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§ 17a FRG: Deutschsprachige Angehörige des Judentums

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand26.11.2015
Rechtsgrundlage

§ 17a FRG

Version001.01

Inhalt der Regelung

§ 17a FRG ist durch Art. 15 RRG 1992 mit Wirkung vom 01.07.1990 in das FRG eingefügt und durch Art. 14 RÜG rückwirkend zum 01.07.1990 ergänzt worden.

Die Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs des FRG durch § 17a FRG betrifft nach der amtlichen Begründung (BT-Drucksache 11/5530, Seite 65) ehemals deutschsprachige Juden aus den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Vertreibungsgebieten, die sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten. Diesen Personen wurde vielfach infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft das familiäre Umfeld und die soziale Gemeinschaft in einer Großgruppe entzogen, so dass sie im Verlaufe der Zeit bis zur Ausreise aus ihren Heimatgebieten die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis verloren haben.

§ 17a FRG in der Fassung des RRG 1992 hat auch Bedeutung im Rahmen des Zusatzabkommens zum deutsch-israelischen SV-Abkommen (DISVA) und des Zweiten Zusatzabkommens zum deutsch-amerikanischen SV-Abkommen (DASVA), siehe letzten Hinweis bei Abschnitt 2.3.

Für die Feststellung der nach § 17a FRG erheblichen Tatsachen genügt die Glaubhaftmachung.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • § 20 WGSVG,
  • Zusatzabkommen zum SVA - Israel - Nr. 11 SP,
  • Zusatzabkommen zum SVA - USA - Nr. 8 SP,
  • Zusatzabkommen zum SVA Kanada - Nr. 12 SP.

Sonderregelungen

Werden Zeiten für Berechtigte nach § 17a FRG erstmalig anerkannt, besteht für Personen, die bereits am 30.06.1990 eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezogen, aufgrund der Sonderregelung in Art. 6 § 6 FANG ein Anspruch auf Neufeststellung der Rente. Die Neufeststellung erfolgt in der Regel nur auf Antrag; im Einzelfall kann sie auch von Amts wegen erfolgen. § 44 Abs. 4 SGB X bleibt unberührt. Ergibt die Neufeststellung einen niedrigeren Zahlbetrag, ist als Rente mindestens der bisherige Zahlbetrag zu leisten.

Die erstmalige Anrechnung von Zeiten nach § 17a FRG in der Fassung des RRG 1992 räumt Personen, die vom Zusatzabkommen zum SVA-Israel oder vom Zweiten Zusatzabkommen zum SVA - USA (ZA-DASVA) erfasst werden, ein besonderes Nachentrichtungsrecht zur Zahlbarmachung der Rente in das Ausland ein.

Verhältnis von § 17a FRG zu § 20 WGSVG

Sofern der Versicherte sowohl die Voraussetzungen des § 17a FRG als auch die des § 20 WGSVG erfüllt, stehen beide Vorschriften im Rang gleich, wenn es um erstmalige Leistungsansprüche nach dem 30.06.1990 geht. § 20 WGSVG hat in diesen Fällen nur noch Bedeutung, wenn es um einen Rentenbeginn vor dem Inkrafttreten des § 17a FRG geht oder die Nachentrichtung nach §§ 21, 22 WGSVG beantragt wurde.

Personenkreis

§ 17a FRG erfasst Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat,

  • dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben,
  • das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben und
  • sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten,

und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG verlassen haben.

Die Anwendung der Vorschrift ist nicht auf Verfolgte im Sinne des § 1 BEG beschränkt, so dass auch deutschsprachige Juden, die keinen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren, nach § 17a FRG anspruchsberechtigt sein können.

Es können daher zum Beispiel auch Personen von § 17a FRG erfasst werden, die verfolgt worden wären, wenn sie ihr Heimatgebiet nicht rechtzeitig verlassen hätten.

