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§ 64 SGG: Berechnung von Fristen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand16.03.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGG vom 23.09.1975 in Kraft getreten am 01.01.1975
Rechtsgrundlage

§ 64 SGG

Version001.01

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift regelt Grundsätze zum Beginn und Ende von Fristen im Widerspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 26 SGB XFristen und Termine im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren
§ 62 SGB XGeltung des SGG im Rechtsbehelfsverfahren
§ 63 SGGZustellung von Entscheidungen
§ 66 SGGFolgen einer unterbliebenen oder unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung
§ 67 SGGWiedereinsetzung in den vorherigen Stand
§ 84 SGGWiderspruchsfrist
§ 87 SGGKlagefrist
§ 91 SGGFristwahrung bei Unzuständigkeit
§ 139 SGGBerichtigung des Urteils-Tatbestandes
§ 145 SGGFrist für Beschwerde gegen Nichtzulassung der Berufung
§ 151 SGGBerufungsfrist
§ 160a SGGFrist für Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision
§ 161 SGGFrist für Sprungrevision
§ 164 SGGRevisionsfrist
§ 173 SGGFrist für Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte
§ 197a SGGin Verbindung § 68 GKG: Frist für Beschwerde gegen Streitwert- beziehungsweise Gegenstandswertfestsetzung

Fristen im Widerspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren

Zu unterscheiden sind die gesetzlichen Fristen (siehe Abschnitt 3) und die richterlichen Fristen (siehe Abschnitt 4). Die Vorschrift des § 64 SGG findet auf die gesetzlichen und die richterlichen Fristen Anwendung.

Gesetzliche Fristen

Gesetzliche Fristen sind die durch das Gesetz vorgeschriebenen Fristen:

  • zur Einlegung eines Rechtsbehelfs (zum Beispiel Widerspruch, Klage, Berufung, Revision, Beschwerde),
  • zur Begründung eines Rechtsbehelfs (zum Beispiel Revision, Revisionsnichtzulassungsbeschwerde),
  • besondere Antragsfristen (zum Beispiel für Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand).

Eine Verlängerung ist bei gesetzlichen Fristen nur möglich, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (zum Beispiel Revisionsbegründungsfrist). Im Gegensatz hierzu können zum Beispiel die Widerspruchsfrist und die Klagefrist nicht verlängert werden.

Wurde eine gesetzliche Frist ohne Verschulden versäumt, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 67 SGG) zu stellen.

Richterliche Fristen

Richterliche Fristen werden durch das Gericht festgesetzt (zum Beispiel für die Aufforderung zur Klageerwiderung gemäß § 104 Satz 3 SGG). Das Gericht bestimmt deren Dauer. Die Frist kann auf Antrag (gegebenenfalls mehrfach) verlängert werden (§ 65 SGG). Ein Antrag auf Fristverlängerung sollte stets vor Fristablauf gestellt werden. Auch nach Fristablauf kann der Rentenversicherungsträger noch Anträge stellen oder eine neue Frist beantragen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist hierfür nicht erforderlich, da dieser nur für gesetzliche Fristen vorgesehen ist. Nach Fristablauf kann das Gericht jedoch auch ohne entsprechende Rückäußerung des Rentenversicherungsträgers entscheiden.

Berechnung von Fristen

Für die Träger der Rentenversicherung ist insbesondere die Berechnung der Rechtsbehelfsfrist bei Prüfung der Zulässigkeit eines Widerspruches (siehe GRA zu § 84 SGG) und im Falle einer den jeweiligen Träger belastenden gerichtlichen Entscheidung von Bedeutung.

Grundsätze zur Berechnung von Fristen

Die Grundsätze zur Fristenberechnung werden anhand der Widerspruchsfrist erläutert.

