Art. 21 VO (EG) Nr. 987/2009: Arbeitgeberpflichten und Vereinbarung über die Beitragszahlung
veröffentlicht am |
12.11.2019 |
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Änderung |
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Stand | 07.04.2015 |
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Version | 001.01 |
- Inhalt der Regelung
- Allgemeines
- Pflichten des Arbeitgebers
- Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Inhalt der Regelung
Absatz 1 bestimmt, dass Arbeitgeber, die ihren Sitz in einem anderen als dem kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaat haben, den nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmten (Arbeitgeber-)Pflichten so nachzukommen haben wie ein Arbeitgeber, der seinen Sitz in dem zuständigen Mitgliedstaat hat.
Nach Absatz 2 kann ein Arbeitgeber, der keinen Sitz im kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaat hat, mit einem dort beschäftigten Arbeitnehmer vereinbaren, dass dieser die dem Arbeitgeber obliegende Pflicht zur Zahlung von Beiträgen wahrnimmt. Der Arbeitgeber hat den Träger des zuständigen Mitgliedstaats über eine entsprechende Vereinbarung zu informieren.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
- Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmen die auf einen Beschäftigten anzuwendenden Rechtsvorschriften.
- Art. 15 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt die Informationspflichten von Arbeitgebern, die Arbeitnehmer in einem anderen als dem kollisionsrechtlich zuständigen Staat beschäftigen, gegenüber dem zuständigen Träger.
- Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt die Informationspflichten des zuständigen Trägers gegenüber Arbeitgebern, die Arbeitnehmer in einem anderen als dem kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaat beschäftigen.
- Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 regelt die Einziehung geschuldeter Beiträge und die Rückforderung von überzahlten Sozialleistungen in grenzüberschreitenden Fällen.
Allgemeines
Die Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004 (die sogenannten Kollisionsnormen) regeln, die Rechtsvorschriften welchen Mitgliedstaats der EU, des EWR oder der Schweiz für eine Person auch in grenzüberschreitenden Fällen gelten.
Die Anwendung dieser Kollisionsnormen kann zu der Konstellation führen, dass Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigen, in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften und die sich daraus ergebenden Arbeitgeberpflichten eines anderen Mitgliedstaats zu beachten haben.
Siehe Beispiel 1
Art. 21 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt in diesen Fällen (klarstellend) dass der Arbeitgeber den Meldepflichten und Beitragspflichten des kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaats nachzukommen hat. Dass der Arbeitgeber im Beschäftigungsstaat seines Arbeitnehmers keinen Sitz beziehungsweise keine Niederlassung hat, ist dabei unerheblich. Er hat sich in Bezug auf die versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Regelungen so zu verhalten wie ein Arbeitgeber, der seinen Sitz in dem kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaat hat (siehe Abschnitt 3).
Ziel der Regelung ist, den sozialen Schutz von Arbeitnehmern, die für Arbeitgeber tätig sind, die ihren Sitz außerhalb des Kontrollbereiches des kollisionsrechtlich zuständigen Mitgliedstaats haben, zu gewährleisten.
Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ermöglicht es dem Arbeitgeber, der keinen Sitz im Beschäftigungsstaat hat, mit dem dort beschäftigten Arbeitnehmer eine Vereinbarung dahingehend zu schließen, dass dieser die Beiträge unmittelbar an den zuständigen Träger im Beschäftigungsstaat abführt. Daneben fortbestehende Pflichten des Arbeitgebers werden von dieser Vereinbarung nicht berührt (siehe Abschnitt 4).
Pflichten des Arbeitgebers
Nach Art. 21 VO (EG) Nr. 987/2009 haben Arbeitgeber den versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlicher Pflichten des für ihre Arbeitnehmer nach Maßgabe des nach Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004 jeweils geltenden Sozialversicherungsrechts nachzukommen und zwar unabhängig davon, ob sie im Beschäftigungsstaat des betreffenden Arbeitnehmers eine Niederlassung beziehungsweise einen Sitz haben oder nicht. Welche Pflichten dies sind, ergibt sich aus dem (innerstaatlichen) Recht des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften für einen Arbeitnehmer jeweils gelten.
