GS 2/85
Tatbestand
1. In dem beim 11a Senat des Bundessozialgerichts (BSG) anhängigen Ausgangsverfahren ist streitig, ob Beitragszeiten nach § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) für einen früheren tschechischen Arbeitnehmer, der als Spezialist nach Tunesien entsandt worden ist und dort aufgrund eines Arbeitsvertrages mit einer tunesischen Stelle tätig war, gemäß § 11 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VUVO) vorzumerken sind.
Der Kläger, geb. 1929, war technischer Angestellter bei den S-Werken in Brünn (Tschechoslowakei). Ab August 1967 wurde er als technischer Berater nach Tunesien entsandt. Der Entsendung lag für die Zeit bis zum 31. Dezember 1969 ein Vertrag vom 7. Juli 1967 zwischen der "P", eine dem tschechoslowakischen Außenhandelsministerium nachgeordnete Behörde, und dem Kläger zugrunde, der die gegenseitigen arbeitsrechtlichen Rechte und Verpflichtungen regelte. Für die anschließende Zeit wurde im Rahmen einer Vertragsänderung vom 23. Dezember 1969 vorgesehen, daß der Kläger einen Arbeitsvertrag mit der tunesischen Regierung schließt (was auch geschehen ist). Die Verhältnisse zur P und dem bisherigen Arbeitgeber wurden neu geregelt. Gehalt erhielt der Kläger nunmehr nur noch von seinem tunesischen Arbeitgeber in tunesischer Währung. Es wurde dort versteuert. Sozialversicherungsbeiträge waren nicht zu entrichten und sind auch nicht entrichtet worden. Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber in der CSSR blieb zwar bestehen, war jedoch ohne Gehaltszahlung suspendiert. Es bestand lediglich noch eine Weisungsbefugnis des Arbeitgebers und innerstaatlicher Stellen hinsichtlich der Dauer der Auslandsbeschäftigung und eine Verpflichtung zur sozialen Sicherung.
Im April 1971 setzte sich der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ab. Er ist als Vertriebener anerkannt und besitzt inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit.
2. Streitig und Gegenstand der Revision in der dieser Anfrage zugrunde liegenden Sache - 11a RA 68/84 - ist allein noch die Zeit vom 1. Januar 1970 bis 28. April 1971, in der der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur tunesischen Regierung stand. Die davor liegende Zeit vom 22. August 1967 bis 31. Dezember 1969 ist nach § 15 FRG anerkannt, nachdem das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt hat, diese Zeit als Beitragszeit vorzumerken und insoweit eine Revision nicht zugelassen war.
Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. März 1982). Auf die Berufung des Klägers hatte das LSG Baden-Württemberg die Beklagte verurteilt, auch für die Zeit, in der ein Arbeitsvertrag mit der tunesischen Regierung bestand, eine Beitragszeit zur Rentenversicherung der Angestellten vorzumerken (Urteil vom 26. September 1984).
Hiergegen hat die Beklagte die insoweit vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
Der 11a Senat, bei dem die Revision anhängig geworden ist, hat mit Beschluß vom 30. Mai 1985 dem Großen Senat folgende Frage vorgelegt:
Ist eine Zeit, in der ein Angestellter eines tschechoslowakischen Betriebes eine als Beschäftigungszeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 5 des tschechoslowakischen Gesetzes Nr. 101 über die soziale Sicherung vom 4. Juni 1964 geltende Arbeitstätigkeit im Ausland (Tunesien) mit Entgeltzahlung nur durch ausländische Stellen verrichtet hat, eine Beitragszeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 des Fremdrentengesetzes?
Die Vorlage erfolgte nach § 43 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dazu wird ausgeführt, daß die vorgelegte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und eine Entscheidung des Großen Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Daran ändere sich nichts dadurch, daß der Große Senat in der Sache - GS 1/85 - über die Anrechnung einer Beitragszeit nach § 15 FRG für die Zeit des Grundwehrdienstes in der DDR zu entscheiden habe; denn nach der Art der Tätigkeit beständen erhebliche Unterschiede, und es fehle hier auch der "Gesamtdeutsche Aspekt".
