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7 RAr 32/84

Gründe I.

Der Rechtsstreit betrifft die Auszahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) an die beigeladene Stadt.

Der Kläger, dessen Ehe mit Rechtskraft vom 19. August 1983 geschieden worden ist, lebt seit Juni 1982 von seiner Ehefrau getrennt. Diese erhielt seitdem neben dem Kindergeld von 50,00 DM monatlich für sich und den im April 1979 geborenen gemeinsamen Sohn D. Hilfe zum Lebensunterhalt von dem beigeladenen Sozialhilfeträger. Auf dessen im Juni 1982 gestellten Antrag zahlte die Beklagte gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Alhi des Klägers an die Beigeladene aus, und zwar von der Leistung ab Juli 1982 98,64 DM wöchentlich und nach einer Erhöhung der Leistung ab 1. September 1982 103,92 DM wöchentlich. Ab 1. Januar 1983 setzte die Beklagte die Alhi neu auf 248,40 DM wöchentlich fest und zahlte hiervon 103,92 DM wöchentlich an die Beigeladene aus (Bescheid vom 29. Dezember 1982). Auf den Widerspruch des Klägers ermäßigte die Beklagte den Abzweigungsbetrag ab 4. Februar 1983 auf 57,96 DM (Bescheid vom 30. März 1983). Den weitergehenden Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. April 1983). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger komme seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nach. Ausgehend von einem Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle von 825,00 DM monatlich könne er angesichts der Alhi von 1.076,40 DM monatlich an Unterhalt 251,40 DM monatlich (= 58,01 DM wöchentlich) zahlen. Die Beklagte ging dabei ungeachtet eines Selbstbehalts von einem Unterhalt von 207,00 DM für den Sohn und 391,23 DM für die Ehefrau aus.

Der Kläger hat Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid vom 30. März 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1983 aufzuheben, soweit von der Alhi wöchentlich mehr als 47,77 DM (= 207,00 DM monatlich) abgezweigt werde. Während des Klageverfahrens ermäßigte die Beklagte die Abzweigung ab 19. August 1983 auf 47,76 DM wöchentlich (= 206,96 DM monatlich). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 29. Dezember 1982, 30. März 1983 und 13. April 1983 verurteilt, von der Alhi des Klägers nur 220,00 DM monatlich an die Beigeladene ab 1. September 1982 auszuzahlen (Urteil vom 13. Juni 1983). Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, vom 1. September bis 31. Dezember 1982 nur 220,00 DM monatlich an die Beigeladene auszuzahlen; im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 9. Februar 1984).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, hinsichtlich der Bezugszeit 1982 sei die Berufung schon deshalb begründet, weil das SG dem Kläger etwas zugesprochen habe, was von diesem gar nicht beantragt worden sei; der Kläger habe sich nur gegen die Abzweigung ab 1. Januar 1983 gewandt. Im übrigen sei die Berufung unbegründet. Der § 48 SGB I erfordere zunächst die Feststellung der Unterhaltspflicht des Leistungsberechtigten. Ob eine Auszahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 220,00 DM monatlich gerechtfertigt sei, müsse dahinstehen. Das Urteil des SG, das die Beklagte für befugt angesehen habe, einen Betrag in dieser Höhe an Kindesunterhalt an die Beigeladene auszuzahlen, sei nämlich insoweit in Rechtskraft erwachsen. Zu prüfen sei allerdings, ob eine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau bestanden habe. Die Unterhaltspflicht sei Tatbestandsvoraussetzung der Ermächtigung des Leistungsträgers, die Leistung in angemessener Höhe anderweit auszuzahlen, bei deren Feststellung dem Leistungsträger weder ein Ermessen noch ein ermessensähnlicher Beurteilungsspielraum zukomme. Eine Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber der Ehefrau sei zu verneinen; diese sei zwar bedürftig gewesen, doch habe es an der Leistungsfähigkeit des Klägers gefehlt. Die Leistungsfähigkeit sei nicht nach den Pfändungsfreigrenzen zu beurteilen, sondern, was das LSG des Näheren begründet hat, nach den Sätzen, die die Familiengerichte zu § 1361 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entwickelt hätten. Das SG habe daher zu Recht die Düsseldorfer Tabelle zugrunde gelegt. Das Einkommen des Klägers sei vorab um den Kindesunterhalt zu vermindern. Dieser betrage 207,00 DM abzüglich der Hälfte des der Ehefrau gezahlten Kindergeldes. Dem Kläger verbleibe damit ein Betrag von 894,40 DM monatlich (= 1.076,40 - 207 + 25,00 DM). Dieser Betrag sei dem Kläger aber gegenüber der Ehefrau als Selbstbehalt zuzubilligen. Der notwendige Eigenbedarf betrage 825,00 DM, wenn der Unterhaltspflichtige, wie hier, nicht erwerbstätig sei, während der angemessene Eigenbedarf in der Regel bei mindestens 1.200,00 DM liege (Düsseldorfer Tabelle B IV und V). Nach IV der Leitlinien des OLG Celle liege der Selbstbehalt gegenüber Ehegatten im Bereich zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Eigenbedarf, in der Regel mithin bei 1.050,00 DM. Hiervon im vorliegenden Falle abzugehen, bestehe kein Anlaß. Bei einem Selbstbehalt von 1.050,00 DM sei der Kläger nicht leistungsfähig, da ihm nach Abzug des Kindesunterhalts nur 894,40 DM monatlich verblieben.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 1361 BGB. Sie macht geltend, auch gegenüber dem getrenntlebenden Ehegatten habe sich der Unterhaltspflichtige mit dem sogenannten kleinen oder notwendigen Unterhalt zu begnügen. Es sei deshalb von einem Selbstbehalt von 825,00 DM auszugehen. Für eine Anwendung der davon abweichenden Leitlinien des OLG Celle, die gegenüber dem Ehegatten einen Regelbedarf (Selbstbehalt) von 1.050,00 DM vorsähen, sei kein Raum. Von dem Einkommen des Klägers sei entgegen der Auffassung des LSG auch nicht der Kindesunterhalt abzuziehen, da der verbleibende Betrag nicht ausreiche, den notwendigen Lebensunterhalt beider Ehegatten zu bestreiten. Es hätten demnach 251,40 DM (= 1.076,40 DM - 825,00 DM) monatlich für die Erfüllung von Unterhaltspflichten zur Verfügung gestanden. Hieraus folge, daß dieser Betrag auch den abzweigbaren Betrag bilde, da der notwendige Eigenbedarf der Ehefrau mit 825,00 DM weitaus höher sei, selbst wenn hiervon die Hälfte des Kindergeldes abgezogen werde. Da die Beklagte nur 251,16 DM an die Beigeladene ausgezahlt habe, sei die Abzweigung nicht zu beanstanden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