Die Widerspruchsfrist beginnt am Tag nach der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides (§ 84 Abs. 1 SGG) und beträgt einen Monat. Ein Bescheid, der durch die Post per einfachen Brief übersandt wird, gilt als am 3. Tag nach der Absendung als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 SGB X).

Siehe Beispiel 1

Die 3-Tages-Fiktion bleibt als Zeitpunkt für den Beginn der Widerspruchsfrist auch dann maßgeblich, wenn der Versicherte den Bescheid bereits früher erhalten hat.

Siehe Beispiel 2

Sofern das Ende der Widerspruchsfrist auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag (analog § 193 BGB: ein Feiertag am Sitz des Rentenversicherungsträgers!) fällt, verschiebt sich dieses Fristende auf den nächsten Werktag (§ 64 Abs. 3 SGG).

Siehe Beispiel 3

Für die 3-Tages-Fiktion gilt die sogenannte Feiertagsregelung nicht. Denn bei der 3-Tages-Fiktion des § 37 Abs. 2 SGB X handelt es sich nicht um eine Frist im Sinne des § 64 Abs. 3 SGG, sondern vielmehr um einen Termin beziehungsweise um einen Zeitpunkt (Urteile des BSG vom 09.12.2008, AZ: B 8/9b SO 13/07 R sowie vom 06.05.2010, AZ: B 14 AS 12/09 R).

Das heißt: der angefochtene Bescheid gilt am „dritten Tag“ nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, unabhängig davon, ob dieser Tag auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt.

Siehe Beispiel 4

Fehlt dem Monat, auf den das Fristende fällt, der entsprechende Tag, so endet die Widerspruchsfrist am letzten Tag des Monats (§ 64 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Siehe Beispiel 5

Ist ein Bevollmächtigter bestellt, muss diesem im Hinblick auf die Ermessensentscheidung der Behörde der Verwaltungsakt bekannt gegeben werden (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Die Widerspruchsfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Bevollmächtigte den Bescheid nachweislich erhalten hat (siehe GRA zu § 84 SGG, Abschnitt 5, Urteil des LSG Bremen vom 01.03.1990, AZ: L 1 J 28/87).

Siehe Beispiel 6

Bei fehlender oder unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung tritt an die Stelle der Monatsfrist die Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 SGG).

Siehe Beispiel 7

Für das Klageverfahren gelten folgende Besonderheiten:

  • Gerichtliche Entscheidungen werden in der Regel mit Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Rechtsmittelfrist beginnt am Tag nach der Zustellung. Eine Zustellungsfiktion gibt es hier nicht. (siehe Beispiel 8).
  • Bei regional unterschiedlichen Feiertagen ist für die Feststellung, ob es sich um einen Feiertag handelt, der Sitz des Gerichtes maßgeblich (siehe Beispiel 10).
  • Im Falle der Urteilsberichtigung gemäß § 138 SGG beziehungsweise § 139 SGG beginnt keine neue Rechtsmittelfrist.

Besonderheiten bei Übersendung von Bescheiden mit einfachem Brief

Im Falle der Übersendung des angefochtenen Bescheides per einfachen Brief trägt im Zweifelsfall der Rentenversicherungsträger die Beweislast für den Nachweis des Bescheidzugangs und dessen Zeitpunktes (§ 37 Abs. 2 SGB X). Ein Träger der Rentenversicherung wird bei Übersendung des Bescheides durch die Post per einfachen Brief den Zeitpunkt des Bescheidzuganges in der Regel nicht beweisen können, sodass sie sich nicht auf den Fristablauf berufen sollte. Gibt der Bescheidempfänger selbst ein Zugangsdatum an, welches nach dem 3. Tag nach Absendung des Bescheides liegt, ist dieses Datum als Bekanntgabedatum anzusehen. Gibt der Bescheidempfänger an, den Bescheid in weniger als 3 Tagen erhalten zu haben, gilt der Bescheid dennoch erst mit dem 3. Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Siehe Beispiel 2

