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11 RA 248/68

Gründe I.

Der Kläger, der am 27. März 1902 geboren ist, bezieht seit dem 1. März 1967 von der Beklagten Altersruhegeld (Bescheid vom 19. Mai 1967). Bei der Rentenberechnung sind weder seine Schulzeit nach vollendetem 16. Lebensjahr, d.h. vom 27. März 1918 bis 31. März 1922 (Reifeprüfung), noch die darauf folgende kaufmännische Volontärzeit vom 1. April 1922 bis 31. März 1925 als Ausfallzeiten angerechnet worden. Die Beklagte hat lediglich sein Hochschulstudium, das er mit dem Sommer-Semester 1925 begonnen hat, als Ausfallzeit berücksichtigt. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung hat der Kläger erst im März 1934 aufgenommen. Die Halbdeckung im Sinne von § 36 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ist erreicht. Der Kläger begehrt die Anrechnung der genannten Zeiten als weitere Ausfallzeiten. Seine Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) führte aus: Wenn auch auf Grund der Halbdeckung das Hochschulstudium des Klägers als Ausfallzeit berücksichtigt werden konnte, so fehle es doch für die Berücksichtigung weiterer Ausfallzeiten an den Voraussetzungen zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG; denn der Kläger habe, da eine Ersatzzeit nicht vorliege, sein Studium nicht innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Schulzeit und daher nicht „im Anschluß“ daran aufgenommen. Die Volontärzeit sei keine „Lehrzeit“ im Sinne des Gesetzes; somit könne auch diese Zeit nicht als Ausfallzeit in Betracht kommen (Urteil vom 30. August 1968).

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger die - zugelassene - Revision eingelegt mit dem Antrag (sinngemäß),

  • die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zur Anrechnung der begehrten Ausfallzeiten zu verurteilen.

Der Kläger rügt die Verletzung von § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG; er meint, seine kaufmännische Volontärzeit müsse der abgeschlossenen Lehrzeit im Sinne des Gesetzes gleichgestellt und somit als Ausfallzeit berücksichtigt werden. Im übrigen sei das LSG auch zu Unrecht davon ausgegangen, daß er nicht innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Schulausbildung sein Hochschulstudium aufgenommen habe.

Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Gründe II.

Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des LSG ist im Ergebnis richtig.

Der Kläger erstrebt die Anrechnung sowohl seiner weiteren Schulausbildung bis zum Abitur als auch der darauf folgenden kaufmännischen Volontärzeit als Ausfallzeiten im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 4a) und b) AVG, in der hier maßgebenden Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965. Hierzu fehlt es jedoch an den gesetzlichen Voraussetzungen.

Die weitere Schulausbildung nach Vollendung des 16. Lebensjahres könnte nur dann als Ausfallzeit berücksichtigt werden, wenn der Kläger im Anschluß daran innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hätte (erster Fall), oder wenn sich an die Schulausbildung eine Ersatzzeit anschließen würde und nach deren Beendigung innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden wäre (zweiter Fall). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben. Die weitere Schulausbildung des Klägers war mit dem Abitur am 31. März 1922 beendet. Er hat aber erst im März 1934 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Seit Beendigung der Schulausbildung waren also rund 12 Jahre verstrichen, so daß die Fünfjahresfrist nicht gewahrt ist (erster Fall). Aber auch die Voraussetzungen des zweiten Falles sind nicht erfüllt, weil der Kläger vor der Aufnahme seiner ersten versicherungspflichtigen Beschäftigung im März 1934 keine Ersatzzeit zurückgelegt hat. Zwar können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. BSG 30, 165) Zeiten einer weiteren Schulausbildung auch dann Ausfallzeiten im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG sein, wenn an die Schulausbildung nicht eine Ersatzzeit, sondern eine weitere als Ausfallzeit anzuerkennende Ausbildungszeit anschließt, sofern nach deren Beendigung innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts kann die weitere Schulausbildung des Klägers nicht als Ausfallzeit angerechnet werden, weil sich ihr keine weitere als Ausfallzeit anzuerkennende Ausbildungszeit „anschließt“.

Wenn auch das Hochschulstudium des Klägers als Ausfallzeit berücksichtigt worden ist, so hat doch diese Ausfallzeit nicht innerhalb von zwei Jahren seit dem Ende der Schulzeit, sondern erst nach rund drei Jahren (Mai 1925) begonnen; sie schließt sich somit nicht an die weitere Schulausbildung an (vgl. BSG 30, 163 sowie SozR Nr. 27 und 28 zu § 1259 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Das Hochschulstudium kann daher nicht dazu führen, daß die Zeit der weiteren Schulausbildung Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG ist. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn auch die Volontärzeit des Klägers (vom 1. April 1922 bis 31. März 1925) Ausfallzeit wäre. Das aber trifft nicht zu.

Die kaufmännische Volontärzeit des Klägers ist keine „Lehrzeit“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4a AVG und kann ihr auch nicht gleicherachtet werden. Das Gesetz hat nicht jede Berufsausbildung als Ausfallzeit berücksichtigt, sondern, wie § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG zeigt, nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit einem geregelten Ausbildungsgang. Nach der Vorgeschichte, die zu dieser Regelung geführt hat, ist davon auszugehen, daß der Begriff „Lehrzeit“ bewußt gewählt worden ist, um sogenannte Anlernzeiten auszuschließen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1969 Bd. III S. 700 m sowie Koch-Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz 1969 Bd. IV § 36 Anm. V 2 a). Die „Volontärzeit“ des Klägers hat zwar, wie das bei Lehrzeiten die Regel ist, genau drei Jahre gedauert; der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet aber keinen Anhaltspunkt dafür, daß ihr ein geregelter Ausbildungsgang zugrunde gelegen hat und sie mit einer erfolgreichen Prüfung abgeschlossen worden ist oder der Kläger wenigstens tatsächlich - oder auf Grund eines schriftlichen Vertrages - die Stellung eines Lehrlings gehabt hat. Der Kläger selbst hat das auch konkret nie behauptet, sondern nur allgemein geltend gemacht, daß es sich bei der Volontärzeit in Wirklichkeit um eine abgeschlossene Lehrzeit gehandelt habe. Das aber reicht nicht aus. „Volontäre“ sind nach § 82a des Handelsgesetzbuches Personen, die, ohne als Lehrlinge angenommen zu sein, zum Zweck ihrer Ausbildung unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigt werden. Ähnlicher Art war offenbar auch die Beschäftigung des Klägers während seiner Volontärzeit. Der Senat verkennt zwar nicht, daß auch eine Volontärzeit, wie sie der Kläger zurückgelegt hat, eine durchaus geeignete und wertvolle Ergänzung der Berufsausbildung bedeuten kann; eine derartige Ausbildungszeit ist jedoch keine Lehrzeit im Sinne des Gesetzes. Die kaufmännische Volontärzeit des Klägers von April 1922 bis März 1925 kann deshalb nicht als Ausfallzeit berücksichtigt werden. Damit aber scheitert auch die Möglichkeit, die weitere Schulausbildung als Ausfallzeit anzurechnen.

Die Revision des Klägers ist somit unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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