5 RKn 34/72
Gründe I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit nach § 45 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zusteht.
Der Kläger, der das Dreherhandwerk erlernt und bis 1948 ausgeübt hat, war seit 1952 im Bergbau tätig, und zwar bis Mai 1966 längere Zeit als Hauer.
Die Beklagte lehnte den am 9. Januar 1967 gestellten Rentenantrag mit Bescheid vom 6. Februar 1968 ab, weil der Kläger nicht vermindert bergmännisch berufsfähig sei, da er nach den vorliegenden medizinischen Gutachten noch in der Lage sei, einige Verweisungstätigkeiten zu verrichten. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat ein weiteres medizinisches Gutachten eingeholt und die Beklagte am 23. Juni 1969 verurteilt, dem Kläger Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit vom 1. Januar 1967 an zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat Gutachten auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten eingeholt und einige berufskundliche Sachverständige gehört. Mit Urteil vom 16. März 1972 hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. In der Begründung hat das LSG angenommen, der Kläger sei vermindert bergmännisch berufsfähig. Auszugehen sei von der Hauertätigkeit. Die vom Kläger seit September 1969 außerhalb des Bergbaus verrichtete Tätigkeit am elektrischen Durchlaufofen und im Versand an der Waage stehe dem Rentenanspruch nicht nach § 86 Abs. 2 RKG entgegen, weil sie keine neuen Kenntnisse und Fähigkeiten erfordere, sondern ohne Vorkenntnisse verrichtet werden könne. Auf die seit 1948 nicht mehr verrichtete Drehertätigkeit könne der Kläger deshalb nicht verwiesen werden, weil er zur Auffrischung der nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Einarbeitungszeit benötige, die das zumutbare Maß von drei Monaten überschreiten würde. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen nur noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten zu verrichten, die nicht in gebückter Haltung ausgeübt werden oder mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände verbunden sind. Deshalb könne er die im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten eines Bandaufsehers, Stempelwarts, Vermessungshelfers, Aufsehers von Bergebrech- und Versatzanlagen, ersten Maschinisten, Probenehmers, Sprengstoffausgebers, Wettermanns, Zimmerhauers, Grubenlokführers, Stapelzimmerhauers, Anschlägers an Hauptförderschächten und ersten Anschlägers unter und über Tage nicht mehr verrichten. Die Tätigkeiten eines Grubenlokomotivführers, Stapelzimmerhauers, Anschlägers an Seilfahrtanlagen und ersten Anschlägers an Hauptförderschächten, Maschinisten an Hauptförderblindschächten, Schachtaufsehers, Anschlägers über Tage und Laborhelfers könne der Kläger im übrigen deshalb nicht verrichten, weil er die nötigen Vorkenntnisse nicht habe und insbesondere vorher auch nicht an solchen Betriebspunkten gearbeitet habe, wie es für einen Teil dieser Tätigkeiten Voraussetzung sei. Bei der Tätigkeit eines Förderaufsehers handele es sich nicht um eine Tätigkeit, die von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgeübt würde. Auf eine Übertagetätigkeit könne allenfalls dann verwiesen werden, wenn dem Versicherten aus seiner Berufserfahrung als Hauer besondere Kenntnisse und Fähigkeiten zur Verfügung ständen, die er bei der Übertagebeschäftigung wesentlich verwerten könne. Das könne lediglich für die Tätigkeiten eines Anschlägers über