Nach Auffassung des 11a Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu verneinen, weil irgendeine Beitragsleistung zur tschechoslowakischen Rentenversicherung, die auf die streitige Zeit bezogen werden könne, nicht festzustellen sei. Für die Feststellung einer Beitragszeit genüge es nicht, daß das tschechoslowakische Gesetz Nr. 101 die Zeit der Auslandstätigkeit auch ohne Beitragsleistung wie eine Beitragszeit berücksichtige. Sie müsse außerdem den innerstaatlichen Tatbeständen fiktiver Beitragszeiten im wesentlichen entsprechen. Anderenfalls würde die vom Gesetzgeber in § 15 FRG gewollte Beschränkung auf Beitragszeiten praktisch unterlaufen.
Am 4. Juni 1986 hat der Große Senat in der Sache - GS 1/85 - (BSGE 60, 100) entschieden, daß die Zeit des in der DDR abgeleisteten Grundwehrdienstes, die nach dem Recht der DDR als versicherungspflichtige Tätigkeit gilt, eine Beitragszeit iS von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG ist.
Die Beklagte hat gleichwohl in der Sache - 11a RA 68/84 - für die hier streitige Zeit an ihrer Auffassung festgehalten. Der 11a Senat hat daraufhin auch seine Anfrage aufrechterhalten, da er weiterhin eine Entscheidung dieser Frage durch den Großen Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält.
Entscheidungsgründe
1. Der Große Senat entscheidet über die zulässige Vorlage in der Besetzung, die § 41 SGG für Vorlagen nach § 43 SGG vorschreibt. Nach § 43 SGG entscheidet der Große Senat des BSG, wenn ihm ein Senat dieses Gerichts eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlegt, deren Entscheidung durch den Großen Senat er zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält.
Die Stammbesetzung des Großen Senats (§ 41 Abs. 1 SGG) ergänzt sich bei einer Vorlage nach § 43 SGG gemäß § 41 Abs. 5 Satz 2 Alternative 2 SGG um den Vorsitzenden Richter des erkennenden Senats oder ein von ihm bestimmtes Mitglied seines Senats. Der Vorsitzende des anrufenden 11a Senats, der ständiges Mitglied des Großen Senats ist, hat aus seinem Senat den Berichterstatter in den Großen Senat entsandt (Schreiben an den Vorsitzenden des Großen Senats vom 18. Juni 1985). Gegen eine solche Entsendung des Berichterstatters bestehen Bedenken selbst dann nicht, wenn in dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan eine ausdrückliche Bestimmung über das jeweils zu entsendende Mitglied fehlt. Der Berichterstatter des Ausgangsverfahrens ist hiernach an den Sitzungen des Großen Senats "mit den Befugnissen eines Mitglieds" zu beteiligen (Satz 2 aa0).
2. Die Vorlage nach § 43 SGG ist zulässig. § 43 SGG hat zwei Voraussetzungen: Die Rechtsfrage muß grundsätzliche Bedeutung haben; die Vorlage muß außerdem nach der Auffassung des vorlegenden Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich sein.
Die letztgenannten Voraussetzungen sind nach einhelliger Auffassung allein von dem vorlegenden Senat zu entscheiden und vom Großen Senat nicht zu überprüfen (BSGE 41, 41, 43; BVerwGE 3, 143; BFH BStBl 1978 II, 105, 107; BAGE 6, 149, 150; 8, 285, 290; Bettermann DVBl. 82, 955; Kissel, GVG § 137 RdNr. 8).
Unterschiedlich beantwortet wird indes von den obersten Gerichtshöfen des Bundes die Frage, ob das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung eine objektive Voraussetzung ist, die vom Großen Senat zu überprüfen ist. Dies wird bejaht vom Bundesarbeitsgerichts -BAG- (vgl. ua BAGE 6, 149, 150; 8, 285, 289 f; 20, 175, 180), vom BSG (BSGE 41, 41, 43), verneint vom Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- (BVerwGE 3, 143; BVerwGE DVBl 66, 312) und vom Bundesfinanzhof -BFH- (BStBl 1968 II, 285, 286; BStBl 1978 II, 105, 107 mwN).
