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§ 141 SGG: Rechtskraft

Änderungsdienst
veröffentlicht am

28.11.2020

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand03.11.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 in Kraft getreten am 01.07.2020
Rechtsgrundlage

§ 141 SGG

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 141 Abs. 1 SGG regelt die Bindung der Beteiligten und Rechtsnachfolger an rechtskräftige Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit.

§ 141 Abs. 2 SGG regelt die Aufrechnung mit einer Gegenforderung.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 90 BVerfGGVerfassungsbeschwerde
§ 54 SGGGegenstand der Klage
§ 69 SGGBeteiligte
§ 75 SGGBeiladung
§ 95 SGGStreitgegenstand
§ 202 SGGEntsprechende Anwendung der ZPO
§ 318 ZPOAnfechtung der Bestimmung
§ 705 ZPOFormelle Rechtskraft

Allgemeines

Die GRA befasst sich ausschließlich mit den für die Deutsche Rentenversicherung bedeutsamen Fragen zum Absatz 1, die die materielle Rechtskraft (siehe Abschnitt 5) betreffen.

Das BVerfG beschreibt die Rechtskraft wie folgt (Urteil des BVerfG vom 05.12.2000, AZ: 2 BvF 1/00):

„Die Rechtskraft ist im juristischen Sprachgebrauch ein Institut, das allein gerichtlichen Entscheidungen vorbehalten ist. Es macht erkennbar, dass jede weitere gerichtliche Kontrolle mit Ausnahme außerordentlicher Rechtsbehelfe wie der Verfassungsbeschwerde unstatthaft ist (formelle Rechtskraft, siehe Abschnitt 4) und in persönlicher, sachlicher sowie zeitlicher Hinsicht eine Bindungswirkung hinsichtlich der festgestellten Rechtsfolge besteht (materielle Rechtskraft, siehe Abschnitt 5).“

§ 141 Abs. 1 SGG bewirkt die Bindung der Beteiligten und ihrer Rechtsnachfolger an die Entscheidung des Gerichts, soweit mit dieser Entscheidung über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dabei wird der Streitgegenstand durch den prozessualen Anspruch bestimmt, also durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (Urteil des BSG vom 25.02.2004, AZ: B 5 RJ 62/02 R, juris, Rn. 13; Urteil des BSG vom 31.07.2002, AZ: B 4 RA 113/00 R, juris Rn. 14).

Die Rechtskraft eines Urteils soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird; das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert. Der Inhalt eines formell rechtskräftigen Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen; maßgebend ist insbesondere die Urteilsformel. Nur wenn die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen lässt, können die Entscheidungsgründe, unter Umständen auch das Beteiligtenvorbringen ergänzend zur Bestimmung herangezogen werden (Urteil des BSG vom 25.08.2014, AZ: B 11 AL 138/13 B, juris Rn. 13).

Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit.

Adressat der Rechtskraft

Adressat der Rechtskraft sind in personeller Hinsicht die Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens (§ 69 SGG). § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG unterscheidet zwischen der Rechtskrafterstreckung auf

  • sämtliche Beteiligte im Sinne des § 69 SGG und
  • Rechtsnachfolger im Sinne des § 325 ZPO, §§ 56 ff SGB I.

Das schließt die Erstreckung der Bindung auf beteiligte Parteien kraft Amtes, wie zum Beispiel

  • Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Versicherten (§ 80 Abs. 1 InsO),
  • Nachlassverwalter (§ 1975 BGB) und
  • Testamentsvollstrecker (§§ 2197ff BGB)

ein.

§ 141 Abs. 1 Nr. 2 SGG unterscheidet zwischen der Rechtskrafterstreckung bei

Formelle Rechtskraft

§ 141 Abs. 1 SGG setzt die formelle (oder äußere) Rechtskraft (§ 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 705 S. 1 ZPO) voraus. Formelle Rechtskraft erlangen unanfechtbare Entscheidungen, das sind

Die formelle Rechtskraft tritt unmittelbar ein bei

  • Rechtsmittelverzicht (§ 136 Abs. 4 SGG),
  • LSG-Beschlüssen (§ 176 SGG),
  • LSG-Entscheidungen im Sinne von § 177 SGG,
  • BSG-Verwerfungsbeschlüssen (§ 169 SGG) und
  • BSG-Urteilen (§ 170 SGG).