Hinterbliebene von nach § 17a Buchst. a FRG berechtigten Versicherten haben Anspruch auf Hinterbliebenenrente nur aus abgeleitetem Recht (§ 17a Buchst. b FRG). Sie brauchen die unter Buchstabe a genannten persönlichen Voraussetzungen nicht selbst zu erfüllen; es genügt, wenn der verstorbene Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllte. Erfüllt dagegen lediglich der Hinterbliebene (nicht aber der verstorbene Versicherte) die Voraussetzungen in seiner Person, besteht kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus FRG-Zeiten nach § 17a FRG.

§ 17a FRG setzt unter anderem voraus, dass sich die deutschsprachige Person wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannte. Vertriebene (einschließlich Aussiedler und Spätaussiedler) im Sinne des BVFG können damit nicht zum Personenkreis des § 17a FRG gehören, denn bei ihnen liegt ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne von § 6 BVFG stets vor (so auch analog BSG vom 30.08.1994, AZ: 12 RK 30/94).

Zugehörigkeit zum Judentum

Dem Judentum gehört an, wer Jude im Sinne der NS-Ideologie war (BSG vom 19.12.1991, AZ: 4/1 RA 41/90).

Danach ist die Zugehörigkeit eines Versicherten zum Judentum anzunehmen, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte. Die Zugehörigkeit zum Judentum ist in der Regel aus der Geburtsurkunde zu ersehen. Dem Judentum gehört derjenige an, der nach dem jüdischen Religionsgesetz von einer jüdischen Mutter geboren oder entsprechend dem Religionsgesetz zum Judentum übergetreten ist.

Nicht erforderlich ist, dass die jüdischen Versicherten im Einzelfall Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind. Ist die Zugehörigkeit zum Judentum glaubhaft gemacht, ist von einem Ursachenzusammenhang zwischen dieser Zugehörigkeit und dem fehlenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum auszugehen.

Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis

Die Versicherten müssen dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört haben. Nach dem BGH-Urteil vom 25.03.1970 (AZ: IX ZR 177/67, RzW 1970, 503) ist dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zuzurechnen, wer die „deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat“ (im Einzelnen vergleiche GRA zu § 20 WGSVG - RRG 1992 -).

Die dSK-Zugehörigkeit setzt grundsätzlich auch die Beherrschung der deutschen Schriftsprache voraus. Allerdings ist nach einer oft 60-jährigen Entfremdung beziehungsweise Abwendung vom deutschen Sprach- und Kulturkreis dem schriftlichen Teil der Sprachprüfung kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Fehler bei der schriftlichen Sprachprüfung (auch in größerer Zahl) oder gar die Ablehnung der schriftlichen Prüfung sollten dem Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen, wenn er glaubhaft darlegt, die deutsche Schriftsprache zum maßgeblichen Zeitpunkt beherrscht zu haben.

Hat der ehemals deutschsprachige Antragsteller in seinem Herkunftsgebiet zwar eine andere, aber nicht die deutsche Sprache schriftlich beherrscht, kann er dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben, wenn er keine zumutbare Möglichkeit hatte, die deutsche Schriftsprache zu erlernen (vergleiche unter anderem BSG vom 10.03.1999, AZ: B 13 RJ 83/98 R). In diesen Fällen ist zu prüfen, ob es am damaligen Wohnort des Antragstellers eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache gab und gegebenenfalls warum der Antragsteller eine andere Schule besuchte. Gab es keine Schule mit deutscher Unterrichtssprache oder war der Besuch dieser Schule nicht möglich (zum Beispiel wegen des hohen Schulgeldes), ist weiter zu prüfen, ob die Eltern in der Lage waren, dem Antragsteller Deutsch nicht nur mündlich zu vermitteln, sondern ihm auch das Lesen und Schreiben dieser Sprache beizubringen beziehungsweise durch Privatunterricht beibringen zu lassen. In diesem Zusammenhang kann auch eine allgemeine Unterdrückung der deutschen Sprache im Herkunftsgebiet von Bedeutung sein.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Tatbestände

Welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der unter den Abschnitten 2.1 und 2.2 genannten Tatbestände maßgeblich ist, hängt vom Alter des Versicherten im Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme auf sein Heimatgebiet ab.

