§ 85 SGB X: Bußgeldvorschriften
veröffentlicht am |
20.08.2019 |
---|---|
Änderung | Die GRA wurde überarbeitet und mit dem Regionalträger abgestimmt. |
Stand | 30.12.2015 |
---|---|
Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze vom 18.05.2001 in Kraft getreten am 23.05.2001 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 001.00 |
Inhalt der Regelung
Die Vorschrift beinhaltet mehrere bußgeldbewehrte Tathandlungen im Bereich des Sozialdatenschutzes.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
Der § 85 SGB X ist dem § 43 BDSG nachgebildet. Beide Vorschriften konkretisieren das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), das als zentrale gesetzliche Grundlage für die Verhängung und Durchsetzung von Bußgeldern für alle Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht anzusehen ist.
Die Begriffsbestimmungen für die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten ergeben sich aus § 67 Abs. 5 bis 7 SGB X.
Die Begriffsbestimmungen für automatisierte Verfahren und nicht automatisierte Dateien ergeben sich aus § 67 Abs. 3 SGB X.
Allgemeines
§ 85 SGB X dient dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts, indem er bestimmte Tatbestände eines Fehlverhaltens im Umgang mit Sozialdaten und in der Organisation der verantwortlichen Stelle (§ 67 Abs. 9 SGB X) als Ordnungswidrigkeit einstuft und mit Geldbuße ahndet.
Grundlegende Voraussetzung für die Verhängung eines Bußgeldes nach § 85 SGB X ist das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit. Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG).
Bußgeldbewehrt sind nur die gesetzlich beschriebenen Pflichtverletzungen. Dabei handelt es sich um einen abschließenden Katalog (Abschnitte 3 und 4). Eine ergänzende Auslegung ist ausgeschlossen.
Die Handlung kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Sie ist regelmäßig rechtswidrig, wenn sie dem Tatbestand des Gesetzes entspricht (indizierte Rechtswidrigkeit). Nur ausnahmsweise beim Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen.
Vorwerfbar beziehungsweise schuldhaft ist die Handlung, wenn die Betroffenen den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht haben.
- Vorsatz liegt vor, wenn der Betroffene die objektiven Tatbestandsmerkmale kennt oder deren Eintritt voraussieht und er die Tatbestandverwirklichung will.
- Bei der Fahrlässigkeit ist zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit zu unterscheiden.
- Bewusst fahrlässig handelt, wer es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar vertraut, dass er ihn nicht verwirklichen werde.
- Unbewusst fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist und infolgedessen den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, ohne dies zu kennen.
Ob eine Geldbuße verhängt wird oder nicht, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Im Rahmen des Ermessens kann die Behörde, egal zu welchem Zeitpunkt des Verfahrens, über die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bestimmen. Sie kann von vornherein von der Einleitung eines Verfahrens absehen; sie kann aber auch ein bereits eingeleitetes Verfahren einstellen.
Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, so die Bedeutung und die Auswirkungen des Pflichtverstoßes, der Grad der Vorwerfbarkeit, die Gefahr der Wiederholung durch andere, die Häufigkeit gleichartiger Verstöße, die Einstellung der Betroffenen zur Rechtsordnung und sein Verhalten nach dem Pflichtverstoß.
Ordnungswidrigkeiten
§ 85 SGB X listet in Absatz 1 (Abschnitt 3.1) und Absatz 2 (Abschnitt 3.2) abschließend Tathandlungen auf, die als Ordnungswidrigkeiten bußgeldbewehrt sind. Abhängig davon, ob es sich um eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 oder Absatz 2 handelt, richtet sich nach Absatz 3 Satz 1 die Höhe des möglichen Bußgeldes (Abschnitt 4).
Tathandlungen nach Absatz 1
Ordnungswidrig handelt nach Absatz 1, wer
- gegen die sich aus § 78 Abs. 1 S. 1 SGB X ergebende Verpflichtung zur Zweckbindung und Geheimhaltung der Sozialdaten verstößt, dies betrifft Personen außerhalb des Sozialleistungsträgers beziehungsweise der Stelle im Sinne des § 35 SGB I, die unbefugt Sozialdaten genutzt und verarbeitet haben, die ihnen ursprünglich befugt übermittelt worden sind (Nummer 1).
- bei der Auftragserteilung für eine Datenverarbeitung im Auftrag die in § 80 Abs. 2 S. 2 SGB X normierten Anforderungen nicht beachtet (Nummer 1a).
- als Auftraggeber einer Datenverarbeitung im Auftrag entgegen den Vorgaben des § 80 Abs. 2 S. 4 SGB X es unterlassen hat, sich vor Beginn der Datenverarbeitung im Auftrag beim Auftraggeber zu versichern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen technischer und organisatorischer Art zur Sicherstellung des Sozialdatenschutzes ergriffen hat (Nummer 1b).
- als Auftragnehmer einer Datenverarbeitung im Auftrag entgegen den Vorgaben aus § 80 Abs. 4 SGB X Sozialdaten anderweitig verarbeitet, nutzt oder länger speichert (Nummer 2); dies gilt auch für Vermittlungsstellen nach § 67d Abs. 4 SGB X.
- einen internen Datenschutzbeauftragten nach § 81 SGB X nicht oder nicht fristgerecht bestellt (Nummer 3).
