibt, eine Person in der Situation von Herrn Wachter, bei dem es sich um einen österreichischen Arbeitnehmer im Ruhestand handelt, der nach deutschen Rechtsvorschriften Leistungen bei Alter beansprucht, vom persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 entsprechend seiner Definition in Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung erfasst, wonach diese u.a. „für Arbeitnehmer und Selbständige [gilt], für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind“.

Der Umstand, dass sich Herr Wachter, nachdem er Rumänien verlassen hatte, 1970 in Österreich niederließ, ohne anschließend in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt oder gearbeitet zu haben, ändert nichts an diesem Ergebnis, insbesondere deshalb, weil sich der Betroffene auf Altersrente zu seinen Gunsten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen seines Wohnsitzes beruft (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteil vom 10. Mai 2001, Rundgren, C-389/99, Slg. 2001, I-3731, Randnr. 35).

Die Rentenversicherung Bund und die deutsche Regierung vertreten den Standpunkt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen, die auf dem FRG beruhten, nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst würden, da sie „Leistungssysteme[n] für Opfer des Krieges und seiner Folgen“ zuzuordnen seien, die nach Art. 4 Abs. 4 dieser Verordnung von deren Anwendungsbereich ausgenommen seien.

Die deutsche Regierung trägt dazu vor, dass die bei einem ausländischen Rentenversicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten dann als deutsche Versicherungszeiten angerechnet werden könnten, wenn der Versicherte u.a. zu den nach dem BVG anerkannten Vertriebenen und Spätaussiedlern gehöre, also insbesondere zu den Personen, die als deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige ihren Wohnsitz in den deutschen Ostgebieten oder im Ausland gehabt hätten und diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs infolge Vertreibung, insbesondere durch Ausweisung oder Flucht, verloren hätten.

Diese Regelung sei vor dem Hintergrund der Situation der deutschen Minderheiten in Osteuropa und Mittelasien zu sehen, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg ein besonders schweres Schicksal erlitten hätten. Aufgrund dieses Umstands erkenne die Bundesrepublik Deutschland für ihr Schicksal eine besondere Verantwortung an. Diese Verantwortung werde wahrgenommen, indem zum einen die Betroffenen entscheiden könnten, ob sie ihre Zukunft in ihrer derzeitigen Heimat gestalten oder im Rahmen der gesetzlichen Aufnahmebestimmungen nach Deutschland aussiedeln möchten, und indem zum anderen eine sozialverträgliche Integration der nach Deutschland Ausgesiedelten gefördert werde.

Das FRG sei Teil dieser Integrationsmaßnahmen, und die Betroffenen würden im Prinzip so gestellt, als hätten sie ihr Arbeitsleben in Deutschland zurückgelegt. Ihre bei einem ausländischen Rentenversicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten würden in das deutsche Rentenrecht integriert und in Höhe des deutschen Rentenniveaus entschädigt.

Diese Integration sei erforderlich, weil entweder die zuständigen ausländischen Versicherungsträger ihre Renten nicht exportierten oder die ausländischen Exportrenten nicht ausreichten, um den Betroffenen in Deutschland ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu garantieren. Die Leistungen aus FRG-Zeiten seien dazu bestimmt, einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen das Risiko bei Alter zu gewähren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in Deutschland stehe.

Außerdem sei die Gewährung von Leistungen aus FRG-Zeiten im Inland nicht davon abhängig, dass die Betroffenen Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt hätten. Der Bund erstatte den Trägern der Rentenversicherung nach § 291b SGB VI aus öffentlichen Mitteln die Aufwendungen für diese Leistungen. Materiell stellten diese eine Kompensation für die durch NS-Herrschaft und Krieg entstandenen Nachteile dar, sie seien jedoch in eine sozialversicherungsrechtliche Form eingekleidet worden, um die Integration der betroffenen Bevölkerungsteile sowohl auf psychologischer Ebene als auch wirtschaftlich zu erleichtern.