  • 16. Lebensjahr bei Einflussnahme bereits vollendet
    Bei Versicherten, die das 16. Lebensjahr im Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereichs auf ihr jeweiliges Heimatgebiet (vergleiche Abschnitt 2.4) bereits vollendet hatten, kommt es auf die Zugehörigkeit zum Judentum und zum deutschen Sprach- und Kulturkreis im Zeitpunkt der Einflussnahme an. Ein Fortbestehen dieser Tatbestände ist nicht erforderlich.
    Das 16. Lebensjahr muss bei Beginn der nationalsozialistischen Einflussnahme bereits vollendet sein. Es reicht nicht aus, wenn das 16. Lebensjahr erst während der Dauer der Einflussnahme vollendet wurde (so unter anderem BSG-Urteile vom 25.11.1999, AZ: B 13 RJ 63/98 R, vom 30.03.2000, AZ: B 12 RA 1/00 R, und vom 29.06.2000, AZ: B 4 RA 47/99 R).
  • 16. Lebensjahr bei Einflussnahme noch nicht vollendet
    Versicherte, die das 16. Lebensjahr im Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereichs auf ihr jeweiliges Heimatgebiet (vergleiche Abschnitt 2.4) noch nicht vollendet hatten, müssen dem deutschen Sprach- und Kulturkreis sowohl im Zeitpunkt der Erstreckung als auch im Zeitpunkt des Verlassens der Vertreibungsgebiete angehört haben. Für die Zugehörigkeit zum Judentum kommt es auf den Zeitpunkt der Einflussnahme an.
    Hinsichtlich der dSK-Zugehörigkeit zum Zeitpunkt der Einflusserstreckung ist bei den „unter 16-Jährigen“ zu beachten, dass die dSK-Zugehörigkeit nicht bereits mit der Geburt begründet wird, sondern ein gewisses Lebensalter erfordert. Zwar gelten die Kriterien für die Prüfung der dSK-Zugehörigkeit grundsätzlich auch für Minderjährige, jedoch mit der Einschränkung, dass die Versicherten zum maßgeblichen Zeitpunkt mindestens acht oder neun Jahre alt waren (BGH-Urteil zu § 150 BEG vom 25.06.1974, AZ: IX ZR 147/73, RzW 1974, Seite 307). Eine hilfsweise Ableitung der dSK-Zugehörigkeit von den Eltern sieht § 17a FRG nicht vor.
    Der Personenkreis der „unter 16-Jährigen“ wird von den Regelungen über die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zum SVA - Israel und nach dem Zweiten Zusatzabkommen zum SVA - USA nicht erfasst.

Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme in den Heimatgebieten

Als Heimatgebiete kommen die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Vertreibungsgebiete in Betracht. Ein einheitlicher Zeitpunkt für die Erstreckung des nationalsozialistischen Einflusses auf diese Gebiete lässt sich nicht festlegen. Grundsätzlich war ein Gebiet spätestens mit der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in den NS-Einflussbereich einbezogen; es können aber auch bereits Maßnahmen selbständiger ausländischer Staaten vor der Besetzung durch deutsche Truppen diesem Einfluss zugeordnet werden, wenn sie von der deutschen Regierung veranlasst oder mitverursacht worden sind.

Als Beginn des nationalsozialistischen Einflusses ist in den nachstehend aufgeführten Gebieten der jeweils genannte Zeitpunkt anzunehmen:

