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7 RAr 50/93

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Altersübergangsgeld (Alüg) ab 28. Dezember 1990.

Die am 27. Dezember 1935 geborene Klägerin war seit 1958 als Maschinenarbeiterin und Köchin sowie vom 15. Dezember 1976 bis 31. Oktober 1990 als Montagearbeiterin bei der LPG Pflanzenproduktion „F. S.“, Nebenstelle Viernau/Thüringen, tätig. Am 1. November 1990 meldete sie sich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg) und Alüg. Das ArbA bewilligte Alg ab Antragstellung, lehnte jedoch die Gewährung von Alüg mit dem Hinweis ab, die Klägerin habe im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht das 55. Lebensjahr vollendet gehabt (Bescheid vom 29. November 1990). Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe nach dem 3. Oktober 1990 von Herrn S., einem Mitarbeiter des ArbA, die Auskunft erhalten, sie müsse innerhalb von 78 Tagen vor dem 31. Dezember 1990 das 55. Lebensjahr erreichen und dürfe noch keine 78 Tage Alg bezogen haben. Entsprechend dieser Aussage sei ihr dann von ihrem Arbeitgeber am 15. Oktober zum 31. Oktober 1990 gekündigt worden. Bei ihrer Antragstellung habe sie von Frau E., ebenfalls einer Mitarbeiterin des ArbA, die gleiche Antwort erhalten. Die Widerspruchsstelle wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin habe bei Beendigung ihres beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses am 31. Oktober 1990, anders als erforderlich, nicht das 55. Lebensjahr vollendet gehabt; eine schriftliche Zusicherung auf Gewährung von Alüg sei nicht erteilt worden (Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1990).

Das Kreisgericht - Kammer für Sozialrecht - hat die Klage (nach Vernehmung der Zeugen E., S., H. und H.) abgewiesen (Urteil vom 4. Juni 1991). Das Bezirksgericht - Senat für Sozialrecht - hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Kreisgerichts zurückgewiesen (Urteil vom 13. Februar 1992). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Bezirksgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Alüg seien nicht erfüllt. Dazu gehöre u.a. die Vollendung des 55. Lebensjahres vor dem Ausscheiden aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 249e Abs. 1 und 9 Arbeitsförderungsgesetz <AFG>). Die Klägerin sei bereits am 31. Oktober 1990 ausgeschieden. Indes habe sie das 55. Lebensjahr erst mit Ablauf des 26. Dezember 1990 vollendet. Auch die Voraussetzungen einer sog. Zusicherung (§ 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - <SGB X>) seien nicht verwirklicht. Dahinstehen könne, wer das Antragsformular ausgefüllt habe; selbst wenn die Zeugin E. dies getan habe, liege darin keine schriftliche Zusage. Ebensowenig könne in den von den Mitarbeitern des ArbA ggf. gemachten „Prophezeiungen“ über den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens eine schriftliche Zusicherung erblickt werden. Schließlich könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Dieses Rechtsinstitut setze - neben Schadensverursachung durch rechtswidriges Verhalten eines Leistungsträgers - u.a. voraus, daß das angestrebte Korrekturziel gesetzlich zulässig sei. Einzelheiten seien in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Doch sei anerkannt, daß tatsächliche Umstände außerhalb des sozialrechtlichen Schuldverhältnisses, die sich nicht realisiert hätten, nicht als geschehen fingiert werden könnten. Die Tatsache, daß die Klägerin bis zur Vollendung ihres 55. Lebensjahres nicht gearbeitet habe, könne mithin nicht als gleichwohl geschehen angesehen werden. Auch nach dem Gesetzeszweck solle das Freimachen eines Arbeitsplatzes mit den daran geknüpften Vergünstigungen nur solchen Arbeitnehmerinnen zugute kommen, die das 55. Lebensjahr bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bereits vollendet gehabt hätten.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung von § 249e Abs. 1 und 9 AFG i.V.m. dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Einzuräumen sei, daß sie im Zeitpunkt der Antragstellung (1. November 1990) das 55. Lebensjahr nicht vollendet gehabt habe. Doch müsse sie über den Herstellungsanspruch so gestellt werden, als wäre sie erst nach dem 27. Dezember 1990 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß das Beschäftigungsverhältnis ausschließlich aufgrund der vom ArbA erteilten Falschauskunft zum 31. Oktober 1990 aufgelöst worden sei. Im Fall der korrekten Beratung wäre die Kündigung zum 31. Dezember 1990 ausgesprochen worden. Es gehe nicht an, daß die Klägerin die Folgen der Falschberatung kompensationslos hinzunehmen habe.