Tage und Laborhelfers in Erwägung gezogen werden, die der Kläger aber nicht verrichten könne. Die am 1. Juni 1971 eingetretenen Veränderungen im Lohngefüge und in der Tarifstruktur könnten die Fortdauer des Rentenanspruchs nicht in Frage stellen. Auch im Sozialversicherungsrecht gelte der Grundsatz, daß Tatbestände, die anspruchsbegründend abgeschlossen vorliegen, von einer Rechtsänderung nicht betroffen werden, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstrecke. Dieser Grundgedanke gelte auch hier. Die Berücksichtigung einer neuen Lohnordnung müsse dort ihre Grenze finden, wo sie dazu zwinge, ohne eine konkrete Änderung in den gesundheitlichen oder arbeitsmäßigen Verhältnissen des Versicherten alle Grundlagen des - nach bisherigen Lohnordnungen begründeten - Rentenanspruchs neu zu überprüfen und zu beurteilen. Das LSG hat hilfsweise geprüft, ob der Rentenanspruch des Klägers auch bei Anwendung der am 1. Juni 1971 in Kraft getretenen Lohnordnungen begründet ist. Es hat angenommen, bei dem nach § 45 Abs. 2 RKG vorzunehmenden Lohnvergleich bei einem Hauer von der Lohngruppe 10 auszugehen. Im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig seien alle Tätigkeiten bis einschließlich zur Lohngruppe 05. Die danach im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten eines Laders, Sprengmittelausgebers, sonstigen Hilfsarbeiters, Streckenreparaturarbeiters, Transportarbeiters 1, Wettermanns, sonstigen Arbeiters, Bandaufsehers, Betonierers, Einpasters, angelernten Handwerkers, Transportarbeiters 2, Streckensicherungsarbeiters, Wettermeßhelfers, Vermessungshelfers, Grubenlokfahrers, Stapelzimmerhauers und Anschlägers 1 und 2 könne der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Für die Tätigkeiten eines Grubenlokfahrers, Stapelzimmerhauers, Blindschachtmaschinisten, Anschlägers 1 und 2 sowie Förderaufsehers 2 fehlten ihm die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Kläger sei also auch unter Zugrundelegung der am 1. Juni 1971 in Kraft getretenen neuen Lohnordnungen vermindert bergmännisch berufsfähig.
Dieses Urteil hat die Beklagte mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, der Kläger sei nicht vermindert bergmännisch berufsfähig. Sie hält ihn gesundheitlich und auch von den Kenntnissen und Fertigkeiten her für fähig, die Tätigkeit eines Maschinisten an Hauptförderblindschächten zu verrichten. Zwar müsse der Blindschachtmaschinist vorher mindestens drei Monate im Schachtförderbetrieb unter Tage tätig gewesen sein; jedoch könne der Kläger diese Voraussetzung nachholen, denn er sei nicht grubenuntauglich. Betrage die notwendige Einweisung und Einarbeitung in die Verweisungstätigkeit aber nicht mehr als drei Monate, so könne der Versicherte darauf verwiesen werden. Die Annahme des LSG, außer der dreimonatigen Tätigkeit im Schachtförderbetrieb sei auch eine psycho-technische Eignungsprüfung erforderlich, entspreche nicht dem § 76 Abs. 1 Nr. 3 der Bergverordnung vom 20. Februar 1970, denn danach sei diese psycho-technische Eignungsprüfung nicht zwingend vorgeschrieben. Die Fähigkeit des Klägers, als Blindschachtmaschinist zu arbeiten, schließe verminderte bergmännische Berufsfähigkeit aus.
Die Beklagte beantragt,
- das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Juni 1969 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
- die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Beklagten sei unbegründet.
Gründe II.
