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4 RJ 81/72

Aus den Gründen

Wegen der Folgen eines im Jahre 1966 erlittenen Arbeitsunfalls bezog der Kläger von der zuständigen BG zunächst eine Teilrente aus der UV; diese wurde für die Zeit bis zum Beginn der von der BG vorgesehenen Berufsförderung (Umschulung) nach § 587 RVO auf die Vollrente erhöht. Die Umschulung fand in der Zeit vom 7.10.1968 bis 26.3.1971 statt. Mit Ablauf des 6.10.1968 stellte die BG die Zahlung der Vollrente ein und zahlte - aufgrund eines bindend gewordenen Bescheids - für die Folgezeit wieder eine Teilrente, und zwar von 40 % der Vollrente. Zugleich bewilligte sie dem Kläger für die Dauer der Umschulung einen Unterhaltsbeitrag (§ 568 RVO) in Höhe der Differenz zwischen der Teil- und der Vollrente, abzüglich eines Betrages von 90 DM monatlich wegen ersparter Kosten für Unterkunft und Verpflegung.

Die beklagte LVA sprach dem Kläger für die Zeit vom 1.5.1968 bis 31.3.1971 eine Rente wegen BU zu (Bescheid vom 18.11.1968 i.V.m. dem Bescheid vom 1.9.1970). Sie ging davon aus, daß die von der BG während der Zeit der Umschulung gewährten Leistungen wirtschaftlich und rechtlich als Vollrente anzusehen seien. Sie legte deshalb den Gesamtbetrag dieser Leistungen bei der Entsch. über das Ruhen der Berufsunfähigkeitsrente in Anwendung des § 1278 RVO zugrunde. - Demgegenüber machte der Kläger geltend, der Unterhaltsbeitrag dürfe m Rahmen des § 1278 RVO keine Beachtung finden.

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg.

Das LSG hat das Urt. des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG durfte die Beklagte bei der Feststellung der von ihr zu zahlenden Rente nicht von der Vollrente aus der gesetzlichen UV ausgehen.

Nach § 1278 RVO ruht eine Rente wegen BU aus der RentV, wenn sie - beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - mit einer Verletztenrente aus der UV zusammentrifft. Die Voraussetzung des Zusammentreffens zweier Renten der vorbezeichneten Art ist erfüllt; dem Kläger war von der Beklagten die Rente wegen BU bewilligt worden, wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles bezog er eine Verletztenrente. Die Entsch. darüber, ob und ggf. in welcher Höhe die Rente der Beklagten zum Ruhen gekommen ist, hängt - insoweit ist dem LSG zu folgen - davon ab, ob die von der BG gewährte Gesamtleistung als Teilrente mit Unterhaltsbeitrag oder als Vollrente zu werten ist. Die BG hat ihre Leistungen für die in Rede stehende Zeitspanne aufgeschlüsselt, nämlich in eine Teilrente von 40 % sowie in einen Unterhaltsbeitrag nach § 568 RVO. Sie hat - nach außen erkennbar - zum Ausdruck gebracht, daß sie die Gewährung der Vollrente in Anwendung des § 587 RVO für fehlerhaft halte. Die Überlegung des LSG, daß eine Umdeutung des vorbezeichneten Bescheides nicht dem Willen der BG entspreche, ist nicht zu beanstanden. Eine Umdeutung gegen den Willen der BG hält der Senat - anders als das LSG - nicht für zulässig. In § 1278 RVO ist auf das Zusammentreffen zweier Renten abgestellt. Die Voraussetzungen dafür, daß die Renten zusammentreffen, werden auf dem Gebiet der UV von der zuständigen BG, auf dem der RentV von dem insoweit zuständigen VersTr. geschaffen. Aus dem Ges. ergibt sich kein Anhalt dafür, daß eine Überprüfung der Entsch. des einen VersTr. durch den anderen in Erwägung zu ziehen wäre. Daß eine andere Auslegung durch den der Vorschrift innewohnenden Zweck geboten sein könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Es soll verhindert werden, daß die mehreren Renten eine im Gesetz festgelegte Höhe überschreiten; der in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkte Versicherte soll aus dieser Einschränkung keinen unvertretbaren Nutzen ziehen. Dieser Zweck erfordert es nicht, den Versicherten der Gefahr von Nachteilen auszusetzen. Diese könnten schon darin liegen, daß er, wollte man in Fällen der vorliegenden Art dem Tr. der RentV das Recht zubilligen, die Entscheidung der BG zu überprüfen, für eine nicht unbeträchtliche Zeitspanne über seine Renten im Ungewissen bliebe und möglicherweise gezwungen wäre, ein neues Verfahren über sich ergehen zu lassen. Der Versicherte muß - wie auch sonst - auf den Bescheid der BG vertrauen können. Der Tr. der RentV ist deshalb bei seiner Entsch. über das Ruhen der Rente nach § 1278 RVO in der Regel nicht berechtigt, der Entsch. des Tr. der UV über die aus diesem Versicherungszweig zu zahlende Rente einen anderen Inhalt zu geben. Er hat diese Rente vielmehr - auch der Art und Höhe nach - seiner Entsch. zugrunde zu legen. Ihm ist es verwehrt, in die Befugnisse einer anderen Selbstverwaltungskörperschaft einzugreifen. Dies hat der erkennende Senat bereits früher (BSG 33, 103 = SozR Nr. 19 zu § 1278 RVO) ausgespochen. Er sieht nach Überprüfung der dort vertretenen Auffassung keinen Anlaß, von ihr abzuweichen.