Freie Stadt Danzig30.01.1933
(Nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen setzten in Danzig bereits im Jahre 1933 ein, vergleiche § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BEG)
Sudetendeutsche Gebiete01.10.1938
(Datum der tatsächlichen Besetzung der sudetendeutschen Gebiete durch deutsche Truppen)
Slowakei14.03.1939
(Unabhängigkeitserklärung der Slowakei vom tschechischen Teilstaat)
Böhmen und Mähren16.03.1939
(Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren)
Memelgebiet23.03.1939
(Einmarsch deutscher Truppen in das Memelgebiet)
eingegliederte deutsche Ostgebiete und das Generalgouvernement
(ohne die Bezirke Bialystok und Lemberg)
18.09.1939
(Zeitpunkt der tatsächlichen militärischen Besetzung dieser Gebiete; so auch BSG vom 30.03.2000, AZ: B 12 RA 1/00 R)
Ungarn06.04.1941
(Zeitpunkt der Veranlassung freiheitsentziehender Maßnahmen durch die nationalsozialistische Regierung, § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG; so auch BSG vom 25.11.1999, AZ: B 13 RJ 63/98 R, und vom 30.03.2000, AZ: B 12 RJ 4/98 R)
Bulgarien06.04.1941
(Zeitpunkt der Veranlassung freiheitsentziehender Maßnahmen durch die nationalsozialistische Regierung, § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG; so auch BSG vom 30.03.2000, AZ: B 12 RJ 3/99 R)
Rumänien ohne die Gebiete der nördlichen Bukowina und Bessarabien06.04.1941
(Zeitpunkt der Veranlassung freiheitsentziehender Maßnahmen durch die nationalsozialistische Regierung, § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG; so auch BSG vom 29.06.2000, AZ: B 4 RA 47/99 R)
Nördliche Bukowina und Bessarabien06.07.1941
(Zeitpunkt der Wiedereingliederung dieser Gebiete in den rumänischen Staat)
jugoslawische Gebiete
  • Untersteiermark, Krain
10.04.1941
(Abschluss der militärischen Besetzung dieser Gebiete)
  • Kroatien
30.04.1941
(Beginn antijüdischer Verfolgungsmaßnahmen nach nationalsozialistischem Vorbild)
  • Serbien
    und westliches Banat
30.05.1941
(Beginn der Maßnahmen gegen jüdische Bewohner)
in das Generalgouvernement
eingegliederte Bezirke
Bialystock und Lemberg
01.08.1941
(Zeitpunkt der Eingliederung dieser Gebiete in das Generalgouvernement)
Estland, Lettland, Litauen, Weißruthenien, Ukraine01.09.1941
(Einführung einer deutschen Zivilverwaltung durch Errichtung von Reichskommissariaten)
übrige Gebiete der ehemaligen UdSSR

Zeitpunkt der jeweiligen militärischen Besetzung durch die deutsche Wehrmacht

Beachte:

Unter nationalsozialistischer Einflussnahme sind insoweit nur die Gebiete geraten, die tatsächlich von der deutschen Wehrmacht besetzt wurden. War das Heimatgebiet des Versicherten nicht besetzt (zum Beispiel Moskau oder Leningrad), fehlt es an der Einflussnahme, so dass die Voraussetzungen des § 17a FRG nicht erfüllt sind (so auch rechtskräftiges Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.04.1999, AZ: L 4 RA 57/98).

§ 17a FRG setzt grundsätzlich voraus, dass der Versicherte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im jeweiligen Heimatgebiet bis zu dem Zeitpunkt hatte, zu dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf dieses Gebiet erstreckte. Von § 17a FRG werden deshalb nicht Versicherte erfasst, die ihr Heimatgebiet schon vor der nationalsozialistischen Einflussnahme (etwa aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen) verlassen haben (zum Beispiel Auswanderung von Litauen in die USA im Jahre 1935).

Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Versicherte das Heimatgebiet vor dem jeweiligen Stichtag wegen einer drohenden nationalsozialistischen Verfolgung verlassen hat (zum Beispiel Flucht oder Deportation nach Russland vor dem Einmarsch der deutschen Truppen). Bei diesen Personen ist davon auszugehen, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatgebiet bei Beginn der Einflussnahme noch hatten.

Entsprechendes gilt, wenn der Versicherte bei Beginn der nationalsozialistischen Einflussnahme nur einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb seines Heimatgebietes hatte (zum Beispiel Studienaufenthalt eines Osteuropäers in Belgien). Dies gilt auch, wenn - entgegen der ursprünglichen Absicht - später eine Rückkehr in das Heimatgebiet nicht erfolgte.

