XII ZB 170/16
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.000 €
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Rente des Antragstellers.
Auf den am 30. Mai 2005 zugestellten Antrag hatte das Amtsgericht die am 20. Juli 1979 geschlossene Ehe des am 8. August 1951 geborenen Antragstellers und der am 24. Februar 1953 geborenen weiteren Beteiligten rechtskräftig geschieden. Zugleich hatte es den Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht durchgeführt.
Während der gesetzlichen Ehezeit (1. Juli 1979 bis 30. April 2005; § 1587 Abs. 2 BGB) hatten beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Antragsgegnerin (Deutsche Rentenversicherung Bund; im Folgenden: DRV Bund) erworben. Der Ehezeitanteil der Rentenanwartschaften des Antragstellers belief sich auf 1.190,31 €, derjenige der weiteren Beteiligten auf 168,86 €. Außerdem hatte der Antragsteller Anrechte bei der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Regierungsbezirks Kassel (im Folgenden: ZVK) erworben, deren Ehezeitanteil das Amtsgericht mit einer dynamischen Rentenanwartschaft von 272,61 € ermittelt hatte. Weitere Anrechte des Antragstellers bei der P. AG hatte das Amtsgericht mit einer dynamischen Rentenanwartschaft in Höhe von 39,56 € ermittelt.
Den Versorgungsausgleich hatte das Amtsgericht auf die Weise durchgeführt, dass es [(1.190,31 € - 168,86 €) : 2 =] 510,73 € im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der DRV Bund auf das dortige Versicherungskonto der weiteren Beteiligten übertragen hat. Daneben hat es zu Lasten der Anrechte des Antragstellers bei der ZVK weitere Anwartschaften der weiteren Beteiligten in Höhe von 136,30 € im Wege des analogen Quasi-Splittings nach §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587 b Abs. 2 BGB auf dem Versicherungskonto der weiteren Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Schließlich hatte das Amtsgericht weitere monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 19,78 € im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auf das Versicherungskonto der weiteren Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen.
Aufgrund außergerichtlicher Vereinbarung der geschiedenen Ehegatten zahlt der Antragsteller seit August 2009 an die weitere Beteiligte Barunterhalt in Höhe von monatlich 1.000 €. Zudem überlässt er ihr eine ihm gehörende Wohnung mietfrei.
Seit dem 1. Dezember 2015 bezieht der Antragsteller vorzeitig Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, die sich ausweislich des Bescheids der DRV Bund vom 21. Oktober 2015 auf monatlich 1.406,05 € brutto bzw. nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf 1.257,72 € netto beläuft. Ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs hätte diese Rente des Antragstellers 1.983,08 € brutto bzw. 1.761,97 € netto betragen. Der durch die vorzeitige Inanspruchnahme verminderte Zugangsfaktor von 0,973 ist dabei jeweils berücksichtigt.
Mit dem am 14. Oktober 2015 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller im Hinblick auf seine Unterhaltspflicht gegenüber der weiteren Beteiligten beantragt, die durch den Versorgungsausgleich bedingte Kürzung seiner laufenden Rente in Höhe von 510,73 € auszusetzen.
Das Amtsgericht hat die Kürzung der Rente des Antragstellers beider DRV Bund für die Zeit ab dem 1. Dezember 2015 in Höhe von monatlich 559,20 € ausgesetzt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht die Entscheidung mit dessen Einverständnis dahingehend abgeändert, dass die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei der DRV Bund ab dem 1. Dezember 2015 in Höhe von monatlich 555,52 € ausgesetzt wird (Ziff. I 1). Zugleich hat es angeordnet, dass bei zukünftiger Erhöhung des Rentenwerts die Kürzung über den genannten Betrag hinaus ausgesetzt wird, und zwar "in Höhe der Differenz des sich unter Zugrundelegung eines aktuellen Rentenwerts ergebenden höheren Aussetzungsbetrags (Zugangsfaktor 0,973 x 19,545732 EP Ausgleichswert x jeweils aktueller Rentenwert gemäß § 68 SGB VI) und des derzeit geltenden Aussetzungswerts von 555,52 €", höchstens jedoch in Höhe von 1.000 € (Ziff. I 2). Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der DRV Bund.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Auf die Dynamisierung in Ziff. 2 der Entscheidung konnte das Oberlandesgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde allerdings nicht wirksam beschränken, da es nicht zulässig ist, die Rechtsbeschwerdezulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage zu begrenzen (vgl. Senatsurteil BGHZ 101, 276, 278 f. = NJW 1987, 2586).
Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache auch begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die zwischen den geschiedenen Ehegatten getroffene Unterhaltsvereinbarung auf Manipulation oder kollusives Zusammenwirken der Ehegatten zu Lasten der DRV Bund zurückzuführen sei, sei davon auszugehen, dass die Vereinbarung in Konkretisierung des nach den §§ 1570 bis 1576 BGB bestehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruchs erfolgt sei. Der Kürzungsbetrag, der sich aus der Differenz der durch Splitting ausgeglichenen Anrechte der beteiligten Eheleute errechne, bilde nach § 33 Abs. 3 VersAusglG die Obergrenze des Aussetzungsbetrags. Die Differenz belaufe sich auf 19,545732 Entgeltpunkte (510,73 € ./. Rentenwert zum Zeitpunkt der Entscheidung 26,13 €). Der derzeitige Aussetzungsbetrag errechne sich durch Multiplikation dieser Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert von 29,21 € und dem - hier wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersversorgung um 9 Monate geminderten - Zugangsfaktor 0,973 und betrage damit monatlich 555,52 €. Zur Sicherung der Berücksichtigung zukünftiger Rentenerhöhungen sei zudem eine dynamische Tenorierung erforderlich, damit die Aussetzung der Kürzung an jede künftige Erhöhung des Rentenwerts automatisch angepasst werde. Andernfalls käme für den Antragsteller insoweit lediglich ein Abänderungsantrag in Betracht, der aber der Wertgrenze des § 48 Abs. 1 FamFG unterliege. Die vorgenommene Tenorierung sei auch hinreichend bestimmt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, denn der jeweilige Aussetzungswert könne auf der Grundlage von 19,545732 Entgeltpunkten, des Zugangsfaktors von 0,973 und des Rentenwertfaktors von 1, die sämtlich unveränderlich seien, und des jeweils im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Rentenwerts gemäß § 68 Abs. 1 SGB VI ohne weiteres ermittelt werden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Zunächst ist das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen, nachdem die Instanzgerichte fehlerhaft die Ehefrau als Antragsgegnerin des Verfahrens und den Versorgungsträger als weiteren Beteiligten behandelt haben. Das Verfahren über die Aussetzung der Kürzung einer laufenden Versorgung (§§ 33 f. VersAusglG) richtet sich gegen den Versorgungsträger, der deshalb als Antragsgegner anzusehen ist. Die ausgleichspflichtige und die ausgleichsberechtigte Person sind mögliche Antragsteller des Verfahrens (§ 34 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Eine antragsberechtigte Person, die den Antrag nicht stellt, nimmt nicht die Rolle eines Antragsgegners ein, sondern die eines weiteren Beteiligten (Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 89/16 - FamRZ 2016, 1438 Rn. 5).
b) Das Oberlandesgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Anpassung der Rentenkürzung wegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht lediglich im Umfang der beim Ehemann im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB gekürzten gesetzlichen Rente in Betracht kommt.
aa) Nach §§ 32 ff. VersAusglG ist die Anpassung der Rentenkürzung wegen einer fiktiven gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem geschiedenen Ehegatten - wie nach früherem Recht - nur für Regelsicherungssysteme vorgesehen. Im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge kommen die Anpassungsvorschriften hingegen nicht zur Anwendung (BT-Drucks. 16/10144 S. 71 f.). Eine Anpassung der Rentenkürzung wegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht kommt somit lediglich im Umfang der beim Ausgleichspflichtigen im Wege des Splittings gekürzten gesetzlichen Rente in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 17). Auch insoweit, als bei Anrechten aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes eine Anpassung nach §§ 33 und 37 VersAusglG unterbleibt, ist § 32 VersAusglG mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG NJW 2014, 2093).
bb) Gemäß § 33 Abs. 1, 3 VersAusglG ist die Kürzung in Höhe des ohne die Kürzung bestehenden Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten auszusetzen, höchstens jedoch in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten im Sinne des § 32 VersAusglG, aus denen die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung bezieht. Damit hat der Gesetzgeber abweichend von der früheren Regelung des § 5 VAHRG eine doppelte Obergrenze für die Aussetzung der durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Rentenanwartschaft geschaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 18; BT-Drucks. 16/10144 S. 72).