Die zulässige Revision der Beklagten hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden muß. Die festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um über den geltend gemachten Anspruch auf Bergmannsrente abschließend zu entscheiden.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß „bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit“ des Klägers im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG die Tätigkeit eines Hauers ist. Dieser Tätigkeit gegenüber waren in der Zeit bis zum 31. Mai 1971 nach den bis dahin geltenden Lohnordnungen für den Steinkohlenbergbau unter Tage die Tätigkeiten bis abwärts zur Lohngruppe I und über Tage die Tätigkeiten bis abwärts zur Lohngruppe I b (seit dem 1. Januar 1970 auch die der Lohngruppe I über Tage) im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, denn die Differenz zum tariflichen Hauerdurchschnittslohn betrug weniger als 20 v.H. Der Kläger kann nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG, an die der Senat nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebunden ist, insbesondere unter Tage einen großen Teil der danach im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten nicht mehr verrichten, weil sie entweder den Kläger gesundheitlich überfordern oder aber Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen, die der Kläger nicht besitzt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Kläger auch nicht auf die Tätigkeit eines Maschinisten an Hauptförderblindschächten verwiesen werden. Nach den Feststellungen des LSG, die von der Beklagten insoweit bestätigt werden, kann als Maschinist an Hauptforderblindschächten nur jemand eingesetzt werden, der vorher „mindestens drei Monate“ im Schachtförderbetrieb unter Tage tätig gewesen ist. Diese aus Sicherheitsgründen in die Bergverordnung aufgenommene Voraussetzung, die dem Erwerb der für die Ausübung der Tätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten dient, erfüllt der Kläger nicht. Zwar mag er in der Lage sein, sie durch Verrichtung einer anderen Tätigkeit im Schachtförderbetrieb nachzuholen. Solange das aber nicht geschehen ist, besitzt er die für die Ausübung der Tätigkeit eines Maschinisten an Hauptförderblindschächten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht, so daß er auf diese Tätigkeit auch nicht verwiesen werden kann. Zwar ist für die Ausübung jeder andersartigen Arbeit - auch einer ungelernten - eine gewisse betriebliche Einweisung und Einarbeitung erforderlich, ohne daß die Verweisung daran scheitern könnte. Selbst bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb seines bisherigen Berufs bedarf der Versicherte in vielen Fällen einer gewissen betrieblichen Einweisung und Einarbeitung, weil die Bedingungen der einzelnen Arbeitsplätze verschieden sein können. Deshalb muß sich der Versicherte auch auf solche andersartige Tätigkeiten verweisen lassen, zu deren Verrichtung zwar nicht neue Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, wohl aber eine kurze betriebliche Einweisung und Einarbeitung zum Kennenlernen der Bedingungen des konkreten Arbeitsplatzes. Ist eine längere Einweisung und Einarbeitung erforderlich, so muß in der Regel angenommen werden, daß sie nicht nur dem Kennenlernen des konkreten Arbeitsplatzes, sondern dem Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten dient. Der erkennende Senat hat daher bereits mehrfach entschieden, daß für eine Verweisung auf eine Tätigkeit vorausgesetzt werden muß, daß der Versicherte sie allenfalls nach kurzer Einweisung und Einarbeitung vollwertig ausüben kann (vgl. SozR Nr. 90 zu § 1246 RVO und die dort zitierten Entscheidungen). Dafür sprechen auch praktische Erwägungen. Während der Versicherte bei einer kurzen Einweisung und Einarbeitung zum Kennenlernen des konkreten Arbeitsplatzes in der Regel schon produktive Arbeit leistet und den vollen Lohn dieser Tätigkeit erhält, wird er in den Fällen, in denen er sich die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erst durch eine längere Einweisung und Einarbeitung erwerben muß, in der Regel keine produktive Arbeit leisten und in der Regel auch nicht den Anspruch auf den vollen Lohn dieser Tätigkeit haben. Die im vorliegenden Fall zwingend vorgeschriebene betriebliche Einweisung und Einarbeitung von „mindestens drei Monaten“, die nicht nur dem Kennenlernen der Bedingungen des konkreten Arbeitsplatzes, sondern aus Sicherheitsgründen dem Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten dient, ist zu lang, als daß man den Versicherten von vornherein auf diese Tätigkeit verweisen könnte. Das gilt umso mehr, als der Versicherte während der betrieblichen Einweisung und Einarbeitung im Schachtförderbetrieb noch nicht produktiv, die Tätigkeit eines Maschinisten an Hauptförderblindschächten ausüben könnte und dürfte. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß eine dreimonatige Einweisung und Einarbeitung neue Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des § 86 Abs. 2 RKG, vermittle (vgl. Urteil vom 19.°Oktober 1967 - 5 RKn 29/65 -). Er hat in dieser Entscheidung schon anklingen lassen, daß eine Abgrenzung zwischen den nach § 45 Abs. 2 RKG von vornherein vorauszusetzenden Kenntnissen und Fähigkeiten einerseits und den nach § 86 Abs. 2 RKG neuen Kenntnissen und Fähigkeiten andererseits notwendig sein könnte. In der Tat kann man einerseits nicht von neuen Kenntnissen und Fertigkeiten dann sprechen, wenn der Versicherte von vornherein auf die erfordernde Tätigkeit verwiesen werden kann, und andererseits kann ein Versicherter nicht auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die neue Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Es mag dahingestellt bleiben, wie lang eine dem Versicherten zumutbare Einweisungs- und Einarbeitungszeit sein darf, denn jedenfalls kann man bei einer Einweisungs- und Einarbeitungszeit von „mindestens drei Monaten“ nicht davon ausgehen, daß der Versicherte die sie erfordernde Tätigkeit schon ausüben kann.