  • die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit in der Zeit vom 1. Januar bis 18. August 1983 eine Abzweigung von 251,40 DM monatlich vorgenommen worden ist.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er macht geltend, von einer Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau im Sinne des § 48 SGB I könne schon deshalb keine Rede sein, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden sei. Die Rechtsauffassung der Revision, derzufolge die regionalen Unterschiede der Rechtsprechung der Familiengerichte zum Selbstbehalt gegenüber den getrenntlebenden Ehegatten bei der Abzweigung nicht berücksichtigt wurden, führe zu einer Benachteiligung einkommensschwächerer Sozialleistungsempfänger, bei denen gerade wegen der Mangellage davon abgesehen werde, den Unterhaltsanspruch des getrenntlebenden Ehegatten familiengerichtlich zu regeln. Bestätige der erkennende Senat diese Auffassung, werde dies zur Folge haben, daß potentielle Unterhaltsschuldner zunehmend negative Feststellungsurteile bei den Familiengerichten erwirken würden, an die der Sozialleistungsträger im Rahmen der Abzweigung gebunden sei, um eine unterhaltsrechtlich unbegründete Auszahlung von Sozialleistungen an die Ehefrau zu verhindern.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Gründe II.

Die Revision der Beklagten, über die der Senat in der Besetzung mit den geschäftsplanmäßig vorgesehenen ehrenamtlichen Richtern entscheidet, deren Berufung dem Gesetz entspricht (vgl. Beschluß des 1. Senats vom 26. September 1985 - 1 S 12/85 - SGb 1985, 415), ist unbegründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das ursprüngliche Klagebegehren des Klägers nur insoweit, als das Rechtsmittel der Revision reicht, das allein von der Beklagten eingelegt worden ist. Mit der Klage hatte sich der Kläger gegen die Verfügungen der Beklagten gewandt, einen Teil der ihm gewährten Alhi an die Beigeladene auszuzahlen, soweit die Auszahlung von mehr als 47,77 DM wöchentlich (= 207,00 DM monatlich) verfügt worden war. Zu entscheiden ist somit, was angesichts der Fassung des erstinstanzlichen Urteils zu betonen ist, über eine reine Anfechtungsklage. Das SG hat die Auszahlung von 220,00 DM im Monat wegen des Unterhaltsanspruches des Sohnes gebilligt, die Auszahlung eines höheren Betrages dagegen nicht, weil der Ehefrau des Klägers kein Unterhaltsanspruch zugestanden habe. Das SG hat also, wenn es in Abänderung der ergangenen Auszahlungsverfügungen die Beklagte verurteilt hat, von der Alhi des Klägers nur 220,00 DM monatlich an die Beigeladene auszuzahlen, der Sache nach die Auszahlungsverfügungen aufgehoben, soweit mehr als 50,77 DM wöchentlich (= 220,00 DM monatlich) an die Beigeladene ausgezahlt werden sollten, und die weitergehende Klage des Klägers abgewiesen. Da der Kläger gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt hat, ist nicht zu prüfen, ob die Auszahlung von 50,77 DM wöchentlich an die Beigeladene rechtmäßig war. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufgehoben, soweit es die Auszahlung von Alhi für 1982 betraf. Insoweit unterliegt das Urteil des LSG in Ermangelung einer Revision des Klägers nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Nur in dem Umfange, in dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen hat, ist der Rechtsstreit aufgrund der Revision der Beklagten beim Revisionsgericht angefallen. Streitig sind also lediglich noch die Auszahlungsverfügungen für die Zeit vom 1. Januar bis 18. August 1983, soweit der Auszahlungsbetrag 50,77 DM übersteigt, wobei die Revision einräumt, für die Zeit vom 1. Januar bis 3. Februar 1983 statt der verfügten 103,92 DM wöchentlich nur 58,01 DM wöchentlich (= 251,40 DM monatlich) auszahlen zu dürfen. Zu entscheiden ist demnach, ob die Bescheide der Beklagten vom 29. Dezember 1982 und 30. März 1983 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13. April 1983 den Kläger in seinen Rechten verletzen, als sie statt 50,77 DM wöchentlich für die Zeit vom 1. Januar bis 3. Februar 1983 die Auszahlung von 58,01 DM wöchentlich und für die Zeit vom 4. Februar bis 18. August 1983 die Auszahlung von 57,96 DM wöchentlich an die Beigeladene verfügt haben.