Diese Rechtsvorschriften seien historisch bedingt und nur vor dem Hintergrund der Bewältigung von Kriegsfolgelasten zu verstehen. Im Übrigen beruhten die Leistungen auf dem Integrationsprinzip und der nationalen Anerkennung für das erlittene Vertreibungsschicksal sowie der Milderung von hierdurch entstandenen Härten. Ihnen stünden jedoch keine an einen Träger im heutigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gezahlten Beiträge gegenüber. Der genannte Integrationsgedanke habe auch heute, mehr als 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, weiterhin Gültigkeit.

Folglich seien die in den Urteilen Fossi und Tinelli aufgestellten Kriterien weiterhin sachgerecht. Die streitigen Renten, die in der Vertriebenengesetzgebung wurzelten und auch heute ungeachtet der inzwischen verstrichenen Zeit noch den Zweck verfolgten, die von den Kriegsfolgen Betroffenen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, seien nach diesen Kriterien als „Leistungssysteme für Opfer des Krieges“ einzuordnen.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Wie in Randnr. 63 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, kann eine Leistung dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird und wenn sie sich auf eines der in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht.

Ferner ergibt sich aus der in Randnr. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Bestimmungen wie die des Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 eng auszulegen sind.

Es trifft zwar zu, dass im Fall von Leistungen, die auf FRG-Beitragszeiten beruhen, anders als bei den in den Rechtssachen C-396/05 und C-419/05 in Rede stehenden Leistungen keine Beiträge in Anwendung der deutschen Gesetze über die Rentenversicherung gezahlt wurden, doch folgt daraus nicht, dass die auf FRG-Zeiten beruhenden Leistungen von den Leistungen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeschlossen sind.

Es steht fest, dass mit dem FRG bezweckt wird, die Versicherten, die Beitragszeiten im Sinne dieses Gesetzes zurückgelegt haben, in das deutsche gesetzliche Rentenversicherungssystem zu integrieren; sie werden so gestellt, als hätten sie diese Versicherungszeiten in Deutschland zurückgelegt.

Wenn es im Übrigen Situationen gibt, in denen die nach dem FRG gezahlten Leistungen als Leistungen zur Milderung schwieriger Situationen angesehen werden können, die durch die Ereignisse im Zusammenhang mit der NS-Herrschaft und dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, so ist dies in einer Situationen wie der von Herr Wachter nicht der Fall.

Hinzu kommt, dass die Zahlung der streitigen Leistungen an Empfänger, die ihren Wohnsitz nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben, keine Ermessenssache ist, und sei es nur deshalb, weil § 272 Abs. 1 und 2 SGB VI bestimmt, dass Renten, die auf FRG-Beitragszeiten beruhen, in der Regel ins Ausland gezahlt werden, wenn die Berechtigten vor dem 19. Mai 1950 geboren sind und vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland genommen haben.

Unabhängig davon, dass Beiträge an Versicherungsträger eines Drittstaats gezahlt wurden, können die streitigen Leistungen nicht als Leistungen für Opfer des Krieges und seiner Folgen im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71 angesehen werden.

Folglich müssen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen angesichts der in den Randnrn. 110 bis 112 des vorliegenden Urteils dargelegten Merkmale ebenso wie die in den Rechtssachen C-396/05 und C-419/05 in Rede stehenden als Leistungen bei Alter und an Hinterbliebene im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 1408/71 angesehen werden, so dass diese Verordnung grundsätzlich anwendbar ist, insbesondere ihr Art. 10, wonach die Aufhebung der Wohnortklauseln gewährleistet wird, „sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist“.

Wie bereits ausgeführt worden ist, sieht Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gerade vor, dass Art. 10 dieser Verordnung nicht die Rechtsvorschriften berührt, nach denen aus Zeiten, die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind, Leistungen an Berechtigte außerhalb dieses Gebiets nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt werden.