Die Klägerin beantragt,

  • die Urteile des Bezirksgerichts und des Kreisgerichts sowie den Bescheid vom 29. November 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 28. Dezember 1990 Alüg zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, mit Hilfe des Herstellungsanspruchs könnten nicht solche Tatbestände ersetzt werden, die von einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitslosen abhingen. Die Klägerin brauche die mit einer Falschberatung verbundenen Nachteile nicht ersatzlos hinzunehmen. Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auf dem Zivilrechtsweg sei nicht ausgeschlossen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße der Vorinstanzen gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, die im öffentlichen Interesse zu beachten und bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu berücksichtigen sind, liegen nicht vor. Insbesondere ist kein Fall der notwendigen Berufungszulassung gegeben. Die Berufung betraf wiederkehrende Leistungen, nämlich Ansprüche auf Gewährung von Alüg, für mehr als ein Jahr (Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 4 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertragsgesetz - und der Vereinbarung vom 18. September 1990 vom 23. September 1990 - BGBl. II 885, 1032 - <EV> i.V.m. Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - BGBl. I 446).

In der Sache selbst steht der Klägerin, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden haben, für die Zeit ab 28. Dezember 1990 kein Anspruch auf Alüg zu, und zwar weder aus § 249e AFG noch aufgrund schriftlicher Zusicherung oder des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Rechtlicher Ausgangspunkt für das Klagebegehren ist die Vorschrift des § 249e AFG i.d.F. der Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II Nr. 1 Buchst. e des EV, die auf Alüg-Ansprüche, die vor dem 1. Juli 1991 entstanden sind, weiterhin anzuwenden ist (Art. 1 Nr. 16 Buchst. e des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften <AFG u.a. ÄndG> vom 21. Juni 1991 - BGBl. I 1306). Danach gewährt die Bundesanstalt für Arbeit Arbeitnehmern, die in der Zeit vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an bis zum 31. Dezember 1991 nach Vollendung des 57. Lebensjahres aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von mindestens 90 Kalendertagen in dem in Artikel 3 EV genannten Gebiet ausscheiden und in den letzten 90 Kalendertagen der Beschäftigung ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet hatten, ein Alüg nach Maßgabe der folgenden Absätze (Abs. 1). Ist eine Arbeitnehmerin in der Zeit vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an bis zum 31. Dezember 1990 aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ausgeschieden, so tritt u.a. in Abs. 1 an die Stelle des 57. Lebensjahres das 55. Lebensjahr. In diesen Fällen beträgt die Dauer des Anspruchs auf Alüg (nicht 936, sondern) 1.560 Tage (Abs. 9).

Die Klägerin erfüllt die vorstehend genannten Voraussetzungen des § 249e AFG nicht. Sie ist zwar nach den Feststellungen des Bezirksgerichts in der Zeit vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an (3. Oktober 1990) bis zum 31. Dezember 1990, nämlich mit Ablauf des 31. Oktober 1990, aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) ausgeschieden; insoweit ist unerheblich, ob ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 1990 wirksam gekündigt worden ist oder nicht. Doch hatte sie zu diesem Zeitpunkt nicht das 55. Lebensjahr vollendet. Sie hat dieses erst am 27. Dezember 1990 vollendet. Sie ist mithin vor und nicht, wie § 249e AFG es verlangt, nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ausgeschieden.