Auch das Schrifttum ist gespalten. (Für die Nachprüfbarkeit der grundsätzlichen Bedeutung: - ua - Kissel, GVG § 137 RdNr. 8; Rohlfing / Rewolle ArbGG § 45 Anm. 3b; Schefold, Zweifel des erkennenden Gerichts, 1971 S 40; Maetzel, MDR 66, 453, 454; Bettermann, DVBl 1982, 955; Bley, RVO-Gesamtkommentar SGG § 43 Anm 3c. Gegenmeinung: - ua - Schunck / De Clerk, VWGO 2. Aufl., § 11 Anm. 3b; Eyermann / Fröhler, VWGO 8. Aufl. § 11 RdNr. 9; Scholler / Broß, Verfassungs- und Verwaltungsprozeßrecht 1980, RdNr. 369; Tipke / Kruse AO/FGO, § 11 FGO, Stand 5/85 RdNr. 7; Gräber, FGO § 11 RdNr. 12; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 46. Aufl., § 137 GVG Anm. 1).
Der Große Senat des BSG hält an seiner Auffassung fest, daß die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Frage nicht in die Entscheidung des vorlegenden Senats gestellt ist, sondern vom Großen Senat zu prüfen ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 43 SGG. Er unterscheidet deutlich zwischen der objektiven und deshalb nachprüfbaren Voraussetzung "grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage" und den Voraussetzungen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Großen Senats, für die allein die Auffassung des vorlegenden Senats maßgeblich ist.
Diese sprachliche Trennung kann auch nicht wegen eines engen Zusammenhangs beider Begriffe als unbeachtlich angesehen werden; denn sie ist auch von der Sache her sinnvoll. Mit der Beschränkung der Vorlage auf Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wird der Kreis derjenigen Fragen festgelegt, die außerhalb einer Abweichung i.S. des § 42 SGG im Rahmen des § 43 SGG überhaupt ein weiteres Tätigwerden des Großen Senats vertretbar erscheinen lassen. Insoweit soll der Große Senat weder daran gebunden sein, daß die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde noch daran, daß der vorlegende Senat sie für grundsätzlich bedeutsam hält.
Der Große Senat soll sich jedoch nicht zu allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung äußern; denn die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen ist in erster Linie Aufgabe der einzelnen Senate. Er soll - auch in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung - nur dann tätig werden, wenn dem Senat wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsfrage, wegen zu erwartender Widerstände oder einer drohenden Divergenz die Beantwortung der Rechtsfrage mit der Autorität des Großen Senats erforderlich erscheint. Ein solcher Fall liegt zB dann vor, wenn bereits erkennbar ist, daß in verschiedenen Senaten des Bundessozialgerichts unterschiedliche Auffassungen bestehen, die zu unterschiedlichen Entscheidungen führen könnten. Die Auswahl unter den Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nach diesen Kriterien hat der Gesetzgeber dem erkennenden Senat zugewiesen. Mit den Worten "Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" werden die Voraussetzungen umschrieben, unter denen der erkennende Senat den Großen Senat anrufen "kann", während es für die Erforderlichkeit der Anrufung auf die Auffassung des erkennenden Senats ankommt.
Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der oberen Gerichtshöfe des Bundes kommt trotz der in dieser Frage bestehenden Divergenz zu den Großen Senaten des BVerwG und des BFH nicht in Betracht, weil hier die Zulässigkeit der Anrufung des Großen Senats nach beiden unterschiedlichen Auffassungen zu bejahen ist (so auch BFH, BStBl 1978 II, 105, 107). Entscheidungserheblich wäre die Divergenz nur dann, wenn die grundsätzliche Bedeutung der vorgelegten Rechtsfrage durch den Großen Senat zu verneinen wäre. Das ist aber hier nicht der Fall.
3. Bei der Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage kommt es nicht allein auf den durch die Vorlagefrage abgegrenzten Tatbestand an. Die Vorlagefrage muß eng auf den Sachverhalt zugeschnitten sein, weil der Große Senat nur insoweit angerufen werden kann, als die Entscheidung für den Ausgangsfall erheblich ist. Würde man die Prüfung der Grundsätzlichkeit der Vorlagefrage hierauf beschränken, so könnte sie nur dann bejaht werden, wenn eine Vielzahl von in allen wesentlichen Kriterien gleichgelagerten Fällen durch Verwaltungsbehörden oder Gerichte zu entscheiden wäre oder beschränkt auf diese Fallgruppe unterschiedliche Auffassungen und Entscheidungen vorlägen. Für die ebenso dringliche Klärung der Frage, ob ein entscheidungserheblicher Unterschied zwischen verschiedenen Fallgruppen vorliegt, oder ob gerade wegen einer Vielfalt von Sachverhalten zur Fortbildung des Rechts Grundlinien gezogen werden müssen (die jeweils nur an Hand eines konkreten Falles gezogen werden können), bliebe dann wenig Raum.