Daraus folgt, dass der Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 202 SGG in Verbindung mit § 705 S. 2 ZPO), bei Einlegung des Rechtsmittels gehemmt wird. Auf die Statthaftigkeit (Form und Frist) kommt es nicht an (GemS-OGB, AZ: 1/83, BVerwGE 68, 379-382).

Diese Hemmung nennt man Suspensiveffekt. Das bedeutet, dass die Wirkung der (angegriffenen) gerichtlichen Entscheidung durch das Rechtsmittel aufgeschoben ist.

Materielle Rechtskraft

Die materielle (oder innere) Rechtskraft ist der eigentliche Regelungsgegenstand von § 141 Abs. 1 SGG.

Als materielle Rechtskraft wird die Wirkung der Rechtskraft bezeichnet, die verhindert, dass der Inhalt einer formell rechtskräftigen sozialgerichtlichen Entscheidung Gegenstand eines neuen Verfahrens werden kann.

Die materielle Rechtskraft setzt also ein formell rechtskraftfähiges Urteil voraus (siehe Abschnitt 4).

Liegt eine sozialgerichtliche Entscheidung vor, kann von den an die Rechtskraft gebundenen Beteiligten keine neuerliche gerichtliche Überprüfung erreicht werden. Wird von einem Beteiligten ein derartiges Verfahren anhängig gemacht, ist das entscheidende Gericht an die frühere Entscheidung gebunden, sodass ein entsprechender Klageantrag als unzulässig zurückzuweisen wäre.

Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft sind von Amts wegen zu beachten.

Beseitigung bzw. Durchbrechung der Rechtskraft

Nur unter eng umgrenzten gesetzlichen Voraussetzungen kann die materielle Rechtskraft im Einzelfall beseitigt werden. Dabei handelt es sich zum einen um außerordentliche Rechtsbehelfe:

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die auf eine Individualbeschwerde (Art. 34 S. 1 EMRK) ergangenen sind, beseitigen regelmäßig nicht die Rechtskraft einer Entscheidung der Sozialgerichtsbarkeit (Beschluss des BVerfG 14.10.2004, AZ: 2 BvR 1481/04).

Zum anderen kann die Rechtskraft noch wie folgt durchbrochen werden:

Dagegen wird mit einem Korrekturverfahren nach § 48 SGB X die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung der Sozialgerichtsbarkeit nicht durchbrochen, da es in einem solchen Verfahren regelmäßig um eine Änderung der Sach- oder Rechtslage geht. Damit liegt ein anderer Streitgegenstand vor.

Siebtes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-ÄndG) vom 12.06.2020 (BGBl. I S. 1248)
Inkrafttreten: 01.07.2020
Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/17586 vom 04.03.2020

Durch Art. 10 Nr. 6 des 7. SGB IV-ÄndG sind in § 141 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Wörter „im Falle des § 75 Abs. 2a die Personen,“ durch die Wörter „im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Abs. 2b die Versicherungsträger,“ ersetzt worden.

Die Änderung ergänzt die Neuregelung des § 75 Abs. 2b SGG in Verfahren, die das Einzugsstellenverfahren (§ 28h SGB IV), das Betriebsprüfungsverfahren (§ 28p SGB IV) und das Anfrageverfahren zur Statusfeststellung (§ 7a SGB IV) betreffen. Sie erstreckt in diesen Gerichtsverfahren die Wirkung der Rechtskraft des Urteils auf alle Versicherungsträger, die trotz vorheriger Benachrichtigung einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben. Damit wird sichergestellt, dass die Entscheidung über ein Versicherungs- und Beitragsverhältnis in jedem Fall einheitlich ergeht.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 141 SGG