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4 RJ 79/77

Gründe I.

Die im Jahre ... geborene Klägerin bezog von 1969 bis 1972 Witwenrente nach ihrem ersten Ehemann, dem Versicherten. Sie heiratete im Jahre … zum zweiten Mal. Darauf erhielt sie nach § 1302 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Abfindung. Die Ehe wurde im August … mit dem Ausspruch geschieden, daß beide Parteien schuld an der Scheidung seien. Unmittelbar vor der Scheidung hatten die Ehepartner in einem Prozeßvergleich für den Fall der Scheidung gegenseitig auf Unterhalt für Vergangenheit und Zukunft einschließlich des Notbedarfs verzichtet. Die Klägerin bezieht seit der Scheidung Sozialhilfe, ihr geschiedener Ehemann hat ein Einkommen aus Pension und Rente in Höhe von etwa 1.600,00 DM monatlich.

Auf den Antrag der Klägerin vom November 1974 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 1975 fest, daß der Witwenrentenanspruch für die Zeit ab 1. September 1974 wieder aufgelebt sei. Sie rechnete aber den Unterhaltsanspruch an, den die Klägerin ohne den Verzicht gegen ihren zweiten Ehemann erworben haben würde, und kam zu dem Ergebnis, daß eine Witwenrente nicht zu zahlen sei.

Die Klage der Klägerin ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - B. vom 25. Januar 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben, den Bescheid geändert und die Beklagte zur Zahlung von Witwenrente verurteilt (Urteil vom 24. Mai 1977). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Zwar wäre ohne den Verzicht der geschiedene Ehemann verpflichtet, der Klägerin nach § 60 Ehegesetz (EheG) einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 500,00 DM monatlich zu zahlen; das sei aber hier ohne Bedeutung. Stehe nämlich der Unterhaltsverzicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Scheidung, erfolge er im Interesse einer einverständlichen Scheidung und sei er von der Frau nur deshalb erklärt worden, damit ein ihr nachteiliger Schuldausspruch vermieden werde, dann dürfe er ihr nicht mit der Folge entgegengehalten werden, daß eine Witwenrente nicht mehr aufleben könne.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1291 Abs. 2 RVO und trägt vor: Die Witwe müsse, da der Anspruch auf - wiederaufgelebte - Witwenrente subsidiär sei, gehindert werden, die gesetzlich vorgesehene Rangfolge der Ansprüche zu ändern und zu Lasten des Rentenversicherungsträgers eine „Versorgungslücke“ zu schaffen. Sie beantragt sinngemäß,

  • das Urteil des LSG … vom 24. Mai 1977 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG B. vom 25. Januar 1977 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

  • die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Auf den Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 18. August 1977 wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Gründe II.

Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als die Sache zu weiterer Aufklärung zurückverwiesen werden mußte.

Daß die Klägerin gegen die Beklagte - dem Grunde nach - einen Anspruch auf die wiederaufgelebte Witwenrente nach ihrem ersten Ehemann, dem Versicherten gemäß § 1291 Abs. 2 RVO hat, ist durch den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1975, der insoweit nicht angefochten worden ist, festgestellt. Der Streit geht lediglich darum, ob auf die wiederaufgelebte Witwenrente ein ohne den Verzicht bestehender Unterhaltsbeitragsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen zweiten Ehemann anzurechnen ist (§ 1291 Abs. 2 Satz 1 RVO). Das läßt sich jedoch aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht entscheiden.

Nach Wegfall der Verschuldensklausel kann an der früheren Auffassung, im Rentenversicherungsrecht sei bei einem von der Witwe vor der Ehescheidung erklärten Unterhaltsverzicht stets der Unterhaltsanspruch anzurechnen, der infolge der Auflösung der zweiten Ehe ohne den Verzicht erworben worden wäre, nicht mehr in vollem Umfang festgehalten werden. Andererseits ist aber zu beachten, daß der Grundsatz der Subsidiarität in § 1291 Abs. 2 RVO geblieben ist.

§ 1291 Abs. 2 Satz 1 RVO i.d.F. des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) hatte gelautet:

Hat eine Witwe ... sich wieder verheiratet und wird diese Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe ... aufgelöst ..., so lebt der Anspruch auf Witwenrente ... wieder auf, ...; ein von der Witwe...infolge der Auflösung der Ehe erworbener neuer Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruch ist auf die Witwen-...rente anzurechnen.