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, im einzelnen festzulegen, wo allgemein diese Grenzen zu ziehen sind. Jedenfalls werden sie durch die Vorlage des 11a Senats nicht überschritten. Auch nachdem der Große Senat des BSG in seinem Beschluß vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 - (BSGE 60, 100) wesentliche Grundsätze für die Anrechnung beitragsloser Zeiten im Rahmen von § 15 FRG entwickelt hat, bleibt im einzelnen zu klären, welche Tragweite diese Grundsätze haben und wie sie sich insbesondere im Bereich von Auslandstätigkeiten auswirken. Ob es dazu erforderlich war, eine weitere Entscheidung des Großen Senats herbeizuführen, mag zweifelhaft sein. Das ist hier aber nicht zu prüfen, da diese Entscheidung dem vorlegenden Senat obliegt.
4. Die Vorlage des 11a Senats ist auch im übrigen zulässig. Die vom ihm gestellte Rechtsfrage entstammt revisiblem Bundesrecht (§ 162 SGG). Der vorlegende Senat erstrebt die Klärung einer Rechtsfrage zur Auslegung von § 15 FRG. Das Recht der CSSR nimmt er nur als Ausgangspunkt und als Hintergrund der von ihm erbetenen Auslegung dieser bundesrechtlichen Norm in Bezug.
Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des anrufenden Senats auch erheblich. In dem Ausgangsverfahren geht es um die Vormerkung einer Zeit als Beitragszeit nach § 15 FRG, in der der Kläger durch eine staatliche Stelle ins Ausland entsandt wurde. Das LSG hat die Beklagte zur Vormerkung dieser vom Kläger geltend gemachten Zeit verpflichtet. Die Entscheidung darüber, ob dem LSG zu folgen oder ob dessen Urteil aufzuheben ist, hängt davon ab, ob der im Vorlagebeschluß dargelegten Auffassung des 11a Senats zu folgen ist oder nicht.
III
Der Große Senat bejaht die ihm vorgelegte Frage.
1. Der Kläger ist Vertriebener i.S. von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG), so daß das FRG nach dessen § 1 auf ihn unmittelbar anwendbar ist.
Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Zeit, für die Beiträge nicht entrichtet wurden, dennoch als Beitragszeit anerkannt werden kann, hat der Große Senat des BSG bereits in seinem Beschluß vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 - (BSGE 60, 100) herausgearbeitet. Danach ist auszugehen von der gesetzlichen Definition der Beitragszeit in § 27 Abs. 1 Buchst a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Dort werden neben den Zeiten, für die Beiträge entrichtet worden sind, unter dem Begriff "Beitragszeit" auch solche Zeiten verstanden, für die Beiträge als entrichtet gelten. Diese Definition gilt auch für den Begriff Beitragszeit in § 15 FRG.
Wann Beiträge als entrichtet gelten, bestimmt in erster Linie das Recht des Herkunftslandes. Voraussetzung ist also zunächst die versicherungsrechtliche Gleichstellung der beitragslosen Zeiten mit Zeiten, für die Beiträge entrichtet wurden, in dem jeweils maßgeblichen ausländischen Recht, hier also dem Recht der CSSR. Nicht zu den Beitragszeiten gehören demgegenüber solche Zeiten, deren Anrechnung an bestimmte Voraussetzungen im Versicherungsverlauf geknüpft sind, wie z.B. Ausfallzeiten und Ersatzzeiten sowie solche Beitragszeiten, die für die Rente geringer bewertet werden als echte Beitragszeiten (vgl. BSG SozR 5050 § 15 Nr. 21).