Tathandlungen nach Absatz 2
§ 85 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB X regelt unterschiedliche Fälle eines Umgangs mit Sozialdaten, die nicht allgemein zugänglich sind. Hierunter sind Daten zu verstehen, die nicht einer beliebig großen Anzahl von Menschen bekannt oder ohne weiteres wahrnehmbar sind und von ihnen für feststehend gehalten werden. Der Täterkreis ist damit fast ausschließlich auf Bedienstete der Sozialleistungsträger begrenzt.
Ordnungswidrig im Sinne von Absatz 2 handelt, wer Sozialdaten, die nicht allgemein zugänglich sind,
- unbefugt erhebt oder verarbeitet. Der Tatbestand kann hier nur durch ein aktives Tun verwirklicht werden und ist erfüllt, wenn die Erhebung oder Verarbeitung weder durch eine Rechtsvorschrift noch durch eine Einwilligung der Betroffenen erlaubt ist (Nummer 1).
- unbefugt zum Abruf mittels automatisierter Verfahren bereithält (Nummer 2).
- unbefugt abruft oder sich oder einem anderen aus automatisierten Verfahren oder aus nicht automatisierten Dateien verschafft (Nummer 3).
- durch unrichtige Angaben erschlichen hat. Hiermit wird das falsche Vorspiegeln von Übermittlungsvoraussetzungen gegenüber dem Leistungsträger erfasst (Nummer 4).
Eine Ordnungswidrigkeit nach Nummer 5 begeht derjenige, der Sozialdaten für andere Zwecke nutzt, indem er sie an Dritte weitergibt. In diesem Fall liegt zwar gleichzeitig ein Verstoß nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB X vor (siehe Abschnitt 3.1), dieser wird aber vom Gesetzgeber als weniger schwerwiegend angesehen und tritt demzufolge zurück. Dies ergibt sich aus § 85 Abs. 3 S. 1 SGB X, weil die Katalogdaten des § 85 Abs. 1 SGB X mit einer deutlich geringeren Geldbuße geahndet werden (siehe Abschnitt 4).
Schließlich handelt nach Nummer 6 ordnungswidrig, wer der Informationspflicht nach § 83a SGB X nicht nachkommt. Dies ist bereits dann der Fall, wenn der Informationspflicht verspätet oder unvollständig nachgekommen wird.
Höhe des Bußgeldes (Absatz 3)
Die Entscheidung über die Höhe des Bußgeldes trifft die Verfolgungsbehörde im Rahmen des Ermessens. Es sind insbesondere die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, zu beachten. Bei der Bemessung des Bußgeldes sind außerdem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen; dies in der Regel aber nur dann, wenn die Geldbuße 250,00 EUR übersteigt.
Die Verstöße können nach § 85 Abs. 3 S. 1 SGB X mit der Erhebung einer Geldbuße von bis zu 50.000,00 EUR im Falle des § 85 Abs. 1 SGB X und bis zu 300.000,00 EUR in den Fällen des § 85 Abs. 2 SGB X geahndet werden, wobei für fahrlässige Handlungen lediglich eine Höchstbuße von der Hälfte dieser Beträge in Betracht kommt (§ 17 Abs. 2 OWiG). Der Mindestbetrag einer Geldbuße liegt bei 5,00 EUR (§ 17 Abs. 1 OWiG).
Mit § 85 Abs. 3 S. 2 SGB X wird bestimmt, dass die Höhe der Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil der Ordnungswidrigkeit übersteigen soll. Sofern dies innerhalb der Grenzen des Satzes 1 nicht erreicht wird, können diese Beträge nach § 85 Abs. 3 S. 3 SGB X auch überschritten werden.
Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl. I S. 1127) |
Inkrafttreten: 11.08.2010 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 17/2169 |
Durch Artikel 5 wurden in § 85 SGB X mehrere Ergänzungen vorgenommen. In Absatz 1 wurden die Nummern 1a und 1b eingefügt. In Absatz 2 wurde die Nummer 6 eingefügt. In Absatz 3 wurde in Satz 1 die Höhe der Geldbuße von 25.000,00 EUR auf 50.000,00 EUR und die Geldbuße von 250.000,00 EUR auf 300.000,00 EUR erhöht. Außerdem wurden in Absatz 3 die Sätze 2 und 3 angefügt.
Gesetz zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze vom 18.05.2001 (BGBl. I S. 904) |
Inkrafttreten: 23.05.2001 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5822 |
Durch Artikel 8 § 2 des Gesetzes zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze wurden die Buß- und Strafgeldvorschriften des BDSG und des SGB X umfassend überarbeitet und neustrukturiert. Die Vorschrift des § 85 SGB X wurde als neue Bußgeldvorschrift im Sozialleistungsbereich eingeführt. Die bisher enthaltenen Strafvorschriften wurden in den § 85a SGB X überführt.
Durch Artikel 8 § 3 des Gesetzes zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze wurden mit Wirkung ab 01.01.2002 zur Umstellung auf den Euro in Absatz 3 die Wörter „fünfzigtausend Deutsche Mark“ durch die Wörter „fünfundzwanzigtausend Euro“ und die Wörter „fünfhunderttausend Deutsche Mark“ durch die Wörter „zweihundertfünfzigtausend Euro“ ersetzt.