Besonderheiten bei Übersendung von Bescheiden mit eingeschriebenem Brief

Gemäß § 4 Abs. 1 VwZG gilt der eingeschriebene Brief mit dem 3. Tag nach seiner Aufgabe zur Post als zugestellt; es sei denn, dass er dem Empfänger nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Für die Berechnung dieser Frist gelten die Grundsätze zum Abschnitt 5.1. Auch im Falle der Übersendung eines Bescheides mit eingeschriebenem Brief trifft die Behörde die Beweislast, wenn der Bescheidempfänger behauptet, den Bescheid nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erhalten zu haben (§ 4 Abs. 1 VwZG).

Dieser Beweislast kann der Träger der Rentenversicherung durch die Versendung des Bescheides per Einschreiben mit Rückschein gerecht werden. Der Rückschein erbringt den vollen Beweis, dass die Erklärung von dem Aussteller abgegeben wurde. Der Rückschein genügt damit zum Nachweis der Zustellung.

Besonderheiten bei Zustellung beziehungsweise Bekanntgabe von Entscheidungen ins Ausland

Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Abschnitt 5.1 unter Berücksichtigung folgender Besonderheiten:

  • Ein Bescheid, der durch die Post per einfachen Brief in das Ausland übersandt wird, gilt am 7. Tag nach der Absendung als bekannt gegeben (analog § 14 Satz 2 SGB X.) Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X gilt hier nicht, denn diese bezieht sich ausschließlich auf die Bekanntgabe im Inland.
    Siehe Beispiel 9
  • An die Stelle sämtlicher Monatsfristen tritt bei Zustellung beziehungsweise Bekanntgabe von Entscheidungen in das Ausland grundsätzlich die 3-Monatsfrist. Dies ergibt sich für die Widerspruchsfrist bereits aus § 84 Abs. 1 Satz 2 SGG und für die Klagefrist aus § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG.
    Siehe Beispiel 9

Beispiel 1: Widerspruchsfrist bei Bekanntgabe eines Bescheides ohne Besonderheiten

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Absendung des angefochtenen Bescheides am19.06.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am22.06.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag23.06.2015
und endet am 22.07.2015

Beispiel 2: Widerspruchsfrist bei Bekanntgabe eines Bescheides

(Beispiel zu den Abschnitten 5.1 und 5.2)
Absendung des angefochtenen Bescheides am19.06.2015
Widerspruch wurde erhoben am22.07.2015
Der Widerspruchsführer gibt an, den Bescheid erhalten zu haben am20.06.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am 3.Tag nach Absendung, also am22.06.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag23.06.2015
und endet am22.07.2015
Der Widerspruch wurde rechtzeitig erhoben. Dass der Widerspruchsführer den Bescheid tatsächlich vor dem 3. Tag nach Absendung erhalten hat, ist bei Ermittlung des Bekanntgabedatums nicht zu beachten.

Beispiel 3: Widerspruchsfrist würde am Wochenende oder Feiertag enden

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Absendung des angefochtenen Bescheides am23.03.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am26.03.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am27.03.2015
und würde ursprünglich enden am26.04.2015
Dieser Tag ist ein Sonntag. Die Widerspruchsfrist endet daher am nächstfolgenden Werktag; das wäre der27.04.2015

Beispiel 4: Widerspruchsfrist bei Bekanntgabe des Bescheides am Wochenende oder Feiertag

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Absendung des angefochtenen Bescheides am19.08.2015
Lösung:
Der dritte Tag nach Absendung des Bescheides ist der22.08.2015
Dieser Tag ist ein Sonnabend. Der Bescheid gilt dennoch an diesem Tag als bekannt gegeben, also am22.08.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am folgenden Tag23.08.2015
und endet am 22.09.2015

