XII ZB 54/09
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 9. Februar 2009 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 15. März 1952 geborene Antragstellerin und der am 25. September 1941 geborene Antragsgegner haben am 30. Dezember 1997 miteinander die Ehe geschlossen, welche kinderlos blieb.
Der Antragsgegner war Inhaber einer Gastwirtschaft. Am Tage vor der Eheschließung veräußerte er das Betriebsgrundstück seiner Gaststätte nebst Inventar zu einem Nettoerlös von ca. 150.000 DM und setzte sich zur Ruhe. Im Jahr darauf veräußerte er das hinter der Gaststätte belegene Einfamilienhaus für 370.000 DM und ist jetzt noch Eigentümer eines von ihm bewohnten weiteren Hausgrundstücks in D. Die Antragstellerin veräußerte aus ihrem Vermögen ein Einfamilienhaus für 120.000 DM und ist jetzt Eigentümerin eines Hauses in Schweden, welches sie für 58.000 € erwarb.
Am 17. Januar 2001 schlossen die Parteien einen Ehevertrag, mit dem sie den Zugewinnausgleich ausschlossen und der Ehemann stattdessen eine Ausgleichszahlung von 100.000 DM versprach, falls die Ehe auf andere Weise als durch Tod beendet würde. Regelungen zum Versorgungsausgleich oder zum Unterhalt wurden nicht getroffen.
Die Antragstellerin erwarb während der Ehezeit eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 13,68 €, der Antragsgegner eine solche in Höhe von 12,41 €. Der Antragsgegner erwarb darüber hinaus durch Kapitaleinzahlungen während der Ehezeit eine Rentenanwartschaft bei der H. Versicherungs AG mit einem dynamischen Rentenwert von 242,95 €, eine Lebensversicherung bei der R. Lebensversicherung mit einem dynamischen Rentenwert von 288,31 € sowie eine Lebensversicherung bei der H. Lebensversicherungs AG mit einem dynamischen Rentenwert von 277,18 €.
Auf den am 24. Juli 2006 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner den Ausschluss des Versorgungsausgleichs verlangt, da die Parteien während der Ehe nichts gemeinsam aufgebaut hätten. Er, der Ehemann, sei bereits vermögend in die Ehe gegangen. Das von ihm in die Lebensversicherungen eingezahlte Kapital stamme ausschließlich aus der Veräußerung seiner Grundstücke sowie aus Erlösen anderer, von ihm vor der Ehezeit angesparter Lebensversicherungen. Durch die Berücksichtigung der Rentenlebensversicherungen im Versorgungsausgleich würden diese doppelt verwertet, da die Parteien diesbezüglich den Ehevertrag geschlossen hätten.
Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschieden. Im Ausspruch zum Versorgungsausgleich hat es die während der Ehezeit erworbene gesetzliche Rentenanwartschaft des Antragsgegners von 12,41 € im Wege des erweiterten Splittings auf das Rentenkonto der Antragstellerin übertragen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs gerichtetes Begehren weiter.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß §§ 1587, 1587 a BGB finde zwischen geschiedenen Ehegatten ein Versorgungsausgleich statt, soweit für sie Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbstätigkeit begründet oder aufrechterhalten worden seien. Einzubeziehen seien auch solche Anwartschaften, die aus einem im Zeitpunkt der Eheschließung vorhandenen Vermögen erworben seien. Der Versorgungsausgleich sei auch nicht gemäß § 1587 c BGB auszuschließen. Es sei nicht zu ersehen, dass die Berechtigte bereits über eine ausreichende Versorgung verfüge oder diese noch erwerben könne und der Verpflichtete dringend auf seine Versorgung angewiesen sei. Der Antragsgegner verfüge über ein Eigenheim und monatliche Einkünfte von 1.400 €, so dass ihm die Durchführung des Versorgungsausgleichs mit einem Gesamtausgleichsbetrag von 403,59 € zumutbar sei und ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zu den von der Antragstellerin erzielten Einkünften nicht bestehe. Auch der Umstand, dass die Anwartschaften aus einem vor der Ehe erworbenen Vermögen des Antragsgegners erworben seien, begründe keine unbillige Härte. Es liege nahe, dass die Vermögensdisposition in der Form, dass einmalige Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden, der übereinstimmenden Planung beider Ehegatten für ihre Altersversorgung entsprochen habe. Dann sei es nicht unbillig, wenn die Antragsgegnerin an dieser gemeinsamen Planung teilhabe.
2. Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Auf den vorliegenden Fall ist gemäß § 48 Abs. 1 VersAusglG das bis August 2009 geltende materielle Recht des Versorgungsausgleichs anzuwenden. Gemäß § 1587 Abs. 1 BGB aF findet der Versorgungsausgleich in Bezug auf alle während der Ehezeit mithilfe des Vermögens oder der Arbeit der Ehegatten begründeten Anwartschaften statt, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, dass das in die Lebensversicherungen eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen des Antragsgegners stammte. Nach § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB aF ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtete, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 887/81 - FamRZ 1984, 570, 571; KG FamRZ 1996, 1552, 1553; Borth Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 57; Gernhuber/ Coester-Waltjen Familienrecht 5. Aufl. § 28 Rn. 19; Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587 Rn. 25; MünchKommBGB/Dörr 4. Aufl. § 1587 Rn. 23). Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die - wie hier - mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach Beginn der Ehe erworben wurden (OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1256; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil VI Rn. 29).
b) Es liegen auch keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nr. 1 BGB als grob unbillig auszuschließen. Nach dieser Vorschrift findet der Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Eine grob unbillige Härte liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2008 - XII ZB 163/06 - FamRZ 2008, 1836; vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964). Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters von § 1587 c Nr. 1 BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770; BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174; Palandt/Brudermüller BGB 68. Aufl. § 1587 c Rn. 19, 25). Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung, die im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur darauf hin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964; vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770; vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfung ist die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Abwägung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
aa) Wie der Bundesgerichtshof bereits in der Grundsatzentscheidung vom 21. März 1979 (BGHZ 74, 38, 45 ff. = FamRZ 1979, 477, 479 ff.) dargelegt hat, rechtfertigt sich der Versorgungsausgleich nicht nur aus dem Zugewinnausgleichsgedanken, sondern auch aus der Pflicht, die Altersversorgung des anderen Ehegatten sicherzustellen. Er bewirkt, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungspositionen gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden, und dient so der Unterhaltssicherung im Alter.
