11 RA 59/71
Gründe I.
Der im Jahre 1901 geborene Kläger war nach dem Abitur von März bis Oktober 1920 als Praktikant ohne Entgelt beschäftigt, bevor er anschließend bis März 1925 Maschinenbau an der Technischen Hochschule H. studierte. Er erhält seit November 1966 Altersruhegeld. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dessen Berechnung die Praktikantenzeit vom 22. März 1920 bis zum 4. Oktober 1920 als Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzurechnen ist.
Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hat die Beklagte dazu verurteilt (Urteil vom 14.10.1969), weil die Praktikantenzeit Teil der Hochschulausbildung gewesen sei. Das Landessozialgericht (LSG) hingegen hat die Klage hinsichtlich der Praktikantenzeit abgewiesen (Urteil vom 27.1.1971), weil sie weder als Hochschulausbildung i.S. des Buchst. b noch als Lehrzeit i.S. des Buchst. a des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG zu werten sei. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe, rechne ein Praktikum, auch wenn es für die Zulassung zum Studium notwendig sei, nicht zur Hochschulausbildung, weil davon nur an der Hochschule selbst verbrachte Ausbildungszeiten erfaßt würden. Das Praktikum sei aber auch begrifflich um seiner Zielsetzung nach wesensverschieden von einer Lehrzeit. Ziel der Lehrlingsausbildung sei es, den Lehrling zu einem Handwerker bzw. Facharbeiter heranzubilden; als Praktikant (oder Volontär) werde dagegen tätig, wer einen Beruf mit wissenschaftlicher Ausbildung anstrebe und sich in der Praxis orientieren wolle. Da die Praktikantenzeit keine Lehrzeit sei, könne die Frage ihres Abschlusses dahingestellt bleiben.
Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob eine für die Zulassung zum Studium erforderliche Praktikantenzeit als Lehrzeit i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung habe.
Der Kläger beantragt mit der Revision,
- das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Rentenbescheid dahin zu ändern, daß die Praktikantenzeit bei der Rentenberechnung als Ausfallzeit berücksichtigt wird.
Es bittet zunächst um Überprüfung der Rechtsprechung des BSG zur Hochschulausbildung, weil die Hochschule selbst auf Grund der Diplomprüfungsordnung und des Lehrplanes das Praktikum als Teil der Hochschulausbildung betrachtet. Werde eine Hochschulausbildung verneint, dann sei die Praktikantenzeit mindestens als Lehrzeit anzurechnen. Die vom LSG hervorgehobenen Unterschiede zwischen Lehr- und Praktikantenzeiten entsprächen weder den heutigen noch früheren Gegebenheiten, weil es auch Volontärverhältnisse von Personen gebe, die keine wissenschaftliche Ausbildung anstrebten. Im übrigen sei auch das Tatbestandsmerkmal der „Abgeschlossenheit“ der Lehrzeit erfüllt.
Die Beklagte beantragt.
- die Revision zurückzuweisen.
Gründe II.
Die Revision ist nicht begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist ein Praktikum kein Teil der Hochschulausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 - Buchst. b - AVG, weil darunter nur Ausbildungszeiten fallen, die ein immatrikulierter Student an der Hochschule verbringt (vgl. u.a. BSG 19, 239; 20, 35; 30, 163, 164; Urteil des Senats 11 RA 126/68 vom 5. Februar 1969).
Das gilt auch dann, wenn das Praktikum Voraussetzung für den Studienbeginn oder für eine spätere Hochschulprüfung ist. Die Ausführungen der Revision geben dem Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Das Praktikum des Klägers ist aber auch keine Lehrzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AVG (so schon BSG 30, 164 ohne Begründung). Ein Lehrverhältnis setzt voraus, daß eine Beschäftigung in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung dient, diesem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt (BSG 6, 147; 31, 230, 231). Diese Voraussetzungen erfüllt eine Praktikantenzeit nicht. Dem Kläger ist zuzugeben, daß Praktikanten nicht immer Berufe mit wissenschaftlicher Ausbildung anstreben; gleichwohl ist die Praktikantenzeit nicht einer Lehrzeit wesensgleich. Denn sie vermittelt nicht wie die Lehrzeit eine umfassende und geregelte Fachausbildung für einen bestimmten Arbeitnehmerberuf; sie dient vielmehr dazu, Praktikanten in Betrieben praktische Kenntnisse und Erfahrungen - in Arbeitsgebieten verschiedener Berufe - sammeln zu lassen, die sie für ihren Hauptberuf brauchen (zum Praktikum und zur Abgrenzung von der Lehrzeit vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Seite 83 ff., 87 Anm. 21; Nikisch, Arbeitsrecht, 1. Bd., 3. Aufl., Seite 887; Hoffmann / Ditlmann, Ausbildung und Rechtsstellung des Praktikanten, Betriebsberater 1959, Beilage zu Heft 26). Der Senat hat auch schon entschieden, daß der Begriff der Lehrzeit in § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AVG nicht erweiternd ausgelegt werden darf (BSG 31, 230; Urteil vom 15.10.1970 - 11 RA 248/68 -); eine Gleichstellung von Ausbildungszeiten als Referendar oder als Volontär mit Lehrzeiten ist deshalb abgelehnt worden; sie scheidet auch bei den Ausbildungszeiten von Praktikanten - die meistens Volontäre sind - aus.
Die Revision muß somit zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.