Eine Person in der Lage von Herrn Wachter kommt daher nicht in den Genuss des Anspruchs auf Zahlung der streitigen Leistungen, wenn sie außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland wohnt. Erstens lässt es Anhang VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zu, die Berücksichtigung von Zeiten, die außerhalb des Gebiets dieses Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, vom Wohnsitz im Gebiet dieses Staates abhängig zu machen. Zweitens kann der Betroffene nicht nach Art. 4 Abs. 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 die Aufhebung der Wohnortklausel verlangen, da Anhang III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 eine Situation wie die von Herrn Wachter nicht erfasst. Drittens werden in Art. 14 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1995 nur die genannten Bestimmungen des Anhangs III übernommen.

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob eine solche Situation nicht zur Unvereinbarkeit der Bestimmungen dieses Anhangs III mit den Art. 39 EG und 42 EG führt, da der Verlust des Anspruchs eines Begünstigten wie Herr Wachter auf Leistungen bei Alter nach dem FRG aus der fehlenden Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 infolge des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 in Österreich und des seit dem 1. Oktober 1998 geltenden deutsch-österreichischen Abkommens von 1995 folgt.

In den Randnrn. 22, 23 und 29 des Urteils vom 7. Februar 1991, Rönfeldt (C-227/89, Slg. 1991, I-323), hat der Gerichtshof entschieden, dass die Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 1408/71 zwar klar erkennen lassen, dass der Grundsatz, wonach die Verordnung Nr. 1408/71 an die Stelle der Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Mitgliedstaaten tritt, zwingend ist und abgesehen von in der Verordnung ausdrücklich geregelten Fällen keine Ausnahmen zulässt, dass aber zu prüfen bleibt, ob eine solche Verdrängung der früheren Regelung auch dann mit dem in den Art. 39 EG und 42 EG niedergelegten Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vereinbar ist, wenn die Arbeitnehmer dadurch hinsichtlich bestimmter Rechte schlechter gestellt werden. Diese Artikel sind nämlich dahin auszulegen, dass betroffene Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit nicht deshalb verlieren dürfen, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 unanwendbar geworden sind.

Der Gerichtshof hat später klargestellt, dass dieser Grundsatz allerdings keine Anwendung auf Arbeitnehmer findet, die ihr Recht auf Freizügigkeit erst nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeübt haben (vgl. u.a. Urteil vom 9. November 1995, Thévenon, C-475/93, Slg. 1995, I-3813, Randnr. 28).

Im Ausgangsrechtsstreit steht fest, dass sich der Betroffene in Österreich niedergelassen hat, um dort zu leben und zu arbeiten, bevor die Verordnung Nr. 1408/71, deren Bestimmungen - von Ausnahmen abgesehen - an die Stelle derjenigen des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 getreten sind, in diesem Mitgliedstaat in Kraft getreten ist. Es ist nicht zulässig, dass durch diese Verdrängung gegebenenfalls einer Person in der Situation von Herrn Wachter die sich für sie aus diesem Abkommen ergebenden Ansprüche und Vorteile genommen werden.

Der Umstand, dass eine solche Person nicht zwischen zwei Mitgliedstaaten umgezogen ist, sondern in Rumänien gearbeitet und gelebt hatte, bevor sie sich in Österreich niedergelassen und dort gearbeitet hat, ohne jemals in einem anderen Mitgliedstaat gelebt oder gearbeitet zu haben, steht der Anwendung der Art. 39 EG und 42 EG nicht entgegen.

Wie der Gerichtshof in Randnr. 15 des Urteils vom 30. April 1996, Boukhalfa ( C-214/94, Slg. 1996, I-2253), ausgeführt hat, können Gemeinschaftsvorschriften auf eine außerhalb des Gemeinschaftsgebiets ausgeübte Berufstätigkeit anwendbar sein, wenn das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zu diesem Gebiet behält (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteile vom 12. Juli 1984, Prodest, 237/83, Slg. 1984, 3153, Randnr. 6, vom 27. September 1989, Lopes da Veiga, 9/88, Slg. 1989, 2989, Randnr. 15, und vom 29. Juni 1994, Aldewereld, C-60/93, Slg. 1994, I-2991, Randnr. 14). Dieser Grundsatz ist dahin gehend zu verstehen, dass er auch für Fälle gilt, in denen das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zum Recht eines Mitgliedstaats und damit zu den einschlägigen Regeln des Gemeinschaftsrechts besitzt.

