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2 RU 178/64

Gründe

Der Kläger war seit dem 15.4.1959 Gesellschafter der Firma Dachschiefergrube Heinrich L. & Co. in B. Vorher hatte das inzwischen stillgelegte Unternehmen unter der Firma Joh. Nikol. L. & Co. bestanden. Der damalige Firmenträger war der Vater des Klägers, dessen Gesellschaftsanteil der Kläger erbte. Von insgesamt 16 Gesellschaftsanteilen hatte der Kläger drei inne. Die anderen Anteile verteilten sich auf vier weitere Gesellschafter, von denen drei zusammen zwei Anteile besaßen und elf Anteile in einer Hand (der Frau S.) lagen. Der im Jahre 1930 geborene Kläger war seit seiner Schulentlassung in dem Unternehmen beschäftigt und hatte hauptsächlich als Schieferbrecher gearbeitet. Gegenüber den anderen Gesellschaftern war ihm keine vorrangige Stellung in der Gesellschaft eingeräumt. Am 25.4.1961 verunglückte der Kläger beim Einbruchsschießen unter Tage.

Die beklagte BG lehnte den Entschädigungsanspruch mit der Begründung ab, der Kläger sei als Mitinhaber des Unfallunternehmens nicht pflichtversichert und im Zeitpunkt des Unfalls auch nicht freiwillig bei ihr versichert gewesen.

Das SG hat der Klage stattgegeben.

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die zulässige Revision der BG hatte keinen Erfolg.

Das LSG hat mit im Ergebnis zutreffender Begründung entschieden, daß der Kläger zu dem Unternehmen der Firma Dachschiefergrube in einem nach § 537 Nr. 1 RVO in der bis zum Inkrafttreten des UVNG geltenden Fassung - a.F. - versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden hat, obwohl dieses Unternehmen in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betrieben worden und der Kläger selbst deren Gesellschafter gewesen ist. Dabei ist nicht verkannt, daß der Kläger als Gesellschafter Mitunternehmer des Betriebes war und als solcher in dem Unternehmen nicht hätte versicherungspflichtig beschäftigt sein können. Bei einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) handelt es sich um eine schuldrechtlich zusammengefaßte Personenmehrheit, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Ein mitarbeitender Gesellschafter ist daher - anders als das Mitglied eines nicht rechtsfähigen Vereins - selbst handelnder Unternehmer (vgl. BSG 17, 211, 214 ff. = SozR Nr. 30 zu § 537 RVO a.F. mit den dort angeführten Nachweisungen). Er erbringt die Leistung auch für sich selbst und trägt für sie unmittelbar als Gesellschafter das Unternehmerwagnis der Gesamthand mit, so daß für die Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihm als Gesellschafter und der Gesellschaft kein Raum ist.

Diese Rechtslage trifft jedoch auf den vorliegenden Streitfall nicht zu. Der Kläger war nicht im Rahmen seines Gesellschaftsverhältnisses, sondern auf Grund eines außerhalb dieses Gesellschaftsverhältnisses bestehenden Beschäftigungsverhältnisses für den Betrieb der Dachschiefergrube tätig.

Auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts ist anerkannt, daß ein Gesellschafter der Gesamthand (§§ 705 ff. BGB) außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses rechtliche Beziehungen zu der Gesellschaft begründen kann. So ist es möglich, daß er auf Grund eines außergesellschaftsrechtlichen Tatbestandes, z.B. eines Darlehns-, Kauf-, Miet- oder Dienstvertrages, eine Leistung der Gesellschaft gegenüber erbringt. In einem solchen Falle liegt zwischen ihm und der Gesellschaft ein Drittverhältnis vor; Ansprüche aus diesem Verhältnis beruhen auf Vereinbarungen, die rechtlich unabhängig von dem Gesellschaftsverhältnis sind und an Stelle des Gesellschafters auch von jedem Dritten mit der Gesellschaft getroffen werden können (vgl. BGB-RGRK, 11. Aufl., Anm. 21 zu § 705; Staudinger, BGB, 11. Aufl., 25. Lieferung, Anm. 47 und 77 zu § 705; Palandt, BGB, 25. Aufl., Anm. 4 b zu § 718 und die in diesem Schrifttum angeführten Nachweisungen, insbesondere RGZ 153, 305 ff.). Das Entsprechende gilt für das Gebiet des Arbeitsrechts. Danach kann ein Gesellschafter unabhängig von seiner Gesellschafterstellung, aber in Abhängigkeit von der Gesellschaft Arbeit für diese leisten und tritt unter dieser Voraussetzung gegenüber der Gesellschaft als echter Arbeitnehmer auf (vgl. Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Bd. § 9 III 3, S. 46 Fußn. 27; Nikisch, Arbeitsrecht, I. Bd., 3. Aufl., § 14 V 3, S. 120 Fußn. 104; Schnorr von Carolsfeld in Beiträge zum Arbeits-, Handels- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Alfred Hueck zum 70. Geburtstag, S. 261, 263; BGB-RGRK a.a.O. Anm. 10 zu § 706).

