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IVb ZB 876/80

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts D. vom 28. Oktober 1980 in Ziffer I des Beschlußausspruchs teilweise aufgehoben und wie folgt gefaßt:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts D. vom 7. August 1979 wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten der weiteren Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vorab 10/11. Im übrigen tragen die Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte und werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Beschwerdewert: 1.000 DM.

Gründe I.

Die Parteien haben am 27. Februar 1932 geheiratet. Der Scheidungsantrag des am 15. September 1900 geborenen Ehemannes (Antragsteller) ist der am 2. September 1912 geborenen Ehefrau (Antragsgegnerin) am 29. November 1977 zugestellt worden.

Beide Ehegatten haben während der Ehezeit (1. Februar 1932 bis 31. Oktober 1977, § 1587 Abs. 2 BGB) bei der Landesversicherungsanstalt R. (LVA - weitere Beteiligte) Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Ehemann hat außerdem ein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung erlangt. Er lebt seit September 1965 im Ruhestand und bezieht ein Altersruhegeld sowie eine Betriebsrente. Die Ehefrau erhält eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In ihren Auskünften hat die LVA mitgeteilt, daß das fiktiv auf das Ende der Ehezeit errechnete monatliche Altersruhegeld des Ehemannes 1.360,20 DM und das der Ehefrau 65,40 DM betrage; davon entfielen beim Ehemann 950,40 DM und bei der Ehefrau der gesamte Betrag auf die Ehezeit. Der tatsächliche monatliche Zahlbetrag des Altersruhegeldes des Ehemannes betrug demgegenüber am Ende der Ehezeit 1.276,50 DM. Die Erwerbsunfähigkeitsrente der Ehefrau belief sich am Ehezeitende auf 67,50 DM monatlich.

Über den Ausgleich der Betriebsrente des Ehemannes haben die Ehegatten eine genehmigte Vereinbarung getroffen. Den Ausgleich der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Amtsgericht im Verbundurteil dahin geregelt, daß es von dem Versicherungskonto des Ehemannes Rentenanwartschaften von monatlich 412,20 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1977, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertragen hat. Dabei hat es seiner Entscheidung statt der fiktiv errechneten Altersruhegelder die tatsächlichen Rentenzahlbeträge am Ende der Ehezeit zugrundegelegt. Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde hat die Ehefrau die Durchführung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage der von der LVA errechneten fiktiven Altersruhegelder erstrebt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die angefochtene Entscheidung (zum Nachteil der Ehefrau) dahin geändert, daß es den Betrag der übertragenen monatlichen Rentenanwartschaften auf 409,20 DM herabgesetzt hat. Hiergegen hat die Ehefrau (zugelassene) weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie die Berücksichtigung der fiktiv errechneten Beträge statt der tatsächlichen Zahlbeträge bei der Wertberechnung weiterverfolgt.

Gründe II.

Die weitere Beschwerde führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung; im übrigen hat sie keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat den Standpunkt des Amtsgerichts geteilt, daß der Wertberechnung nicht die von der LVA errechneten fiktiven Rentenbeträge, sondern die tatsächlichen Zahlbeträge am Ende der Ehezeit zugrundezulegen seien, und hat damit als monatliche Rentenanrechte des Ehemannes 1.276,50 DM und als Anrechte der Ehefrau 67,50 DM berücksichtigt. Anders als das Amtsgericht ist es jedoch bei der Ermittlung des Ehezeitanteils der Versorgungsanrechte des Ehemannes nicht von dem aus der fiktiven Altersruhegeldberechnung abgeleiteten Verhältniswert ausgegangen; vielmehr hat es das Verhältnis der Werteinheiten aus der Berechnung der tatsächlich gezahlten Rente zugrundegelegt und ist so zu dem Ergebnis gelangt, daß statt 69,87 % (= 891,90 DM) nur 69,40 % der Rente und damit ein Monatsbetrag von 885,90 DM auf die Ehezeit entfallen.

2. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Daß in Fällen, in denen ein Ehegatte am Ende der Ehezeit ein Altersruhegeld bezieht und bereits das 65. Lebensjahr vollendet hat, für die Ermittlung des Wertunterschiedes nicht ein fiktiv errechnetes, sondern das tatsächlich gezahlte Altersruhegeld heranzuziehen ist, entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 14. Oktober 1981 - IVb ZB 504/80 - FamRZ 1982, 33; zustimmend Maier, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung 2. Aufl. § 83 AVG Erl. 2.1.6; MünchKomm. / Maier, Erg. zu § 1587 a Rdn. 127; Soergel / Schmeiduch, BGB Nachtrag § 1587 a Rdn. 41 - ablehnend Rolland, 1. EheRG 2. Aufl. § 1587 a Rdn. 38 b). Auch die weitere, vom Senat bislang nicht entschiedene Frage, wie in derartigen Fällen das Werteinheitenverhältnis zur Bestimmung des Ehezeitanteils zu berechnen ist, ist vom Oberlandesgericht zutreffend beantwortet worden. Da das hier bezogene Altersruhegeld endgültig ist und - von Rentenanpassungen abgesehen - nicht mehr erhöht wird, ist auch für die Berechnung des Ehezeitanteils nach § 1304 Abs. 2 RVO das Verhältnis der Werteinheiten aus der Berechnung der gezahlten Rente zu bilden (vgl. Maier, a.a.O.; MünchKomm. / Maier, a.a.O. Rdn. 127 a; Soergel / Schmeiduch, a.a.O. Rdn. 41 a). Damit hat das Oberlandesgericht die in den Wertausgleich einzubeziehenden ehezeitlichen Rentenanrechte des Ehemannes zutreffend mit 885,90 DM monatlich errechnet.

b) Bezieht ein Ehegatte, wie hier die Ehefrau, am Ende der Ehezeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die von dem fiktiv errechneten Altersruhegeld abweicht, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Zahlbetrag oder der fiktive Rentenbetrag für die Wertberechnung heranzuziehen ist. Bleibt die Erwerbsunfähigkeitsrente hinter dem errechneten Altersruhegeld zurück, so ist grundsätzlich das fiktive Altersruhegeld maßgeblich, weil der Versicherte mit der Erfüllung der Voraussetzungen für ein Altersruhegeld einen Anspruch auf Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in ein Altersruhegeld erlangt (§ 1254 Abs. 2 RVO). Ist die bezogene Rente höher, so hängt ihre Berücksichtigung zunächst davon ab, ob von einem Fortbestehen des Anspruchs auf diesen Rentenbetrag ausgegangen werden kann.

Hierzu hat der Senat bereits in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt, stehe ein erwerbsunfähiger Versicherter, der die Wartezeit für das Altersruhegeld erfüllt habe, kurz vor der Vollendung des 65. Lebensjahres und sei bis dahin mit einer Änderung seines Gesundheitszustandes nicht mehr zu rechnen, so sei, falls die Erwerbsunfähigkeitsrente nicht fehlerhaft berechnet worden sei, davon auszugehen, daß ihm auch als Altersruhegeld eine Rente in dieser Höhe gezahlt werde (a.a.O. S. 36). Bei den damit unterstellten Gegebenheiten kann es nicht darauf ankommen, ob und wann es tatsächlich zu einer Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in ein Altersruhegeld kommt. Macht der Versicherte etwa nach § 1254 Abs. 2 Satz 1 RVO von seinem Recht auf anderweitige Bestimmung Gebrauch und schiebt er die Umwandlung hinaus, so bleibt es bei dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente. Kommt es nach § 1254 Abs. 2 Satz 1 RVO zur Umwandlung, so ist aufgrund der nach § 1254 Abs. 2 Satz 2 RVO entsprechend anwendbaren Besitzstandsregelung des § 1253 Abs. 2 Satz 5 RVO gewährleistet, daß das Altersruhegeld nicht niedriger ist als die bisherige Erwerbsunfähigkeitsrente (vgl. Verbandskommentar zur RVO Bd. I § 1254 Rdn. 17 i.V. mit § 1253 Rdn. 12). Hiernach kann, von Fällen fehlerhafter Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente abgesehen, von dem Fortbestand des Anspruchs auf eine Rente dieser Höhe ausgegangen werden, wenn mit einem Wegfall der Erwerbsunfähigkeit und der Entziehung der Rente nicht mehr zu rechnen ist (vgl. auch Maier, a.a.O. Erläuterung 2.1.6 aE; MünchKomm. / Maier, a.a.O. Rdn. 127 e; Soergel / Schmeiduch, a.a.O. Rdn. 41 c). Unter diesen Umständen ist auch im vorliegenden Fall, in dem die Ehefrau bei Ehezeitende bereits 65 Jahre alt war, der tatsächliche Rentenzahlbetrag als die endgültige Versorgung der Ehefrau anzusehen, ohne daß es noch darauf ankommt, daß die Ehefrau die für das Altersruhegeld erforderliche Wartezeit noch nicht erreicht hatte.