Einer sachlich-rechtlichen Entscheidung des Revisionsgerichts steht nicht entgegen, daß die frühere Ehefrau des Klägers und der Sohn nicht zu dem Rechtsstreit beigeladen worden sind. Zwar zählt die Unterlassung einer (echten) notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmängeln (seit BSG SozR 1500 § 75 Nr. 1 st Rspr); jedoch sind der Ehegatte und die Kinder des Leistungsberechtigten an dem Rechtsstreit, mit dem der Leistungsberechtigte die gemäß § 48 SGB I verfügte Auszahlung der ihm zustehenden Geldleistung an Personen oder Stellen anficht, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewähren, nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG nur einheitlich ergehen kann (vgl. dazu Loytved SGb 1984, 510, 513). Nur einheitlich könnte die Entscheidung ergehen, wenn durch sie, also durch die Aufhebung der Auszahlungsverfügungen, wie sie der Kläger erstrebt, oder durch eine Klageabweisung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen der Ehefrau oder des Kindes gestaltet, bestätigt oder verändert würden, eine solche Gestaltung aber ohne deren Beteiligung am Verfahren (wegen § 141 Abs. 1 SGG) nicht wirksam wäre. Das aber ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Auszahlungsverfügungen rechtlich nur den beigeladenen Sozialhilfeträger begünstigen, die Ehefrau und das Kind dagegen aus den angegriffenen Auszahlungsverfügungen unmittelbar keine Rechte herleiten können, und zwar auch insoweit nicht, als ihre Unterhaltsansprüche der Auszahlung an den Sozialhilfeträger zugrunde liegen. Die Auszahlung an die beigeladene Stadt beeinträchtigt auch nicht diese Unterhaltsansprüche; denn Unterhaltsansprüche erlöschen nicht durch die Abzweigung, sie werden vielmehr nur in dem Umfange, in dem den Unterhaltsberechtigten die Auszahlung letztlich tatsächlich zugute kommt, befriedigt. Weder die Aufhebung der Auszahlungsverfügungen noch die Abweisung der Klage kann sich daher unmittelbar auf Rechte der Ehefrau und des Kindes auswirken. Daß in dem Rechtsstreit darüber zu befinden ist, ob und in welcher Höhe Unterhaltsansprüche bestanden bzw. ob es angezeigt war, an den Sozialhilfeträger und nicht direkt an die Unterhaltsberechtigten auszuzahlen, vermag die Notwendigkeit der Beiladung der Unterhaltsberechtigten nicht zu begründen. Sowohl das Rechtsverhältnis der Unterhaltsberechtigten zum Leistungsberechtigten (in Ansehung des gesetzlichen Unterhalts) als auch das Rechtsverhältnis zwischen den Unterhaltsberechtigten und dem Sozialleistungsträger (in Ansehung einer Auszahlung an sie) sind hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Auszahlung an Dritte Vorfragen. Die Beurteilung von Vorfragen nimmt jedoch an der Rechtskraftwirkung nicht teil. Das hat zur Folge, daß eine Entscheidung nicht wegen der Beurteilung der Vorfragen unmittelbar in Rechte Dritter eingreifen kann, eine Beiladung somit nicht notwendig ist (vgl. BSGE 15, 127, 128; 46, 232, 233; BSG USK 77244; BSGE 57, 15, 19 = SozR 4100 § 105b Nr. 1). Ob dann etwas anderes gilt, wenn die Ehefrau bzw. das Kind Auszahlung an sich beantragt hätte, bedarf hier keiner Entscheidung.

Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen die Bescheide vom 29. Dezember 1982 und 30. März 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1983 als rechtswidrig aufgehoben, soweit die Beklagte die Auszahlung von Alhi des Klägers von mehr als 50,77 DM wöchentlich an die Beigeladene verfügt hat.

Nach § 48 Abs. 1 SGB I können laufende Geldleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten und die Kinder des Leistungsberechtigten sowie unter weiteren Voraussetzungen auch an Dritte ausgezahlt werden, wenn der Leistungsberechtigte dem Ehegatten oder seinen Kindern gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Bei der dem Kläger gewährten Alhi handelt es sich, wie nicht zweifelhaft ist, um eine laufende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in diesem Sinne (BSGE 53, 260, 267 = SozR 1200 § 54 Nr. 6; BSGE 55, 245, 247 = SozR 1200 § 48 Nr. 7; BSGE 57, 59, 60 f. = SozR 1200 § 48 Nr. 8). Eine sogenannte Abzweigung, wie die Verfügung der Auszahlung einer Sozialleistung an den unterhaltsberechtigten Ehegatten und Kinder sowie Dritte in der Verwaltungspraxis kurz bezeichnet wird, war daher möglich, wenn der Kläger seinerzeit seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau oder seinem Sohne nicht nachkam.

