Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

11 RA 49/80

Tatbestand

Streitig ist die Vormerkung einer Ausfallzeit.

Der 1947 geborene Kläger hat nach mittlerer Reife und abgeschlossener Berufsausbildung am 1. Oktober 1968 das Studium an der damaligen D V A in K. (DVA), einer staatlich genehmigten höheren Wirtschaftsfachschule, aufgenommen, diese wurde durch Gesetz zur Errichtung von Fachhochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1971 - FHEG - in die Fachhochschule (FHS) K übergeleitet. Der Kläger hat am 14. Januar 1972 die Abschlußprüfung als Betriebswirt (grad) nach der neuen FHS-Prüfungsordnung abgelegt. Vom 10. April 1972 bis zur Diplom-Prüfung am 9. Dezember 1975 hat er sodann an der F U B Politische Wissenschaften studiert.

Die Beklagte hat beide Ausbildungszeiten (vom 1. Oktober 1968 bis 14. Januar 1972 und vom 10. April 1972 bis 9. Dezember 1975) als Zeiten der Hochschulausbildung mit dem Hinweis der Begrenzung dieser Ausfallzeiten auf fünf Jahre vorgemerkt (Bescheid vom 25. Oktober 1976, Widerspruchsbescheid vom 5. August 1977).

Um der Begrenzung zu entgehen, will der Kläger die Zeit vor August 1971 als Ausfallzeit der Fachschulausbildung vorgemerkt haben. Seine Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - für das S. vom 7. Dezember 1978; Urteil des Landessozialgerichts - LSG - für das Saarland vom 26. Juni 1980). Nach der Auffassung des LSG ist die streitige Zeit als Zeit einer Hochschulausbildung zu werten, weil der Kläger ohne Zweifel von der Überführung der DVA in die FHS K. an eine Hochschule i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) besucht, nach deren Prüfungsordnung sein Studium abgeschlossen und so die gleiche Qualifikation wie ein neu dort Studierender erlangt habe. Bei einer gemischten Ausbildung müsse die Art und Bedeutung des am Ende erreichten Abschlusses über die Bewertung der Ausbildung entscheiden. Daß schon im März 1971 auch den früheren Absolventen der DVA die allgemeine Hochschulreife verliehen worden sei, könne keine Verpflichtung zu nicht gerechtfertigten Vorteilen auf dem Gebiet der Sozialversicherung erzeugen.

Mit der Revision beantragt der Kläger,

  • die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, die Zeit vom 1. Oktober 1968 bis zum 14. Januar 1972 als Fachschulausbildung vorzumerken.

Er sieht in der Erweiterung seines Antrages auf die Zeit bis Januar 1972 keine Klageänderung und rügt eine fehlerhafte Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG i.V.m. § 7 Abs. 2 FHEG sowie eine Verletzung der §§ 103, 106 und 112 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach Gang und Inhalt der Ausbildung habe es sich um eine Fachschulausbildung gehandelt; der Abschluß nach der neuen Prüfungsordnung habe rückschauend hieran nichts geändert; als ein lediglich das Ausbildungsende betreffendes Merkmal habe der Abschluß ohnedies sekundäre Bedeutung.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe

a) Die Revision ist hinsichtlich der Zeit vom 1. August 1971 bis zum 14. Januar 1972 unzulässig und deshalb insoweit zu verwerfen.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klage nach dem Willen des Klägers - entgegen der Annahme des SG - ursprünglich auch diese Zeit einschließen sollte. In den Anträgen des Klägers hat dies keinen Ausdruck gefunden; insbesondere der Antrag in der Berufungsinstanz umfaßt jedenfalls deutlich nur die Zeit bis zur Umwandlung der Ausbildungsstätte in eine FHS (1. August 1971). Die Einbeziehung der folgenden Zeit bis zum 14. Januar 1972 in den Revisionsantrag bedeutet somit eine Erweiterung des Klagebegehrens. Eine solche Erweiterung ist jedoch in der Revisionsinstanz entsprechend der auf eine Rechtskontrolle des angefochtenen Urteils beschränkten Funktion des Revisionsgerichts unzulässig, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Klagegrund geändert wird oder nicht (BSGE 18, 12, 14).

b) Hinsichtlich der Zeit vom 1. Oktober 1968 bis zum 31. Juli 1971 ist die Revision dagegen sowohl zulässig als auch begründet. Die vom Kläger an der DVA vor deren Überleitung in die FHS verbrachte Zeit ist als Zeit einer Fachschulausbildung und nicht, wie geschehen, als Zeit einer Hochschulausbildung vorzumerken.

Hierbei ist zunächst zu beachten, daß der Gesetzgeber die Ausfallzeiten (wie auch die Ersatzzeiten) grundsätzlich nach Merkmalen abgrenzt, die in der betreffenden Zeit vorgelegen haben (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit, Rentenbezug usw.). Wenn demnach gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden weiteren Schulausbildung oder abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung Ausfallzeiten sind, so muß in der fraglichen Zeit eine solche Ausbildung stattgefunden haben. Es kommt daher darauf an, ob die Ausbildung des Klägers an der DVA in der Zeit vom 1. Oktober 1968 bis zum 31. Juli 1971 eine Fachschulausbildung oder eine Hochschulausbildung gewesen ist. An dieser Klärung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse.