Das insoweit am 1. Januar 1973 in Kraft getretene Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I 1965) hat die Worte „ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe ...“ gestrichen. Diese Fassung ist hier anzuwenden, denn die Voraussetzungen der wiederaufgelebten Witwenrente sind nach diesem Zeitpunkt im August 1974 eingetreten (vgl. für das jeweils anzuwendende Recht Art. 2 § 26 Abs. 1 ArVNG und § 29 Satz 1 des Neunzehnten Rentenanpassungsgesetzes vom 3. Juni 1976, BGBl. I 1373, die auf den Zeitpunkt der Auflösung der zweiten Ehe abstellen).

Bestimmungen über die Anrechnung von neuen Versorgungsansprüchen finden sich auch in § 615 Abs. 2 Satz 2 RVO i.d.F. vom 30. April 1963 (BGBl. I 241), in § 44 Abs. 5 Sätzen 1 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) i.d.F. des Zweiten Neuordnungsgesetzes-KOV (2. NOG-KOV) vom 21. Februar 1964 (BGBl. I 85) und in § 61 Abs. 3 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) vom 24. August 1976 (BGBl. I 2485), der an die Stelle des § 164 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) und des § 88 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) getreten ist. Über den Verzicht auf einen Unterhaltsanspruch enthält nur § 44 Abs. 5 BVG eine Regelung: Hat die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch verzichtet, so ist der Betrag anzurechnen, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte.

Zur Bedeutung des Verzichts haben die obersten Gerichtshöfe in mehreren Urteilen Stellung genommen. Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß Sinn und Zweck des § 1291 Abs. 2 Satz 1 RVO die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen erfordere, die wegen eines Verzichts der Witwe zwar nicht „erworben“ worden seien, ohne den Verzicht aber erworben worden wären, bezieht sich auf den bis zum 31. Dezember 1972 geltenden Wortlaut des § 1291 Abs. 2 Satz 1 RVO (vgl. zuletzt BSGE 42, 110; SozR 2200 § 1291 Nr. 8).

Für die Kriegsopferversorgung hat das BSG entschieden, daß als „verständiger Grund“ im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 3 BVG nicht ein Grund angesehen werden kann, der allein aus der Lage und den Zielen der Witwe her verständig erscheint (Urteil vom 8. März 1966 - 10 RV 708/65 -, KOV 1966, 228), sondern nur ein Grund, der auch unter Abwägung der Interessen des Trägers der Kriegsopferversorgung und insbesondere unter Berücksichtigung des mit der Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zwecks als verständig erscheint, also ein objektiv verständiger Grund (BSGE 25, 262, 266). Das gilt für eine „selbstgeschaffene Versorgungslücke“ - durch einen freiwilligen Verzicht der Witwe ohne verständigen Grund - auch weiter, nachdem die in § 44 Abs. 2 BVG früher enthaltene Verschuldensklausel durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. November 1974 (BVerfGE 38, 187 = SozR 3100 § 44 Nr. 2) für nichtig erklärt worden ist (vgl. BSGE 40, 260, 264).

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im Urteil vom 20. Januar 1969 (BVerwGE 31, 197) für § 164 Abs. 3 BBG in erster Linie jedem Verzicht der Witwe volle Wirkung beigemessen (S. 201), wobei es den Urteilen BSGE 19, 153 und 21, 279 als für ein anderes Rechtsgebiet ausgesprochen nicht folgen will, hilfsweise aber - unter Anwendung des in § 162 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sich ausdrückenden Rechtsgedankens (treuwidrige Vereitelung von Rechtsfolgen) - nur dem „anerkennenswerten“ Verzicht (S. 204/205).

Brackmann (Handbuch der Sozialversicherung, S. 720f I und 720n I, Stand: Februar 1975) meint im Hinblick auf die Neufassung des § 1291 RVO durch das RRG, es dürfte in der Regel nicht mehr erheblich sein, ob als Folge eines Unterhaltsverzichts ein an sich infolge der Auflösung der neuen Ehe zustehender Anspruch verringert oder entfallen sei; der Unterhaltsverzicht sei unschädlich, wenn er vor allem die Scheidung erleichtern solle; die Grenze dürfte da zu ziehen sein, wo ein Unterhaltsverzicht erfolgt sei, um gegen den in § 1291 Abs. 2 RVO enthaltenen Grundsatz der Subsidiarität zu verstoßen, also durch den Verzicht bezweckt werden solle, die Witwenrente wieder aufleben zu lassen (siehe auch Peters, Schließt ein Unterhaltsverzicht der geschiedenen Frau auch einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 Satz 2 RVO aus? ZfS 1975, 173; Düsseldorf, Der wiederaufgelebte Anspruch auf Witwenbezüge, SGb 1976, 485, 489; Ruland, Unterhaltsverzicht und wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente, MDR 1976, 453).