Wurde der Versorgungsausgleich noch auf der Grundlage des bis zum 31. August 2009 geltenden früheren Rechts durchgeführt, entspricht dies dem Betrag, der im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB ausgeglichen wurde. Denn auf diese Weise wurde ebenfalls die Hälfte der Differenz der Ehezeitanteile beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Versicherungskonto des ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen, was dem Vollzug der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach neuem Recht gemäß § 10 Abs. 2 VersAusglG entspricht. Wenn - wie im vorliegenden Fall - aus einem Regelsicherungssystem nur Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben wurden, ist die Aussetzung der Rentenkürzung auf den Splittingbetrag begrenzt. Die weitergehende Kürzung der gesetzlichen Rente des Antragstellers infolge des Quasi-Splittings nach §§ 1 Abs. 3 VAHRG, 1587 b Abs. 2 BGB und des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bleibt insoweit unberücksichtigt, weil diese Kürzung auf den Ehezeitanteil des Antragstellers bei der ZVK und bei der P. ………… AG zurückgehen, die keine anpassungsfähigen Anrechte im Sinne des § 32 VersAusglG sind (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 71 f.; Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 20).
cc) Danach beläuft sich die nach § 33 Abs. 3 VersAusglG maßgebliche Differenz der Ehezeitanteile in den Regelsicherungssystemen vorliegend auf den im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB ausgeglichenen Bruttobetrag von 510,73 €. Unter Berücksichtigung des für das Ende der Ehezeit geltenden allgemeinen Rentenwerts von 26,13 € ergeben sich daraus (510,73 € : 26,13 € =) 19,5457 Entgeltpunkte. Diese Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte ergibt unter Berücksichtigung des am 1. Dezember 2015 geltenden allgemeinen Rentenwerts von 29,21 € und des für die Rente des Antragstellers maßgeblichen Zugangsfaktors von 0,973 für diesen Zeitpunkt eine für die Aussetzung maßgebliche Rentenkürzung um (19,5457 EP x 29,21 € x 0,973 =) 555,51 €. Für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017 errechnen sich unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwerts von 30,45 € entsprechend 579,10 € und für die Zeit ab 1. Juli 2017 bei einem aktuellen Rentenwert von 31,03 € entsprechend 590,13 €.
c) Dagegen ist das Oberlandesgericht im Rahmen des § 33 Abs. 3 VersAusglG hinsichtlich der aktuellen Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers zu Unrecht von der Unterhaltsvereinbarung der geschiedenen Ehegatten aus dem Jahr 2009 ausgegangen, obwohl sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse seit der Schaffung des Titels offensichtlich wesentlich geändert haben.
Der Senat hat bereits entschieden, dass das Gericht im Rahmen einer Entscheidung über eine Aussetzung der Rentenkürzung nach § 33 VersAusglG stets zu prüfen hat, ob eine bereits vorliegende Unterhaltsregelung den gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt widerspricht. Das ist insbesondere der Fall, wenn nur eine ältere Unterhaltsregelung aus der Zeit des Erwerbslebens vorliegt, die nach Eintritt in den Ruhestand die aktuelle Unterhaltsverpflichtung nicht mehr abbildet (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 25 mwN).
Danach durfte das Oberlandesgericht nicht ohne Prüfung davon ausgehen, dass die Unterhaltsvereinbarung aus dem Jahr 2009 auch nach dem Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der weiteren Beteiligten konkretisiert. Denn der Antragsteller hat in der Antragsschrift selbst ausdrücklich vorgetragen, dass die Unterhaltsvereinbarung Nettoerwerbseinkünfte von 4.300 € monatlich zugrunde legt.
d) Schon deswegen kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann mangels tragfähiger Feststellungen zur fiktiven Höhe des Unterhaltsanspruchs ohne die Kürzung der laufenden Rente in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden.
Die Zurückverweisung gibt zugleich Gelegenheit, hinsichtlich der Berechnung für die Entgeltpunkte § 121 Abs. 1 und 2 SGB VI zu berücksichtigen. Soweit es danach noch darauf ankommen sollte, wird das Oberlandesgericht auch den nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 (XII ZB 89/16 - FamRZ 2016, 1438) zu berücksichtigen haben.