1 BvL 17/89
Tenor
§ 10 a Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, eingefügt durch Artikel 2 Nummer 5 des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 (Bundesgesetzbl. I S. 2317), ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er bestimmt, daß eine Abweichung nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn sie 10 vom Hundert des Wertes der durch die abzuändernde Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte übersteigt.
Gründe
A.
I.
1. Mit dem Versorgungsausgleich, der durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) eingeführt wurde, werden im Fall der Scheidung die während der Ehe erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung zwischen den Ehegatten aufgeteilt (§§ 1587 ff. BGB). Der Versorgungsausgleich ist im Verfahrensverbund mit der Ehescheidung durchzuführen (§ 623 ZPO). Grundsatz ist der öffentlichrechtliche Versorgungsausgleich, bei dem Anwartschaften des Ausgleichspflichtigen auf den Ausgleichsberechtigten übertragen oder für diesen Anwartschaften begründet werden. Hierfür wird der Wert der von beiden Partnern in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf das Ehezeitende berechnet und der Unterschiedsbetrag zwischen den Ehegatten aufgeteilt (§ 1587 a BGB). Diese Ausgestaltung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs führt dazu, daß - soweit nicht schon der Versorgungsfall eingetreten ist - Anwartschaften und Aussichten aufgeteilt werden, die fiktiv errechnet sind und deren endgültiger Wert noch nicht sicher feststeht. Bis zum Eintritt des Versorgungsfalls können sich Abweichungen sowohl aufgrund tatsächlicher Entwicklungen als auch aus Änderungen des für den Wert einer Versorgung maßgeblichen Rechts ergeben.
2. Nachdem zunächst die Möglichkeit, in solchen Fällen die frühere Entscheidung über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich abzuändern, nicht vorgesehen worden war, fügte das Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2317) in das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105) den § 10 a ein, der eine Abänderung von Entscheidungen über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich ermöglicht, wenn sich ein von der früheren Entscheidung abweichender Wertunterschied ergibt. Absatz 2 der Vorschrift macht die Abänderung jedoch davon abhängig, daß die Abweichung "wesentlich" ist. Dafür ist Voraussetzung, daß sie 10 vom Hundert des Wertes der insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte übersteigt.
Die Vorschrift lautet:
§ 10a
(1) Das Familiengericht ändert auf Antrag seine Entscheidung entsprechend ab, wenn
1. ein im Zeitpunkt des Erlasses der Abänderungsentscheidung ermittelter Wertunterschied von dem in der abzuändernden Entscheidung zugrunde gelegten Wertunterschied abweicht, oder
2. ein in der abzuändernden Entscheidung als verfallbar behandeltes Anrecht durch Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, weil es unverfallbar war oder nachträglich unverfallbar geworden ist, oder
3. ein von der abzuändernden Entscheidung dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich überlassenes Anrecht durch Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, weil die für das Anrecht maßgebende Regelung eine solche Begründung bereits vorsah oder nunmehr vorsieht.
(2) Die Abänderung findet nur statt, wenn
1. sie zur Übertragung oder Begründung von Anrechten führt, deren Wert insgesamt vom Wert der durch die abzuändernde Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte wesentlich abweicht, oder
2. durch sie eine für die Versorgung des Berechtigten maßgebende Wartezeit erfüllt wird, und
3. sie sich voraussichtlich zugunsten eines Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirkt.
Eine Abweichung ist wesentlich, wenn sie 10 vom Hundert des Wertes der durch die abzuändernde Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte, mindestens jedoch 0,5 vom Hundert des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) übersteigt.
(3) Eine Abänderung findet nicht statt, soweit sie unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere des Versorgungserwerbs nach der Ehe, grob unbillig wäre.
(4) Antragsberechtigt sind die Ehegatten, ihre Hinterbliebenen und die betroffenen Versorgungsträger.
(5) Der Antrag kann frühestens in dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem einer der Ehegatten das 55. Lebensjahr vollendet hat oder der Verpflichtete oder seine Hinterbliebenen aus einer auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzten Versorgung oder der Berechtigte oder seine Hinterbliebenen auf Grund des Versorgungsausgleichs Versorgungsleistungen erhalten.
(6) bis (12) ...
