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1 RA 303/61

Aus den Gründen:

Der Kläger bezieht seit November 1959 das Altersruhegeld aus der AnV. Er begehrt die Anrechnung längerer Ausfallzeiten; dafür ist entscheidend, ob die sogenannte Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG gegeben ist.

Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger nach dem Besuch des Gymnasiums und nach einem mehrjährigen Hochschulstudium im Mai 1924 in Rostock eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Chemiker aufgenommen. Von Dezember 1926 bis August 1954 arbeitete er nacheinander in den Niederlassungen seiner Arbeitgeberin in Bukarest und in Mailand - mit Unterbrechung durch Internierung -. Von September 1954 bis Oktober 1959 war er im Bundesgebiet beschäftigt. In den Versicherungskarten sind von 1924 bis 1959 - = 426 Monate - 31 Pflichtbeiträge und 198 freiwillige Beiträge zur AnV nachgewiesen; von den letzteren sind 150 während der Auslandsbeschäftigung geleistet.

Die Beklagte rechnete bei der Feststellung der Rente 1/10 der mit Pflichtbeiträgen belegten Zeiten - = 4 Monate - als Ausfallzeit an (Art. 2 § 14 An VNG). Die Anrechnung längerer Ausfallzeiten - Schul- und Hochschulausbildung - lehnte sie ab, weil die Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG nicht erreicht sei. Die während des Auslandsaufenthaltes geleisteten freiwilligen Beiträge seien nicht zu berücksichtigen. Der Kläger dagegen hält die Halbdeckung mit seinen Beiträgen für gegeben; Versicherte, die wegen Auslandsbeschäftigung versicherungsfrei werden, müßten solchen Versicherten rechtlich gleichstehen, die nur wegen des Überschreitens der JAV-Grenze versicherungsfrei werden.

Die Klage und die Berufung des Klägers waren ohne Erfolg.

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Die Auffassung des LSG, bei der Berechnung der Rente des Klägers könnten längere als die von der Beklagten angerechneten Ausfallzeiten nicht berücksichtigt werden, hält nicht in jeder Richtung einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Zwar hat das LSG zutreffend entschieden, daß die vom Kläger während der Auslandsbeschäftigung geleisteten freiwilligen Beiträge - erforderlich wären mindestens 134 dieser Beiträge, um zusammen mit den im Inland geleisteten 79 Pflicht- und freiwilligen Beiträgen die Hälfte der Versicherungszeit = 213 Monate zu decken - für die Berechnung der Halbdeckung nicht heranzuziehen sind. § 36 Abs. 3 AVG verlangt in erster Linie, daß die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des VersFalles mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten mit Pflichtbeiträgen belegt ist; den Pflichtbeiträgen stehen ferner bei Versicherten, die nur wegen Überschreitens der JAV-Grenze versicherungsfrei werden und die Versicherung freiwillig fortsetzen, die nach dem Eintritt der Versicherungsfreiheit entrichteten Beiträge gleich. Der Kläger hat nur 31 Pflichtbeiträge geleistet; ihnen stehen die während der Auslandsbeschäftigung geleisteten freiwilligen Beiträge nicht gleich. Wohl hat der Kläger die JAV-Grenze überschritten, nachdem er zuvor versicherungspflichtig beschäftigt worden war; ob und aus welchem Grunde er versicherungsfrei war, richtete sich aber nur solange nach dem AVG, als für sein Beschäftigungsverhältnis das AVG galt. Nur so lange konnte er „nur wegen Überschreitens der JAV-Grenze versicherungsfrei werden". Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG galt aber weder für die Beschäftigung in Rumänien noch für die in Italien das deutsche Sozialversicherungsrecht. Das LSG hat insoweit zutreffend auf den das deutsche Sozialversicherungsrecht beherrschenden Grundsatz der Territorialität hingewiesen, nach dem der Versicherungszwang seine Schranken an den Grenzen der inländischen Staatsgewalt findet (BSG 7, 257, 263; 17, 177). Auf den Kläger treffen weder die Ausnahmen zu, die das Ges. selbst hiervon macht (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 2 AVG) noch die von der Rechtspr. entwickelte sogenannte Ausstrahlungstheorie; die Auslandsbeschäftigung des Klägers war nicht bloß vorübergehender Art; auch hatten die Niederlassungen im Ausland, bei denen er beschäftigt war, Dauercharakter; sie stellten keine nur unbedeutende geringfügige Ausdehnung - Ausstrahlung - des inländischen Betriebes dar. Der Kläger hätte, solange er bei den Filialen seines Arbeitgebers im Ausland beschäftigt war, auch dann nicht der Versicherungspflicht in der deutschen AnV unterlegen, wenn er mit seinem Gehalt unter der JAV-Grenze geblieben wäre.

