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B 5 RE 12/14 R

Tenor

Die Revision der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Rostock vom 26. September 2011 wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2008 werden aufgehoben, soweit die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. September 2004 für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Dezember 2006 Beiträge auf der Grundlage von mehr als 474,20 EUR monatlich festgesetzt hat.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge vom 1.2. bis 31.12. 2006, insbesondere darüber, ob die Beklagte der Beitragsbemessung die im Kalenderjahr 2004 tatsächlich erzielten Einkünfte (5643 EUR) oder ein hochgerechnetes (Jahres-)Arbeitseinkommen (14 206,15 EUR) zugrunde legen muss.

Die Klägerin nahm am 9.8.2004 als Existenzgründerin eine selbständige Tätigkeit auf und bezog einen Existenzgründungszuschuss (§ 421l SGB III) iHv 600 EUR monatlich. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Mecklenburg-Vorpommern stellte fest, dass die Klägerin ab dem 9.8.2004 nach § 2 S 1 Nr 10 SGB VI in der bis zum 31.3.2012 geltenden (Alt-)Fassung als selbständig tätige Person für die Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, und setzte den Beitrag ab dem 1.9.2004 auf Basis der monatlichen Mindestbeitragsbemessungsgrundlage iHv 400 EUR auf 78 EUR im Monat fest, weil "kein positives Arbeitseinkommen nachgewiesen" sei (Bescheid vom 27.9.2004).

Im Kalenderjahr 2004 erzielte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 5643 EUR (Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Rostock vom 15.11.2005). Nachdem die Beklagte dies bei der Finanzverwaltung ermittelt hatte, setzte sie den Beitrag rückwirkend ab dem 1.2.2006 auf 232,79 EUR monatlich fest (Bescheid vom 16.1.2007 und Widerspruchsbescheid vom 24.1.2008). Diesen Monatsbeitrag errechnete sie, indem sie die Beitragsbemessungsgrundlage (14 325,48 EUR) mit dem Beitragssatz für das Jahr 2006 in der allgemeinen Rentenversicherung (19,5 %) multiplizierte und das Ergebnis (2793,47 EUR) durch die Anzahl der Kalendermonate eines Jahres (12) dividierte. Die Beitragsbemessungsgrundlage (14 325,48 EUR) hatte sie "maschinell" ermittelt, indem sie die Einkünfte aus dem Jahr 2004 iHv 5643 EUR durch die Anzahl der Tage, in denen sie erzielt worden waren (143 Tage vom 9.8. bis 31.12.2004), dividiert, den Wert des Quotienten (39,46 EUR) mit 360 Tagen (Kalenderjahr iS von § 123 Abs 3 S 2 SGB VI) multipliziert und das derart hochgerechnete (Jahres-)Einkommen von 14 206,15 EUR mit dem Dynamisierungsfaktor 1,0084 (= 29 304 EUR vorläufiges Durchschnittsentgelt 2006 ./. 29 060 EUR Durchschnittsentgelt 2004) multipliziert hatte (vgl Hinweisschreiben der Beklagten vom 2.3.2007).

Das SG Rostock hat den "Bescheid der Beklagten vom 16.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 [richtig: 24.1.2008] teilweise aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, einen neuen Bescheid zu erlassen, bei welchem für die Berechnung der von der Klägerin zu zahlenden Beiträge für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.12.2006 das tatsächlich erzielte Einkommen laut Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 für das Jahr 2004 iHv 5643 EUR zu berücksichtigen ist" (Urteil vom 26.9.2011).