Die Einbeziehung der den echten Beitragszeiten gleichgestellten Zeiten in den Wirkungsbereich des § 15 FRG rechtfertigt sich aus dem diese Vorschrift prägenden Entschädigungsgedanken. Zwar ist das FRG im übrigen vom Eingliederungsgedanken beherrscht (vgl. BT-Drucks III 1109 S. 35) und hat damit in weiten Bereichen den für das vorangegangene Fremd- und Auslandsrentengesetz (FAG) prägenden Entschädigungsgedanken abgelöst. Dies gilt aber nicht für § 15 FRG. In den Materialien (aa0) ist § 15 FRG nicht unter den Vorschriften zu finden, die als Ausdruck des Eingliederungsprinzips genannt werden. Vielmehr wird zum Ausdruck gebracht, daß die Regelung eine Verschlechterung des versicherungsrechtlichen Status, die für einen Teil der Versicherten durch die Umstellung des Fremdrentenrechts auf das Eingliederungsprinzip eintreten könnte, vermeiden soll. Dem Versicherten sollte wenigstens die Rechtsposition erhalten bleiben, die sich aus der Anrechnung der im Herkunftsland anzurechnenden Beitragszeiten ergibt (BT-Drucks aa0, u. S. 39 f).
Legt man diese Gedanken zugrunde, so ist es sachlich nicht begründet, die echten Beitragszeiten und die gleichgestellten Zeiten unterschiedlich zu behandeln. Besonders ist dabei zu berücksichtigen, daß in Rentenversicherungssystemen, die weitgehend vom Staat mitfinanziert werden, oft nur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die rechtstechnische Form der Gleichstellung anstelle einer Beitragsleistung durch die zuständige staatliche Stelle gewählt wird.
2. Allerdings kann die Gleichstellung beitragsloser Zeiten mit echten Beitragszeiten im Recht des Herkunftslandes nicht uneingeschränkt zur Anerkennung einer Beitragszeit iS des § 15 FRG führen. Das BSG hat bereits früher in mehreren Urteilen entschieden, daß die nachträgliche Gewährung eines Versichertenstatus durch den staatlichen Gesetzgeber kein Tatbestand ist, der zu entschädigen wäre. Zu entschädigen ist nur der Versicherungsschutz, der unmittelbar durch die ausgeübte Tätigkeit erarbeitet worden ist (vgl. BSG SozR 5050 § 15 Nr. 1 und Nr. 11; BSG 27. September 1979 - 4 RJ 17/78 -). Dementsprechend ist erforderlich, daß sowohl nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht als auch nach dem Recht, das in der streitigen Zeit gegolten hat, eine Gleichstellung der beitragslosen Zeiten mit echten Beitragszeiten gesetzlich vorgesehen ist.
Eine weitere Grenze wird durch den das FRG insgesamt prägenden Eingliederungsgedanken gezogen. Den §§ 14 und 16 ff. FRG liegt das Prinzip zugrunde, die in die Bundesrepublik zuziehenden Heimatvertriebenen und DDR-Zuwanderer rentenrechtlich so zu stellen, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären. Dieser Rahmen, in den § 15 FRG hineingestellt ist, prägt auch seinen Wirkungsbereich. Dementsprechend ist der Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften eine rechtliche Grenze dort gesetzt, wo deren Anrechnung mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Eine schrankenlose Entschädigung jeder im fremden Herkunftsgebiet entstandenen Rentenberechtigung und Rentenanwartschaft würde zB diejenigen Zuwanderer aus solchen fremden Rechtssystemen im Vergleich zu dem auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesenen Versicherten bevorzugen, denen Tatbestände als Beitragszeiten angerechnet werden, die im Recht der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht als Versicherungszeiten anerkannt werden. Hingegen sind solche gleichgestellten Zeiten über § 15 FRG zu berücksichtigen, denen eine Tätigkeit zugrunde liegt, die, wenn auch in anderer Weise, in unserem Rechtssystem ebenfalls sozialrechtlich als Beitragszeit oder gleichgestellte Zeit abgesichert ist.
Der Große Senat des BSG sieht auch aufgrund der in diesem Verfahren erhobenen Einwendungen der Beklagten keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen oder Einschränkungen vorzunehmen.
Der von der Beklagten betonte "gesamtdeutsche Aspekt" war für die im Beschluß vom 4. Juni 1986 (GS 1/85) entschiedene Frage der Einbeziehung von Wehrdienstzeiten in der DDR kein die Entscheidung tragender Gesichtspunkt.
Auch hat der Große Senat dort nicht eine im Gesetz nicht angelegte extensive Interpretation des Eingliederungsgedankens vorgenommen, sondern nur den in § 15 FRG angelegten Entschädigungsgedanken unter Heranziehung des Eingliederungsgedankens eingeengt.
