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1 RA 85/71

Gründe I.

(Auszug)

...

Am 15. März 1967 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte erkannte zwar an, daß er aufgrund seiner Erkrankung erwerbsunfähig war, lehnte jedoch gleichwohl den Rentenantrag ab, da die Wartezeit nicht erfüllt sei und auch nicht nach § 29 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) als erfüllt gelte. Der Kläger sei seit Januar 1960 berufs- und erwerbsunfähig. Die für die Zeit nach Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit entrichteten 26 Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV) könnten deshalb für die Erfüllung der Wartezeit für diesen Versicherungsfall nicht angerechnet werden. Mit den für die Zeit bis zum 31. Januar 1960 entrichteten 35 Monatsbeiträgen sei die erforderliche Wartezeit von 60 Beitragsmonaten nicht erfüllt. Der Dienstunfall eines nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Unfallversicherung (UnV) versicherungsfreien Beamten stelle auch keinen Arbeitsunfall dar, der die Wartezeit nach § 29 AVG als erfüllt gelten lasse.

Gründe II.

(Auszug)

...

Wie das LSG dazu zutreffend ausgeführt hat, fällt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter den Begriff des Arbeitsunfalls jeder Unfall, der einen Leistungsanspruch nach dem Dritten Buch der RVO, d.h. den §§ 537 ff. RVO auslösen kann (BSG 7, 159). Dabei gilt als Arbeitsunfall auch eine Erkrankung an einer Berufskrankheit (§ 545 RVO a.F.; § 551 RVO n.F.). Darauf, ob die Tätigkeit, bei deren Ausübung der Berechtigte unfallversichert war, der Rentenversicherungspflicht unterlag, kommt es nicht an (BSG 11, 295). Dieser Auffassung ist das Schrifttum gefolgt (vgl. VerbKomm. § 1252 RVO Anm. 6; Koch / Hartmann / v. Altrock / Fürst, Das AVG, 2. und 3. Aufl. § 29 AVG Anm. C I S.V 265; Gesamtkommentar § 1252 RVO Anm. 2; Brackmann, Handbuch der SozVers. S. 680 d). Maßgebend ist somit allein, daß ein „Arbeitsunfall“ im Sinne der deutschen UnV vorliegt (so auch BSG 4 RJ 435/66 vom 2. Dezember 1970, Nachr. LVA Hessen 1971, 132), d.h., daß der Unfall nach dem zur Zeit seines Ereignisses geltenden Recht von dem 3. Buch der RVO erfaßt war. Der Berechtigte muß also im Zeitpunkt des Unfalls in der gesetzlichen UnV versichert gewesen sein und den Unfall bei einer der in den §§ 537 ff. RVO bezeichneten versicherten Tätigkeiten erlitten haben.

Im Zeitpunkt der Erkrankung im Januar 1960 war der Kläger jedoch nach § 541 Nr. 1 RVO a.F., der für alle Beamten des Bundes, der Länder und der Gemeinden in Betracht kam, versicherungsfrei, weil ihm nach dem nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz beamtenrechtliche Unfallfürsorge gewährleistet war (vgl. dazu Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl. § 541 RVO Anm. 4 sowie Brackmann a.a.O. S. 478d). Dementsprechend ist auch beim Kläger nach den Feststellungen des LSG seine Erkrankung an Hepatitis als Dienstunfall anerkannt worden; er war als Arzt an der M A in D Beamter; als solcher ist er infolge einer Krankheit dienstunfähig geworden, die er sich, ohne grobes Verschulden in Ausübung seines Dienstes zugezogen hatte. Ein Dienstunfall eines Beamten oder seine Erkrankung an einer „Berufskrankheit“ scheiden damit aber als Arbeitsunfall im Sinne der UnV und im Sinne des § 29 Abs. 1 AVG aus.

Hieran ändert sich durch die erfolgte Nachversicherung nichts. Sie hat zwar rentenversicherungsrechtlich nach den oben angeführten Vorschriften hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Beschäftigung des Klägers zur Zeit seiner Erkrankung rückwirkend eine Änderung geschaffen, nicht aber unfallversicherungsrechtlich. Zu Unrecht wendet die Revision hiergegen ein, es könne nicht angehen, rentenversicherungsrechtliche Auswirkungen anzuerkennen, einen rückwirkenden unfallversicherungsrechtlichen Schutz aber abzulehnen. Dabei wird übersehen, daß die Nachversicherung in der Rentenversicherung mit ihrer Rückwirkung in die Vergangenheit dem Ausgleich dafür diente, daß dem Kläger ursprünglich aus dem in der AnV versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis als Beamter keine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährt wurde. Ihm ist aber die beamtenrechtliche Unfallfürsorge ohne weiteres erhalten geblieben. Würde der Kläger neben ihr auch noch Leistungen aus der gesetzlichen UnV erhalten, so bekäme er eine doppelte Entschädigung. Das schließt der Gesetzgeber aber dadurch aus, daß für den Beamten, dem während des Beamtenverhältnisses beamtenrechtliche Unfallfürsorge gewährleistet ist, in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherungsfreiheit besteht.

Da mithin ein Arbeitsunfall nicht vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Fiktion der Wartezeiterfüllung nach § 29 Nr. 1 AVG nicht gegeben, so daß der Auffassung der Vorinstanzen in vollem Umfang beizupflichten und die Revision zurückzuweisen ist.

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