Das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 13.2.2013): Zu Recht habe das SG entschieden, dass bei der Veranlagung für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.12.2006 das Jahreseinkommen aus 2004 iHv 5643 EUR (multipliziert mit dem Anpassungsfaktor von 1,0084), mithin 5690,40 EUR, "einzustellen" sei. Für eine dynamisierte Hochrechnung auf 14 325,48 EUR fehle eine Ermächtigungsgrundlage. Aus dem Wortlaut des § 165 Abs 1 S 3 bis 10 SGB VI und auch der Gesetzesbegründung folge eindeutig, dass die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte bei Selbständigen grundsätzlich eine "sichere" Grundlage der Beitragsberechnung seien, zumal der Gesetzgeber mit der "Dynamisierung des Arbeitseinkommens" die Problematik einer verzögerten Vorlage des Einkommensteuerbescheides offensichtlich erkannt und einer "pauschalen" Lösung zugeführt habe. Auch § 123 Abs 3 iVm § 189 SGB VI ermächtige die Beklagte nicht zur Hochrechnung von Arbeitseinkommen, das im Teilzeitraum eines Jahres erzielt worden sei. Nichts anderes ergebe sich aus § 15 SGB IV, wonach Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte (tatsächliche) Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit sei. Denn eine Hochrechnung sehe das Steuerrecht nicht vor. Keinesfalls stellten die Gesichtspunkte der "Verwaltungsvereinfachung" bzw der "Beschleunigung des Arbeitsablaufes innerhalb der Verwaltung", auf die sich die Beklagte berufe, eine ausreichende "Ermächtigung" dar.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 165 Abs 1 S 3 SGB VI, § 123 Abs 3 SGB VI, § 15 SGB IV und § 18b SGB IV): Die Hochrechnung sei aus Gründen der Praktikabilität vorzunehmen, erfolge trägerübergreifend und sei in diversen Arbeitsanweisungen, Konventionen und zahlreichen übergreifenden Besprechungen bestätigt worden. Ermächtigungsgrundlage sei § 165 Abs 1 S 3 SGB VI. Soweit das LSG dies anders sehe, setze es sich nicht mit der Frage auseinander, ob der Gesetzgeber die alleinige Zugrundelegung des Einkommensteuerbescheids auch für den Fall vorgesehen habe, dass ein Selbständiger nur einige Monate entsprechendes Einkommen erzielt habe. Hätte er die Hochrechnung in diesen Fällen generell ausschließen wollen, hätte er andere Vorschriften (zB § 18b SGB IV) ändern müssen. Die Kongruenz zwischen Steuer- und Sozialversicherungsrecht sei nicht allumfassend und könne den Ausschluss der Hochrechnung nicht rechtfertigen. Ferner könne die Hochrechnung auch auf § 123 Abs 3 SGB VI, § 15 SGB IV und § 18b SGB IV gestützt werden.

Die Beklagte beantragt,

  • die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Februar 2013 sowie des Sozialgerichts Rostock vom 26. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die den vorinstanzlichen Entscheidungen beipflichtet, beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet, wobei der Tenor des erstinstanzlichen Urteils vom 26.9.2011 klarzustellen war.

1. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen und die (Teil-)Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch das SG bestätigt. Allerdings haben die Vorinstanzen das Klageziel verkannt, als sie die Beklagte (antragsgemäß) unter Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide zur Neufestsetzung der Beitragshöhe verpflichteten. Denn das Begehren (§ 123 SGG) der Klägerin war von Anfang an lediglich darauf gerichtet, die Beseitigung der Beitragserstfestsetzung und die Beitragsneufestsetzung im Bescheid vom 16.1.2007 für die Zeit vom 1.2. bis 31.12.2006 teilweise aufzuheben (Teilanfechtung in zeitlicher Hinsicht) und betraf die Beitragshöhe nur insoweit, als die Beklagte der Beitrags(neu)bemessung Einkünfte von mehr als monatlich 474,20 EUR (= 5643 EUR x 1,0084 Dynamisierungsfaktor ./. 12 Monate) zugrunde gelegt hatte (Teilanfechtung in sachlicher Hinsicht). Derartige Teilanfechtungen sind schon nach dem Wortlaut von § 54 Abs 1 S 1 SGG, der ausdrücklich auch die Abänderung eines Verwaltungsakts als mit der Gestaltungsklage verfolgbares Begehren benennt, statthaft und erlauben es dem Kläger als Ausdruck der Dispositionsmaxime, den Prüfungsumfang des Gerichts von sich aus zu begrenzen (Senatsurteil vom 27.5.2014 - B 5 R 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 97 Nr 2 vorgesehen). Ob Teilbarkeit im Einzelfall gegeben ist, ist eine Frage des jeweiligen materiellen Rechts. Teilweise anfechtbar sind in der Regel zahlenmäßig, zeitlich, örtlich, gegenständlich oder personell abgrenzbare Teile einer Entscheidung (Senatsurteil aaO; BSG Urteile vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 und vom 13.11.1985 - 6 RKa 15/84 - BSGE 59, 137 = SozR 2200 § 368a Nr 13). In diesem Sinne zeitlich und zahlenmäßig abgrenzbar ist auch die Frage, ob der Beitragsbemessung nur Einkünfte von 474,20 EUR monatlich oder ein höheres (Monats-)Arbeitseinkommen zugrunde zu legen ist. Keine zusätzliche Bedeutung kommt dem im ersten Rechtszug vordergründig als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs(bescheidungs)klage formulierten Antrag zu, die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide "zu verpflichten, einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts zur Beitragszahlung für den Zeitraum 01.02.2006 bis 31.12.2006 zu erlassen". Insofern handelt es sich lediglich um einen irrigen äußeren Ausdruck der in Wahrheit erhobenen (isolierten) Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG), die im Erfolgsfall dazu führen würde, dass allenfalls noch der Betrag berücksichtigt werden könnte, der sich auf Basis einer Beitragsbemessungsgrundlage von 474,20 EUR monatlich ergibt.

2. Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht die frühere Festsetzung des Höchstwerts der monatlichen Beiträge für den streitigen Zeitraum vom 1.2. bis 31.12.2006 schlüssig aufgehoben und Beiträge auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von mehr als 474,20 EUR monatlich festgesetzt. Dabei steht der Umstand, dass sich die Beklagte insofern auf maschinell ermittelte Vorgaben stützt, der Annahme eines Verwaltungsakts nicht entgegen (vgl bereits zur Rentenanpassungsmitteilung BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13). Für eine rückwirkende Änderung der bestandskräftigen Festsetzung des monatlichen Beitrags auf 78 EUR und ihre Ersetzung durch einen neuen Höchstbetrag (232,79 EUR) fehlt es - jedenfalls im mit der Klage geltend gemachten Umfang - an einer speziellen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundlage. Diese kann sich in Ermangelung einschlägiger Regelungen im Beitragsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung nur aus § 48 Abs 1 SGB X ergeben, dessen Voraussetzungen vorliegend allerdings nicht erfüllt sind. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Unter weiteren Voraussetzungen soll der Verwaltungsakt auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (S 2).

a) Als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Erstfestsetzung kommt allein die Aufhebung wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 SGB X, nicht jedoch eine Rücknahme wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit iS von §§ 44, 45 SGB X in Betracht. Denn die LVA Mecklenburg-Vorpommern hat den Monatsbeitrag im Bescheid vom 27.9.2004 ursprünglich zu Recht auf 78 EUR festgesetzt. Als sie diesen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erließ (§§ 37 Abs 2 S 1, 39 Abs 1 SGB X), waren beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 400 EUR (§ 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF vom 23.12.2002). Für den Nachweis des von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens waren und sind die sich aus dem letzten Einkommensteuerbescheid für das zeitnaheste Kalenderjahr ergebenden Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit so lange maßgebend, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorgelegt wird (S 3). Ist eine Veranlagung zur Einkommensteuer aufgrund der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit noch nicht erfolgt, sind für das Jahr des Beginns der Versicherungspflicht die Einkünfte zugrunde zu legen, die sich aus den vom Versicherten vorzulegenden Unterlagen ergeben (S 9). Da sich aus den Unterlagen der Klägerin "kein positives Arbeitseinkommen" ergab, war das (gesetzliche) Mindesteinkommen von monatlich 400 EUR maßgebend (S 1 Nr 1 aE), so dass sich durch Multiplikation mit dem Beitragssatz für 2004 in der allgemeinen Rentenversicherung iHv 19,5% ein Monatsbeitrag von 78 EUR errechnete.

b) Diese (Einkommens-)Verhältnisse änderten sich rechtlich erst wesentlich, nachdem das Finanzamt Rostock den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 für das Kalenderjahr 2004 erlassen hatte. Damit wurde das sich hieraus ergebende Arbeitseinkommen aus der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit für die Beitragsbemessung ipso iure maßgebend (§ 165 Abs 1 S 3 SGB VI), und zwar ab dem Ersten des Kalendermonats, der auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids folgte, spätestens aber ab Beginn des dritten Kalendermonats nach dessen "Ausfertigung" (§ 165 Abs 1 S 8 SGB VI). Vorzulegen war der Einkommensteuerbescheid dem Träger der Rentenversicherung spätestens zwei Kalendermonate nach seiner "Ausfertigung" (§ 165 Abs 1 S 6 SGB VI). Da die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 nicht selbst vorgelegt hat, waren die Änderungen des Arbeitseinkommens vom Beginn des dritten Kalendermonats nach dessen "Ausfertigung", also frühestens ab dem 1.2.2006, zu berücksichtigen. Die Änderungen waren auch wesentlich, weil sich auf der Basis des nach § 165 Abs 1 S 4 SGB VI durch Vervielfältigung mit dem Faktor 1,0084 fortgeschriebenen nachgewiesenen Arbeitseinkommens aus 2004 (5643 EUR) für das Kalenderjahr 2006 ein Arbeitseinkommen in Höhe von 5690,40 EUR und damit eine Beitragsbemessungsgrundlage von 474,20 EUR monatlich ergab, die die alte Bemessungsgrundlage von 400 EUR überstieg und deshalb zu einem höheren Monatsbeitrag als 78 EUR führte.

