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5 RKn 71/69

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das Altersruhegeld nach § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO zusteht.

Der am 6.2.1907 geborene Kläger, der vom österreichischen Versicherungsträger seit dem 01.04.1961 die Invaliditätspension und von dem deutschen Versicherungsträger - der beklagten Bundesknappschaft - vom selben Tage an die Gesamtleitung wegen Berufsunfähigkeit bezieht, hat in der deutschen und österreichischen Rentenversicherung zusammen mehr als 180 Beitragsmonate zurückgelegt. Er war zuletzt in Deutschland bis zum 11.02.1966 berufstätig. Seitdem ist er ohne Arbeit. Am 01.04.1966 verlegte er seinen Wohnsitz nach Österreich. Er beantragte am 17.2.1967 über die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Graz, die Altersrente. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil der Kläger nicht arbeitslos sei, da er dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten zurück.

Das vom Kläger angerufene SG hat die Klage mit Urteil vom 15.03.1968 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 16.09.1969 zurückgewiesen.

Die zulässige Revision ist unbegründet.

Da der Kläger in der BRD und in der Republik Österreich rentenversichert war, richtet sich sein Anspruch gegen die Beklagte für den ersten Teil der streitigen Zeit nach dem 1. deutsch-österreichischen Abkommen über Sozialversicherung vom 21.04.1951 (BGBl. 1952 II 317) und - gegebenenfalls - für die spätere Zeit nach dem seit dem 01.11.1969 geltenden deutsch-österreichischen Abkommen über Soziale Sicherheit vom 22.12.1966 (BGBl. II 1969 1235). Nach Art. 17 des 1. Abkommens und Art. 26 des Abkommens von 1966 werden für die Wartezeit die in Deutschland und Österreich zurückgelegten Beitragszeiten zusammengerechnet. Danach hat der Kläger die Wartezeit von 180 Beitragsmonaten erfüllt. Die Beklagte muß nach Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 des 1. Abkommens und Art. 27 Abs. 1 des Abkommens von 1966 gemäß den bundesdeutschen Vorschriften unter Berücksichtigung der Vorschriften dieser Abkommen beurteilen, ob die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind. Der Anspruch des Klägers richtet sich daher nach § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO. Da der Kläger die Wartezeit von 180 Beitragsmonaten erfüllt, das 60. Lebensjahr vollendet und Rentenantrag gestellt hat, hängt sein Anspruch allein noch davon ab, ob er seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos war und darüber hinaus weiter arbeitslos ist. Der Kläger ist, wie unangefochten festgestellt worden ist, seit dem 12.2.1966 ohne Arbeit, und zwar bis zum 31.03.1966 in der BRD und seitdem in der Republik Österreich, wo er im Gebiet der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, wohnt. Es war zu prüfen, ob die Zeit, während welcher er ohne Arbeit ist, eine Zeit der Arbeitslosigkeit i.S. des § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind, da weder das RKG noch die RVO eine eigene Definition des Begriffs der Arbeitslosigkeit enthalten, die Vorschriften des AVAVG (AFG) entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Besonderheiten des Rechts der Rentenversicherung entgegenstehen (SozR Nr. 8 und Nr. 9 zu § 1248 RVO = BSG 14, 53; 15, 131), wobei dieser Begriff neben den Tatbestandsmerkmalen des § 75 AVAVG (= § 101 AFG) diejenigen des § 76 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AVAVG (= § 103 Nr. 1 und 2 AFG) grundsätzlich miteinschließt (SozR Nr. 19 zu § 1248 RVO = BSG 20, 190). Danach kommt es u.a. darauf an, ob der Versicherte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Es spricht vieles für die Annahme, daß der Kläger in der Zeit vom 12.02.1966 bis zum 31.03.1966 arbeitslos in diesem Sinne war, da er während dieser Zeit der Arbeitsvermittlung auf freie Arbeitsplätze des deutschen Arbeitsmarktes zur Verfügung gestanden hat. Diese Zeit reicht doch für die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes allein nicht weil in § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO mindestens ein Jahr