Die Bestimmung trat gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes am 1. Januar 1987 in Kraft; die in § 13 Abs. 2 VAHRG vorgesehene Befristung bis zum 31. Dezember 1994 wurde inzwischen durch Art. 30 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG -) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606, 1702) aufgehoben.
II.
1. Die Ehe der Parteien des Ausgangsverfahrens wurde 1978 geschieden. Der Ehemann war Strahlflugzeugführer. Nach der im Scheidungsverfahren eingeholten Auskunft des Wehrbereichsgebührnisamtes belief sich der Ehezeitanteil seiner Anwartschaft auf Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz auf monatlich 1.040,26 DM. Diese Berechnung bezog sich auf den 31. August 1977 als Ehezeitende; ihr lag die Annahme zugrunde, daß der Ehemann mit Vollendung des 41. Lebensjahres gemäß § 45 Abs. 2 Soldatengesetz aus dem aktiven Dienst ausscheiden würde. Die Ehefrau hatte nach dem damals geltenden Recht keine Versorgungsanwartschaften erworben. Das Amtsgericht führte im Scheidungsurteil den Versorgungsausgleich in der Weise durch, daß es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes aus dem Soldatenverhältnis Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 520,10 DM auf einem für die Ehefrau zu errichtenden Versicherungskonto begründete.
Im Ausgangsverfahren begehrte der Ehemann die Abänderung dieser Entscheidung, weil die ihr zugrundeliegenden Annahmen nicht mehr zuträfen. Da er drei Jahre länger im Dienst verblieben sei, habe sich der Ruhegehaltssatz zwar von 57 auf 63 vom Hundert erhöht, gleichzeitig habe sich aber der Ehezeitanteil seiner Versorgung verringert, so daß nur ein geringerer Betrag auszugleichen sei. Da sein Ruhegehalt bereits gekürzt wurde - im Jahre 1988 um monatlich 744,52 DM -, beantragte er, die frühere Entscheidung auch dann abzuändern, wenn die Abweichung weniger als 10 vom Hundert betragen sollte.
Die vom Amtsgericht eingeholten Auskünfte ergaben, daß der Ehezeitanteil der Versorgung des Ehemannes nunmehr 1.006,03 DM monatlich betrug, während die Ehefrau in der Ehezeit für die Erziehung der zwei Kinder der Parteien Rentenanwartschaften in Höhe von 37,90 DM erworben hatte.
2. Das Amtsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Aus den neuen Auskünften ergebe sich ein zwischen den Ehegatten auszugleichender Unterschiedsbetrag von 968,13 DM, so daß ein Ausgleich nunmehr nur in Höhe eines Betrags von 484,06 DM vorzunehmen sei. Die Abweichung gegenüber dem ursprünglichen Ausgleichsbetrag belaufe sich auf 36,04 DM oder 6,93 vom Hundert. Das Gericht halte diese Abweichung für wesentlich und eine Abänderung der früheren Entscheidung für geboten, sehe sich daran jedoch durch die zur Prüfung gestellte Norm gehindert.
Diese sei mit dem Willkürverbot nicht vereinbar. Der Umstand, daß die Vorschrift über die nachträgliche Abänderung von Entscheidungen die Durchbrechung der Rechtskraft ermögliche, entbinde den Gesetzgeber nicht von der Verpflichtung, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtskraftdurchbrechung willkürfrei zu regeln.
Die Vorschrift führe dazu, daß bei einem geringen Ausgleichsbetrag in der früheren Entscheidung praktisch jede Veränderung eine Abänderung zur Folge habe, während bei einem hohen Ausgleichsbetrag viele Umstände zusammenkommen müßten, um eine Abänderung zu ermöglichen. Sachliche Gründe dafür, daß etwa bei einem Ausgleichsbetrag von 50 DM schon die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für ein Kind zur Abänderung führe, bei einem ursprünglichen Ausgleichsbetrag von 600 DM aber selbst Kindererziehungszeiten für zwei Kinder nicht ausreichten, um die Wesentlichkeitsgrenze zu überschreiten, seien nicht ersichtlich. Die Erwägung, daß bei einem hohen Ausgleichsbetrag auch die wirtschaftlichen Verhältnisse regelmäßig besser seien, könne die gesetzliche Regelung nicht tragen. Ein niedriger Ausgleichsbetrag beruhe oft nicht auf schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern darauf, daß die Ehe von kurzer Dauer gewesen sei; umgekehrt deute ein relativ hoher Ausgleichsbetrag nicht regelmäßig auf gute Einkommensverhältnisse hin, sondern könne auch für eine lange Ehedauer sprechen. Somit sei davon auszugehen, daß zwischenzeitliche Änderungen die Beteiligten in gleicher Weise träfen, unabhängig davon, wie hoch der ursprüngliche Ausgleichsbetrag gewesen sei. Die Wahl eines absoluten Betrages als Erheblichkeitsschwelle statt einer Anknüpfung an die frühere Entscheidung hätte um so näher gelegen, als der Gesetzgeber auch an anderer Stelle an absolute Größen angeknüpft habe, wie etwa bei der Bagatellgrenze des § 3 c VAHRG oder bei der absoluten Mindestgrenze in § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG (0,5 vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV).