Hat aber der Kläger deshalb freiwillige Beiträge geleistet, weil für sein Beschäftigungsverhältnis im Ausland nicht das AVG galt, so erfüllen diese Beiträge nicht die Voraussetzungen, die in § 36 Abs. 3 Satz 2 AVG für die Gleichstellung mit den Pflichtbeiträgen gefordert werden. Wie der Senat bereits früher entschieden hat (Urt. vom 6. 9,1962 - BSG 17, 290), müssen die freiwilligen Beiträge, wie dies in ähnlichen Vorschriften (§ 25 Abs. 3 Satz 2 AVG und Art. 2 § 51 Abs. 1 Satz 2 AnVNG) klarer ausgedrückt ist, im Zusammenhang mit einer allein aus diesem Grunde versicherungsfrei gewordenen Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet worden sein. Die Versicherungsfreiheit allein wegen Überschreitens der JAV-Grenze muß während der Zeit einer sonst versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit fortbestanden haben, in der oder für die freiwillige Beiträge geleistet worden sind. Die Vergünstigungen des Ges. bestehen dagegen nicht, wenn die Versicherungsfreiheit nicht mehr ausschließlich auf dem im Ges. genannten Rechtsgrund, sondern auf anderen Ursachen beruht. An dieser Auffassung hält der Senat nach nochmaliger Prüfung der Rechtslage auch im vorliegenden Rechtsstreit fest. In der früheren Entsch. hat der Senat zwar nur Tatbestände erörtert, für die das AVG gilt, die Versicherungsfreiheit aber nach anderen Vorschriften als denen über die JAV-Grenze eintritt. Der tragende Grund der Entsch. aber, maßgebend sei der versicherungsrechtliche Charakter der durch die Beiträge repräsentierten Zeiten, nämlich die abhängige Beschäftigung oder die Tätigkeit, die der Versicherungspflicht unterliegt oder doch nur wegen der Höhe des JAV versicherungsfrei ist (BSG 17, 290, 293), schließt auch die Anrechnung freiwilliger Beiträge aus, die während einer dem AVG überhaupt nicht unterliegenden Beschäftigung im Ausland entrichtet worden sind. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es deswegen auch nicht darauf an, ob das Gehalt des freiwillig Versicherten während seiner dem AVG nicht unterliegenden Beschäftigung im Ausland über oder unter der nach dem AVG maßgebenden JAV-Grenze gelegen hat.

Entgegen den Erwägungen, von denen das LSG bei der Zulassung der Revision ausgegangen ist, hält der Senat auch eine vom Richter ausfüllbare Gesetzeslücke nicht für gegeben. Das AVG bringt die Gleichstellung von Pflichtbeiträgen mit den wegen Überschreitens der JAV-Grenze freiwillig geleisteten Weiterversicherungsbeiträgen außer in § 36 Abs. 3 noch an mehreren Stellen (§ 25 Abs. 3 Satz 2, § 37 Abs. 2 AVG; Art. 2 § 51 Abs. 1 Satz 2 AnVNG); dabei ist durchweg die Einschränkung gemacht, daß die Versicherungsfreiheit „nur" wegen Überschreitens der JAV-Grenze vorliegen muß. Damit ist deutlich ausgedrückt, daß ausschließlich diese Ursache der Versicherungsfreiheit gewollt ist. Die gesetzliche Regelung bietet keinen Anhalt für die Annahme, der Gesetzgeber habe übersehen, daß freiwillige Beiträge auch unter anderen Voraussetzungen als der Versicherungsfreiheit wegen der Höhe des JAV entrichtet werden konnten und können, sonst hätte er alle oder doch bestimmte dieser Fälle in die Vergünstigung des § 36 Abs. 3 Satz 2 AVG einbezogen. Dies ergibt sich aus dem vom Senat in seiner Entsch. vom 6.9.1962 (BSG 17, 290) dargelegten und oben wiedergegebenen Sinn und Zweck der genau begrenzten Vergünstigung des § 36 Abs. 3 Satz 2 AVG. Die Vorschrift des § 36 Abs. 3 AVG darf freilich, soweit es sich um Beiträge während einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland handelt, nicht für sich allein genommen werden, vielmehr sind sowohl die Vorschriften des deutschen Fremdenrechts (FAG, FANG) als auch des zwischen- und überstaatlichen Rechts mit heranzuziehen.