Wohnsitz zum Zeitpunkt des Beginns des nationalsozialistischen Einflussbereiches

§ 17a FRG setzt grundsätzlich voraus, dass der Versicherte auch zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf sein Heimatgebiet erstreckt hat, in diesem Gebiet seinen Wohnsitz mit dem ständigen Aufenthalt hatte. Dies folgt mittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, wonach die in § 17a Buchst. a Nr. 1 bis 3 FRG genannten persönlichen Voraussetzungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen müssen. Da die in Nr. 1 und Nr. 3 genannten persönlichen Voraussetzungen an ein tatsächliches Verhalten des Betroffenen anknüpfen, ist die tatsächliche ”Ortsanwesenheit” des Betreffenden zu dem jeweiligen Zeitpunkt grundsätzlich als Anspruchsvoraussetzung nach § 17a FRG unverzichtbar.

Ist der Antragsteller vor der Einbeziehung seines Heimatgebietes in den nationalsozialistischen Einflussbereich aus berechtigter Furcht vor künftigen nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgewandert oder in ein anderes Vertreibungsgebiet geflüchtet, so steht der eingetretene Verlust des Wohnsitzes beziehungsweise des Aufenthaltes der Anwendbarkeit des § 17a FRG nicht entgegen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 17a FRG. Danach sollen diejenigen deutschsprachigen Juden in das FRG einbezogen werden, die im Zusammenhang mit den allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen ihre Heimat verloren haben und bisher deswegen nicht zu den nach dem FRG anspruchsberechtigten Personenkreis gehörten, weil sie sich zum Judentum bekannt haben. Damit werden diese Personen im Fremdrentenrecht weitgehend dem nach § 1 Buchst. a FRG berechtigten Personenkreis gleichgestellt, obwohl sie von den gegen die Deutschen gerichteten allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen nicht betroffen waren. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung mit den Vertriebenen im Sinne des § 1 BVFG rechtfertigt es, die für den Personenkreis der Verfolgten geltende Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BVFG, die ebenso wie die Regelung in § 17a FRG keine gegen Deutsche gerichteten Vertreibungsmaßnahmen verlangt, bei der Auslegung des § 17a FRG heranzuziehen. Das bedeutet für den Fall, dass der Antragsteller das Heimatgebiet schon vor Beginn des nationalsozialistischen Einflussbereiches verlassen hat, dass der Verlust der Heimat in einem zeitlichen Zusammenhang mit der bevorstehenden nationalsozialistischen Verfolgung eingetreten sein muss. Es ist allerdings im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 BVFG nicht erforderlich, dass eine objektive Bedrohung bestand. Es reicht aus, wenn der Antragsteller zu einer Personengruppe gehörte, die sich im Zuge der Eroberungspolitik des Dritten Reiches bedroht fühlen durfte, weil mit dessen Übergreifen auch auf die Heimat des Antragstellers zu rechnen war. Die Furcht muss allerdings in bestimmten objektiven Vorgängen und Verhältnissen eine ausreichende Grundlage gehabt haben.

Von einem Wohnsitz im Heimatgebiet zum Zeitpunkt des Beginns des nationalsozialistischen Einflussbereichs ist auszugehen, wenn der Versicherte zu diesem Zeitpunkt einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb seines Heimatgebietes hatte (zum Beispiel der Studienaufenthalt eines Osteuropäers in Belgien). Dies gilt auch, wenn - entgegen der ursprünglichen Absicht - später eine Rückkehr in das Heimatgebiet nicht erfolgte.

Von § 17a FRG werden nicht Versicherte erfasst, die ihr Heimatgebiet schon vor der nationalsozialistischen Einflussnahme (etwa aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen) verlassen haben (zum Beispiel Auswanderung von Litauen nach Palästina im Jahre 1935).

So ist außerdem eine Anspruchsberechtigung nach § 17a FRG nicht gegeben, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz im Heimatgebiet aus anderen Gründen verloren hatte, zum Beispiel weil er von einer fremden Macht aus seinem Heimatgebiet verschleppt worden war. In einem solchen Fall ist der Verlust des Wohnsitzes ausschließlich durch die Handlung eines fremden Staates und damit unabhängig von bevorstehenden nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen eingetreten.

 Verlassen des Vertreibungsgebietes

Die Versicherten müssen die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Vertreibungsgebiete verlassen haben. Die Gründe für das Verlassen (zum Beispiel Auswanderung, Familienzusammenführung) sind unerheblich. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der (früheren) Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis oder etwaiger Verfolgung und der Aussiedlung ist nicht erforderlich.