ununterbrochene Arbeitslosigkeit verlangt wird. Der Kläger ist anschließend nach Österreich in das Gebiet der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, verzogen. Er war auch dort ohne Arbeit. Es mag auch sein, daß während dieser Zeit der Arbeitsvermittlung auf freie Arbeitsstellen des österreichischen Arbeitsmarktes zur Verfügung gestanden hat, jedoch hat er nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts während dieser Zeit der Arbeitsvermittlung auf freie Arbeitsplätze des Arbeitsmarktes der BRD nicht zur Verfügung gestanden. Damit erfüllt er die Voraussetzungen der §§ 48 Abs. 2 RKG, 1248 Abs. 2 RVO für diese Zeit nicht. Diese Vorschriften erfassen, da ihre Wirksamkeit grundsätzlich an den Grenzen der BRD endet, nur die Fälle, in denen der Versicherte der Arbeitsvermittlung auf freie Arbeitsplätze der BRD zur Verfügung steht. Zwar kann die BfArb nach § 42 AVAVG (§ 18 AFG) auch im Inland wohnende Arbeitsuchende für eine Beschäftigung im Ausland und im Ausland wohnende Arbeitsuchende für eine Beschäftigung im Inland vermitteln, doch wird ihr wohl kaum das Recht zustehen, im Ausland wohnende Arbeitsuchende für eine Beschäftigung im Ausland zu vermitteln. Jedenfalls hat sie aber keine Möglichkeit, im Ausland Kontrollmaßnahmen durchzuführen, ob der Arbeitsuchende die ihm in einem solchen Falle vermittelte Stelle angenommen oder aus welchen Gründen er sie gegebenenfalls nicht angenommen hat. Aus § 57 Nr. 3 RKG, § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO, ergibt sich, daß als Ausfallzeit nur eine solche Zeit der Arbeitslosigkeit anzurechnen ist, während der der Versicherte bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet war, wenn er während dieser Zeit wegen seiner Arbeitslosigkeit die in diesen Vorschriften genannten Leistungen - vor allem Alg - vom Arbeitsamt oder andere Leistungen von anderen Stellen erhalten oder nur deshalb nicht erhalten hat, weil er andere Bezüge, eigenes Einkommen oder eigenes Vermögen hatte, nicht also, wenn ihm diese Leistungen deshalb nicht gewährt worden sind, weil er eine ihm angebotene Arbeitsstelle nicht angenommen hat. Der Gesetzgeber hat hierdurch deutlich zu erkennen gegeben, daß nur solche Versicherte in den Genuß dieser Rechtswohltat kommen sollen, die der Kontrolle eines deutschen Arbeitsamts unterlegen haben, ob sie eine ihnen angebotene Stelle angenommen, bzw. aus welchen Gründen sie sie nicht angenommen haben. Die Möglichkeit dieser Kontrolle endet für die deutschen Arbeitsämter aber an den Grenzen der BRD. Es steht also fest, daß eine Zeit der Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit nur anerkannt werden kann, wenn der Versicherte der Arbeitsvermittlung auf freie Arbeitsplätze in der BRD zur Verfügung steht. Wenn auch in § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO nicht ausdrücklich verlangt wird, daß der Versicherte sich bei einem deutschen Arbeitsamt gemeldet und eine der genannten Leistungen erhalten oder aus den aufgezählten Gründen nicht erhalten hat, so kann doch auch hier der Begriff der Arbeitslosigkeit nicht anders aufgefaßt werden als in § 57 Nr. 3 RKG, § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO; Arbeitslosigkeit ist also auch hier nur begünstigt, wenn ein deutsches Arbeitsamt die Arbeitsvermittlung durchführen kann und die Möglichkeit hat, die Kontrolle auszuüben, ob der Arbeitsuchende der Vermittlung Folge geleistet hat oder aus welchen Gründen er ihr gegebenenfalls nicht Folge geleistet hat. Das aber bedeutet, daß auch hier nur die Fälle begünstigt sind, in welchen der Versicherte der Arbeitsvermittlung auf freie Stellen, die sich im Gebiet der BRD befinden, zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO die nach § 57 Nr. 3 RKG, § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO zusätzlichen Erfordernisse der Meldung beim Arbeitsamt und des Bezugs von Leistungen nur deshalb nicht aufgeführt, weil anders als bei der Ausfallzeit der zu berücksichtigende Zeitraum unmittelbar vor der Zeit liegt, für welche die Arbeitslosigkeit Voraussetzung des Anspruchs ist (vgl. dazu auch SozR Nr. 56 zu 5 1248 RVO).