Diese Tatbestandsvoraussetzung ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger, wie er von Anfang an geltend gemacht hat, zu keiner Zeit zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden ist. Nach dem Gesetzeswortlaut ist nicht erforderlich, daß der Leistungsberechtigte sich seiner Unterhaltspflicht im Sinne des § 170b Strafgesetzbuch entzogen oder sie sonst schuldhaft verletzt hat; es genügt vielmehr, wenn er gegenwärtig der Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Nach dem Zweck der Vorschrift, den Unterhaltsberechtigten künftig alsbald einen Teil der laufenden Geldleistung zu ihrem Unterhalt zur Verfügung zu stellen, kommt der Leistungsberechtigte seiner Unterhaltspflicht schon dann nicht nach, wenn aufgrund der Art und Weise seiner bisherigen Unterhaltsleistungen oder anders erkennbar ist, daß eine laufende Erfüllung der Unterhaltspflicht künftig nicht erwartet werden kann (Burdenski / von Maydell / Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB-AT, 2. Aufl. 1981, § 48 Rdz. 11; Thieme in Wannagat, Kommentar zum SGB, § 48 Rdz. 5). Was nun aber einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau angeht, der zusammen mit dem Unterhaltsanspruch des Sohnes nach der Sachlage eine 50,77 DM wöchentlich übersteigende Abzweigung rechtfertigen könnte, war im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, auf den es ankommt, nicht damit zu rechnen, daß der Kläger dieser Unterhaltspflicht nachkommen wird, denn mit dem Widerspruch hat er einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau bestritten.

Allerdings wiegt nicht jede Verletzung der Unterhaltspflicht nach Dauer und Umfang so schwer, daß eine teilweise Auszahlung der dem Leistungsberechtigten zustehenden Geldleistung an einen Dritten gerechtfertigt wäre. Nach den Motiven des Gesetzgebers ist die Entscheidung deshalb dem pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers vorbehalten worden (vgl. BT-Drucks. 7/868 S. 31). Der Leistungsträger hat daher dann, wenn der Leistungsberechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, zu prüfen und zu entscheiden, ob angesichts der ihm bekannten näheren Umstände eine Abzweigung angezeigt erscheint. Insoweit ist der Einwand eines Leistungsberechtigten, daß er nicht zu Unterhaltszahlungen aufgefordert worden ist und nach der Praxis der für ihn zuständigen Familiengerichte auch keinen Ehegattenunterhalt schuldet, von Belang; denn abgesehen davon, daß der Leistungsträger berechtigt wäre, den dem Leistungsberechtigten zu belassenden Betrag in Anlehnung an die Rechtsprechung des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts zu bestimmen (BSGE 55, 245, 248), wäre es nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger von einer Abzweigung absieht, soweit ihm die Unterhaltspflicht zweifelhaft ist und erscheinen darf. Diese Frage berührt indes nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Ermessensausübung, sondern die Ausübung selbst, worauf noch zurückzukommen ist. Eine Abzweigung auch im Hinblick auf den Unterhalt der Ehefrau war daher möglich, wenn der Kläger zu solchem Unterhalt gesetzlich verpflichtet war.

Eine Unterhaltspflicht in diesem Sinne besteht nur dann, wenn sich aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht und den Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen ein konkreter Unterhaltsanspruch ergibt; eine abstrakte Unterhaltsverpflichtung des Leistungsberechtigten genügt nicht (BSGE 57, 59, 61 m.w.N.). Liegt ein rechtskräftiges Unterhaltsurteil vor, so bestimmt dieses den Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht (BSG SozR 1200 § 48 Nr. 3). Liegt ein solches Urteil nicht vor und sind auch keine verbindlichen Vereinbarungen über den zu leistenden Unterhalt getroffen worden, hat der Leistungsträger und im Rechtsstreit das Gericht zu prüfen, ob und in welchem Umfange der Leistungsberechtigte zur Gewährung von Unterhalt für die Zeit verpflichtet ist, für die die Abzweigung im Streit steht; denn wenn die Auszahlung nach § 48 Abs. 1 SGB I als solche auch im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Leistungsträgers steht, kommt eine Ermessensausübung zum Nachteil des Leistungsberechtigten erst in Betracht, wenn dieser dem Ehegatten oder den Kindern gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

