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§ 35 FamFG: Zwangsmittel

Änderungsdienst
veröffentlicht am

17.01.2022

Änderung

Abschnitte 3, 7 und 8 wurden um Rechtsprechung ergänzt.

Dokumentdaten
Stand04.01.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 05.12.2012 in Kraft getreten am 01.01.2013
Rechtsgrundlage

§ 35 FamFG

Version004.00

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift regelt die Durchsetzung von verfahrensleitenden Anordnungen des Gerichts, die die Handlungs- oder Unterlassungspflicht von Beteiligten betreffen.

Nach Absatz 1 können Anordnungen des Gerichts mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

Absatz 2 bestimmt, dass in einer gerichtlichen Anordnung auf die Folgen des Zuwiderhandelns hinzuweisen ist.

Absatz 3 regelt die maximale Höhe eines Zwangsgelds sowie die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Verfahrenskosten und verweist für die Verhängung von Zwangshaft auf die entsprechende Anwendung der ZPO.

Nach Absatz 4 ist bei der Herausgabe oder Vorlage von Sachen anstelle von Zwangsmitteln auch eine Vollstreckung nach der ZPO möglich.

In Absatz 5 ist die Anfechtung eines Zwangsmittelbeschlusses geregelt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Regelung steht im Zusammenhang mit folgenden Vorschriften:

  • §§ 567 bis 572 ZPO (Verfahren zur sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss über die Festsetzung von Zwangsmitteln),
  • § 220 FamFG (Auskunftspflicht in Versorgungsausgleichssachen),

Allgemeines

§ 35 FamFG lehnt sich an den bis 31.08.2009 geltenden § 33 FGG an und dient dem Zweck, die gerichtliche Sachaufklärung sowie die Abgabe verfahrensrechtlicher Erklärungen durchzusetzen. Das Zwangsgeld beziehungsweise die Zwangshaft sind Beugemittel, mit deren Hilfe gerichtliche Anordnungen durchgesetzt werden sollen.

Die Zwangshaft ist gegenüber dem Zwangsgeld subsidiär. Sie wird regelmäßig nur dann angeordnet, wenn die Vollstreckung des Zwangsgelds fruchtlos bleibt.

Die Festsetzung von Zwangsgeld kann durch den Rechtspfleger erfolgen. Dagegen muss die Anordnung von Zwangshaft durch einen Richter erfolgen.

Zwangsmittel sind auf die Zukunft gerichtet und nicht als Strafe für begangenes Unrecht oder als Strafe im Sinne des Strafrechts zu sehen. Ein Zwangsmittel hat seinen Zweck erfüllt, wenn die zu erzwingende Handlung vorgenommen wurde.

Von Zwangsmitteln zu unterscheiden ist das Ordnungsgeld (§ 89 FamFG), das vergangenheitsorientiert ist und Sanktionscharakter hat. Die Bezahlung von Ordnungsgeld kann man nicht mehr abwenden, auch wenn man sich ab diesem Zeitpunkt korrekt verhält.

Zuständig für die Festsetzung von Zwangsmitteln ist das jeweils mit der Sache befasste Gericht. Die Vollstreckung erfolgt von Amts wegen durch den Rechtspfleger.

Gerichtliche Anordnung von Zwangsmitteln (Absatz 1)

Das Gericht kann Zwangsmittel anordnen und festsetzen, um die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung (einschließlich der Herausgabe oder Vorlage einer Sache) durchzusetzen.

Die Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ergibt sich nicht aus § 35 FamFG, sondern aus anderen Regelungen. Im Versorgungsausgleichsverfahren kommt die Festsetzung von Zwangsmitteln zum Beispiel in Betracht, wenn

Die Auskunftspflicht nach § 220 FamFG knüpft allein an die Einleitung des Versorgungsausgleichsverfahrens an und besteht deshalb auch dann, wenn zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung überhaupt vorliegen. Daher können auch in diesem Fall Zwangsmittel angeordnet werden (BGH vom 30.09.2020, AZ: XII ZB 438/18, FamRZ 2021, 100).