In Art. 4 des 1. Abkommens und Art. 5 des Abkommens von 1966 ist nun allerdings bestimmt, daß bei Durchführung der Sozialversicherung die Vorschriften des Vertragsstaates anzuwenden sind, in dessen Gebiet der für die Versicherung maßgebende Beschäftigungsort liegt. Dies bedeutet nicht nur, was sich ohnehin schon aus Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 des 1. Abkommens und Art. 27 Abs. 1 des Abkommens von 1966 ergibt, daß die Beklagte im vorliegenden Fall, da der Beschäftigungsort des Klägers innerhalb der BRD liegt, § 48 Abs. 2 RKG, § 1248 Abs. 2 RVO anzuwenden hat, sondern darüber hinaus, daß diese Vorschriften auch in Fällen mit Auslandsberührung, d.h. in Fällen, in denen die Voraussetzungen des Anspruchs im übrigen im Ausland eintreten oder in denen der Versicherte Ausländer ist, anzuwenden sind. Der Beschäftigungsort ist m.a.W. der sog. Anknüpfungspunkt im Sinne des Internationalen Sozialversicherungsrechts. Art. 2 des 1. Abkommens und Art. 3 des Abkommens von 1966, auf die sich der Kläger insbesondere beruft, bestätigen diesen Grundsatz insofern, als sie bestimmen, daß es unerheblich ist, ob der Versicherte deutscher oder österreichischer Staatsangehöriger ist.

Diese Vorschrift führt aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Anerkennung seines Anspruchs; denn sein Anspruch wird nicht deshalb abgelehnt, weil er - vielleicht - Österreicher ist, sondern nur deshalb, weil er nicht der Vermittlung auf freie Arbeitsplätze des deutschen Arbeitsmarktes zur Verfügung steht.

Art. 3 des 1. Abkommens und Art. 4 des Abkommens von 1966, durch die bestätigt wird, daß ein Anspruch nicht davon abhängig ist, in welchem Gebiet sich der Versicherte aufhält, stehen der Ablehnung des Anspruchs des Klägers ebenfalls nicht entgegen, weil dieser Anspruch nicht deshalb abgelehnt wird, weil der Kläger in Österreich wohnt, sondern eben nur deshalb, weil er nicht der Arbeitsvermittlung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Art. 4 des 1. Abkommens und Art. 5 des Abkommens von 1966 bestimmen allerdings darüber hinausgehend ganz allgemein, daß der Anspruch in Fällen von Auslandsberührung, wenn nur der Beschäftigungsort des Versicherten in der BRD liegt oder lag, gegeben ist, falls die materiellen Voraussetzungen vorliegen. Dies würde allerdings bedeuten, daß er erhobene Anspruch auch dann gegeben wäre, wenn der Kläger nur der Arbeitsvermittlung auf dem Gebiet der Republik Österreich belegene freie Arbeitsplätze zur Verfügung steht. Doch steht dem entgegen, daß die deutsche Arbeitsvermittlung in Fällen, in denen der Versicherte seinen Wohnsitz im Ausland hat und nur der Arbeitsvermittlung auf freie Stellen des ausländischen Arbeitsmarktes zur Verfügung steht, keine Möglichkeit hat, eine Kontrolle über die Wirksamkeit ihrer Vermittlungstätigkeit auszuüben. Nach dem im Internationalen Sozialversicherungsrecht geltenden Territorialgrundsatz hat dies die kollisionsrechtliche Bedeutung, daß nur diejenigen Tatbestände erfaßt werden, die im Gebiet der BRD eintreten. Durch diese spezielle kollisionsrechtliche Norm wird die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 des 1. Abkommens und Art. 5 des Abkommens von 1966 dahin eingeschränkt, daß die freien Arbeitsplätze, für deren Vermittlung der Versicherte zur Verfügung steht, innerhalb der BRD liegen müssen.

Da das LSG unangefochten und fehlerfrei festgestellt hat, daß der Kläger seit dem 01.04.1966 dem deutschen Arbeitsmarkt weder objektiv noch subjektiv zur Verfügung steht, hat er keinen Anspruch auf die beantragte Leistung.

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