Nach den Feststellungen des LSG, denen zufolge die Ehefrau weder Vermögen noch Einkommen gehabt hat und wegen des vierjährigen Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte, waren die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs des Sohnes gemäß §§ 1601, 1602 BGB und der Ehefrau gemäß § 1361 BGB an sich gegeben, zweifelhaft konnte nur sein, inwieweit der Kläger aufgrund des Alhi-Bezuges zu Unterhaltsleistungen in der Lage war. Die Beklagte hat in dem Widerspruchsbescheid gemeint, der Kläger habe in Höhe von 251,40 DM zum Unterhalt von Frau und Kind beitragen können. Sie ist davon ausgegangen, daß dem Kläger sowohl gegenüber seinem Sohn als auch gegenüber der getrenntlebenden Ehefrau zur Deckung seines notwendigen Eigenbedarfs von den 1.076,40 DM Alhi monatlich ein Betrag von 825,00 DM zu belassen sei, wie er in der Düsseldorfer Tabelle nach dem Stand vom 1. Januar 1982 (NJW 1982, 19 = FamRZ 1981, 1207) für den nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen vorgesehen ist, und zwar gleichermaßen für Kindes- wie für Ehegattenunterhalt bei getrenntlebenden und, worauf es hier jedoch nicht ankommt, geschiedenen Ehegatten (Düsseldorfer Tabelle, Abschnitt A Anm. 5 und Abschnitt B IV). Wie die Beklagte räumt auch das LSG dem Kläger gegenüber seinem Kinde zur Deckung des notwendigen Eigenbedarfs den in der Düsseldorfer Tabelle vorgesehenen Selbstbehalt von 825,00 DM ein. Abweichend von der Beklagten meint das LSG jedoch, daß in Ansehung des Unterhaltsanspruchs der getrenntlebenden Ehefrau dem Kläger ein Selbstbehalt von in der Regel 1.050,00 DM verbleiben müsse, der zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Eigenbedarf liege, wobei das LSG den angemessenen Eigenbedarf wiederum in Übereinstimmung mit der Düsseldorfer Tabelle (Abschnitt A Anm. 5 und Abschnitt B V) mit mindestens 1.200,00 DM ansetzt. Diese Rechtsauffassung des LSG steht, wie die Revision zu Recht geltend macht, im Widerspruch zu dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Senats vom 20. Juni 1984 (- 7 RAr 18/83 - BSGE 57, 59 = SozR 1200 § 48 Nr. 8).

Kein Widerspruch besteht allerdings, soweit das LSG den notwendigen Eigenbedarf in Übereinstimmung mit der Düsseldorfer Tabelle angesetzt hat. Wie der Senat in dem genannten Urteil näher begründet hat, kann die Beklagte hinsichtlich des Betrages, der dem in Anspruch genommenen Leistungsberechtigten nach Maßgabe des Unterhaltsrechts zur Deckung des eigenen notwendigen Bedarfs zu belassen ist, grundsätzlich geeignete schematisierte Werte zugrunde legen, weil eine darüber hinausgehende Prüfung jedes Einzelfalles dem Charakter der Abzweigung als Soforthilfemaßnahme widersprechen würde und solche Werte auch in der Praxis der Familiengerichte verbreitet sind (BSGE 57, 59, 64 f.). Es kann daher grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Werte zugrunde gelegt werden, die bei den Familiengerichten eine besonders weite Verbreitung erlangt hat (BSGE 57, 59, 69 f.). Ob abweichend hiervon der für den notwendigen Bedarf des Unterhaltspflichtigen erforderliche Geldbetrag anhand der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete geltend macht, daß sich sein notwendiger Bedarf mit einem Geldbetrag in Höhe des schematisierten Wertes nicht decken lasse, kann offenbleiben; denn der Kläger hat in den Vorinstanzen nichts vorgetragen, was für eine solche Fallgestaltung sprechen könnte. Der Senat hat jedoch - anders als das LSG - entschieden, daß der dem nach § 1361 BGB in Anspruch genommenen Ehegatten zur Deckung seines eigenen Unterhalts in jedem Falle zu belassende Betrag grundsätzlich mit dem Mindestselbstbehalt übereinstimmt, der ihm auch seinen minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber eingeräumt wird, wenn der Unterhaltsverpflichtete den Ehegatten nicht auf leistungspflichtige Verwandte (§§ 1601, 1603 Abs. 1, 1608 BGB) verweisen kann (BSGE 57, 59, 62 f.). Hieran hält der Senat fest.

Die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern ist dadurch gekennzeichnet, daß sie auch bestehen kann, wenn der Unterhaltspflichtige außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 2 BGB). Dem sogenannten notwendigen oder kleinen Selbstbehalt, den Praxis und Lehre übereinstimmend dem Unterhaltspflichtigen einräumen, liegt die Erwägung zugrunde, daß jede Unterhaltspflicht, also auch die, die dem Unterhaltspflichtigen vorab die Befriedigung seines eigenen angemessenen Unterhalts nicht erlaubt, ihre gewissermaßen natürliche Grenze dort findet, wo die Möglichkeit der Fortexistenz des Unterhaltspflichtigen in Frage gestellt würde und ihm nicht mehr die Mittel zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs verbleiben würden (vgl. BGH NJW 1984, 1614). In den in der Praxis verwendeten Unterhaltstabellen und -leitlinien wird diese Opfergrenze mit einem Mindestbetrage angesetzt, der etwas über den Sätzen der Sozialhilfe liegt. Für den Ehegattenunterhalt ist der dem Pflichtigen einzuräumende Mindestselbstbehalt nicht anders zu bestimmen. Der Grundsatz, daß der Pflichtige den eigenen angemessenen Unterhalt einbehalten darf (vgl. § 1603 Abs. 1 BGB), findet auch für den Ehegattenunterhalt nur eingeschränkt Anwendung. Der Pflichtige kann den eigenen angemessenen Unterhalt dann vorab befriedigen, wenn der berechtigte Ehegatte Verwandte hat, die ihm gegenüber unterhaltsverpflichtet und leistungsfähig sind; denn die Verwandten haften in einem solchen Falle vor dem Ehegatten (§ 1608 Satz 2 BGB). Sind aber keine Verwandten vorhanden oder sind die vorhandenen nicht leistungsfähig, dann trifft den Pflichtigen wie gegenüber dem minderjährigen unverheirateten Kinde eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Das Gesetz geht insoweit von einer Gleichbehandlung des engsten Familienverbandes aus; sind nämlich mehrere Bedürftige vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, steht der Ehegatte den minderjährigen unverheirateten Kindern gleich (§ 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Unterhaltspflichtige muß sich daher wie gegenüber dem minderjährigen unverheirateten Kinde auch gegenüber dem unterhaltsberechtigten getrenntlebenden Ehegatten mit dem zufrieden geben, was zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs erforderlich ist (vgl. Rolland, Komm. zum 1. Eherechtsreformgesetz, 2. Aufl. 1982, § 1361 Rdz. 7; Lange in Soergel / Siebert, Komm. zum BGB, 11. Aufl. 1981, § 1361 Rdz. 12; Wenz in Göppinger, Unterhaltsrecht, 4. Aufl. 1981, Rdz. 1135; Wacke in Rebmann / Säcker, Münchener Kommentar zum BGB, § 1360 Rdz. 8 und § 1361 Rdz. 6; Brühl, Die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht, 3. Aufl. 1981, S. 105; OLG Frankfurt FamRZ 1978, 433 und 1980, 74; OLG Stuttgart FamRZ 1978, 590; aA KG FRES 3, 366, 374 und FamRZ 1981, 869). Das Maß dessen, was auch in einfachsten Lebensverhältnissen allgemein unentbehrlich ist, mag unterschiedlich sein, ob der Pflichtige erwerbstätig ist oder nicht. Seinem Zwecke nach, dem Unterhaltspflichtigen das Unentbehrliche zu belassen, kann der Mindestselbstbehalt nicht unterschiedlich hoch sein, je nachdem, ob es um die Beurteilung geht, ob der Pflichtige seinem Kinde oder seiner getrenntlebenden Ehefrau Unterhalt gewähren kann.