Beispiel 5: Widerspruchsfristende am Ende eines Kalendermonats

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Absendung des Bescheides am27.01.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am30.01.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag. Das ist der31.01.2015
Das ursprüngliche Ende der Widerspruchsfrist wäre der30.02.2015
Da der Februar keinen 30. Tag hat, wäre Fristende der28.02.2015
Dieser Tag ist ein Sonnabend. Das Ende der Widerspruchsfrist verschiebt sich daher auf den nächstfolgenden Werktag, den02.03.2015

Beispiel 6: Widerspruchsfrist, wenn Bevollmächtigter vorhanden

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Absendung des Bescheides am09.02.2015
direkt an den Widerspruchsführer, obwohl ein Bevollmächtigter bestellt wurde.
Variante A:
Der Bevollmächtigte gibt an, er habe den Bescheid von seinem Mandanten erhalten am23.06.2015
Variante B:
Das Versehen fällt von Amts wegen auf. Die Sachbearbeitung sendet den Bescheid daher erneut ab, diesmal an den Bevollmächtigten am 
23.06.2015
Lösung:
Der Bescheid wurde erst dann wirksam bekannt gegeben, wenn der Bevollmächtigte ihn nachweislich erhalten hat.
Variante A:
Der Bescheid wurde bekannt gegeben am23.06.2015
Das ist der Zeitpunkt, den der Bevollmächtigte angibt.
Die Widerspruchsfrist beginnt am24.06.2015
und endet am23.07.2015
Variante B:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am dritten Tag nach der Absendung, also am26.06.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag27.06.2015
Das ursprüngliche Ende der Widerspruchsfrist wäre daher der26.07.2015
Dieser Tag ist ein Sonntag. Das Ende der Widerspruchsfrist verschiebt sich daher auf den nächstfolgenden Werktag, den 
27.07.2015

Beispiel 7: Jahresfrist bei unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)

Absendung des Bescheides am

Der Bescheid enthält anstatt der zutreffenden „Widerspruchsklausel“ eine soggenannte „Klageklausel“.

17.06.2015
Widerspruch wurde erhoben am22.12.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am 3.Tag nach Absendung, also am20.06.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag21.06.2015
und endet im Hinblick auf § 66 Abs. 2 SGG am20.06.2016
Der Widerspruch wurde rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist erhoben worden.

Beispiel 8: Rechtsmittelfrist für Rentenversicherungsträger bei gerichtlicher Entscheidung

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Das Urteil des Sozialgerichts wird der Deutschen Rentenversicherung Nord zugestellt am15.06.2015
Lösung:
Die Berufungsfrist für die Deutsche Rentenversicherung Nord beginnt am16.06.2015
und endet am15.07.2015

Beispiel 9 Widerspruchsfrist bei Bekanntgabe des Bescheides in das Ausland

(Beispiel zu Abschnitt 5.4)
Absendung des angefochtenen Bescheides per einfachen Brief in das Ausland am27.07.2015
Lösung:
Der Bescheid gilt als bekannt gegeben am 7.Tag nach Absendung, also am03.08.2015
Die Widerspruchsfrist beginnt am darauf folgenden Tag, das ist der04.08.2015
und endet am03.11.2015

Beispiel 10: Rechtsmittelfrist für Rentenversicherungsträger bei gerichtlicher Entscheidung, kirchlicher Feiertag am Sitz des Gerichts

(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Das Urteil des Sächsischen Landessozialgericht mit zugelassener Revision wird der Deutschen Rentenversicherung Bund zugestellt am04.05.2015
Lösung:
Die Revisionsfrist für die Deutsche Rentenversicherung Bund beginnt am05.05.2015
und endet am04.06.2015
Da der 04.06.2015 in Kassel (Sitz des Bundessozialgerichts, Bundesland Hessen) ein gesetzlicher Feiertag ist (Fronleichnam), verschiebt sich das Ende der Frist auf den 
05.06.2015
Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 09 1975 (BGBl. I S. 2535)
Inkrafttreten: 01.01.1975

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 64 SGG