Zur Frage der Berücksichtigung einer derartigen, als fortbestehend zu erachtenden Rente bei der Wertberechnung nach § 1587 a BGB hat der Senat im Beschluß vom 14. Oktober 1981 im Hinblick auf die Gegebenheiten des dort beurteilten Falles ausgeführt, daß es jedenfalls dann, wenn die tatsächlich gezahlte Rente das fiktive Altersruhegeld erheblich übersteige, zur Vermeidung unvertretbarer, dem Einzelfall nicht gerecht werdender Ergebnisse geboten erscheine, in entsprechender Anwendung von § 1587 a Abs. 5 BGB den tatsächlichen Rentenzahlbetrag zugrundezulegen (a.a.O. S. 36). In einem solchen Umfang fallen der tatsächliche Zahlbetrag der Rente und das fiktive Altersruhegeld im vorliegenden Fall indessen nicht auseinander; vielmehr liegt die bei Ehezeitende bezogene Rente nur um etwa 3 % über dem fiktiven Altersruhegeld. Dennoch ist es auch hier gerechtfertigt und geboten, für die Wertberechnung von der höheren tatsächlichen Rente auszugehen. Dafür sprechen letztlich die gleichen Erwägungen, die auch der Rechtsprechung über die Maßgeblichkeit eines bereits bezogenen Altersruhegeldes zugrundeliegen. Insoweit hat der Senat ausgeführt, der Regelung der §§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, 1304 RVO liege die Konzeption zugrunde, daß der auf die Ehejahre entfallende Rentenbetrag zusammen mit dem Rentenbetrag, der auf den außerhalb der Ehe liegenden Zeiten beruhe, so hoch sein müsse wie die aus allen Zeiten berechnete Rente. Das vorgesehene Berechnungsverfahren solle gewährleisten, daß der dem Wertausgleich zugrundegelegte Anwartschaftsbetrag für die Ehejahre mit dem tatsächlich in der Ehe enthaltenen Anteil übereinstimme (a.a.O. S. 34). Diesen Grundsätzen läuft es nicht nur zuwider, wenn ein fiktiver Rentenbetrag als maßgeblich angesehen wird, obwohl der Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres bereits ein - von der fiktiven Berechnung abweichendes - Altersruhegeld erhält. Vielmehr gilt das gleiche, wenn der Versicherte, wie hier, eine die fiktive Rente übersteigende Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und ein Wegfall dieser Rente nicht mehr in Betracht kommt. Ebenso wird auch der Grundgedanke des Versorgungsausgleichs, beide Ehegatten an den in der Ehe begründeten Versorgungsanrechten gleichmäßig zu beteiligen, in beiden Fällen in vergleichbarer Weise tangiert (vgl. hierzu Senatsbeschluß a.a.O. S. 34). Hiernach ist der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung zu folgen, daß auch im Falle des Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente, mit deren Entziehung nicht mehr zu rechnen ist, für die Wertberechnung der tatsächliche Rentenzahlbetrag bei Ehezeitende heranzuziehen ist, wenn er das fiktive Altersruhegeld übersteigt (ebenso Maier, a.a.O.; MünchKomm. / Maier, a.a.O.; Soergel / Schmeiduch, a.a.O.).

Ob für die sodann vorzunehmende Berechnung des Ehezeitanteils der Anwartschaft das Werteinheitenverhältnis aus der gezahlten Rente oder das aus dem fiktiv berechneten Altersruhegeld maßgebend ist, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (vgl. hierzu die vorgenannten Nachweise). Diese Frage kann hier jedoch auf sich beruhen, da die Ehefrau die Rentenanwartschaften in vollem Umfang in der Ehezeit erworben hat und damit der gesamte Monatsbetrag in den Wertausgleich einzubeziehen ist.

3. Obwohl sich die Berechnung des Wertunterschiedes der beiderseitigen Rentenanrechte durch das Oberlandesgericht hiernach als zutreffend erweist, kann die Beschwerdeentscheidung nicht in vollem Umfang bestehen bleiben. Vielmehr hat die weitere Beschwerde Erfolg, soweit das Oberlandesgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zum Nachteil der Ehefrau abgeändert hat. Hierdurch hat es gegen das Verbot der Schlechterstellung verstoßen, das im Rechtsmittelverfahren über den Versorgungsausgleich gilt (Senatsbeschluß vom 27. Oktober 1982 - IVb ZB 119/81 - BGHZ 85, 180). Damit führt das Rechtsmittel der Ehefrau zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

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