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4a RJ 5/84

Gründe I.

Die Beteiligten streiten um den Beginn des dem Kläger nach § 1248 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) gewährten Altersruhegeldes.

Der am 4. April 1922 geborene Kläger meldete sich am 1. Dezember 1981 beim Arbeitsamt arbeitslos und bezog von diesem Zeitpunkt an Arbeitslosengeld. Vom 6. bis 8. Januar 1982 war er arbeitsunfähig krank und bezog Arbeitslosengeld nach § 105b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) während dieser Zeit und danach bis zum 2. Dezember 1982.

Auf den Antrag vom 3. Juni 1982 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersruhegeld ab 1. Januar 1983 (Bescheid vom 4. November 1982). Hierbei stellte die Beklagte den Eintritt des Versicherungsfalles auf den 2. Dezember 1982 (Ende des Bezuges des Arbeitslosengeldes) fest.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Gewährung des Altersruhegeldes ab 1. Dezember 1982. Er machte geltend, die Anspruchsvoraussetzungen seien schon am 30. November 1982 erfüllt gewesen, weil die Tage der Arbeitsunfähigkeit bei der Ermittlung der 52 Wochen andauernden Arbeitslosigkeit nicht, wie es die Beklagte getan habe, mitgezählt werden durften.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat mit Urteil vom 6. Dezember 1983 die Klage abgewiesen mit der Begründung, nach § 1248 Abs. 2 RVO müsse ein Versicherter mindestens 52 Wochen innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre arbeitslos gewesen sein. Diese Voraussetzung sei während der Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt gewesen, weil der Kläger in diesem Zeitraum der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Hieran habe auch die Vorschrift des § 105b AFG über die Weitergewährung des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit nichts geändert.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Kläger mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Er trägt vor, die Arbeitslosigkeit werde für die Anwendung des § 1248 Abs. 2 RVO nicht durch eine Arbeitsunfähigkeit verlängert. Die Regelung des § 105b AFG sei dem Lohnfortzahlungsgesetz nachgebildet. Dort werde ein Beschäftigungsverhältnis auch nicht durch die Arbeitsunfähigkeit unterbrochen. Demzufolge könne auch die Arbeitslosigkeit nicht durch die Arbeitsunfähigkeit unterbrochen werden.

Der Kläger beantragt,

  • das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 1983 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 4. November 1982 abzuändern und sie zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Dezember 1982 vorgezogenes Altersruhegeld entsprechend § 1248 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Gründe II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Nach § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO i.d.F. des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S 1965) erhält ein arbeitsloser Versicherter, der das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs. 7 Satz 2 (180 Kalendermonate) erfüllt hat, auf Antrag vorzeitiges Altersruhegeld nach einer Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre. Dieses Altersruhegeld beginnt nach § 1290 Abs. 1 Satz 2 i.d.F. des RRG vom Ablauf des Monats an, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind. Mit Recht hat das SG die Voraussetzungen für das Altersruhegeld - Arbeitslosigkeit von 52 Wochen innerhalb der genannten Frist - im Falle des Klägers erst am 2. Dezember 1982 als erfüllt angesehen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 6. bis 8. Januar 1982 ist nämlich in die erforderliche Zeitspanne der Arbeitslosigkeit nicht einzurechnen; deshalb ist der Versicherungsfall entgegen der Annahme des Klägers nicht schon am 30. November 1982 eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der hier maßgebenden Fassung des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO (Urteil des 5. Senats des BSG vom 23. März 1976 - 5a RKn 42/75 = SozR 2200 § 1248 Nr. 11 und des erkennenden Senats vom 19. Oktober 1977 - 4 RJ 139/76 = SozR 2200 § 1248 Nr. 17) ist ein Versicherter, der wegen Arbeitsunfähigkeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht, nicht arbeitslos im rentenrechtlichen Sinn. An letztgenannter Stelle (a.a.O. S. 37) hat der erkennende Senat dies wie folgt begründet: Bis zur Neufassung durch das RRG galt § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO i.d.F. des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45). Danach erhielt Altersruhegeld auf Antrag auch der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit erfüllt hatte und seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos war, für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit. Da diese Vorschrift eine „ununterbrochene“ Zeit der Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr forderte, waren Unterbrechungen, auch infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosenruhegeldes grundsätzlich zu beachten. Diese Rechtsprechung ist durch die Neufassung des § 1248 Abs. 2 RVO durch das RRG überholt. Anstelle einer mindestens einjährigen ununterbrochenen Arbeitslosigkeit fordert das Gesetz jetzt nur noch eine „Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre“. Das bedeutet einerseits, daß die Arbeitslosigkeit auch für länger als drei Monate oder 75 Arbeitstage unterbrochen werden kann, sofern nur die Mindestdauer von 52 Wochen (= 364 Tagen) in der Rahmenfrist von eineinhalb Jahren zurückgelegt wird.