Es kann offenbleiben, ob Ausnahmen - etwa dann, wenn der Tr der UV offensichtlich oder bewußt gesetzwidrig verfahren ist - denkbar sind. Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier nicht. Die Frage, ob im Falle der Umschulung vom Tr der UV die Vollrente nach § 587 RVO zu gewähren ist oder ob es bei der Teilrente - evtl. wie hier zusammen mit einem Beitrag zum Unterhalt (§ 568 RVO) - sein Bewenden haben muß, ist umstritten (vgl. BSG aaO). Eine höchstrichterliche Entsch. ist hierzu noch nicht ergangen, sie war auch in dem vorliegenden Fall aus den bereits dargelegten Gründen entbehrlich.

Der Beklagte mußte bei ihrer Entsch. über die Rente des Klägers von einer - durch bindend gewordenen Bescheid festgestellten - Teilrente aus der gesetzlichen UV in Höhe von 40 % der Vollrente ausgehen. Nach diesem Rentenbetrag richtet sich das eventuelle Ruhen der dem Kläger zustehenden Berufsunfähigkeitsrente. Der ihm von der BG gewährte Unterhaltsbeitrag kann im Rahmen des § 1278 RVO nicht wie eine Verletztenrente aus der UV behandelt werden, wenn er auch in dem vorliegenden Fall der Höhe nach dem Differenzbetrag zwischen der Teilrente und der Vollrente entsprach. Der Beitrag zum Unterhalt nach § 568 RVO unterliegt nicht den für die Rente geltenden strengen Regeln. Der Tr der UV ist berechtigt, diesen Beitrag wechselnden Verhältnissen in der wirtschaftlichen Lage des Verletzten anzupassen. Solche Leistungen - in § 1278 RVO ist auch allein auf „Renten“ abgestellt - sind nicht geeignet, das Ruhen einer Rente aus der RentV herbeizuführen.

Hiernach hat das SG zu Recht dahin entschieden, daß das Ruhen der Rente aus der RentV allein von der Teilrente aus der gesetzlichen UV abhängig war. Das anderslautende Urt. des LSG muß aufgehoben, die Berufung der Beklagten gegen das Urt. des SG zurückgewiesen werden.

Der vorliegende Fall böte selbst dann keinen Anlaß für eine andere Entsch., wenn man der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung nicht folgen wollte. Der Beklagten ist der Bescheid der BG über die Gewährung der Teilrente und des Beitrags zum Unterhalt zugegangen; sie konnte hierdurch im Hinblick auf § 1278 RVO mittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen werden. Bei dieser Betrachtungsweise müßte sie als Beteiligte i.S. des § 77 SGG gelten. Auch ihr gegenüber wäre der Bescheid, da die Anfechtungsfrist von ihr nicht gewahrt wurde, bindend geworden (vgl. hierzu BSG 15,118; 34, 289 und BSG in SozR Nr. 140 zu § 54 SGG).

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