Bei dieser Rechtslage ist es nach Auffassung des erkennenden Senats auch möglich, daß der in dem Betrieb einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mitarbeitende Gesellschafter außerhalb seines Gesellschaftsverhältnisses zu dem Unternehmen ein seine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit begründendes Beschäftigungsverhältnis i.S. des § 537 Nr. 1 RVO a.F. unterhält. Wie ein Gesellschafter neben seiner Stellung als Arbeitgeber in demselben Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer sein kann, vermag er entsprechend dieser Möglichkeit trotz seiner Mitunternehmereigenschaft i.S. der ges. UV als abhängig Beschäftigter tätig zu sein. Vom Unternehmerwagnis wird er nach der für diese rechtliche Betrachtungsweise maßgeblichen Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse als Beschäftigter nicht betroffen. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Abgrenzung des Tätigwerdens auf Grund eines von der Gesellschafterstellung unabhängigen Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeit im Rahmen der Gesellschaft praktischen Schwierigkeiten begegnen mag. Denn es bedarf im Einzelfall eindeutiger Unterlagen dafür, daß der Gesellschafter nicht als solcher, sondern als echter Arbeitnehmer der Gesellschaft tätig ist. Diese Trennung wird sich bei der natürlichen Ausstrahlung der Gesellschafterstellung auch auf gesellschaftsfremde Beziehungen zur Gesellschaft im allgemeinen nicht leicht finden lassen. Dem hat das LSG im vorliegenden Streitfall jedoch Rechnung getragen. Es ist mit zutreffenden Ausführungen zu der Auffassung gelangt, daß der Kläger am 25.4.1961 bei einer Tätigkeit verunglückt ist, die ihm auf Grund eines außerhalb seines Gesellschaftsverhältnisses bestehenden Beschäftigungsverhältnisses oblag.

Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des angefochtenen Urteils hatte sich in den Verhältnissen, unter denen der im Jahre 19.. geborene Kläger seit seiner Schulentlassung in dem Betrieb der Dachschiefergrube beschäftigt war, nichts dadurch geändert, daß er den Gesellschaftsanteil seines Vaters geerbt hatte und seit dem 15.4.1959 selbst zu 3/16 Gesellschafter der die Schiefergrube betreibenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geworden war. Der Kläger wurde weiterhin wie die anderen gesellschaftsfremden Arbeiter im festen Stundenlohn bezahlt; er war verpflichtet, die betrieblich festgesetzte Arbeitszeit einzuhalten, und hatte bei Nichteinhaltung der Arbeitszeit mit Lohnabzug zu rechnen. Für ihn wurde Lohnsteuer abgeführt, und er war zur SozVers gemeldet.

Bei diesem Sachverhalt hat das LSG mit Recht angenommen, daß von den Gesellschaftern der Dachschiefergrube das Fortbestehen des echten Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch nach dessen Eintritt in die Gesellschaft wirklich gewollt war. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger am 20.9.1960 zum „Repräsentanten“ der Firma bestellt worden war. Die Bedeutung, die das LSG dieser Bestellung beigemessen hat, nämlich, daß sie dem Kläger keine Einflußnahme auf die Führung des Betriebs der Schiefergrube ermöglichte, daß er vielmehr für die Gesellschaft nur als Mittelsmann der Bergbehörde gegenüber aufzutreten und auch insoweit die Weisungen der Gesellschaft zu befolgen hatte, steht mit der Annahme, daß der Kläger neben seiner Gesellschafterstellung zu den echten Belegschaftsmitgliedern zählte, nicht im Widerspruch.

Hiernach ist die für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 537 Nr. 1 RVO a.F. erforderliche persönliche Abhängigkeit des Klägers von der Gesellschaft zu bejahen (vgl. BSG 10, 41, 44; zuletzt 20, 6, 8 = SozR Nr. 41 zu § 165 RVO; BSG SozR Nr. 39 zu § 537 RVO a.F.; Brackmann, Handbuch der SozVers, 1. bis 6. Aufl., Bd. II S. 307, 470 b). Sie ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil mangels besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag die Führung der Geschäfte der Gesellschaft zwar den Gesellschaftern gemeinschaftlich zustand (§ 709 BGB), so daß es für jedes Geschäft auch der Zustimmung des Klägers bedurfte. Vielmehr ist die von der Revision nicht angegriffene Feststellung des LSG von ausschlaggebender Bedeutung, daß in Wirklichkeit der Kläger keinerlei maßgebenden Einfluß auf den Geschäftsbetrieb hatte, daß vielmehr die Hauptbeteiligte Frau S. durch ihren Schwager den Betrieb leitete und es betriebliche Gepflogenheit war, daß seine Anordnungen auch vom Kläger widerspruchslos befolgt wurden. Der den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu entnehmende Betriebsumfang und die Höhe des Gesellschafteranteils des Klägers lassen schließlich die Schlußfolgerung zu, daß dieser für seine Lebenshaltung auf den Arbeitslohn im Betrieb angewiesen und daher i.S. der angeführten Vorschrift von der Gesellschaft auch wirtschaftlich abhängig war.

Das von den eindeutigen Merkmalen der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit geprägte Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers ließe es im übrigen nach Lage des Falles auch unbillig erscheinen, ihm nur deshalb, weil er im Erbweg zu einer geringen Beteiligung an der Gesellschaft der Dachschiefergrube gelangt war, den Schutz der ges. Pflichtversicherung zu nehmen.

Die Revision der Beklagten, die für die gegenteilige Auffassung vornehmlich auf die zivilrechtliche Erscheinungsform der Gesellschafterstellung des Klägers abhebt, vernachlässigt hierbei den in der SozVers allg. anerkannten Grundsatz, daß die Beurteilung der Frage, ob jemand als versicherter Arbeitnehmer oder als unversicherter Unternehmer anzusehen ist, sich nach der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse sowie der Art der Tätigkeit richtet (vgl. SozR Nr. 8 zu §  537 RVO a.F.; Brackmann a.a.O. S. 470 a).

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