Die bisherige Rechtsprechung des BSG ist im wesentlichen damit begründet worden, daß die Witwe nicht selbst eine Versorgungslücke schaffen und auf diese Weise die vom Gesetzgeber vorgesehene Rangordnung der für ihre Versorgung heranzuziehenden Ansprüche umstoßen dürfe (BSGE 21, 279, 281); es sei darauf angekommen, ob der Witwe ohne den Unterhaltsverzicht ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch zustehen würde; dies sei mit Recht aus der besonderen materiell-rechtlichen Regelung in § 1291 Abs. 2 RVO i.d.F. des ArVNG hergeleitet worden, nach der der Anspruch auf Witwenrente nur dann wiederauflebte, wenn die zweite Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe durch Scheidung aufgelöst worden war (SozR Nr. 34 zu § 1291 RVO). Die von der Rechtsprechung vorgenommene Verknüpfung zwischen dem Verbot der Schaffung einer Versorgungslücke einerseits und der Verschuldensklausel andererseits ist offensichtlich. Denn § 1291 Abs. 2 RV i.d.F. des ArVNG hatte der Witwe ein Wiederaufleben der Rente nur deswegen versagt, weil diese durch selbstverschuldete Scheidung die Versorgungslücke selbst geschaffen hatte. An sich konnte eine Witwe die Belastung des Versicherungsträgers durch Eheverfehlungen (mit der Folge der Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden der Witwe) oder durch Verzicht auf Unterhaltsansprüche bewirken; beide Verhaltensweisen konnten zum Verlust des Unterhaltsanspruchs (vgl. § 58 EheG) führen, eine Versorgungslücke schaffen und das Entstehen eines - wiederaufgelebten - Witwenrentenanspruchs herbeiführen. Das sollte durch § 1291 Abs. 2 RVO i.d.F. des ArVNG und die dazu ergangene Rechtsprechung im Interesse der Versichertengemeinschaft abgewehrt werden. Beide Verhaltensweisen wurden nach den Grundsätzen der §§ 162, 242 BGB mißbilligt. Nachdem die Verschuldensklausel nicht nur durch das RRG beseitigt, sondern auch durch das BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden ist, kann die generelle Mißbilligung des Unterhaltsverzichts nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr muß eine grundgesetzkonforme Auslegung des § 1291 RVO gefunden werden, die einerseits dem Wegfall der Verschuldensklausel und andererseits dem weiterhin geltenden Subsidiaritätsgrundsatz Rechnung trägt.

Hierfür bieten sich die Grundgedanken der Regelung im Kriegsopferrecht (§ 44 Abs. 5 Satz 3 BVG) und im Beamtenversorgungsrecht (BVerwGE 31, 197, 204/205) an, daß nämlich nur der objektiv verständige bzw. anerkennenswerte Verzicht zu beachten, der nicht verständige Verzicht aber zu mißbilligen und deshalb wirkungslos ist, d.h. die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs erlaubt. Der Subsidiaritätsgrundsatz des § 1291 Abs. 2 RVO, der eine Doppelversorgung vermeiden soll, verbietet es im Interesse der Versichertengemeinschaft, daß die Doppelversorgung durch eine den Versicherungsträger zu Gunsten des unterhaltsfähigen Ehemannes belastende Absprache der Ehegatten bewirkt wird, ohne daß sich für den Unterhaltsverzicht ein anderer zwingender oder auch nur plausibler Grund aus den Verhältnissen der Ehegatten selbst und ihrer Kinder ergibt. So hat auch das BVerfG die Anrechnung fiktiver Unterhaltsleistungen, auf die die Witwe ohne verständigen Grund verzichtet hat (§ 44 Abs. 5 BVG), aus dem Bestreben erklärt, Manipulationen des geschiedenen Ehegatten auszuschalten, durch die der an sich unterhaltspflichtige Ehemann zum Nachteil der öffentlichen Hand entlastet werden soll (BVerfGE 38, 187, 200/201).

Für die Abgrenzung des verständigen von dem nicht verständigen Verzicht kann es eine Rolle spielen, ob der Zweck des Verzichts mehr auf eherechtlichem Gebiet (Erleichterung der Auflösung der Ehe) oder auf nach-ehelichem wirtschaftlichen Gebiet liegt. Für die Beurteilung, was ein verständiger oder anerkennenswerter Grund für den Unterhaltsverzicht sei, ist auf die Rechtsprechung der Senate des BSG für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und auf die Entscheidung BVerwGE 31, 197 zu verweisen. Danach sind die Interessen sowohl der beteiligten Ehegatten als auch des Versicherungsträgers unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes abzuwägen. Dazu müssen die wirtschaftliche Lage der Ehegatten, die Vorgeschichte und der Verlauf des Scheidungsverfahrens sowie die besonderen Umstände, die zum Prozeßvergleich geführt haben, im einzelnen ermittelt werden. Es ist z.B. von Bedeutung, ob auch eine Witwe, die keine Aussicht auf eine wiederaufgelebte Witwenrente hat, auf Unterhalt verzichtet hätte.