Der Einwand des Klägers, angesichts der Unterschiede aufweisenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Unterhaltsrecht müsse in seinem Falle die Praxis des für ihn zuständigen Oberlandesgerichts berücksichtigt werden, wie dies das LSG getan habe, geht fehl. Es ist hier nicht darüber zu entscheiden, inwieweit eine auf regionale Unterschiede tatsächlicher Art (z.B. auf Unterschiede in den Lebenshaltungskosten) zurückzuführende unterschiedliche Mindesthöhe des kleinen Selbstbehalts von der Beklagten zu beachten ist; denn die Beteiligten streiten nicht um die Höhe des notwendigen Selbstbehalts des nicht erwerbstätigen Klägers, den die Beklagte und das LSG in Übereinstimmung mit der Düsseldorfer Tabelle mit 825,00 DM im Monat angesetzt haben. Es geht hier vielmehr um eine Rechtsfrage, nämlich die, ob dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem getrenntlebenden Ehegatten in den Mangelfällen von den zur Verfügung stehenden Mitteln mehr als das zu belassen ist, was zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs erforderlich ist. Diese das Unterhaltsrecht betreffende Rechtsfrage kann aber, da sie Bundesrecht betrifft, nur einheitlich beantwortet werden, so daß insoweit eine regional unterschiedliche Praxis nicht hingenommen werden muß. Die vom Kläger angesichts der Praxis der Beklagten herausgestellte Benachteiligung einkommensschwächerer Sozialleistungsempfänger, bei denen mit Rücksicht auf einen von den zuständigen Familiengerichten eingeräumten höheren Selbstbehalt davon abgesehen worden ist, den Unterhaltsanspruch des getrenntlebenden Ehegatten familiengerichtlich zu regeln, wird entfallen, sobald die Rechtspraxis allgemein die zutreffende vorherrschende Meinung zugrundelegt, derzufolge auch gegenüber dem getrenntlebenden Ehegatten dem Pflichtigen nur der sogenannte kleine Selbstbehalt einzuräumen ist. Es kommt daher auf die Praxis der Familiensenate des OLG Celle nicht an, deren Leitlinien für die Bemessung des Unterhalts (Stand: 1. Januar 1982) für den Selbstbehalt/Mindestbedarf bei Ansprüchen nach § 1361 BGB übrigens keine unmittelbaren Empfehlungen enthalten; Abschnitt IV Nr. 3 der Leitlinien, dem das LSG den Regelselbstbehalt von 1.050,00 DM entnommen hat, betrifft die Fälle der §§ 1581 BGB, 59 Ehegesetz (a.F.), die den Unterhalt geschiedener Ehegatten regeln.

Dem Unterhaltspflichtigen ist demnach gegenüber einem Unterhaltsbegehren eines getrenntlebenden Ehegatten grundsätzlich nur der notwendige Selbstbehalt einzuräumen, der angemessene „große“ (Mindest-)Selbstbehalt (von seinerzeit 1.200,00 DM) aber, wenn der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte sich wegen seines Unterhalts an einen leistungsfähigen Verwandten gerader Linie wenden könnte. Es wäre daher nur dann ein Unterhaltsanspruch der Ehefrau gegen den Kläger zu verneinen, wenn die Ehefrau einen Unterhaltsanspruch gegen einen Verwandten, also nach Lage des Falles gegen ihre Eltern oder Großeltern hätte. Ist ein solcher Anspruch dagegen nicht gegeben, wäre die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger 251,40 DM im Monat an Unterhalt für Frau und Kind hat leisten müssen. Der Sachverhalt legt zwar nicht nahe, daß die Ehefrau sich an ihre Eltern oder Großeltern hätte wenden können, doch fehlt es in dem angefochtenen Urteil insoweit an einschlägigen Feststellungen. Dies nötigt indes nicht zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Soweit das LSG die vom SG vorgenommene teilweise Aufhebung der Abzweigung gebilligt hat, ist diese Entscheidung aus einem anderen Grunde zutreffend.