Die Festsetzung von Zwangsmitteln setzt voraus, dass das Familiengericht gegenüber einem Verfahrensbeteiligten eine Anordnung getroffen hat, etwas zu tun oder zu unterlassen und diese Anordnung hinreichend bestimmt ist.

Eine Anordnung ist unter anderem dann hinreichend bestimmt, wenn die betroffene Person eindeutig erkennen konnte, welche Handlungen konkret von ihr vorzunehmen beziehungsweise zu unterlassen sind. So reicht beispielsweise im Auskunftsverfahren zum Versorgungsausgleich die ungenaue Auflage Fehlzeiten aufzuklären, nicht aus, wenn diese nicht eindeutig bezeichnet werden. Vielmehr ist der Partei aufzugeben, zu den genau bezeichneten ungeklärten Zeiten nähere Angaben, zum Beispiel zu einer Erwerbstätigkeit, zu machen und - sofern vorhanden - konkrete Nachweise darüber vorzulegen (vergleiche Urteil des OLG Hamm vom 16.03.2011, AZ: 8 WF 296/10; Urteil des OLG Hamm vom 03.04.2014, AZ: 4 WF 78/14 und Urteil des OLG Brandenburg vom 05.01.2018, AZ: 13 WF 1/18).

Das Familiengericht darf auch das Auskunftsanforderungsschreiben des Versorgungsträgers in der Art in den Zwangsmittelandrohungsbeschluss aufnehmen, dass beides eine einheitliche Urkunde bildet (Urteil des OLG Koblenz vom 13.08.2018, AZ: 13 WF 604/18). Daher sollten die Rentenversicherungsträger in ihren Schreiben an Versicherte sowie Familiengerichte hinreichend konkretisieren, welche Angaben und Unterlagen zu welchem Zweck benötigt werden.

Von Zwangsmitteln Betroffene

Zwangsmittel können sich gegen natürliche und juristische Personen richten.

Im Versorgungsausgleichsverfahren sind in erster Linie natürliche Personen von Zwangsmitteln betroffen. In der Regel verletzt ein Ehegatte seine Mitwirkungspflicht gegenüber dem Versorgungsträger (zum Beispiel nach § 66 SGB I), indem er an der Klärung des Versicherungskontos nicht teilnimmt, sodass die Auskunft an das Familiengericht über den Ehezeitanteil (§ 5 VersAusglG) nicht erteilt werden kann.

Zwangsmittel können auch juristische Personen betreffen (zum Beispiel einen Rentenversicherungsträger), um eine Auskunftserteilung an das Familiengericht nach § 5 VersAusglG zu bewirken. In der Praxis werden Zwangsmittel gegen einen Rentenversicherungsträger insbesondere dann verhängt, wenn dieser auf Sachstandsanfragen des Gerichts überhaupt nicht reagiert.

Zwangsgeld vor Zwangshaft

Die Festsetzung von Zwangsgeld ist gegenüber der Verhängung von Zwangshaft vorrangig.

Nach § 35 Abs. 1 S. 2 FamFG kann auch Zwangshaft angeordnet werden, wenn die Vollstreckung von Zwangsgeld fruchtlos bleibt. § 35 Abs. 1 Satz 3 FamFG sieht ferner die Möglichkeit der Verhängung originärer Zwangshaft vor, sofern die Verhängung von Zwangsgeld nicht erfolgreich ist oder von vornherein keinen Erfolg verspricht.

Gegenüber Behörden, wie zum Beispiel einem Rentenversicherungsträger, dürfte die Festsetzung von Zwangsgeld regelmäßig das angemessene Zwangsmittel sein.

Hinweispflicht vor Zwangsmittelfestsetzung (Absatz 2)

In der gerichtlichen Entscheidung, die die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung anordnet, ist zugleich auf die Folgen des Zuwiderhandelns hinzuweisen.

