IVb ZB 875/80
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Familiensenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 22. Oktober 1980 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.289,60 DM.
Gründe
I.
Nach Abtrennung des Verfahrens zur Regelung des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Ehe der Parteien geschieden. Die Scheidung ist rechtskräftig.
Beide Parteien haben während der Ehezeit (1. Oktober 1967 bis 28. Februar 1978, § 1578 Abs. 2 BGB) als Lehrer ausschließlich beamtenrechtliche Versorgungsanrechte bei dem Land Niedersachsen (weiterer Beteiligter zu 1) erworben. In Auskünften vom 30. Mai 1978 und 7. September 1978 hat das Niedersächsische Landesverwaltungsamt mitgeteilt: Bezogen auf das Ende der Ehezeit habe die Ehefrau eine Versorgungsanwartschaft von monatlich 358,45 DM und der Ehemann eine solche von monatlich 740,05 DM erlangt, bei beiden jeweils unter der Voraussetzung, daß sie die Berücksichtigung ihrer Ausbildungszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit gemäß § 12 Abs. 1 BeamtVG beantragen werden.
Das Amtsgericht hat unter Zugrundelegung dieser Beträge den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, daß zu Lasten der für den Ehemann "bei dem Niedersächsischen Landesverwaltungsamt" bestehenden Versorgungsanwartschaften auf ein für die Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 2) zu errichtendes Versicherungskonto Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 190,80 DM begründet werden.
Gegen diesen Beschluß hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt und beantragt, den Versorgungsausgleich in anderer Weise zu regeln, weil ihr als Beamtin mit der Begründung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gedient sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Beschwerdeziel weiter.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Verfahrensrechtlich ist nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht die Beschwerde der Ehefrau für zulässig angesehen hat.
Zwar hatte die Ehefrau in der Beschwerdeschrift zunächst der angefochtenen Entscheidung nur entgegengehalten, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei verfassungswidrig. Dies hätte zur Geltendmachung einer Beschwer, deren Beseitigung mit der Beschwerde erstrebt werden muß, nicht ausgereicht (vgl. Senatsbeschluß vom 29. September 1982 - IVb ZB 866/81 - FamRZ 1982, 1196, 1197); denn die Durchführung eines Versorgungsausgleichs beschwert hier nicht die durch ihn begünstigte Ehefrau, sondern den zum Ausgleich verpflichteten Ehemann. Indessen hat die Ehefrau diesen ausdrücklich als "vorerst" bezeichneten Vortrag fallengelassen und noch innerhalb der Frist zur Begründung des Rechtsmittels stattdessen beantragt, den Versorgungsausgleich in anderer Weise als durch die Begründung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durchzuführen, weil sie davon als Beamtin nichts habe. Damit hat sie einen zulässigen Beschwerdeangriff erhoben. Wie § 1587 b Abs. 4 BGB zeigt, kann eine dem Gesetz an sich entsprechende Ausgleichsregelung im Einzelfall gleichwohl belastend sein, weil sie unwirtschaftlich oder in ihren Auswirkungen ungünstiger ist als eine Regelung des Ausgleichs in anderer Weise. Eine solche Beschwer kann der Ausgleichsberechtigte mit dem Rechtsmittel bekämpfen. Wenn er keinen anderen Beschwerdegrund geltend macht, ist er aus den dargelegten verfahrensrechtlichen Gründen allerdings gehalten, diesen Beschwerdegrund spätestens bis zum Ablauf der Begründungsfrist für die Beschwerde geltend zu machen. Das ist im vorliegenden Fall geschehen.
2. Das Oberlandesgericht hat die beantragte Durchführung des Versorgungsausgleichs auf andere als die in § 1587 b Abs. 2 BGB vorgesehene Weise abgelehnt und dies damit begründet, die Ehefrau könne durch die Begründung der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente für den Fall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit beanspruchen, denn infolge des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs habe sie rentenrechtlich die kleine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt; sie habe außerdem die Möglichkeit, durch Zahlungen die Voraussetzungen für eine Anwartschaft von Altersrente zu schaffen.