Schließlich ist auch die Besorgnis, daß die Belastung der Rentenversicherungsträger wachsen werde, weil in den Rentensystemen östlicher Staaten zunehmend anstelle von echten Beitragszeiten beitragslose Zeiten vorgesehen würden, für die Beiträge als entrichtet gelten, nicht begründet; denn die Entschädigung von echten Beitragszeiten ist nicht teurer für den innerstaatlichen Versicherungsträger als die Entschädigung beitragsloser Zeiten. Er entschädigt in beiden Fällen versicherte Zeiten, für die er selbst Beiträge nicht erhalten hat.
3. Die Zeit, deren Vormerkung der Kläger begehrt, also die Zeit vom 1. Januar 1970 bis 28. April 1971, in der er aufgrund eines Vertrages mit der tunesischen Regierung in Tunesien tätig war, jedoch noch aufgrund eines Entsendungsvertrages an seinen heimischen Arbeitgeber und die entsendende staatliche Stelle gebunden war, erfüllt alle diese Voraussetzungen.
a) Der Kläger war in der streitigen Zeit versicherungsrechtlich im wesentlichen in gleicher Weise wie durch eine Beitragszeit abgesichert. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Während der streitigen Zeit galt das tschechoslowakische Gesetz Nr. 101 vom 4. Juni 1964 über die Soziale Sicherung - G 101 - (Sammlung der Gesetze der CSSR 1964 Nr. 44 S. 553). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 dieses Gesetzes rechneten zur versicherungsrechtlich maßgeblichen Beschäftigungsdauer auch Zeiten eines Arbeitsverhältnisses im Ausland. Anders als für die in § 7 G 101 geregelten Ersatzzeiten, die nur angerechnet wurden, wenn ihnen eine Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr vorausging, waren für die Anrechnung von Zeiten der Auslandstätigkeit besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht vorgesehen.
Allerdings bestimmte § 6 Abs. 1 Nr. 5 G 101 außerdem, daß eine Anrechnung auf die Rente nur in Betracht kam, wenn der Werktätige am Tage der Entstehung des Anspruchs auf Rente seinen ständigen Wohnsitz in der tschechoslowakischen Republik innehatte und wenn er tschechoslowakischer Staatsbürger war (oder fremder Staatsbürger, der mindestens 10 Jahre auf dem Gebiet der tschechoslowakischen sozialistischen Republik beschäftigt war, sofern aus zwischenstaatlichen Verträgen nichts anderes hervorging).
Derartige Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Versicherungszeiten bei Auslandsaufenthalt sind jedoch für die Entschädigung im Rahmen von § 15 FRG ohne Bedeutung. Durch § 15 FRG soll gerade der Nachteil ausgeglichen werden, den der Vertriebene dadurch erleidet, daß er sein bisheriges Heimatland verlassen hat. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob dieser Nachteil lediglich dadurch entsteht, daß die Rentenversicherung des Heimatlandes Renten nicht ins Ausland zahlt oder dadurch, daß bei Umsiedlung ins Ausland der Rentenanspruch dem Grunde nach entfällt oder - wie bei den hier streitigen Beschäftigungszeiten - gar nicht erst entsteht. Im übrigen handelt es sich bei den Bestimmungen über Rentenansprüche bei Auslandsaufenthalt und Rentenanwartschaften bei Auslandstätigkeiten um typische Abgrenzungen der Bereitschaft eines Staates, Renten auch an Ausländer und an solche Personen zu zahlen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Derartige Abgrenzungen und Differenzierungen - auch zwischen verschiedenen Arten von Beitragszeiten - kennt auch das innerstaatliche Recht (§§ 94 ff. und § 2 Abs. 1 Nr. 10 erster Satzteil AVG). Unbeachtlich ist dabei, daß sich das tschechoslowakische Recht insoweit anderer juristischer Konstruktionen bedient.
Die Regelung des § 6 Abs. 1 G 101 ist allerdings inzwischen durch § 10 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des tschechoslowakischen Gesetzes Nr. 121 vom 12. November 1975 über die Soziale Sicherung in der bereinigten Fassung des Gesetzes Nr. 30/1983 - G 121 - (Sammlung der Gesetze der CSSR Teil 4 vom 28. März 1983 S 66 ff.) abgelöst worden. Inhaltlich ist die Regelung über eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten für die Dauer einer Tätigkeit im Ausland jedoch im wesentlichen gleich geblieben. Es gelten dementsprechend insoweit die gleichen Überlegungen wie zu § 6 G 101.