So verhält es sich in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens. Zum einen wurden die von dem Betroffenen bis 1970 in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten entsprechend seiner Stellung als Vertriebener im Sinne des BVG Beitragszeiten nach deutschem Recht gleichgestellt. Zum anderen finden, wenn eine Person in der Situation von Herrn Wachter sich im Jahr 1970 in Österreich niedergelassen hat, um dort zu leben und zu arbeiten, wobei sie zugleich aufgrund des deutsch-österreichischen Abkommens von 1966 bei Erreichen des Rentenalters im Jahr 1999 einen Anspruch auf deutsche Leistungen bei Alter aus den FRG-Zeiten hat, die Regelungen über die Freizügigkeit auf eine solche Situation Anwendung.

Daher ist im Ergebnis festzustellen, dass der aus der Anwendung von Anhang III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 und dem deutsch-österreichischen Abkommen von 1995 folgende Verlust des Anspruchs auf Leistungen bei Alter nach dem deutsch-österreichischen Abkommen von 1966 trotz des Umstands, dass der Betroffene sich in Österreich vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 in diesem Mitgliedstaat niedergelassen hat, gegen die Art. 39 EG und 42 EG verstößt.

Somit ist auf den ersten Teil der vorgelegten Frage zu antworten, dass die Bestimmungen des Anhangs III Teil A und Teil B jeweils Nr. 35 Buchst. e der Verordnung Nr. 1408/71 mit den Art. 39 EG und 42 EG unvereinbar sind, soweit sie es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo der Begünstigte in Österreich wohnt, zulassen, dass Beitragszeiten nach dem FRG, die in den Jahren 1953 bis 1970 in Rumänien zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

Zur Gültigkeit des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71

Es steht fest, dass die Verlegung des Wohn- und Arbeitsorts von Herrn Wachter in einen anderen Mitgliedstaat als die Bundesrepublik Deutschland zur Folge hatte, dass bei seiner Altersrente die von ihm von September 1953 bis Oktober 1970 in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten nicht berücksichtigt wurden. Eine solche Folge, die durch die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zugelassen wird, erschwert oder verhindert es sogar, dass der Betroffene sein Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union ausübt, und stellt daher eine Beschränkung dieser Freiheit dar.

Zur Rechtfertigung dieser Nichtberücksichtigung führen die Rentenversicherung Bund und die deutsche Regierung im Wesentlichen die Gründe an, die sie im Rahmen der Rechtssachen C-396/05 und C-419/05 in Bezug auf Beitragszeiten geltend gemacht haben, die in Teilen des Geltungsgebiets der Sozialversicherungsgesetze des Deutschen Reichs zurückgelegt wurden (vgl. Randnr. 77 des vorliegenden Urteils).

Aus den in den Randnrn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils genannten Gründen ist diese Argumentation zurückzuweisen, da die deutsche Regierung nicht nachgewiesen hat, dass die Berücksichtigung der streitigen Beiträge bei der Berechnung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen bei Alter signifikante Auswirkungen auf die Finanzierung des deutschen Sozialversicherungssystems hätte.

Somit ist auf den zweiten Teil der vorgelegten Frage zu antworten, dass die Bestimmungen des Anhangs VI Teil C Nr. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 mit der Freizügigkeit und insbesondere mit Art. 42 EG unvereinbar sind, soweit sie es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zulassen, dass Beitragszeiten nach dem FRG, die in den Jahren 1953 bis 1970 in Rumänien zurückgelegt wurden, nur dann für die Zahlung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn der Empfänger seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat.

Kosten

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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