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob ein abzweigbarer Betrag statt an die Unterhaltsberechtigten an die beigeladene Stadt ausgezahlt werden durfte. Die Auszahlung eines von einer Sozialleistung abgezweigten Betrages an eine Stelle oder eine andere Person als die Unterhaltsberechtigten setzt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB I voraus, daß die Person oder Stelle dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt. Der Umstand, daß nicht aufgrund Unterhaltsrechts, sondern nach Maßgabe des Sozialhilferechts Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, steht einer Abzweigung an den Sozialhilfeträger zwar nicht entgegen; denn nach dem mit § 48 SGB I verfolgten Zweck kommt es auf den Rechtsgrund, auf dem die Unterhaltsgewährung des Dritten, beruht, an den abgezweigt werden soll, nicht an. Fraglich ist allerdings, ob der Sozialhilfeträger schon dann Unterhalt gewährt, wenn er allein durch Geldzahlungen die Hilfe zum Lebensunterhalt erbringt, oder ob hierfür unabdingbar ist, daß die tatsächlichen Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten nicht nur durch sachliche Zuwendungen, sondern auch durch persönliche Zuwendung sichergestellt werden (in diesem Sinne wohl BSGE 53, 218 = SozR 1200 § 48 Nr. 5).

Die Fragestellung ist nicht neu. Bekanntlich hatte schon das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. I 187) die Möglichkeit eröffnet, einen angemessenen Teil der Arbeitslosenunterstützung an Angehörige des Arbeitslosen auszuzahlen. Damals konnte die Auszahlung u.a. an diejenige Person, Anstalt oder Behörde erfolgen, in deren Obhut sich der Angehörige befand (§ 175 Abs. 3 AVAVG). Hierzu entschied das Reichsversicherungsamt (RVA), daß Obhut neben der wirtschaftlichen Unterstützung auch eine persönliche Betreuung, ggfs. Pflege und Wartung bedeutete (RVA GE 4804 AN 1934, 340). Da Obhut in aller Regel nur bei der Aufnahme in eine Familie, ein Heim oder eine Anstalt anzunehmen war, kam die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung an das Wohlfahrtsamt nicht in Betracht, wenn das Amt den Angehörigen eines Arbeitslosen lediglich durch Geldzahlungen unterstützte (RVA a.a.O.). Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AVAVG vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I 1018) fügte in § 175 Abs. 3 AVAVG (= § 181 Abs. 3 AVAVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. April 1957, BGBl. I 321) dem Satz “in deren Obhut er sich befindet“ die Worte „oder die ihm Unterhalt gewährt“ hinzu. Wie der Regierungsbegründung zu dieser Änderung zu entnehmen ist, sollte damit die Abzweigung an Fürsorgeverbände und Jugendämter gesetzlich auch für den Fall zulässig sein, daß die Ämter den Angehörigen nicht persönlich betreuen, sondern anderweit den Unterhalt gewährleisten (BT-Drucks. 2/1274 S. 163). Das Arbeitsförderungsgesetz hat es in § 123 Abs. 1 (in der bis zum Inkrafttreten des § 48 SGB I geltenden Fassung) dabei belassen, daß an diejenige Person oder Stelle ausgezahlt werden konnte, in deren Obhut der Angehörige sich befindet oder die diesem Unterhalt gewährt.

Wenn § 48 SGB I für die Auszahlung an andere als die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nunmehr genügen läßt, daß der Dritte dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt, wird aus dieser Entwicklung zu schließen sein, daß Unterhaltsgewährung im Sinne dieser Vorschrift eine persönliche Sorge für den Ehegatten bzw. die Kinder des Leistungsberechtigten nicht voraussetzt. Es durfte deshalb der im Schrifttum herrschenden Ansicht zuzustimmen sein, daß es zur Unterhaltsgewährung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB I genügt, wenn der Unterhalt durch nicht nur unerhebliche und unregelmäßige Zahlungen sichergestellt wird, so daß ggfs. auch an Träger der Sozialhilfe abgezweigt werden kann (Rohwer-Kahlmann / Ströer, Komm. zum SGB I, § 48 Rdz. 8; Burdenski / von Maydell / Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB-AT, 2. Aufl. 1981, § 48 Rdz. 23; Heinze in Bochumer Kommentar zum SGB-AT, § 48 Rdz. 15). Eine andere, vom Leistungsträger im Rahmen seines Ermessens zu berücksichtigende Frage ist, wann eine Auszahlung an den Unterhaltsberechtigten und wann sie an den Sozialhilfeträger erfolgen soll. Jedoch bedarf dies alles keiner abschließenden Stellungnahme. Die angefochtene Abzweigung ist in jedem Falle rechtswidrig, weil sie nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden ist.