b) Neben der somit gesicherten Gleichstellung der streitigen Zeit mit echten Beitragszeiten im tschechoslowakischen Recht (1. Voraussetzung), ist auch die als weitere Voraussetzung erforderliche Vereinbarkeit mit den Grundzügen des innerstaatlichen Rechts gegeben. Eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung derartiger Tätigkeiten im Ausland war in der streitigen Zeit und ist auch noch heute im innerstaatlichen Recht ebenfalls vorgesehen. Zunächst ist dafür bedeutsam, daß es sich bei der anzurechnenden Zeit um eine Zeit der abhängigen Arbeitstätigkeit handelt, die den Grundtatbestand unseres Rentenrechts darstellt. Entschädigt wird also nicht ein Versicherungsschutz, der durch eine Betätigungsform erworben wurde, die durch unser Rentensystem generell nicht geschützt wird.
Ein Widerspruch zu unserem Rentensystem wird nicht dadurch begründet, daß diese Tätigkeit im Ausland aufgrund eines Vertrages mit einer ausländischen Stelle ausgeübt wurde. Zwar handelt es sich insoweit nicht um einen Tatbestand, der nach innerstaatlichem Recht mit Hilfe des Ausstrahlungsprinzips (§ 4 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - -SGB 4-) in unser Rentensystem einbezogen wäre. Es handelt sich aber auch nicht um eine in eigener Initiative im Ausland aufgenommene Erwerbstätigkeit, für die nach dem Recht des AVG - abgesehen von Fällen der Ausstrahlung - ein Versicherungsschutz nicht vorgesehen ist. Vielmehr blieb der Kläger auch nach Abschluß des Vertrages mit der tunesischen Regierung ein von einer Behörde seines Heimatlandes entsandter Arbeitnehmer. Für vergleichbare Beschäftigungen sah und sieht § 2 Abs. 1 Nr. 10 AVG eine Antragspflichtversicherung vor. Diese Versicherung tritt zwar nicht kraft Gesetzes ein, sondern nur auf Antrag. Für Entwicklungshelfer ist aber in § 11 des Entwicklungshelfergesetzes eine Verpflichtung des Trägers der Entwicklungshilfe vorgesehen, einen derartigen Antrag zu stellen. Im übrigen entspricht es der Fürsorgepflicht, insbesondere staatlicher Stellen, die Rentenversicherung entsandter Arbeitnehmer mit Hilfe der Antragspflichtversicherung sicherzustellen, wenn im Entsendungsland keine Absicherung durch die dortige Rentenversicherung erfolgt. Bei staatlichen Stellen oder bei im öffentlichen Interesse arbeitenden Organisationen kann im übrigen davon ausgegangen werden, daß sie dieser Verpflichtung genügen.
Dementsprechend wäre, wenn der Kläger schon damals Deutscher gewesen wäre, auch in der Bundesrepublik Deutschland für ihn während einer vergleichbaren Tätigkeit in Tunesien eine Beitragszeit entstanden; denn er unterlag dort nicht der Rentenversicherungspflicht, war von einer staatlichen Stelle entsandt worden und war auch bis zum Schluß seines Aufenthalts aufgrund dieser Entsendung tätig.
Daß dafür in der Bundesrepublik Deutschland Beiträge hätten geleistet werden müssen, während im tschechoslowakischen Recht im Hinblick auf die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung auf Beitragsleistungen verzichtet wird, ist - wie schon dargelegt - für die Frage der Entschädigungsbedürftigkeit und Entschädigungsfähigkeit ohne Gewicht. Dies gilt umso mehr, als der Versicherte selbst nach beiden Rechtssystemen von einer eigenen, "zeitgleichen" Beitragszahlungspflicht freigestellt war, die Versicherung vielmehr bei Entsendung durch staatliche Stellen in beiden Rechtssystemen aus Steuermitteln zu finanzieren ist.
Die dem Kläger in der CSSR entstandenen Rentenanwartschaften sind mithin denen aus einer Beitragszeit ohne Beitragsleistung in der Bundesrepublik Deutschland nach § 27 Abs. 1 Buchst. a Alternative 2 AVG hinreichend vergleichbar und deshalb nach § 15 Abs. 1 FRG zu entschädigen.
Die vom 11a Senat vorgelegte Rechtsfrage war daher - wie geschehen - zu beantworten.