In einer intakten Ehe partizipiert der andere Ehegatte an den erworbenen Versorgungspositionen nach Eintritt des Versorgungsfalls im Rahmen der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft. In Übereinstimmung mit diesem Zweckgedanken hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch schon vor der Einführung des Versorgungsausgleichs durch das 1. EheRG den erwerbstätigen Ehegatten für verpflichtet gehalten, nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen; die Grundlage für diese während der gesamten Ehezeit fortlaufend bestehende Verpflichtung hat der Bundesgerichtshof in der ehelichen Unterhaltspflicht gesehen (BGHZ 74, 38, 46 = FamRZ 1979, 477, 479; BGH Urteile vom 3. Dezember 1951 - III ZR 68/51 - VersR 1952, 97; vom 26. Mai 1954 - VI ZR 69/53 - VersR 1954, 325 und vom 29. April 1960 - VI ZR 51/59 - FamRZ 1960, 225). Dieser ehelichen Unterhaltspflicht kommt der der gesetzlichen Rentenversicherung angehörende erwerbstätige Ehegatte durch seine Pflichtbeiträge, der Beamte durch seine kontinuierliche zum Aufbau der Beamtenversorgung geeignete Dienstleistung und der Selbständige durch freiwillige Einzahlungen in eine privatrechtliche Altersversorgung nach. Die so ehezeitlich begründeten Versorgungsanwartschaften sind demnach aufgrund der ehelichen Unterhaltspflicht zur Sicherung beider Ehegatten bestimmt. Im Falle des Scheiterns der Ehe bewirkt der Versorgungsausgleich, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden. Der Gedanke der einmal auf Lebenszeit angelegt gewesenen ehelichen Lebensgemeinschaft und damit Versorgungsgemeinschaft setzt sich gegenüber der formalen Zuordnung der Versorgungsanwartschaften auf nur einen Ehegatten durch. Dabei steht auch der Grundsatz, dass die während der Ehezeit von einem oder gegebenenfalls von beiden Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaften regelmäßig ("schematisch") zur Hälfte aufgeteilt werden, im Einklang mit der Idee der ehelichen Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG), der ein rechnerisches Abwägen sowohl der beiderseitigen Leistungen und Verdienste für die Gemeinschaft als auch der Teilhabe an gemeinschaftlichen Rechtspositionen im allgemeinen widersprechen würde (BGHZ 74, 38, 46 f., 51 = FamRZ 1979, 477, 479 ff.).
bb) Diesem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs widerspricht es nicht, wenn im vorliegenden Fall auch die vom Antragsgegner erworbenen privatrechtlichen Anrechte in den Ausgleich einbezogen werden. Zu dem Zeitpunkt, als die Parteien die Ehe schlossen, ordneten sie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse neu. Der Antragsgegner gab seine Berufstätigkeit auf, um den Lebensunterhalt in der Folgezeit aus seinem Vermögen zu bestreiten. Die Antragstellerin trug mit ihrem Einkommen zum laufenden Lebensunterhalt bei. Beide Ehegatten veräußerten jeweils in ihrem Eigentum stehende Immobilien. Weitere Vermögensdispositionen wurden getroffen, zu denen der gemeinsame Erwerb einer Wohnung in Spanien ebenso gehörte wie die Umschichtung und der Neuabschluss von Lebensversicherungen, die auf den Antragsgegner als Versicherten genommen wurden und für die teilweise der Antragstellerin ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf den Todesfall eingeräumt wurde. Nach dem Leitgedanken der auf Lebenszeit angelegten ehelichen Lebensgemeinschaft sollten diese Geldanlagen der gemeinsamen Unterhaltssicherung im Alter dienen. Mit dem dafür aufgewendeten Kapital erbrachte der Antragsgegner ebenso eine eheliche Unterhaltsleistung wie die Antragstellerin mit den von ihr zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft geleisteten Beiträgen. Darauf, dass der Antragsgegner die Anwartschaften durch Einmalzahlungen überwiegend zu Beginn der Ehe anstelle durch ratierliche Einzahlungen im Laufe der annähernd zehnjährigen Ehezeit erwarb, kommt es nicht an.
c) Die Parteien haben den Versorgungsausgleich auch nicht durch notarielle Vereinbarung ausgeschlossen (§ 1408 Abs. 2 BGB). Der am 17. Januar 2001 geschlossene Ehevertrag, dessen Wortlaut die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trägt (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 - XII ZR 132/90 - FamRZ 1992, 293), enthält keine Regelung zum Versorgungsausgleich, sondern nur zum Zugewinnausgleich. Sollte dem Ehevertrag - wie von der Rechtsbeschwerde behauptet - die gemeinsame Vorstellung zugrunde gelegen haben, dass ein Versorgungsausgleich in Bezug auf die mit dem Anfangsvermögen erworbenen Anrechte nicht stattfinde, stellte dieses nicht den gesetzlichen Versorgungsausgleich, sondern die Geschäftsgrundlage der zum Zugewinnausgleich getroffenen Regelungen infrage.