Ausreichend ist ein Hinweis auf die Höchstsumme des Zwangsgeldes beziehungsweise die Höchstdauer einer Zwangshaft. Ferner ist auf die Vollstreckung nach den Regelungen der ZPO hinzuweisen. Unterbleibt der Hinweis, ist er vor der Vollstreckung der Anordnung nachzuholen.

Bei dem Hinweis handelt es sich um eine Zwischenentscheidung und nicht um eine Endentscheidung im Sinne des § 58 FamFG; er ist daher nicht anfechtbar. § 35 Abs. 5 FamFG sieht allein die Anfechtung des Festsetzungsbeschlusses vor.

Wird wiederholt ein Zwangsgeld festgesetzt, muss der Hinweis bei jedem Zwangsmittel neu gegeben werden (Urteil des OLG Karlsruhe vom 05.01.2016, AZ: 16 W 272/15).

Höhe des Zwangsgeldes (Absatz 3)

Das Zwangsgeld darf höchstens 25.000 EUR betragen. Die Bemessung des Zwangsgeldes liegt im Ermessen des Gerichts und erfolgt für jeden Einzelfall individuell. Dabei kommt es unter anderem darauf an, welche Bedeutung die Angelegenheit hat, wie die finanziellen Verhältnisse bei dem Verpflichteten sind und wie hoch der Grad seines Verschuldens ist.

Zusätzlich sind dem Verpflichteten die gerichtlichen Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Vollstreckung in Sonderfällen (Absatz 4)

Neben oder anstelle von Zwangsgeld oder Zwangshaft kann das Gericht die Vollstreckung der Herausgabe einer beweglichen Sache (§ 883 ZPO), der Herausgabe bei Gewahrsam eines Dritten (§ 886 ZPO) oder der Ersatzvornahme bei vertretbaren Handlungen (§ 887 ZPO) anordnen. Zu den vertretbaren Handlungen gehört allerdings nicht die Auskunft zum Versorgungsausgleich (§ 220 Abs. 3 FamFG).

Von der Regelung ist die gesetzliche Rentenversicherung nicht betroffen.

Anfechtung des Zwangsmittelbeschlusses (Absatz 5)

Gegen die Festsetzung oder Ablehnung von Zwangsgeld oder Zwangshaft findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 ff. ZPO statt. Diese muss binnen zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) beim zuständigen Familiengericht eingelegt werden. Die sofortige Beschwerde hat gemäß § 570 Abs. 1 ZPO aufschiebende Wirkung.

Hält das Familiengericht die sofortige Beschwerde für begründet, erlässt es einen Abhilfebeschluss.

Das Verfahren der sofortigen Beschwerde und damit auch die Einlegung der sofortigen Beschwerde unterliegt dem Anwaltszwang, wenn die Folgesache Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund geregelt wird und sich die Ehegatten deshalb vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (OLG Bamberg vom 15.07.2021, AZ: 2 WF 1/21, MDR 2021, 1290).

Beitreibung von Zwangsgeld

Rechtsgrundlage für die Beitreibung eines nach § 35 Abs. 1 FamFG rechtskräftig festgesetzten Zwangsgelds ist das zum 01.07.2017 in Kraft getretene Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG), das bis 30.06.2017 als Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) bezeichnet wurde. § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ist nicht einschlägig (BGH vom 06.09.2017, AZ: XII ZB 42/17).

Die Beitreibung erfolgt von Amts wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 JBeitrG) durch den Rechtspfleger (§ 31 Abs. 3 RPflG). Ist das Zwangsgeld nicht beizutreiben, kann Ersatzzwangshaft durch den Richter angeordnet werden, wobei sich die Dauer der Haft nach der Höhe des Zwangsgeldes orientieren kann.

Wegen seiner Funktion als Beugemittel darf die Vollstreckung des Zwangsmittels nicht erfolgen beziehungsweise ist einzustellen, wenn der Verpflichtete der gerichtlichen Anordnung nachkommt.