Wenn der Senat auch der Auffassung des LSG beitritt, daß die während einer dem AVG nicht unterliegenden Beschäftigung im Ausland entrichteten freiwilligen Beiträge für die Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG außer Betracht bleiben müssen, so gibt das angefochtene Urt. doch in anderer Hinsicht zu Bedenken Anlaß. Das LSG geht in den Urteilsgründen zwar davon aus, der Kläger sei von 1926 bis 1954 nacheinander in Rumänien und in Italien beschäftigt gewesen; es heißt auch, die Beschäftigung sei durch Internierung unterbrochen gewesen. Das LSG hat jedoch nicht geprüft - was sich ihm nach dem Sachverhalt aufdrängen mußte -, ob er etwa Vertriebener im Sinne von § 1 BVFG und damit Berechtigter nach § 1 Buchst, a FRG ist. Das LSG hat auch nicht festgestellt, ob der Kläger während der Beschäftigung in Rumänien und in Italien bei den VersTrn dieser Länder versichert gewesen ist (vgl. die rumänischen Ges.e vom 18.5.1932 und 7.4.1933, abgedruckt in: Gesetze osteuropäischer Staaten über die Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, S. 170, 177; für Italien: Gesetz über die Neuregelung der Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung vom 15.4.1952, hierzu BABl 1954, 230 und Hunzinger in SozVers 1958, 245, 250 mit weiteren Literaturangaben), oder ob nach dem Recht dieser Länder oder nach zwischenstaatlichen Abmachungen die Beschäftigung des Klägers in den Niederlassungen des deutschen Betriebes nicht der inländischen, sondern der deutschen SozVers unterlag (vgl. die Best.en in Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und Abs. 2 des deutsch-italienischen Sozialversicherungsabk. vom 5.5.1953 - BGBl 1956 II 2 -). Trifft es etwa zu, daß der Kläger Vertriebener aus Rumänien ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG), würde seine Beschäftigung in diesem Lande bis zur gesetzlichen Regelung der Rentenversicherung (1932/1933) unter § 16 FRG und die Zeit danach bis zur Internierung, falls rumänische Versicherungszeiten vorliegen, unter § 15 FRG, anderenfalls unter § 16 FRG fallen. Dabei ist die Anwendbarkeit des § 16 FRG nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger während der Beschäftigung in Rumänien freiwillige Beiträge zur deutschen AnV geleistet hat. Die Einschränkung in § 16: „soweit sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt" bezieht sich nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift auf eine Beitragsleistung zum VersTr im Herkunftsland; sie soll den Anwendungsbereich von § 16 FRG von dem des § 15 FRG abgrenzen. Die zusätzliche Entrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen AnV kann die Vergünstigungen des FRG oder auch solche zwischenstaatlicher Verträge jedenfalls insoweit nicht aufheben, als es sich um die Anrechnung solcher Zeiten auf die Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG handelt, die Beitragszeiten für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit gleichgestellt sind (vgl. zB § 15 Abs. 1 Satz 2, § 16 FRG). Möglicherweise genügen schon 5/6 der Beschäftigungszeit (§ 19 Abs. 2 FRG) des Klägers in Rumänien, um die ihm an der Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG fehlenden Beiträge zu ersetzen. Denn diese Beschäftigungszeit steht nach § 16 FRG - ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsverdienstes - einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des Ges. gleich, für die Beiträge entrichtet sind, und zählt deshalb als Beitragszeit auch bei der Berechnung der Halbdeckung mit (§ 14 FRG).

Weil das LSG den Sachverhalt nicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat, ist sein Urteil unvollständig. Es muß daher aufgehoben werden. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht selbst entscheiden, weil ausreichende Tatsachenfeststellungen fehlen. Das LSG wird die für § 15 und § 16 FRG notwendigen tatsächlichen Feststellungen noch treffen müssen. Dabei wird es zweckmäßigerweise auch prüfen, ob die bisherigen Feststellungen und die künftigen es nicht veranlassen sollten, auch noch das deutsch-italienische Sozialversicherungsabk. vom 5.5.1953, insbesondere die Best.en in Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens, ferner die EWG-VO Nr. 3 (Art. 28 und Anh. GIB) und das vorläufige Europäische Abk. über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen - BGB1 II 1956, 507 - zu prüfen und gegebenenfalls seine Ermittlungen auch auf deren Voraussetzungen auszudehnen. Der Rechtsstreit muß daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

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