Die Abzweigung steht nach § 48 Abs. 1 SGB I im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Das bedeutet, daß grundsätzlich die Wahl zwischen mehreren rechtlich möglichen Verhaltensweisen besteht. Der Leistungsträger kann daher selbst dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, von der an sich möglichen Abzweigung absehen, etwa weil ihm eine solche Maßnahme angesichts der näheren Umstände nicht angezeigt erscheint. So wäre es, wie schon erwähnt, nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger von einer Abzweigung absieht, soweit die Unterhaltspflicht zweifelhaft ist. Ebenfalls wäre es nicht zu beanstanden, wenn wegen der Geringfügigkeit des abzweigbaren Betrages oder der nur kurzen Dauer einer möglichen Abzweigung von ihr abgesehen wird. Entscheidet sich der Leistungsträger für eine Abzweigung, bestimmt grundsätzlich er, welcher Betrag ausgezahlt werden soll; auch in dieser Beziehung hat der Leistungsträger, begrenzt allerdings durch das Unterhaltsrecht, die Wahl zwischen mehreren rechtlich möglichen Verhaltensweisen. Kommt schließlich neben der Auszahlung an den Unterhaltsberechtigten die Auszahlung an einen Dritten in Betracht, der dem Unterhaltsberechtigten Unterhalt gewährt, hat der Leistungsträger die Wahl, an wen unmittelbar ausgezahlt werden soll. Dabei ist z.B. zu erwägen, ob die Abzweigung an den Dritten zweckmäßig ist, was bei der Abzweigung an den Sozialhilfeträger in der Regel nicht der Fall sein dürfte, wenn die Auszahlung an den Unterhaltsberechtigten diesen in die Lage versetzt, künftig unabhängig von Sozialhilfe zu leben (vgl. dazu § 1 Abs. 2 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz). Als auf Ermessen beruhend muß die Abzweigung daher den Anforderungen entsprechen, die an eine Ermessensentscheidung zu stellen sind. Diesen Anforderungen ist hier schon deshalb nicht genügt, weil der durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl. I 1469) eingeführte § 35 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) nicht beachtet worden ist.

Nach § 35 Abs. 1 SGB X ist der schriftlich erteilte Verwaltungsakt schriftlich zu begründen; in der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Für Ermessensentscheidungen sieht § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X zusätzlich vor, daß die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen muß, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Bei der Vornahme einer Abzweigung sind somit grundsätzlich die Überlegungen mitzuteilen, die die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens angestellt hat. Das ist hier nicht geschehen. Nach den Verwaltungsakten der Beklagten, auf die das LSG wegen der Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen hat, hat die Beklagte den Kläger zwar davon unterrichtet, daß die Abzweigungen vorgenommen werden, weil er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme, eine nähere Begründung ist jedoch lediglich im Widerspruchsbescheid gegeben worden. Die dortigen Ausführungen legen dar, daß der Kläger seinem Sohn und seiner Ehefrau Unterhalt schulde und insgesamt 251,40 DM monatlich (= 58,01 DM wöchentlich zum Unterhalt von Frau und Kind beitragen könne. Gesichtspunkte, die über diese tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB I hinaus erkennen lassen, warum die Beklagte sich für die Abzweigung, so wie sie vorgenommen worden ist, entschlossen hat, fehlen gänzlich. Eine entsprechende Begründung, die nicht nach § 35 Abs. 2 SGB X entbehrlich war, ist von der Beklagten nicht nachgeholt worden. Die Gesichtspunkte, von denen die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, lassen sich daher nicht erkennen, insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb es der Beklagten tunlich erschien, auch wegen des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau die Abzweigung vorzunehmen. Dies hat zur Folge, daß die Abzweigung, soweit über sie noch zu befinden ist, keinen Bestand haben kann.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist eine Entscheidung, die auf der Anwendung einer Ermessensnorm beruht, rechtswidrig und aufzuheben, wenn sie die Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens nicht erkennen läßt (BSGE 27, 34, 38; 48, 8, 11 f. = SozR 2200 § 1301 Nr. 10; 48, 190, 192 f. = SozR 2200 § 1301 Nr. 11). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten; denn ihretwegen hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu der entsprechenden Vorschrift des § 39 Abs.1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz den § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X als Mußvorschrift ausgestattet (BT-Drucks. 8/4022, S. 82 zu § 33). Im vorliegenden Falle kommt hinzu, daß nicht zu erkennen ist, daß die Beklagte überhaupt Ermessenserwägungen angestellt hat. Etwas anderes hätte allerdings zu gelten, wenn die Beklagte in der Sache keine andere Entscheidung hätte treffen dürfen. Dann könnte grundsätzlich die Aufhebung der Auszahlungsverfügungen nicht allein deshalb beansprucht werden, weil sie unter Verletzung von Vorschriften über die Form zustandegekommen sind (§ 42 SGB X). Das ist indes nicht der Fall, denn die Beklagte hätte eine Abzweigung hinsichtlich des Ehegattenunterhalts sowohl wegen der Rechtsprechung der Familiengerichte als auch dann ablehnen können, wenn der Kläger, wie er geltend macht, nicht zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden ist.

Sind somit die Abzweigungsbescheide, soweit über ihre Anfechtung noch zu befinden ist, schon wegen des Begründungsmangels aufzuheben, erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis als zutreffend. Der Senat hatte daher die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Dabei erschien es tunlich, den Umfang der Aufhebung der ergangenen Bescheide klarzustellen.

Die Entscheidung über die dem Kläger entstandenen Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, im übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 193 Abs. 4 SGG.

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