Wird die Handlung, welche durch die angeordnete Festsetzung des Zwangsgeldes erzwungen werden soll, im Beschwerdeverfahren vorgenommen, so entfällt dadurch der Grund für die Durchführung der Zwangsmaßnahme, weshalb der Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss wegen veränderter Umstände im Beschwerdeverfahren aufzuheben ist (OLG Braunschweig vom 07.12.2017, AZ: 2 WF 113/17, BGH vom 06.09.2017, AZ: XII ZB 42/17). Allerdings verbleibt es bei der nach § 35 Abs. 3 S. 2 FamFG getroffenen Kostenregelung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses (OLG Schleswig vom 03.01.2012, AZ: 10 WF 258/11).

Ob nach Vornahme der zu erzwingenden Handlung auch ein bereits rechtskräftig gewordener Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss, der noch nicht vollstreckt wurde, wieder aufzuheben ist (dann nach § 48 Abs. 1 FamFG), ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Aber auch in diesem Fall ist von einer Vollstreckung abzusehen (BGH vom 06.09.2017, AZ: XII ZB 42/17).

Ist allerdings auf der Grundlage eines rechtskräftigen Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses bereits ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG beigetrieben worden, so kann die danach erfolgende Erfüllung der gerichtlichen Anordnung die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und die Rückzahlung des Zwangsgelds nicht begründen (BGH vom 06.09.2017, AZ: XII ZB 42/17).

Zwangsgeld gegen Rentenversicherungsträger in Versorgungsausgleichsverfahren

Wird im Einzelfall ein Zwangsgeld gegen den Rentenversicherungsträger verhängt, weil zum Beispiel die vom Gericht geforderte Auskunft nach § 5 VersAusglG nicht erteilt wurde und Sachstandsanfragen unbeantwortet geblieben sind, liegt ein Beschwerdegrund vor. Als Rechtsmittel kommt ausschließlich die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 ff. ZPO in Betracht. Diese muss binnen zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) beim zuständigen Familiengericht eingelegt werden.

Der Rentenversicherungsträger sollte zudem sicherstellen, dass im Beschwerdeverfahren die Handlung, die durch das Zwangsgeld erzwungen werden soll, vorgenommen wird, weil dadurch der Grund für die Durchführung der Zwangsmaßnahme entfällt und der Zwangsgeldbeschluss wegen veränderter Umstände im Beschwerdeverfahren aufzuheben ist (Urteil des OLG Braunschweig vom 07.12.2017, AZ: 2 WF 113/17).

Hinweis:

Sollte sich die Auskunftserteilung durch den Rentenversicherungsträger verzögern, sind diesbezügliche Sachstandsanfragen des Familiengerichts unbedingt zu beantworten und die Gründe für die Nichterteilung der Auskunft darzulegen. Auf diese Weise können Zwangsmittelbeschlüsse vermieden werden.

Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 05.12.2012 (BGBl. I S. 2418)

Inkrafttreten: 01.01.2013

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 17/10490 und BR-Drucksache 308/12

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Durch Artikel 6 Nr. 3 des obigen Gesetzes wurden in § 35 Abs. 4 S. 2 FamFG nach der Angabe „§§ 891 und 892“ die Wörter „der Zivilprozessordnung“ ergänzt.

Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009 (BGBl. I S. 2258)

Inkrafttreten: 01.01.2013

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksachen 16/10069 und 16/13432

Durch Artikel 4 Absatz 8 des oben genannten Gesetzes wurden in § 35 Abs. 3 Satz 3 FamFG die Wörter „§ 901 Satz 2, die §§ 904 bis 906, 909, 910 und 913“ durch die Wörter „802g Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, die §§ 802h und 802j Abs. 1“ ersetzt.

Im Gesetzentwurf vom 30.07.2008 wurde zunächst auf das FGG verwiesen. Dieses ist jedoch zum 31.08.2009 außer Kraft getreten und wurde durch das FamFG ersetzt. Insoweit war auch eine Aktualisierung und Anpassung der Verweisungsregelungen notwendig.

Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 309/07, BT-Drucksachen 16/6308, 16/9733

Artikel 1 des FGG-RG enthält das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Die Vorschrift ist Teil dieses Gesetzes.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 35 FamFG