Gelten die deutschen Rechtsvorschriften für einen Arbeitnehmer, hat der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Arbeitgeber - auch wenn er keine Niederlassung in Deutschland unterhält - nach Art. 21 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 seine Pflichten als Arbeitgeber nach deutschem Versicherungsrecht und Beitragsrecht zu erfüllen.
Dies beinhaltet insbesondere
- die erforderlichen Meldungen nach der DEÜV (§ 28a SGB IV),
- den Einbehalt des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung und
- die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags an die zuständige Einzugsstelle nach § 28e SGB IV.
In Zweifelsfällen entscheidet nach § 28h Abs. 2 SGB IV die zuständige Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Versicherungspflicht und Beitragspflicht hat der Arbeitgeber darüber hinaus die Nachweispflichten nach § 28f SGB IV zu erfüllen. Insbesondere müssen die Beurteilung der Versicherungspflicht sowie die durchgeführte Beitragsabrechnung nachvollziehbar sein. Der Arbeitgeber hat daher entsprechende Unterlagen bei den Lohnunterlagen aufzubewahren.
Zusätzliche Pflichten ergeben sich in Bezug auf die Unfallversicherung.
Um den sozialversicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Pflichten als Arbeitgeber nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht nachkommen zu können, besteht für die in Deutschland zuständige Stelle (insbesondere die Einzugsstelle) die Verpflichtung, den betreffenden Arbeitnehmer sowie dessen Arbeitgeber über die sich aus der Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts ergebenden Pflichten zu informieren (vergleiche GRA zu Art. 19 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitte 4.1 und 4.2).
Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Hat der ausländische Arbeitgeber keine Niederlassung in dem Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, kann er gemäß Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass dieser an seiner Stelle die Zahlung der Beiträge vornimmt.
Die Regelung dient der Freizügigkeit und Verwaltungsvereinfachung, da die grenzüberschreitende Beitragszahlung unter Umständen für den Arbeitgeber mit hohem administrativen Aufwand und Kosten verbunden sein kann.
Gelten beispielsweise für einen Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, der seinen Sitz nicht in Deutschland hat, die deutschen Rechtsvorschriften, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung schließen, wonach der Arbeitnehmer die gesamten Beiträge zur Sozialversicherung selbst abführt und sich der Arbeitgeber demzufolge verpflichtet, die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge dem Arbeitnehmer auszuzahlen.
Siehe Beispiel 2
Der Arbeitnehmer übernimmt in diesem Fall die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28e SGB IV an die zuständige deutsche Einzugsstelle (Krankenkasse).
Eine entsprechende Vereinbarung ist vom Arbeitgeber nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) zu übermitteln.
Zu beachten ist, dass eine derartige Vereinbarung lediglich Wirkung für die Beitragszahlung entfaltet und für den Arbeitgeber keine befreiende Wirkung in Bezug auf die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages hat.
Kommt demnach ein Arbeitnehmer der nach Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 übernommenen Verpflichtung zur Weiterleitung des an ihn ausgezahlten Gesamtsozialversicherungsbeitrags nicht nach, sind die fälligen Beiträge zwar vorrangig beim säumigen Arbeitnehmer einzutreiben. Verläuft der Beitragseinzug beim Arbeitnehmer aber fruchtlos, sind die Beiträge vom ausländischen Arbeitgeber einzuziehen.
Über die Beitragszahlung hinausgehende Arbeitgeberpflichten wie zum Beispiel die Meldepflichten bleiben im Übrigen durch eine Vereinbarung nach Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 unberührt.