Mit der Rechtsauffassung, daß der verständige Verzicht zu beachten ist und nicht zur Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs führt, weicht der Senat nicht von Entscheidungen der Rentenversicherungssenate des BSG ab; denn die bisherigen Urteile sind für Versicherungsfälle ergangen, die vor dem 1. Januar 1973 lagen und für die deshalb noch die alte Fassung des § 1291 RVO galt. Die Änderung durch das RRG ist aber so wesentlich, daß die Grundlage der früheren Rechtsauffassung jetzt nicht mehr besteht.

Das Berufungsgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt aus den strittigen Anspruch nicht nach diesen Merkmalen geprüft. Es hat sich auf die tatsächlichen Feststellungen beschränkt, daß der Unterhaltsverzicht im Zusammenhang mit der Ehescheidung erfolgt ist, daß sich Hinweise für eine Sittenwidrigkeit nicht ergeben und daß jeder Anhaltspunkt für eine „Manipulation“ zu Lasten des Versicherungsträgers fehlt (S. 7). Es scheint anzunehmen, daß ein Verzicht, der in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung stehe, grundsätzlich im Interesse einer einverständlichen Scheidung erfolge und deshalb nicht rechtsmißbräuchlich sei. Beides trifft aber nicht zu. Aus welchem überwiegenden Grund ein Verzicht erfolgt ist, ist im Wege der Amtsermittlung zu klären; ein Erfahrungssatz dafür besteht bei den ganz unterschiedlichen einzelnen Fällen nicht. Daß ein im Interesse einer einverständlichen Scheidung erfolgter Verzicht immer im Einklang mit der Rechtsordnung stehe, also nicht rechtsmißbräuchlich sei, kann nicht ohne weiteres anerkannt werden; in die Abwägung muß auch das Interesse des Rentenversicherungsträgers und das der Rechtsordnung allgemein eingebracht werden (BSGE 25, 262, 266 f). Es muß sich um einen - von der Rechtsprechung gebilligten - objektiv verständigen, also in der Regel zwingenden oder mindestens plausiblen Grund handeln. Jedenfalls können Manipulationen zum Zwecke der Gesetzesumgehung nicht als verständig in diesem Sinn anerkannt werden.

Daß der Klägerin ohne den Verzicht ein Anspruch nicht auf Unterhalt im engeren Sinn, sondern „nur“ auf einen Unterhaltsbeitrag (§ 60 EheG) zugestanden hätte, schadet nicht, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Urteil des BSG in SozR Nr. 29 zu § 1291 RVO zu Recht angenommen hat. Für die weitere Behandlung der Einzelfälle wird zu beachten sein: Wenn - wie hier - der Anspruch auf wiederaufgelebte Witwenrente dem Grunde nach feststeht, ist es zunächst Sache des beklagten Versicherungsträgers, die Voraussetzungen für eine Anrechnung, nämlich den Erwerb von infolge Auflösung der Ehe erworbenen Ansprüchen der Witwe darzulegen; dabei bleibt ein etwa erklärter Verzicht zunächst unberücksichtigt. Insoweit trägt der Beklagte die objektive Beweislast.

Der klagenden Witwe obliegt es dann aber, sowohl einen dem Versicherungsträger nicht bekannten Verzicht als auch diejenigen tatsächlichen Umstände darzulegen, die zu der Beurteilung des Verzichtes als aus verständigem Grund erklärt erforderlich sind. Tut sie das nicht oder nicht genügend oder wird im Wege der Amtsermittlung ihr tatsächliches Vorbringen nicht erwiesen, kann also das Gericht (im Verwaltungsverfahren der Versicherungsträger) keine umfassende Würdigung festgestellter Umstände hinsichtlich der Verständigkeit des Verzichtsgrundes treffen, dann muß davon ausgegangen werden, daß der Verzicht nicht aus verständigem Grund erfolgt ist und deshalb zur Anrechnung eines fiktiven Anspruchs nach § 1291 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 RVO führt.

Die Sache war zu weiteren Ermittlungen zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten entscheiden.

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