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bereits mehrfach ausgeführt worden, daß die Begriffe der (weiteren) Schulausbildung, der Fachschulausbildung und der Hochschulausbildung weder in § 36 AVG noch an anderer Stelle in den Rentenversicherungsgesetzen erläutert werden (SozR Nr. 23 zu § 1259 RVO für die Schulausbildung, Nr. 49 für die Fachschulausbildung). Bei der Anwendung der Ausfallzeitenregelung hat die Rechtsprechung jedoch im wesentlichen darauf abgestellt, ob die Bildungsstätte, an der die Ausbildung erfolgt ist, eine Schule, eine Fachschule oder eine Hochschule gewesen ist (SozR a.a.O.), so daß z.B. BSGE 19, 239, 240 als Zeiten einer Hochschulausbildung die Ausbildungszeiten bezeichnet hat, die an der Hochschule verbracht worden sind. Hiernach in erster Linie die Wertung als Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung auszurichten, erscheint sinnvoll und überzeugend. Der Status der Bildungsstätte ist ein Merkmal, das - wie andere Hauptmerkmale von Ausfallzeiten - während der Ausbildungszeit gegeben sein muß; es ist verhältnismäßig leicht praktikabel; der Status als Schule, Fachschule oder Hochschule bietet ferner in aller Regel schon für sich die Gewähr für die vom Gesetzgeber in § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG für die Anrechnung als Ausfallzeit vorausgesetzte Qualifikation der Ausbildung. Andere denkbare Abgrenzungskriterien haben diese Vorteile dagegen nicht oder doch nicht in vergleichbaren Maße, mögen sie materiell etwa nach dem Inhalt oder dem Wert der Ausbildung oder formell nach dem Ausbildungsgang einschließlich etwa der Art der Abschlußprüfung zu unterscheiden versuchen. Daß sich daraus besser geeignete, allgemein gültige und zugleich praktikable Definitionen für die Schul-, die Fachschul- und die Hochschulausbildung ableiten ließen, kann der Senat nicht erkennen.

In der streitigen Zeit hatte die DVA, an der die Ausbildung stattfand, aber noch den Status einer (höheren) Fachschule, so daß der Kläger die damalige Ausbildungszeit noch an einer Fachschule verbracht hat. Hieran hat sich durch die Überleitung der DVA zum 1. August 1971 in die FHS K. nichts geändert; der Status als Fachschule vor diesem Zeitpunkt blieb davon unberührt. Dementsprechend ist die Ausbildung bis zum 31. Juli 1971 eine Fachschulausbildung gewesen. Daß von da an die Ausbildung an einer FHS fortgesetzt und nach der neuen Prüfungsordnung der FHS die Abschlußprüfung abgelegt worden ist, hat die vorherige Fachschulausbildung nicht rückwirkend zur Hochschulausbildung umgestalten können; somit entfällt in solchen Übergangsfällen jede Differenzierung danach, ob die frühere Prüfungsordnung beibehalten, modifiziert oder ersetzt worden ist. Daß die Ausbildung zunächst an einer Fachschule und dann an einer Hochschule stattfand, hindert nicht, sie gleichwohl als eine einheitliche Ausbildung anzusehen, die insgesamt durch die bestandene Prüfung i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG sowohl in dem ersten Teil der Fachschulausbildung als auch in dem zweiten Teil der Hochschulausbildung „abgeschlossen“ worden ist. In BSGE 20, 35, 36 ist bereits ausgeführt worden, daß das Wort „abgeschlossen“ qualitativ zu verstehen ist; qualitativ hat jedoch die an der FHS bestandene Prüfung bekundet, daß auch die anfängliche Fachschulausbildung von Erfolg gewesen ist.

c) Der Erwerb, Verlust oder Wechsel des Status einer Bildungsstätte als Schule, Fachschule oder Hochschule kann den einzelnen Versicherten bei der Anrechnung von Ausfallzeiten Vorteile oder Nachteile bringen. Dabei mag von Bedeutung sein, daß das Gesetz die Fachschulausbildung - auch bei mehreren Fachschulausbildungen - nur bis zur Dauer von vier Jahren und die Hochschulausbildung - auch bei mehreren Hochschulausbildungen - nur bis zur Dauer von fünf Jahren anrechnet, daß ein Versicherter jedoch beim Zusammentreffen einer Fachschulausbildung und einer Hochschulausbildung eine Anrechnung bis zu neun Jahren zu erreichen vermag. Diese besondere Vergünstigung kann die ab 1969 auf der Grundlage des Fachschulabkommens der Ministerpräsidenten der Länder vom 31. Oktober 1968 durch Ländergesetze vollzogene Umwandlung von Ingenieur- und sonstigen Fachschulen zu Fachhochschulen (vgl. hierzu Fleck, Die Fachhochschule als neue Rechtsfigur im Hochschulbereich, DÖV 1971, 590) denjenigen Studierenden genommen haben, die über diese Bildungsstätte die allgemeine Hochschulreife erworben haben (erwerben) und dann ein weiteres Studium an einer Technischen Hochschule oder einer Universität betrieben haben (betreiben). Der Senat hat keinen Anlaß zur Annahme, daß der Bundesgesetzgeber derartige Folgen der Ländergesetze übersehen haben könnte und sie bei Kenntnis nicht billigen würde. Im vorliegenden Fall hat im übrigen die Umwandlung dem Kläger die mögliche Anrechnung von Ausfallzeiten nicht verkürzt; die Zeit vom 1. Oktober 1968 bis 31. Juli 1971 ist nach dem vorliegenden Urteil als Fachschulausbildung - und zwar vollanrechenbar; die anschließend von der Beklagten vorgemerkten Zeiten der Hochschulausbildung vom 1. August 1971 bis 14. Januar 1972 und vom 10. April 1972 bis 9. Dezember 1975 umfassen keine fünf Jahre, so daß mit dem vorliegenden Urteil die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene zeitliche Begrenzung gegenstandslos wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Zusatzinformationen