Das Gebiet, aus dem der Versicherte ausgewandert ist, muss nicht das ursprüngliche Heimatgebiet sein. Nach § 17a FRG können zum Beispiel auch Personen berechtigt sein, die von 1920 bis 1941 in Riga/Lettland lebten, im Juni 1941 vor den heranrückenden Truppen in das Innere der UdSSR flüchteten und nach dem Krieg bis zur Auswanderung im Jahre 1957 nach Israel in Rumänien lebten. Nach dem FRG anrechenbar wären in diesem Fall sowohl die in Lettland als auch die in der UdSSR und Rumänien zurückgelegten Zeiten.

Rechtsfolgen aus § 17a FRG

Erfüllt ein Versicherter die Voraussetzungen des § 17a FRG (vergleiche Abschnitt 2), sind die in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten im Rahmen des FRG anrechenbar.

Bei der Leistung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 nach § 294 SGB VI steht bei Berechtigten nach § 17a FRG die Geburt in den jeweiligen Herkunftsgebieten einer Geburt in der Bundesrepublik Deutschland gleich.

Nicht gleichgestellt sind die Betroffenen hinsichtlich der Anrechnung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 und 6 SGB VI, denn es fehlt die Vertriebeneneigenschaft (so auch rechtskräftiges Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.10.1995, AZ: L 8 J 58/95, LSG NRW).

Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können im Einzelfall angerechnet werden, wenn der Berechtigte nach § 17a FRG zugleich Verfolgter im Sinne des § 1 BEG ist.

Zusammentreffen von Zeiten nach § 17a FRG mit freiwilligen Beiträgen

Durch das Entstehen der Zeiten nach § 17a FRG ab 01.07.1990 kann es zum Zusammentreffen mit nachgezahlten freiwilligen Beiträgen kommen. Die (nach-) gezahlten freiwilligen Beiträge verlieren nicht ihre Wirksamkeit. Eine Erstattung kommt daher nicht in Betracht.

Bei der Neufeststellung der Rente sind die nach § 17a FRG anzurechnenden Beitragszeiten neben den nachgezahlten freiwilligen Beiträgen zu berücksichtigen. Die Begrenzung erfolgt durch die Beitragsbemessungsgrenze.

Hinterbliebenenrente

§ 17a Buchst. b FRG enthält eine dem § 1 Buchst. e FRG entsprechende Regelung. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente ergibt sich nur aus abgeleitetem Recht. Erfüllt lediglich der Hinterbliebene und nicht der verstorbene Versicherte die persönlichen Voraussetzungen in eigener Person, kann der Hinterbliebene einen Anspruch auf Anerkennung von FRG-Zeiten nach § 17a FRG nicht aus eignem Recht geltend machen.

Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats vom 06.12.1979, AZ: GS 1/79, finden auf § 17a FRG keine Anwendung. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, wonach § 17a FRG nicht für den Ehegatten und die Nachkommen der begünstigten Personen gelten sollen, die selbst nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllen.

RÜG vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/404, S. 164, und 12/405, S. 163

Es ergaben sich folgende Änderungen:

  • Absatz 2 Buchst. a wurde rückwirkend zum 01.07.1990 um den Personenkreis ergänzt, der zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf das jeweilige Heimatgebiet das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, aber im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehörte.
RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.07.1990

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124, S. 216, und 11/5530, S. 64

Es ergaben sich folgende Änderungen:

  • Mit Artikel 15 RRG wurde § 17 a in das FRG mit Wirkung vom 01.07.1990 eingefügt.
FRG - Fremdrentengesetz
(Art. 1 - FANG - Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz)
vom 25.02.1960 (BGBl. I S. 93)

Inkrafttreten: 01.01.1959 (in den neuen Bundesländern: 01.01.1992)

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 3/1109, S. 39, und zu 3/1532, S. 8

Das FRG enthielt bis zum RRG 1992 keine Regelung für den genannten Personenkreis.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 17a FRG