Aus dem gleichen Grunde kann der Kläger weder nach § 45 Abs. 2 RK G noch nach § 86 Abs. 2 RKG auf die erlernte und bis 1948 außerhalb des Bergbaus ausgeübte Drehertätigkeit verwiesen werden. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des LSG besitzt der Kläger die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr, weil er diesen erlernten Beruf seit 1948 nicht mehr ausgeübt hat. Die zur Auffrischung der nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderliche Einarbeitungszeit würde aber das zumutbare Maß von drei Monaten überschreiten.
Die vom Kläger seit September 1969 außerhalb des Bergbaus verrichtete Tätigkeit am elektrischen Durchlaufofen und im Versand an der Waage rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger gelte nach § 86 Abs. 2 RKG nicht als vermindert bergmännisch berufsfähig, denn diese Tätigkeit erfordert, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, keine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern kann auch ohne Vorkenntnisse verrichtet werden.
Steht danach nicht fest, daß der Kläger eine im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige oder eine Verweisungstätigkeit nach § 86 Abs. 2 RKG verrichten kann, so kann das Vorliegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit nicht verneint und deshalb auch nicht dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen werden. Andererseits steht aber auch nicht fest, daß der Kläger vermindert bergmännisch berufsfähig ist. Das LSG hat rechtsirrtümlich angenommen, ein großer Teil der im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten über Tage komme für eine Verweisung nicht in Betracht, weil ein Hauer seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten bei diesen Tätigkeiten nicht verwerten könne, so daß es sich nicht um Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handele. Der erkennende Senat hat in einer großen Anzahl von Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, welche Bedeutung das Tatbestandsmerkmal „Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“ im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG hat (vgl. BSG 5, 191 = SozR Nr. 1 zu § 45 RKG; BSG 21, 282 = SozR Nr. 15 zu § 45 RKG; BSG 25, 113 = SozR Nr. 23 zu § 45 RKG; BSG 31, 103 = SozR Nr. 33 zu § 45 RKG; SozR Nrn. 22, 26, 35 und 37 zu § 45 RKG sowie SozR Nr. 90 zu § 1246 RVO und SozR Nr. 8 zu § 86 RKG). Sämtlichen Entscheidungen sind folgende Gedanken gemeinsam: Der Versicherte soll nur auf solche im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeiten verwiesen werden, für die im wesentlichen gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind wie für die „bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit“. Das trifft für einen Hauer immer dann zu, wenn es sich um eine Verweisungstätigkeit innerhalb der eigentlichen bergmännischen Arbeiten handelt, die die gleichen bergmännischen Grundkenntnisse und Fähigkeiten erfordert, so daß diese weiterverwertet werden können. Die Verweisungsmöglichkeit ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern sie besteht auch dann, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten andersartig sind, aber im wesentlichen den gleichen Wert haben. Davon wird man im allgemeinen ausgehen können, wenn es sich um eine im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit handelt, weil die Qualität der Kenntnisse und Fähigkeiten für die Tarifpartner Hauptmerkmal für die tarifliche Einstufung ist. Liegen aber Anhaltspunkte dafür vor, daß andere Umstände - z.B. Schwere, Schmutz, Nässe, Lärm- oder Geruchsbelästigung, charakterliche Eigenschaften wie Zuverlässigkeit oder Verantwortungsbewußtsein oder der Mangel an Arbeitskräften - für die Einstufung maßgebend waren, so sind die sonstigen Qualitätsmerkmale, die sich auf die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten beziehen, im Einzelfall festzustellen und zu vergleichen. Das LSG hätte daher die Verweisung auf die im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten über Tage nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Hauers seien dabei nicht verwertbar.