III.
1. Der Bundesminister der Justiz, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG für verfassungsgemäß; das Willkürverbot werde nicht verletzt.
Die mit dem Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs eingeführte Möglichkeit der Totalrevision früherer Entscheidungen über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich stelle eine Durchbrechung der Rechtskraft zur Verwirklichung materieller Gerechtigkeit dar. Trete der Grundsatz der Rechtssicherheit mit dem Gebot der Gerechtigkeit in Widerstreit, sei es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welchem der beiden Prinzipien in welchem Umfang der Vorzug gegeben werden solle. Mit dem Erfordernis einer wesentlichen Abweichung von der früheren Entscheidung als Voraussetzung für eine Abänderung habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, der materiellen Gerechtigkeit hinreichend Raum zu geben, andererseits aber die geschiedenen Ehegatten nicht noch über Jahre hinaus in Streitigkeiten über ihre aktuellen persönlichen Verhältnisse zu verstricken und die Familiengerichte nicht mit Abänderungsbegehren wegen bloßer Bagatellbeträge zu belasten. Die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Begrenzungskriterien seien vernünftig und führten nicht zu sachwidriger Ungleichbehandlung. Die Wesentlichkeit eines Betrages lasse sich nicht allgemein, sondern nur anhand der individuellen Verhältnisse beurteilen. Der Wert der durch die frühere Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte biete hierfür eine sachgerechte Grundlage. Die prozentuale Anknüpfung an den Bezugspunkt entspreche den von der Rechtsprechung für die Abänderungsklage nach § 323 ZPO entwickelten Maßstäben. Sie gewährleiste als notwendigerweise typisierende Regelung, daß in größtmöglichem Maße objektiv den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten Rechnung getragen werde. Eine starre, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles außer Betracht lassende Bezugsgröße wäre eher dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die zur Prüfung gestellte Vorschrift ebenfalls für mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Angesichts der sehr weitgehenden Abänderungsmöglichkeit sei es sachgerecht gewesen, eine Wesentlichkeitsgrenze vorzusehen. Eine weitergehende Zulassung der Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen über den Versorgungsausgleich würde im Hinblick auf die große Zahl der Scheidungen zu einer erheblichen Mehrbelastung der Gerichte führen. Daher habe der Gesetzgeber in § 10 a VAHRG eine für den Einzelfall im Interesse der gesamten Rechtspflege zumutbare Grenze ziehen müssen.
Es dürfte auch vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfaßt sein, daß bei der Festlegung dieser Grenze nicht nur an absolute Werte angeknüpft, sondern auch die Höhe der durch die frühere Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte berücksichtigt werde. Ein Bagatellfall liege vor, wenn die Auswirkungen für die betroffenen Personen keine oder nur untergeordnete Bedeutung hätten. Bei dieser Beurteilung spielten nicht nur absolute Werte, sondern auch die jeweiligen individuellen Verhältnisse eine Rolle. So könne bei einem hohen ursprünglichen Ausgleichsbetrag ein Betrag noch als Bagatelle empfunden werden, der bei einem geringen ursprünglichen Ausgleichsbetrag durchaus schon ins Gewicht falle. Eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse bei der Festlegung der Wesentlichkeitsgrenze sei daher wohl verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Durchsetzung materieller Gerechtigkeit sei hinreichend Raum gegeben.
B.