Der Gesetzgeber hat von der in § 249e AFG vorgesehenen Altersgrenze keine Ausnahmen zugelassen. Das ist bewußt so geschehen. Denn Alüg, das die Regelungen der ehemaligen DDR über Vorruhestandsgeld ablöste (Art. 9 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr. 5 des EV), sollte - in Zusammenhang mit der in den neuen Bundesländern notwendigen Umstellung auf marktwirtschaftliche Gegebenheiten - nur bestimmten Gruppen älterer Arbeitnehmer zugute kommen. Das läßt sich der Entstehungsgeschichte des § 249e AFG entnehmen, auf die der Senat bereits in einem früheren Urteil hingewiesen hat (Bundessozialgericht <BSG> vom 8. Juli 1993 - 7 RAr 92/92 -, demnächst in SozR 3-4100 § 249e Nr. 1; vgl. auch BSG vom 29. Juli 1993 - 11 RAr 91/92 -, unveröffentlicht). Dies ist sowohl von der vollziehenden wie von der rechtsprechenden Gewalt zu respektieren (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz <GG>). Damit läßt sich das Klagebegehren nicht auf § 249e AFG stützen.

Des weiteren kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf eine wirksame Zusicherung des Inhalts berufen, die Beklagte werde ihr Alüg gewähren, wenn sie, die Klägerin, innerhalb von 78 Tagen vor Ablauf des 31. Dezember 1990 das 55. Lebensjahr erreiche und noch keine 78 Tage Alg bezogen habe. Es mag sein, daß der Klägerin von Mitarbeitern des ArbA eine die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alüg in dieser Weise beschreibende Auskunft erteilt worden ist. Indes ist für eine die Beklagte verpflichtende Zusage Schriftform erforderlich (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zumindest daran fehlt es hier.

Der Umstand, daß eine Bedienstete des ArbA der Klägerin bei der Ausfüllung des Alüg-Antrags behilflich war und bestimmte ergänzende Eintragungen vorgenommen hat, stellt keine Zusicherung i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Der Alüg-Antrag der Klägerin hat dadurch nicht seinen Charakter geändert; er blieb eine Erklärung der Klägerin und hat sich nicht etwa in eine der Beklagten zurechenbare Erklärung umgewandelt. Im übrigen hat die Bedienstete des ArbA mit ihrer Unterschrift nicht eine wie immer geartete Erklärung des ArbA bestätigt, sondern, woran die vorgedruckte Wendung im Antragsformular keinen Zweifel läßt, lediglich die Antragsannahme als solche bestätigt.

Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich schließlich nicht aus dem sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Er hat zur Voraussetzung, daß der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15 und 14 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -) verletzt hat (BSGE 71, 17, 22 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 8; BSG vom 3. März 1993 - 11 RAr 101/91 -, demnächst SozR 3-4100 § 105 Nr. 1; BSG vom 11. November 1993 - 7 RAr 8/93 -, zur Veröffentlichung vorgesehen); ferner muß zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (BSGE 59, 60, 67 = SozR 5070 § 10 Nr. 31; BSG vom 24. Juni 1993 - 11 RAr 1/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl. auch etwa Funk, DAngVers 1981, 26 ff.; Geschwinder, ZfS 1985, 70 ff.; Hofe, SGb 1986, 11, 15> f; Brügger, AöR 1987 <Bd. 112>, 389 ff.; Ebsen, DVBl 1987, 389 ff.; ders, VSSR 1992, 149 ff.; Erlenkämper, Sozialrecht, 2. Aufl. 1987, S. 143 ff.; Bieback, SGb 1990, 517 ff.; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht und sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, 1990; Ladage, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1990; Schmidt-De Caluwe, SozVers 1991, 314 ff.; ders, DRV 1992, 106 ff.; Schulin, Sozialrecht, 4. Aufl. 1991, S. 358 ff.; Axler, AuB 1992, 193 ff.; Wagner, Urteilsanm. in SGb 1993, 45 ff.).