Der erkennende Senat hat zwar in seinem Urteil vom 15. September 1964 (Mitteilungen der Ruhrknappschaft 1965, 54 - 57) entschieden, daß ein Hauer, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unter Tage arbeiten kann oder darf und außer seiner bergmännischen Ausbildung nicht noch über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten für qualifizierte Tagesarbeiten in knappschaftlichen Betrieben verfügt, als vermindert bergmännisch berufsfähig im Sinne des § 45 RKG anzusehen sei. Seit dieser Entscheidung sind aber durch Änderungen der Lohnordnungen verschiedene Tätigkeiten über Tage der Hauertätigkeit gegenüber im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geworden, mit denen der Senat sich in der zitierten Entscheidung nicht auseinanderzusetzen brauchte.
Die Entscheidung, ob der Kläger auf einzelne der im wesentlich wirtschaftlich gleichwertig gewordenen Tätigkeiten über Tage verwiesen werden kann, läßt sich erst treffen, wenn feststeht, welche dieser Tätigkeiten der Kläger von der körperlichen Leistungsfähigkeit her noch verrichten kann. Sollte der Kläger in der Lage sein, die eine oder andere dieser Tätigkeiten zu verrichten, so wird unter Berücksichtigung der obengenannten Grundsätze zu prüfen sein, ob es sich um Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handelt. Erst nach Feststellung der danach erforderlichen Tatsachen wird die Entscheidung der Frage möglich sein, ob der Kläger vermindert bergmännisch berufsfähig ist.
Bei der erneuten Prüfung der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit wird das LSG für die Zeit nach dem 1. Juni 1971 die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Tarifverträge für den Steinkohlenbergbau auch dann nicht unberücksichtigt lassen können, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Rentenanspruch begründet sein sollte. Dem LSG ist zwar zuzugeben, daß nach einem nicht nur im Sozialversicherungsrecht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz solche nach neuem Recht anspruchsbegründenden Tatbestände, die bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht erfaßt werden, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (vgl. BSG 25, 139, 140 = SozR Nr. 1 zu § 555 RVO und die dort zitierten Entscheidungen sowie BSG 24, 88, 89 = SozR Nr. 1 zu § 589 RVO). Das gilt jedoch nur für solche Rechtsnormen, die das konkrete Rechtsverhältnis unmittelbar regeln, nicht aber für solche Vorschriften, die die Regelung anderer Rechtsverhältnisse zum Inhalt haben und nur kraft der dadurch geschaffenen Rechtslage mittelbar auf das Versicherungsverhältnis einwirken können (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1973 - 5 RKn 28/71 -). Diese Rechtsnormen dienen jedoch nicht der Regelung von Versicherungsverhältnissen, sondern der Regelung von bestehenden und abzuschließenden Arbeitsvorträgen. Sie erlangen für das Versicherungsverhältnis des Klägers nur Bedeutung im Rahmen des nach § 45 Abs. 2 RKG anzustellenden Lohnvergleichs. Bei diesem erforderlichen Lohnvergleich können die jeweils zeitlich geltenden Tarifverträge aber nicht unberücksichtigt bleiben. Wird mit einer Klage nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig als Leistung die Gewährung einer Rente verlangt, so hat das Gericht nicht nur darüber zu befinden, ob die Anspruchsvoraussetzungen zur Zeit der Antragstellung vorgelegen haben, sondern es muß bei Bejahung dieser Voraussetzungen auch prüfen und entscheiden, ob der Rentenanspruch bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat. Ist letzteres nicht der Fall, so ist die Rente zeitlich entsprechend zu begrenzen (vgl. BSG 6, 136). Selbst wenn also der Anspruch auf Bergmannsrente für die Zeit bis zum 1. Juni 1971 begründet sein sollte, so ist doch für die Zeit danach zu prüfen, ob weiterhin verminderte bergmännische Berufsfähigkeit vorliegt. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Versicherte nunmehr in der Lage ist, eine seiner „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit“ im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten zu verrichten. Dabei ist es gleichgültig, ob diese nunmehr vorliegende Fähigkeit auf einer Änderung des Gesundheitszustandes oder darauf zurückzuführen ist, daß die Tätigkeiten, auf die der Versicherte vorher wegen der geringen Entlohnung nicht verwiesen werden konnte, infolge einer Neubewertung dieser Tätigkeiten im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geworden sind. Ziel der Bergmannsrente ist es, den durch die körperliche Leistungsminderung bedingten Lohnabfall im wesentlichen auszugleichen, den der Versicherte dadurch erleidet, daß, er die „bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit“ nicht mehr ausüben kann. Um diesen Lohnabfall, der durch das Tatbestandsmerkmal „im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig“ gekennzeichnet ist, festzustellen, muß man für jeden Zeitraum, für den die Rente beansprucht wird, die Lohndifferenz zwischen der „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit“ und den Tätigkeiten feststellen, die der Versicherte in einem knappschaftlichen Betrieb noch ausüben kann. Da es sich sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite nur um den Tariflohn handeln kann, sind alle Tarifverträge und Lohnordnungen heranzuziehen, die den Lohn der Vergleichstätigkeiten für die streitige oder einen Teil der streitigen Zeit regeln, über die zu entscheiden ist. Ergibt sich dabei, daß durch eine Höherbewertung der Verweisungstätigkeiten die früher nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten nunmehr für einen nicht zu kurzen Zeitraum im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geworden sind, so besteht der Anspruch auf Bergmannsrente dann nicht, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 RKG für die Verweisungstätigkeiten vorliegen. In einem solchen Fall ist die Rente nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und für die Zeit danach abzulehnen, ohne daß es der Voraussetzungen des § 86 RKG bedarf. Der § 86 RKG betrifft nicht die Frage, ob der Rentenanspruch materiell-rechtlich besteht oder nicht besteht, sondern erlaubt lediglich nach § 77 SGG ausnahmsweise die Rücknahme des bindend gewordenen Rentengewährungsbescheides. Liegt ein solcher Bescheid nicht vor, so bedarf es auch nicht der Voraussetzungen des § 86 RKG (vgl. BSG 12, 204 = SozR Nr. 1 zu § 1631 RVO sowie die Urteile des erkennenden Senats vom 28. März 1973 - 5 RKn 26/71 - und vom 27. Juni 1973 - 5 RKn 28/71 -).
Das LSG wird daher für die Zeit nach dem 1. Juni 1971 prüfen müssen, welche der Tätigkeiten, die nach den an diesem Tage in Kraft getretenen Tarifverträgen der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geblieben oder geworden sind, der Kläger noch verrichten kann. Danach wird es unter Berücksichtigung der bereits ausgeführten Grundsätze zu prüfen haben, ob es sich um Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handelt. Erst danach wird sich entscheiden lassen, ob der Kläger vermindert bergmännisch berufsfähig geworden oder geblieben ist.
Da die festgestellten Tatsachen eine abschließende Entscheidung nicht ermöglichen, hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt den abschließenden Urteil vorbehalten.