Die Vorlage ist zulässig. Die Vorlagefrage ist jedoch gegenüber dem Tenor des Beschlusses einzuschränken. Aus den Gründen ergibt sich, daß § 10 a Abs. 2 Satz 2 VAHRG nur insoweit entscheidungserheblich ist - und daß das Gericht ihn auch lediglich insoweit für verfassungswidrig erachtet -, als er bestimmt, daß die Abweichung von der früheren Entscheidung nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn sie 10 vom Hundert übersteigt; die absolute Mindestgrenze von 0,5 vom Hundert der Bezugsgröße ist daher nicht Gegenstand der Prüfung.
C.
§ 10a Abs. 2 Satz 2 VAHRG ist, soweit er bestimmt, daß eine Abweichung von der früheren Entscheidung nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn sie 10 vom Hundert der insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte übersteigt, mit dem Grundgesetz - noch - vereinbar.
I.
Prüfungsmaßstab sind vorrangig Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und - soweit Anwartschaften auf Beamtenversorgung betroffen sind - Art. 33 Abs. 5 GG. Die Regelung über die Abänderbarkeit von Entscheidungen über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich ist wesentlicher Bestandteil einer zulässigen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Die Begrenzung der Möglichkeit, die ursprüngliche Entscheidung zu korrigieren, kann im Ergebnis zu einer Verkürzung von Eigentumspositionen führen, die den an Eigentumsbeschränkungen zu stellenden Anforderungen genügen muß.
1. Anwartschaften auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung genießen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Gleiches gilt für Anwartschaften auf Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz, während sich für Anwartschaften auf Beamtenversorgung ein ähnlicher Schutz aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt (BVerfGE 53, 257 <293 und 306>). Die mit dem Versorgungsausgleich verbundene Kürzung der Anwartschaften des Ausgleichspflichtigen ist ein - häufig schwerwiegender - Eingriff in derart geschützte Rechtspositionen, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Diese ergibt sich für den Regelfall aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG (BVerfG, a.a.O., S. 296). Der Gedanke, daß die während der Ehe nach Maßgabe der vereinbarten Arbeitsteilung gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsanwartschaften gleichmäßig auf beide Partner zu verteilen sind, trägt aber nur, soweit der Versorgungsausgleich wirklich zu einer gleichen Aufteilung des Erworbenen führt. Kürzungen der Versorgung, die dem Halbteilungsprinzip nicht entsprechen, können grundsätzlich nicht auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gestützt werden.
Die nähere Ausgestaltung der Vorschriften über den Versorgungsausgleich und seine Durchführung ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser durfte dem Grundsatz der gleichmäßigen Aufteilung des in der Ehe Erworbenen zunächst in der Weise Rechnung tragen, daß er den Ausgleich der für die Ehezeit - fiktiv - errechneten Anwartschaften und Aussichten im Zusammenhang mit der Scheidung anordnete. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß er den sofortigen Vollzug des Versorgungsausgleichs vorgesehen hat. Für eine solche Ausgestaltung spricht vor allem das Interesse des Ausgleichsberechtigten an einer sofortigen sozialen Absicherung. Außerdem dient die Durchführung des Versorgungsausgleichs im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung dazu, beiden Ehegatten Klarheit über ihre versorgungsrechtliche Situation zu verschaffen und die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen möglichst umfassend und abschließend zu regeln (vgl. BVerfGE 53, 257 <301 f.>).
2. Diese Erwägungen rechtfertigen es jedoch nicht, spätere Änderungen der Entscheidung über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich völlig auszuschließen. Da in den meisten Fällen die Versorgungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Scheidung noch nicht erfüllt sind, werden bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs Anrechte verteilt, deren Wert noch nicht endgültig feststeht und sich bis zum Versorgungsfall erheblich ändern kann. Stellt sich später heraus, daß die ausgeglichenen Anrechte gar nicht oder nicht in der angenommenen Höhe entstanden sind oder daß der Ausgleichsberechtigte Anwartschaften erworben hat, die beim Versorgungsausgleich unberücksichtigt geblieben sind, so führt der Versorgungsausgleich zu einer Kürzung der Versorgung des Ausgleichspflichtigen, die nicht mehr durch den Grundsatz der gleichmäßigen Aufteilung des in der Ehe Erworbenen gerechtfertigt ist.