Die neue Regelung bedeutet andererseits - und darin liegt gegen früher eine gewisse Verschlechterung der Rechtslage für die Versicherten -, daß die Zeit der Arbeitslosigkeit während der genannten Rahmenfrist insgesamt „volle 52 Wochen angedauert hat“ (BSG in SozR 2200 § 1248 Nr. 11, dem sich der erkennende Senat im Urteil vom 30. September 1976 - 4 RJ 3/76 = a.a.O. Nr. 16 angeschlossen hat). Anders als früher muß es sich also bei den jetzt geforderten 52 Wochen (364 Tage) um Zeiten „echter“ Arbeitslosigkeit handeln. Offenbar geht der Gesetzgeber davon aus, daß nur eine Zeit der Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen (364 Tagen) i.V.m. der Vollendung des 60. Lebensjahres ein genügend sicheres Indiz dafür abgibt, daß der betreffende Versicherte nicht wieder in das Arbeitsleben eingegliedert werden kann und deshalb berechtigt sein soll, vorzeitig in den Ruhestand zu treten und Altersruhegeld zu beziehen (vgl. dazu BSGE 35, 85, 86 = SozR Nr. 61 zu § 1248 RVO). Dabei muß in Kauf genommen werden, daß früher auf die Dauer der Arbeitslosigkeit anrechenbar gewesene Unterbrechungszeiten, z.B. durch Arbeitsunfähigkeit, heute nicht mehr angerechnet werden können und daß dieser Nachteil für die Versicherten im Einzelfall auch durch die Beseitigung des Erfordernisses einer „ununterbrochenen“ Arbeitslosigkeit nicht ausgeglichen wird.

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall:

Der Kläger war, nachdem er sich am 1. Dezember 1981 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hatte, bis zu dem von ihm beanspruchten Tag des Rentenbeginns am 1. Dezember 1982 nicht mindestens 52 Wochen (364 Tage) arbeitslos i.S. des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO. Daß i.S. dieser Vorschrift nicht jeder arbeitslos ist, der „vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt“ (vgl. § 101 Abs. 1 AFG), sondern darüber hinaus erforderlich ist, daß der Versicherte der Arbeitsvermittlung objektiv und subjektiv zur Verfügung steht, d.h. arbeitsfähig (vermittlungsfähig) und arbeitsbereit ist (vgl. § 103 Abs. 1 AFG), entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juli 1976 - 4 RJ 199/74 = SozR 2200 § 1248 Nr. 15). Der Kläger war während der Zeit vom 6. bis 8. Januar 1982 nicht vermittlungsfähig (arbeitsfähig), sondern nach den nicht angegriffenen, den Senat daher bindenden Feststellungen des SG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) arbeitsunfähig. Die erforderlichen 52 Wochen einer Arbeitslosigkeit können daher erst im Dezember 1982 abgelaufen sein mit der Folge, daß das vorzeitige Altersruhegeld erst am 1. Januar 1983 beginnen konnte.

Der Umstand, daß der Kläger in den hier streitigen 3 Tagen seiner Arbeitsunfähigkeit vom 6. bis 8. Januar 1982 Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt weitergewährt erhalten hat, ändert daran nichts. Die Weitergewährung des Arbeitslosengeldes beruht auf § 105b Abs. 1 Satz 1 AFG in der ab 1. Januar 1981 geltenden Fassung des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks. 8/4022 S. 90) heißt es hierzu: „Absatz 1 regelt die Fortzahlung des Arbeitslosengeldes im Krankheitsfalle bis zu 6 Wochen unter weitgehender Übernahme der Regelungen des Lohnfortzahlungsgesetzes ... Andernfalls müßte die Krankenkasse - also lediglich ein anderer Sozialleistungsträger - Krankengeld zahlen. Ein Wechsel des Sozialleistungsträgers bei Krankheiten von weniger als 6 Wochen soll jedoch vermieden werden ...“. Ganz offensichtlich liegt hiernach während des Bezugs von Arbeitslosengeld nach § 105b Abs. 1 Satz 1 AFG keine „echte“ Arbeitslosigkeit i.S. der vorgenannten BSG-Rechtsprechung vor, wie sie für § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO gefordert wird, zumal sich auch nach § 110 Abs. 2 AFG die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nicht um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (§ 105b AFG) vermindert. Nur die echte Arbeitslosigkeit aber bildet ein sicheres Indiz dafür, daß Aussichten für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt keinen Erfolg haben werden, was allein die Gewährung vorzeitigen Altersruhegeldes nach dieser Vorschrift rechtfertigt.

Soweit in der Zeit vom 2. bis 31. Dezember 1982 Arbeitslosengeld und Altersruhegeld nicht nahtlos aneinander anschließen, folgt dies aus der Regelung des Rentenbeginns in § 1290 Abs. 1 i.d.F. des Finanzänderungsgesetzes (FinÄndG) 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1259). Nach dieser Regelung beginnt die Rente grundsätzlich erst vom Ablauf des Monats an, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit von „Lücken“ solcher Art im Leistungsbezug gesehen und in Kauf genommen.

Nach allem trifft das angefochtene Urteil zu, so daß die Revision des Klägers hiergegen zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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