Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

11 RA 12/80

Gründe I.

Der Kläger bezieht seit Juni 1973 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). In dieser Rente war ein Kinderzuschuß für den am 29. November 1952 geborenen Sohn K.-H. enthalten, der infolge eines geistigen Gebrechens außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Die Beklagte stellte die Zahlung des Kinderzuschusses mit Ablauf des Monats November 1977 ein, nachdem sie das dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid mitgeteilt hatte. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, § 39 Abs. 3 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) lasse eine Zahlung des Kinderzuschusses für ein Kind, das infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu. Diese Regelung sei verfassungsmäßig; die Ausführungen in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juni 1975 (BVerfGE 40, 121) zu § 44 Abs. 1 Satz 2 AVG träfen auch hier zu.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Gesetz sei verfassungswidrig, soweit es einen Anspruch auf den Kinderzuschuß für gebrechliche Kinder über das 25. Lebensjahr hinaus ausschließe. Das LSG habe den verfassungsrechtlich bedeutsamen Unterschied zwischen einem eigenen Anspruch des Versicherten und einem abgeleiteten Anspruch auf Waisenrente verkannt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

  • die Urteile der Vorinstanzen sowie den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den 30. November 1977 hinaus Kinderzuschuß für den Sohn K.-H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Gründe II.

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 39 Abs. 3 Satz 2 AVG wird der Kinderzuschuß unter anderem für ein Kind, das infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Die in dieser Vorschrift enthaltene zeitliche Begrenzung ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, verfassungsmäßig. Daß die gleiche Begrenzung bei Waisen, die infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, im Einklang mit dem Grundgesetz (GG) steht, hat das BVerfG bereits durch Beschluß vom 18. Juni 1975 (BVerfGE 40, 121) ausgesprochen. Für den Kinderzuschuß kann, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 31. Mai 1979 - 11 RA 44/78 - entschieden hat, verfassungsrechtlich in diesem Zusammenhang nichts anderes gelten.

Die vom Kläger hervorgehobenen Unterschiede zwischen dem „originären“ Anspruch auf Kinderzuschuß und dem „abgeleiteten“ Anspruch auf Waisenrente sind insoweit irrelevant. Es trifft zwar zu, daß die Waisenrente einen Ersatz für den durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhalt bieten, der Kinderzuschuß dagegen den Unterhaltspflichtigen entlasten soll. Das ändert indessen nichts daran, daß beide Leistungen zumindest mittelbar darauf abzielen, den Unterhalt des Unterhaltsbedürftigen teilweise sicherzustellen (vgl.. BVerfGE 40, 121, 135); ob das auf dem Wege einer Leistung an den Bedürftigen selbst geschieht oder auf dem einer Leistung an den Unterhaltspflichtigen, ist angesichts dessen ohne Belang. Unerheblich sind auch die Erwägungen des Klägers über die Belastungen, die der Versicherungsträger durch Zahlungen des Kinderzuschusses einerseits und der Waisenrente andererseits über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus zu erwarten hätte; denn die Belastung durch weiterzuzahlende Kinderzuschüsse bliebe in jedem Falle erheblich genug, um aus den möglichen Unterschieden kein verfassungsrechtliches Gebot einer Differenzierung herzuleiten.

Wenn andere gesetzliche Regelungen weitergehende Leistungen für Behinderte vorsehen (vgl.. insbesondere § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 4 Bundeskindergeldgesetz - BKGG -), so folgt daraus nicht, daß von Verfassungs wegen entsprechende Regelungen auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherungen geboten sind. Schon das BVerfG hat darauf hingewiesen, daß die in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Ordnungsbereichen begründeten Unterschiede nicht im Wege verfassungsrechtlicher Prüfung eliminiert werden können und daß die Regelung im BKGG von vornherein nicht mit der im Sozialversicherungsrecht vergleichbar ist (BVerfGE 40, 121, 139 f). Es geht hier zudem nicht allein darum, ob eine Verbesserung angebracht ist, sondern auch darum, ob das im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zu geschehen hat. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht Leistungen des Staates; auch wenn ein Bundeszuschuß gewährt wird, so werden die erforderlichen Mittel doch in der Hauptsache durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber aufgebracht. Eine Verbesserung muß in der Rentenversicherung darum nicht schon deswegen eingeführt werden, weil aus dem Blickpunkt der Allgemeinheit ein soziales Bedürfnis für die Leistungsverbesserung besteht. Es ist nicht sachwidrig, in der Rentenversicherung die zulässigen Leistungen (Ausgaben) auch nach den hierfür verfügbaren Einnahmen auszurichten. Das gilt jedenfalls für Leistungen außerhalb des der Rentenversicherung eigentümlichen Risikobereichs. Leistungen für Familienangehörige an Versicherte gehören hierzu allenfalls in einem begrenzten Umfang und auch dann unter Einschränkungen. So erhält der Rentner in der Rentenversicherung zu seinen Lebzeiten keine Zuschläge für Ehegatten; für Kinder erhält er zwar solche, sie sind jedoch nicht auf den individuell erforderlichen Unterhalt, sondern auf einen typisierten Bedarf ausgerichtet, der auch als solcher nicht voll gedeckt werden muß; im weiteren ist die Dauer des Kinderzuschusses beschränkt, wobei die Grenzen im Laufe der Zeit angehoben wurden; die Regelbegrenzung ist jetzt die Vollendung des 18. Lebensjahres; für Ausnahmefälle gilt als Grenze die Vollendung des 25. Lebensjahres. Weitere Leistungsverbesserungen in diesem Bereich wären nur möglich, wenn die Beiträge erhöht oder andere Leistungen verkürzt würden. Unter diesen Umständen kann der Gesetzgeber zu einer zeitlichen Erstreckung des Kinderzuschusses über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus verfassungsrechtlich selbst dann nicht verpflichtet sein, wenn es sich um Kinder handelt, die auch nach Vollendung dieses Lebensjahres sich nicht selbst unterhalten können. Dabei kann dahinstehen, ob die Zahl dieser Kinder bei einer typisierenden Betrachtungsweise unter oder über der hier noch als beachtlich geltenden Größe liegt; verfassungsrechtlich genügt es jedenfalls, daß die Versichertengemeinschaft der Rentenversicherung ihren Mitgliedern Leistungen für Kinder in einem Umfang gewährt, daß sie für Bedarfsfälle bis zum 25. Lebensjahr des Kindes eine beachtliche Hilfe darstellen.

Da sich nach alledem das angefochtene Urteil als zutreffend erweist, war die Revision mit der sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

Zusatzinformationen