Das Vertrauen des Ausgleichsberechtigten auf den Fortbestand der ihm übertragenen oder für ihn begründeten Anrechte rechtfertigt es ebenfalls nicht, eine spätere Änderung völlig auszuschließen. Beide Ehegatten wissen im Zeitpunkt der Scheidung, daß der Wert der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anwartschaften noch nicht endgültig feststeht und sich durch Gesetzesänderungen oder auch durch tatsächliche Umstände ändern kann. Der Gedanke einer gleichberechtigten Teilhabe gilt seinem Sinn nach für das tatsächlich während der Ehe Erworbene und nicht für fiktive Anrechte. Die Schmälerung der Versorgung des Ausgleichspflichtigen muß grundsätzlich auch noch im Versorgungsfall nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG zu rechtfertigen sein. Fällen, in denen eine spätere Korrektur der ursprünglichen Entscheidung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Ausgleichspflichtigen für den Ausgleichsberechtigten unbillig erscheint, kann durch eine Härteklausel hinreichend Rechnung getragen werden, wie sie in § 10 a Abs. 3 VAHRG vorgesehen ist.
Auf das Prinzip der Rechtssicherheit, aus dem die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen folgt (vgl. BVerfGE 15, 313 <319>), kann der völlige Ausschluß der Abänderbarkeit von Entscheidungen über den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich ebenfalls nicht gestützt werden. Zwar kommt dem Interesse an Rechtssicherheit gerade bei Fragen der Altersversorgung große Bedeutung zu. Andererseits hat das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung aber von vornherein geringeres Gewicht, wenn die rechtskräftige Entscheidung nicht einen abgeschlossenen Sachverhalt betrifft, sondern Anrechte, die noch Veränderungen erfahren können, so daß ihr endgültiger Wert noch nicht feststeht. Bei allem ist zu berücksichtigen, daß mit dem Versorgungsausgleich in Rechtspositionen des Ausgleichspflichtigen eingegriffen wird, die Eigentumsschutz genießen, und daß der Eingriff durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG nur insoweit legitimiert wird, als er die Hälfte der wirklich in der Ehezeit erworbenen Versorgung erfaßt.
Der Gesetzgeber war daher von Verfassungs wegen verpflichtet, die Möglichkeit einer Korrektur für die Fälle zu eröffnen, in denen sich später herausstellt, daß die mit dem Versorgungsausgleich verteilten Anrechte nicht oder nicht in voller Höhe entstanden oder daß tatsächlich entstandene Anrechte des Ausgleichsberechtigten unberücksichtigt geblieben sind. Anderenfalls würde der rechtskräftig vollzogene Versorgungsausgleich durch nachträglich eintretende Umstände zu Ergebnissen führen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind (vgl. auch BVerfGE 53, 257 <302>).
Soweit § 10a VAHRG die hier erörterten Fälle regelt, trägt er somit einem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung. Mit der gleichzeitigen Begrenzung der Abänderbarkeit früherer Entscheidungen in Absatz 2 entfaltet die Regelung jedoch auch eigentumsbeschränkende Wirkung; denn aus ihr ergibt sich, in welchem Umfang der Ausgleichspflichtige Kürzungen seiner Versorgung über den Halbteilungsgrundsatz hinaus hinnehmen muß.
II.
Der Gesetzgeber hat sich mit der Konkretisierung der Wesentlichkeitsgrenze in § 10 a Abs. 2 Satz 2 erste Alternative VAHRG noch im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis gehalten. Er muß jedoch die Auswirkungen der Vorschrift weiter beobachten und die Regelung gegebenenfalls nachbessern.
1. Die Wesentlichkeitsgrenze soll verhindern, daß die geschiedenen Eheleute unnötig in neue gerichtliche Auseinandersetzungen hineingezogen und die Familiengerichte mit Verfahren belastet werden, die bloße Bagatellbeträge betreffen (vgl. BTDrucks. 10/6369, S. 22). Diese Zwecke rechtfertigen es, dem Ausgleichspflichtigen in begrenztem Umfang Kürzungen seiner Altersversorgung zuzumuten, die nicht mehr durch den Gedanken der gleichmäßigen Aufteilung des in der Ehe Erworbenen gerechtfertigt sind. Auch wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit hier geringeres Gewicht hat als in anderen Fällen, besteht doch ein berechtigtes Interesse daran, daß rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht ohne gewichtige Gründe wieder aufgenommen werden. Insbesondere durfte der Gesetzgeber die Belastung der Gerichte begrenzen und auch das Interesse der Versorgungsträger berücksichtigen, den Vollzug des Versorgungsausgleichs nicht schon wegen geringfügiger Abweichungen ändern zu müssen. Eine solche Begrenzung war hier um so mehr erforderlich, als die Entwicklung des Sozialversicherungsrechts und der anderen Versorgungssysteme es mit sich bringt, daß in vielen Fällen die sich im Versorgungsfall ergebenden Werte nicht völlig mit dem im Zeitpunkt der Scheidung errechneten Wert übereinstimmen.