- Beispiel 1: Arbeitgeber, der keinen Sitz im zuständigen Mitgliedstaat hat
- Beispiel 2: Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Beispiel 1: Arbeitgeber, der keinen Sitz im zuständigen Mitgliedstaat hat
(Beispiel zu Abschnitt 2)
Ein Arbeitgeber mit Sitz in Österreich beschäftigt einen Arbeitnehmer, der in Deutschland wohnt und ausschließlich in seinem „Home-Office“ in München arbeitet.
Lösung:
Nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 sind auf den Arbeitnehmer die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden. Der Arbeitgebersitz in Österreich ist für die Zuordnung in die deutschen Rechtsvorschriften unbeachtlich.
Nach Art. 21 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 hat der österreichische Arbeitgeber die nach den deutschen Rechtsvorschriften bestehenden Pflichten so einzuhalten, als hätte er seinen Sitz in Deutschland. Insbesondere hat er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die zuständige deutsche Einzugstelle zu zahlen. Diese hat wiederum den Arbeitgeber über die nach deutschem Recht bestehenden Verpflichtungen zu unterrichten und bei deren Einhaltung gegebenenfalls zu unterstützen (Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009).
Beispiel 2: Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
(Beispiel zu Abschnitt 4)
Eine finnische Speditionsfirma beschäftigt neben fünf finnischen Mitarbeitern, die gewöhnlich in ganz Europa aber zu mehr als 25 % ihre Tätigkeit auch in Finnland ausüben, einen deutschen Fernfahrer, der in Berlin wohnt und ebenfalls in ganz Europa, aber zu mehr als 25 % seine Tätigkeit in Deutschland ausübt.
Lösung:
Nach Art. 13 Abs .1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen die Beschäftigten der Speditionsfirma den Rechtsvorschriften ihres jeweiligen Wohnstaats. Das heißt, für die finnischen Fernfahrer gelten die finnischen und für den deutschen Fernfahrer die deutschen Rechtsvorschriften.
Da der Verwaltungsaufwand zur Durchführung der Sozialversicherung nach deutschen Rechtsvorschriften für nur einen Mitarbeiter für den finnischen Arbeitgeber unverhältnismäßig hoch ist, vereinbart er mit dem Arbeitnehmer nach Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009, dass dieser die Arbeitgeberpflichten zur Zahlung der nach deutschem Recht anfallenden Sozialversicherungsbeiträge übernimmt und sendet diese Vereinbarung an die zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse) in Deutschland.
In der Folge zahlt der finnische Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die anfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus, der diese dann an die zuständige Einzugsstelle in Deutschland weiterleitet.
Beschluss Nr. 76/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 01.07.2011 zur Änderung von Anhang VI (Soziale Sicherheit) und von Protokoll 37 zum EWR-Abkommen |
Inkrafttreten: 01.06.2012 Quelle: ABl. (EU) Nr. L 262/33 vom 06.10.2011 |
Mit dem Beschluss wurde die Anwendung der VO (EG) Nr. 987/2009 und damit von Art. 21 VO (EG) Nr. 987/2009 im Verhältnis zu den EWR-Staaten ermöglicht.
Beschluss Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz in der Fassung des Beschlusses des Rates vom 16.12.2011 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) |
Inkrafttreten: 16.12.2011 (ABl. (EU) Nr. L 341/1 vom 22.12.2011) Anzuwenden ab: 01.04.2012 |
Mit dem Beschluss wurde die Anwendung der VO (EG) Nr. 987/2009 und damit von Art. 21 VO (EG) Nr. 987/2009 im Verhältnis zur Schweiz ermöglicht.
VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 |
Inkrafttreten: 01.05.2010 Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009 |
Art. 21 VO (EG) Nr. 987/2009 ist mit der VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 am 01.05.2010 in Kraft getreten und anwendbar (Art. 97 VO (EG) Nr. 987/2009).
Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 entspricht inhaltlich Art. 109 VO (EWG) Nr. 574/72