Diese Beurteilung beruht auf einer Rechtslage, die der Gesetzgeber inzwischen geändert hat. Die angefochtene Entscheidung ist nach den nunmehr geltenden Vorschriften zu überprüfen. Nach den Grundsätzen, die der Senat für das Verfahren der weiteren Beschwerde im Versorgungsausgleich entwickelt hat (vgl. Beschluß vom 6. Juli 1983 - IVb ZB 842/81 - FamRZ 1983, 1003, 1004), ist das bei Erlaß der Entscheidung geltende Recht auch dann anzuwenden, wenn das Gericht der Vorinstanz diese Rechtslage bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte. Danach erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend.
a) Nach § 1587 b Abs. 4 BGB soll das Familiengericht den Ausgleich in anderer Weise regeln, wenn sich die Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich nicht zu Gunsten des Berechtigten auswirken würde oder wenn der Versorgungsausgleich in dieser Form nach den Umständen des Falles unwirtschaftlich wäre. Danach erlaubt das Gesetz die Anwendung der Bestimmung unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten, die sich im Einzelfall allerdings überschneiden können. Unter keinem der beiden Gesichtspunkte ist im vorliegenden Fall eine abweichende Regelung gerechtfertigt, denn durch die zu Gunsten der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründenden Anwartschaften wird ihre Versorgungslage mit einem wirtschaftlich angemessenen Aufwand in einer dem Zweck des Versorgungsausgleichs entsprechenden Weise verbessert.
Wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, entsprechen die zu begründenden Anwartschaften in Höhe von monatlich 190,80 DM gemäß § 83 a Abs. 5 AVG einer rentenrechtlichen Wartezeit von 113 Monaten, Nach dem seit dem 1. Januar 1984 geltenden Recht wird damit bereits die gesetzliche Wartezeit für die Gewährung von Altersruhegeld erfüllt. Diese Wartezeit betrug nach § 25 Abs. 7 AVG in der bis zum 31.12.1983 geltenden Fassung noch 180 Kalendermonate. Nach Art. 2 Nr. 9 bis 11 und Art. 39 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I 1532, 1539) sind jedoch die Voraussetzungen geändert worden, unter denen nach den §§ 23 bis 25 AVG Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit sowie ein Altersruhegeld gewährt werden. § 25 Abs. 7 Satz 2 AVG in der neuen Fassung bestimmt, daß die Wartezeit für das bei Vollendung des 65. Lebensjahres gewährte Altersruhegeld nunmehr schon erfüllt ist, wenn eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Allerdings reicht zur Erlangung von Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit - abgesehen von einer Übergangszeit bis zum 30. Juni 1984 gemäß Art. 5 Nr. 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 - entgegen dem früheren Rechtszustand die Erfüllung einer Wartezeit von 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalles künftig allein nicht mehr aus; zusätzlich muß der Versicherte eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben; nach dem eingefügten Abs. 2 a des § 23 AVG ist dies der Fall, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalles der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Dadurch wird indessen die Verbesserung der sozialen Sicherung der Ehefrau nicht in Frage gestellt. Dem Versicherungsschutz, den die Ehefrau für den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht erlangt hätte, wäre im vorliegenden Fall ohnehin nicht die gleiche wirtschaftliche Bedeutung zugekommen wie bei einem nichtbeamteten Ehegatten. Als Beamtin ist die Ehefrau gegen derartige Risiken bereits teilweise dadurch gesichert, daß sie bei einem Gesundheitsschaden durch Dienstunfall Leistungen der Unfallfürsorge (§§ 30 ff. BeamtVG) beanspruchen kann, wozu im Falle der Dienstunfähigkeit die Zahlung eines besonderen Ruhegehaltes gehört (§ 36 Abs. 1 BeamtVG). Für andere Fälle der Einbuße ihrer Dienstfähigkeit bleibt - nach bereits erreichter Erfüllung der beamtenrechtlichen Wartezeit von fünf Jahren - nach Versetzung in den Ruhestand der Anspruch auf Ruhegeld nach den allgemeinen Vorschriften.
Bei der Prüfung der Frage, ob die mit dem Versorgungsausgleich erreichte rentenrechtliche Position zu einem wirtschaftlich noch vertretbaren Ergebnis im Sinne des § 1587 b Abs. 4 BGB führt, überwiegt nach alledem die Erlangung eines Anspruchs auf Altersruhegeld. Das gilt um so mehr, als eine (künftige) beamtenrechtliche Versorgung der Ehefrau nicht wegen des Bezuges eines Altersruhegeldes, das auf dem Versorgungsausgleich beruht, gekürzt werden wird (§ 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG).
b) Auch im übrigen enthält der Beschluß des Oberlandesgerichts keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Ehefrau. Das Familiengericht, dem das Oberlandesgericht gefolgt ist, hat den Wert der Versorgungsanwartschaften richtig ermittelt. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß bei beiden Parteien in ihre ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB die jeweiligen Ausbildungszeiten einbezogen worden sind, obwohl keiner von beiden bisher einen entsprechenden Antrag gemäß § 12 Abs. 1 BeamtVG gestellt hatte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. März 1981 - IVb ZB 598/80 - FamRZ 1981, 665 und vom 22. Juni 1983 - IVb ZB 35/82 - FamRZ 1983, 999).