2. Im Ergebnis bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber neben der absoluten Mindestgrenze von 0,5 vom Hundert der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) eine relative Grenze vorgesehen hat, nach der eine Abweichung nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn sie 10 vom Hundert der in der früheren Entscheidung insgesamt übertragenen oder begründeten Anrechte übersteigt.
a) Die Einschätzung des Gesetzgebers, daß die an die frühere Entscheidung anknüpfende relative Grenze geeignet ist, in Ergänzung der absoluten Mindestgrenze zur Entlastung der Gerichte und Versorgungsträger beizutragen, ist nicht zu beanstanden. Zwar spricht viel für die Annahme, daß eine etwas höhere absolute Mindestgrenze noch besser geeignet wäre, die Gerichte von einer Vielzahl von Verfahren zu entlasten, weil hohe Ausgleichsbeträge verhältnismäßig selten sind (vgl. die von Roth für das Jahr 1987 genannten Beträge, FamRZ 1989, S. 693 ff.). Wenn der Gesetzgeber eine niedrige absolute Grenze für wünschenswert hielt, war eine zusätzliche relative Grenze aber jedenfalls geeignet, die Entlastungswirkung der Wesentlichkeitsgrenze zu erhöhen.
Aus den gleichen Erwägungen konnte der Gesetzgeber die zusätzliche relative Grenze auch für erforderlich erachten. Eine etwas höhere absolute Mindestgrenze wäre im Vergleich dazu kein eindeutig milderes Mittel gewesen, denn sie hätte zur Folge gehabt, daß Ausgleichspflichtige bei niedrigen Ausgleichsbeträgen bis zu dieser Mindestgrenze Kürzungen ihrer Versorgung über die Halbteilung hinaus selbst dann hätten hinnehmen müssen, wenn die Abweichung deutlich über 10 vom Hundert des ursprünglichen Ausgleichsbetrags gelegen hätte.
b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, daß der Ausschluß der Korrekturmöglichkeit in Fällen, in denen die Abweichung von der früheren Entscheidung 10 vom Hundert nicht übersteigt, zu einer eindeutig unverhältnismäßigen Eigentumsbeschränkung führt.
Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem angestrebten Zweck und der Eigentumsposition der Ausgleichspflichtigen mußte der Gesetzgeber allerdings berücksichtigen, daß es sich bei der Altersversorgung um Eigentumspositionen handelt, die für den Einzelnen besonders wichtig sind, weil sie seiner Existenzsicherung im Alter dienen. Da Altersrenten, die sich nach Durchführung des Versorgungsausgleichs ergeben, teilweise nur unwesentlich über dem Existenzminimum liegen, ist zudem davon auszugehen, daß sich schon eine relativ geringfügige Kürzung empfindlich auswirken kann. So wurde im Gesetzgebungsverfahren die Auffassung vertreten, die im Regierungsentwurf für bestimmte Fälle vorgesehene Grenze von 1 vom Hundert der Bezugsgröße sei als Bagatellgrenze nicht geeignet, weil der Betrag von 28,70 DM monatlich (für das Jahr 1986) bei kleinen Renten nicht mehr als unerheblich angesehen werden könne (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks. 10/5447, S. 26).
Zudem erscheint fraglich, ob davon ausgegangen werden kann, daß bei einem hohen Ausgleichsbetrag dem Ausgleichspflichtigen eine höhere Kürzung zumutbar ist, weil seine Versorgungssituation typischerweise günstiger ist und die hinzunehmende Kürzung deshalb nicht erheblich ins Gewicht fällt. Wie das vorlegende Gericht darlegt, beruht ein hoher Ausgleichsbetrag häufig darauf, daß die Ehe von relativ langer Dauer war, so daß die in dieser Zeit erworbenen Anwartschaften einen wesentlichen Teil der insgesamt erworbenen Anwartschaften bilden, während ein niedriger Ausgleichsbetrag in vielen Fällen darauf zurückzuführen ist, daß die Ehe nur von kurzer Dauer war oder beide Ehegatten während der Ehe Versorgungsanwartschaften in annähernd gleicher Höhe erworben haben, so daß der Ausgleichsbetrag nur einen Bruchteil der insgesamt erworbenen Anwartschaften ausmacht (vgl. dazu die statistischen Angaben von Roth, FamRZ 1989, S. 693 ff.).