Das Landessozialgericht (LSG) hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die vorerwähnten Voraussetzungen verwirklicht sind, wofür die Gesamtumstände des Falles sprechen könnten. Doch bedarf es deswegen keiner Zurückverweisung. Denn das Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs kommt nur in den Fällen zum Tragen, in denen der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Dagegen bleibt für seine Anwendung in solchen Fällen kein Raum, in denen ein Nachteilsausgleich auf gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung zwischen „ersetzbaren“ und „nicht ersetzbaren“ Voraussetzungen ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG). Dieses läßt es nicht zu, daß die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat (vgl. hierzu etwa BSGE 44, 114, 121 = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr. 14; BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; SozR 4100 § 102 Nr. 6; BSG vom 11. Januar 1989 - 7/11b RAr 16/87 -, unveröffentlicht; BSG SozR 4100 § 66 Nr. 2; BSGE 66, 258, 265 = SozR 3-4100 § 125 Nr. 1; BSG vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91 -, unveröffentlicht; BSG vom 29. Juli 1992 - 11 RAr 15/92 -, unveröffentlicht; BSG vom 24. Juni 1993 - 11 RAr 1/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 8. Juli 1993 - 7 RAr 80/92 -, unveröffentlicht).

Demgemäß läßt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Das kann bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht (BSGE 59, 60, 64 = SozR 5070 § 10 Nr. 31; BSG SozR 1200 § 14 Nr. 25; BSGE 62, 179, 182 = SozR 4100 § 125 Nr. 3).

Dagegen können im Wege des Herstellungsanspruchs weder eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse durch eine günstigere Steuerklasse (BSG vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78 -, DBlR Nr. 2689a zu § 113 AFG) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges Arbeitsentgelt durch ein höheres ersetzt werden (BSG vom 12. Mai 1982 - 7 RAr 7/91 -, DBlR Nr. 2781a zu § 137 AFG). Ebensowenig lassen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (BSG vom 11. November 1982 - 7 RAr 16/92 -, DBlR Nr. 2782a zu § 78 AFG). Das gleiche gilt für eine fehlende Arbeitslosmeldung (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG vom 11. Januar 1989 - 7/11b RAr 16/87 - und 8. Juli 1993 - 7 RAr 80/92 -, beide unveröffentlicht), fehlende Anwartschaftszeit (BSG SozR 4100 § 102 Nr. 6; BSG vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 - und 5. Dezember 1989 - 11 RAr 61/88 -, beide unveröffentlicht; BSGE 66, 11, 13 = SozR 4100 § 112 Nr. 52), fehlende Verfügbarkeit (BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSG vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91 -, unveröffentlicht), fehlende Eingliederungschancen (BSG SozR 4100 § 56 Nr. 18) sowie fehlende rechtzeitige Anzeige des Arbeitsausfalls i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 4 AFG (BSG SozR 4100 § 66 Nr. 2).

Das Ausscheiden der Klägerin aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Vollendung des 55. Lebensjahres ist eine Begebenheit tatsächlicher Art, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich ist. Sie kann nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht bzw.. auf einen späteren Zeitpunkt, hier z.B. den 28. Dezember 1990, nachdatiert werden. Dies stünde zum Zweck des § 249e Abs. 1 und 9 AFG in Widerspruch, nur ganz bestimmten Arbeitnehmerinnen, nämlich solchen, die in der Zeit vom 3. Oktober bis 31. Dezember 1990 nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ausgeschieden sind, einen Anspruch auf Alüg zuzubilligen und dies sogar mit erhöhter Dauer (von 1.560 statt 936 Tagen). Würde die Beklagte gleichwohl einen solchen Zustand herbeiführen, würde sie dem Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung zuwiderhandeln (Art. 20 Abs. 3 GG).

Soweit die Bediensteten des ArbA die Klägerin tatsächlich falsch beraten haben sollten und die Pflichtverletzung dafür ursächlich wäre, daß der Klägerin kein Alüg zu gewähren ist, kommt ein Amtshaftungsanspruch in Betracht (Art. 34 GG i.V.m. § 839 Bürgerliches Gesetzbuch). Darüber ist jedoch nicht im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden. Für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist vielmehr der Zivilrechtsweg eröffnet (Art. 34 Satz 3 GG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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