c) Die (konkludente) Aufhebung dieser Beitragserstfestsetzung im Beitragsneubescheid vom 16.1.2007 ist jedoch - jedenfalls im Rahmen der Teilanfechtung - rechtswidrig, weil sie für einen zurückliegenden Zeitraum (1.2. bis 31.12.2006) erfolgte, obwohl keine der in § 48 Abs 1 S 2 SGB X abschließend aufgeführten Fallkonstellationen vorliegt. Nach dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Zugunsten der Klägerin ist keine Änderung eingetreten (aaO Nr 1). Überdies ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass Nrn 3 und 4 aaO nach Wortlaut und Sinnzusammenhang allein auf das Leistungsrecht bezogen und als abschließende Ausnahmeregelungen nicht analogiefähig sind (vgl BSG Urteile vom 21.9.2005 - B 12 KR 12/04 R - Juris RdNr 17, vom 16.10.2002 - B 10 LW 5/01 R - SozR 3-5868 § 3 Nr 5 S 27 mwN und vom 26.9.1991 - 4 RK 5/91 - BSGE 69, 255, 258 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 13 S 20 f). Die Klägerin hat schließlich auch keine Mitteilungspflicht verletzt, wie dies Nr 2 aaO voraussetzt. Dass sie den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 möglicherweise nicht "spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung" vorgelegt und damit die gesetzliche Mitteilungspflicht nach § 165 Abs 1 S 6 SGB VI missachtet hat, wirkte sich nicht zu Lasten der Beklagten aus. Hätte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid vom 15.11.2005 Mitte Januar 2006 vorgelegt, hätte die Beklagte die Änderung des Arbeitseinkommens gemäß § 165 Abs 1 S 8 Halbs 1 SGB VI vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats, also ab dem 1.2.2006 berücksichtigen müssen. Nichts anderes sah Halbs 2 aaO bei Nichtvorlage oder verspäteter Vorlage des Einkommensteuerbescheids vor. Folglich hätte es in beiden Fällen zu einer identischen Beitragserhöhung frühestens ab dem 1.2.2006 kommen müssen, so dass der etwaige Verstoß der Klägerin gegen gesetzliche Mitteilungspflichten keine Beitragseinbuße zu Lasten der Beklagten bewirkte.

3. Darüber hinaus fehlt es aber auch materiell-rechtlich an einer Rechtsgrundlage dafür, der Beitragsbemessung nach "Hochrechnung" ein höheres Arbeitseinkommen zugrunde zu legen, als dasjenige, das sich (fortgeschrieben nach Maßgabe des Verhältnisses der Durchschnittsentgelte) aus dem maßgeblichen letzten Einkommensteuerbescheid ergibt. Die von der Revision ins Feld geführten Vorschriften der § 165 Abs 1 S 3 SGB VI, § 123 Abs 3 SGB VI, § 15 SGB IV und § 18b SGB IV geben dafür ersichtlich nichts her. Keinesfalls können "Besprechungsergebnisse der Beitrags- und Rentendezernenten" zu Lasten der Beitragsverpflichteten vermeintliche Defizite des geltenden Rechts kompensieren, die aus der Sicht der Beklagten bestehen mögen. Zutreffend hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG) hingewiesen.

4. Da die Klage bereits aus anderen Gründen Erfolg hat, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte gemäß § 42 S 2 iVm S 1 SGB X auch deshalb beanspruchen kann, weil die nach § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und nicht wirksam nachgeholt (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X) worden ist (vgl zur Anhörungspflicht vor Beitragsregelungen BSGE 69, 247, 248 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4). Insbesondere braucht der Senat nicht auf die potentiell heilende Wirkung des Hinweisschreibens einzugehen, das die Beklagte der Klägerin während des Vorverfahrens übersandt hat.

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