Dennoch läßt sich nicht feststellen, daß der Ausschluß einer Abänderung in den Fällen, in denen die Abweichung vom früheren Ausgleichsbetrag 10 vom Hundert nicht übersteigt, das Eigentumsrecht des Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig einschränkt. Dem Interesse daran, daß die Gerichte und Versorgungsträger nicht mit einer Vielzahl von Abänderungsentscheidungen belastet werden, kommt erhebliches Gewicht zu. Der Gesetzgeber konnte außerdem davon ausgehen, daß die Gesamtversorgung des Ausgleichspflichtigen regelmäßig deutlich über dem Ausgleichsbetrag liegt, weil eine Abänderung der früheren Entscheidung nur in Betracht kommen kann, wenn zwischen Ehezeitende und Versorgungsfall wesentliche Änderungen eingetreten sind. Die vom Ausgleichspflichtigen hinzunehmende Kürzung seiner Versorgung über den Halbteilungsgrundsatz hinaus beträgt also in jedem Fall weniger als 10 vom Hundert seiner gesamten Altersversorgung und wird häufig sogar deutlich darunter liegen. Eine Kürzung dieses Ausmaßes erscheint im Hinblick auf das mit der Regelung angestrebte Ziel noch zumutbar.
Bei dieser Beurteilung ist auch zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die Auswirkungen der Regelung noch nicht im einzelnen übersehen konnte und sie zunächst befristet hat, um ihre Ausgestaltung noch einmal zu überprüfen. Diese Befristung hat er allerdings inzwischen aufgehoben, weil sich § 10a VAHRG als tauglich erwiesen habe, den Halbteilungsgrundsatz auch unter den Bedingungen einer dynamischen Versorgungslandschaft zu verwirklichen (vgl. BTDrucks. 12/405, S. 174). Feststellungen über die Auswirkungen der Wesentlichkeitsgrenze, soweit sie hier zur Prüfung steht, wurden in diesem Zusammenhang jedoch nicht getroffen. Derzeit läßt sich jedenfalls die Einschätzung, daß die relative Wesentlichkeitsgrenze in typisierender Form der Betroffenheit im Einzelfall Rechnung trägt und daß die Eigentumsposition des Ausgleichspflichtigen bei hohen Ausgleichsbeträgen nicht unzumutbar verkürzt wird, nicht widerlegen.
Der Gesetzgeber wird allerdings die Auswirkungen der Regelung weiter beobachten müssen, um sich zu vergewissern, daß sie Ausgleichspflichtigen mit einer Altersversorgung am Rande des Existenzminimums nicht eine im Hinblick darauf empfindliche Kürzung über den Halbteilungsgrundsatz hinaus zumutet. Er wird auch zu überprüfen haben, ob die Regelung Ausgleichspflichtige, bei denen die während der Ehe erworbenen Anwartschaften einen wesentlichen Teil ihrer Altersversorgung bilden, im Ergebnis deutlich stärker belastet als solche Ausgleichspflichtigen, bei denen die während der Ehe erworbenen Anwartschaften nur einen geringen Teil der Gesamtversorgung ausmachen.
Falls sich herausstellen sollte, daß die Anknüpfung an die in der früheren Entscheidung übertragenen oder begründeten Anrechte nicht nur in seltenen, besonders gestalteten Einzelfällen zu empfindlichen Eingriffen führt und daß eine etwas höhere absolute Mindestgrenze gemessen an der Versorgungssituation der Betroffenen insgesamt weniger schwerwiegende Belastungen zur Folge hätte, müßte die Wesentlichkeitsgrenze erneut überprüft werden.
III.
Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen an die zur Prüfung gestellte Norm. Das gilt auch, soweit sie die Abänderung früherer Entscheidungen zugunsten des Ausgleichsberechtigten einschränkt.